Die verlassene Cornflakes-Schüssel

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Moderator: Phönix

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Piglet
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Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Piglet »

Friedlich schläft der kleine Mann auf meinem Arm, selig sein Gesichtsausdruck. Es ist und bleibt ein Wunder...

Nach einer normalen, gegen Ende zunehmend anstrengenden SS, konnte ich die Geburt unseres zweiten Kindes kaum erwarten. Ich ging zur Akkupunktur und hatte (dadurch?) immer wieder Vorwehen. Ich freute mich darüber. Es tut sich was! Meinen GG machten sie nervös. An diesen Abenden konnte er jeweils kaum schlafen...

Am Abend des 19.1., 11 Tage vor ET hatten wir uns einmal mehr aufs Sofa verkrümelt. Während wir House of Cards schauten, wehte ich mal wieder vor mich hin. Nach etwa 90min. war der Spuk vorbei und ich genervt und müde. Es war 22.30 Uhr oder so und ich ging ins Bett um sofort in tiefen Schlaf zu versinken. GG blieb wach. Um 2 Uhr wurde ich wach von einer starken Wehe. Irritiert schaute ich auf die Uhr. Es passierte nichts mehr. Tja dann. Umdrehen und weiterschlafen. Eine Stunde später wurde ich wieder wach, wieso weiss ich nicht. Ich lag auf dem Rücken und horchte in mich hinein. Da spürte ich in mir einen elektrischen Schlag...die Fruchtblase durchfuhr es mich! Also aufgejuckt und aus dem Bett gestiegen. Tatsächlich, meine Hose wurde nass. Mein Herz machte einen freudigen Sprung, endlich! Dann aber gleich die Besorgnis, ob auch Wehen kommen... Ich ging mal ins Bad und zog mich um etc. da kam schon die erste Wehe...Yes! So gefiel mir das!
Ich ging nach unten, dort fand ich einen wachen GG vor, der mich erwartungsvoll anschaute. Huch, schon die nächste Wehe! Das ging aber zügig! Ich rief im Spital an, dort meinte die Hebi, wir sollen uns ohne Eile auf den Weg machen. Also noch ein paar Sachen packen. Plötzlich hatte ich Hunger. Eine Schüssel Schoggicornflakes musste her! Beim dritten Löffel stockte ich. Legte den Löffel hin. Schatz, wir müssen JETZT los! Es war reine Eingebung. Mein GG fragte nicht, sondern stürzte seinen Kaffee in einem Zug runter und lud die Tasche ins Auto.
Draussen war es finster. Schnee riselte vom Himmel, die Strasse hatte eine weisse Haube. Es war still. Ich schrieb meiner Wochenbetthebi, dass ich jetzt mal gebären gehe.
Die Autofahrt war unangenehm wegen der Wehen, die so alle paar Minuten kamen. Im Sitzen konnte ich sie nicht gut verarbeiten. Zum Glück war kein Verkehr, so dass wir um 3.55 Uhr im Parkhaus eintrafen. Der Weg von dort zum Nachteingang zog sich dann doch etwas... Zweimal musste ich kurz stehen bleiben. Mein GG und ich waren aufgeräumter Stimmung. Wie schon bei der Grossen war ich vom Moment wo ich wusste es geht los, komplett ruhig.
Der Portier begrüsste uns freundlich, wies uns den Weg und wünschte alles Gute.
Oben empfing uns die Hebamme. Sie geleitete uns ins Gebärzimmer. Es war 4.05 Uhr.
Wir legten ab und ich musste schon wieder veratmen. Für den Untersuch musste ich aufs Bett liegen. Unangenehm. Wehen im Liegen, geht gar nicht. Vollständig offen! Ich war nicht mal überrascht. Wollen Sie in die Wanne? Ohja, unbedingt! Ausgezogen und rein ins Wasser. Aaaahhh, so eine Wohltat! Sofort merkte ich, dass ich mich etwas entspannen konnte. Ich schloss die Augen und versuchte mich mit der Atmung in eine Art Selbsthypnose zu bringen. Keine Chance. Die nächste Wehe hatte eine solche Intensität, dass meine Arme anfingen zu kribbeln. Ich klammerte mich an die Haltegriffe der Wanne und versuchte bei Besinnung zu Bleiben. Ich tönte und stöhnte vor mich hin. Die Hebi neben mir liess mich machen. Ab und zu kamen ein paar lobende und unterstützende Worte. Genau so brauchte ich das. Mit der nächsten Wehe spürte ich eine unglaubliche Urkraft in mir. Es drückte mir die Beine so weit auseinander wie es nur ging. Ja, machen sie dem Baby Platz! Kam es von der Hebi. Mein Mann meinte nur. Oh, das wird wohl eine ähnliche Geburtszeit wie bei der Grossen, so fünf Uhr. Die Hebi erwiderte ganz trocken. Nein, das werde definitiv noch was mit vier Uhr werden. Ich sagte nichts, dafür fehlte mir die Kraft, aber ich dachte dasselbe wie die Hebi.
Irgendwann ging die Tür auf und die zweite Hebi kam herein. Das ist Vorschrift bei Hebammengeburten ohne Arzt. Ich nahm sie nur beiläufig war. Die schon anwesende sagte zu ihr: das Material für den Zugang liegt dort, es blieb keine Zeit mehr einen zu legen. Die andere machte grosse Augen und hielt sich im Hintergrund.
Wieder überrollte mich eine Wehe. Ich konnte mich nicht erinnern, bei der Grossen diese Art Wehen gehabt zu haben. Ach du scheisse (genau so ging es mir durch den Kopf), lange halte ich das nicht durch! Nicht wegen des Schmerzes, sondern wegen der Kraft die mich jede dieser Wehen kostete. Ich sehe schon das Köpfchen! Stellte die Hebi fest. Pressen sie nochmal! Nein, ich warte auf die nächste Wehe stotterte ich. Pressen sie! Okok. Ich nahm meine Kraft zusammen und presste. Flutsch. Die Hebi nahm das kleine Bündel Mensch aus dem Wasser und legte es mir auf die Brust. Ungläubig schaute ich den Kleinen an. Wie, schon da? Ich begrüsste ihn mit "Hallo kleiner Mann" und drückte ihn fest an mich. Für Tränen gab es grad keine Kraft mehr, aber ein unbeschreibliches Glücksgefühl durchströmte mich. Mein Mann kauerte neben uns und war einfach nur happy. Es war 4.24 Uhr...

