Danke Entli!
Mir liegt das Thema auch am Herzen, daher hole ich hier noch etwas allgemeiner aus zum Thema wissenschaftliche Publikationen, insbesondere wenn nicht Betrug im Spiel ist.
Erstmal spezifisch zu Deinen Fragen, DeinBerliner:
DeinBerliner hat geschrieben:
-Wie konnte seine Studie widerlegt werden?
- Wenn beide Beteiligten das Gegenteil behaupten, wie kann man sicher sein, wer lügt?
Etwas sehr Wichtiges beim wissenschaftlichen Arbeiten ist Nachvollziehbarkeit und gute Dokumentation. Wakefield hat die 12 untersuchten Fälle nicht als solches erfunden, aber Daten fabriziert. Das lässt sich nachweisen, wenn man in den Originalakten der Patientennachschauen geht. Interessenskonflikte und Geldquellen müssen jeweils offen gelegt werden. Wenn einer das nicht tut, liegt der Verdacht nahe, dass etwas nicht stimmt, und man schaut genauer hin. Wakefield wurde sogar seine Lizenz entzogen, er darf in GB nicht mal mehr als Arzt praktizieren.
Nun könnte es aber auch den Fall geben, dass eine Studie nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt wurde und trotzdem einen Zusammenhang zwischen Impfen und Autismus zeigt. Sollte man sein Kind dann nicht impfen? Schliesslich scheint der Effekt dann erwiesen. Doch. Es kommt eben auch darauf an, wie viele Studien KEINEN Zusammenhang gefunden haben. Wir haben es hier nicht mit deterministischen Zusammenhängen zu tun (wenn X, dann immer Y) sondern mit stochastischen Zusammenhängen (wenn X, dann ist die Wahrscheinlichkeit für Y erhöht; z.B. wenn eine Schwangere älter als 35 ist, ist das Risiko höher, dass ihr Kind eine Chromosomenanomalie aufweist). Wenn ich einen solchen Zusammenhang nachweisen möchte, nehme ich mir in der Regel eine Stichprobe an Personen und schaue, ob sich der Zusammenhang dort finden lässt. Also z.B. 1000 ungeimpfte Kinder und 1000 geimpfte Kinder, und vergleiche dann die Auftretensrate von Autismus. Kommt in meiner Studie raus, dass die geimpften Kinder viel häufiger Autismus haben als die ungeimpften (und sich sonst aber nicht von den ungeimpften unterscheiden), legt das natürlich den Schluss nahe, dass Impfen Autismus auslösen kann. Jetzt ist es aber so, dass es verschiedene Fehlerquellen gibt. Es könnte ja zufälligerweise sein, dass ich einfach ganz viele geimpfte Autismuskinder in meiner Stichprobe hatte, obwohl es eigentlich keinen Zusammenhang gibt. Streng genommen kann man jeweils nur die Aussage treffen "wenn es keinen Zusammenhang gibt zwischen Autismus und impfen, dann ist die Wahrscheinlichkeit ein solches oder extremeres Resultat zu finden kleiner als x %." Wenn es also sehr unwahrscheinlich ist, solche Resultate zu finden, obwohl kein Zusammenhang besteht, gehe ich davon aus, dass es einen Zusammenhang gibt. Klingt sehr abstrakt, ist aber das Gleiche, wie wenn ich im Alltag sage: "Wenn mein Mann mich nicht lieben würde, würde er mir bestimmt nicht regelmässig Blumen schenken und mit mir zu zweit Zeit verbringen. Weil er das aber macht, gehe ich davon aus, dass er mich immer noch liebt (auch wenn er es mir nicht ständig sagt)." Zurück zu unserer Studie: Die Wahrscheinlichkeit x kann ich abschätzen (schlauen Statistikern sei Dank). In der Praxis sagt man, dass ein Zusammenhang besteht, wenn x höchstens 5% beträgt. Das ist einfach eine Konvention. Will heissen:
Wenn ich ganz viele Studien zu Autismus und Impfen durchführe, ist damit zu rechnen, dass ca. 5% einen Zusammenhang zeigen, obwohl keiner besteht. Nicht, weil sie falsch durchgeführt wurden, sondern einfach, weil es blöd gelaufen ist und per Zufall die "falschen" Leute in meiner Studie gelandet sind. Daher bitte dick hinter die Ohren schreiben, nicht nur für Studien zum Impfen, sondern ganz allgemein: Weil mir jemand ein, zwei, drei oder auch 10 oder 20 Studien nennen kann, die etwas aufzeigen, heisst das nicht, dass dem wirklich so ist. Ich muss mir immer auch anschauen, wie viele Studien
keinen Zusammenhang finden.
Sorry für den Roman, und ich hoffe, es ist einigermassen verständlich. Sonst gerne nachfragen.