Der Rest ist schnell erzählt. Ich musste kurz darauf aus der Wanne. Es wurde mir ein Zugang gelegt und auf die Nachgeburt gewartet. Die liess sich wieder etwas Zeit. Der Kleine wurde untersucht, alles tiptop. Ich wurde noch genäht, war aber halb so wild. Das Anlegen klappte zu meiner Freude sehr gut. Irgendwann dazwischen war noch Schichtwechsel. Frühstück (man, hatte ich einen Kohldampf!) und dann duschen. Zu Fuss ging es auf die Wochenbettstation. Es ging mir blendend!

Diese ersten Minuten und Stunden im Spital, frühmorgens, wenn alles noch ruhig ist, waren wie Magie. Draussen brach der Tag an und für uns hatte sich eben die ganze Welt verändert!
Etwas mehr als 24 Stunden später waren wir zu Hause...

Eine schnelle, komlikationlose Wassergeburt. Ich hätte es mir nicht zu träumen gewagt und bin sehr dankbar, dass ich nun schon zwei tolle Geburten erleben durfte.
* Januar 2013 / Grosses Mädel April 2014 / Kleiner Bub 20. Januar 2016

Ayse
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Ayse »

Woooow beneide deine geburt.. Wünsche ich mir auch..
So schön geschrieben. Alles gute euch

Alexa85
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Alexa85 »

Schön geschrieben![-]️

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Caledonia
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Caledonia »

Ich habe deinen bericht gleich als ferienlektüre verschlungen :D wunderschön geschrieben, danke vielmals fürs teilen. Das tönt nach einer richtig tollen geburt!

Yara263
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Yara263 »

So schön! [-][-]️

Snoopy2014
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Snoopy2014 »

Sehr schöner motivierender Geburtsbericht. Unkompliziert und selbstbestimmend, so wie es sein sollte. Beim nächsten reichts dann nicht mehr ins Spital. :zwinker:
Das mit den stärkeren und schnelleren Wehen beim zweiten hab ich auch so erlebt. Keine Zeit mehr um richtig entspannen zu können.

Nutella5
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Nutella5 »

wahnsinn. me fallt mer ned ih. gratuliere natürli zum 2. chind. und.. wahnsinn. toll wenns so es schöns erlebnis isch

Sunshinemom
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Sunshinemom »

Danke dir für diesen schönen Bericht

Trix
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Trix »

Danke Piglet fürs teilen, ein wunderschöner Geburtsbericht!
Die verlassene Cornflakesschüssel;-) Bei mir wars das Stück Brot.

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Viele Grüsse
Trix
mit grossem Töchterchen *1/2014 und kleinem Töchterchen *3/2016

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ashu
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von ashu »

Danke fürs teilen.
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Piglet
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Piglet »

Danke ihr Lieben!

@snoopy: Wenn sich der Kleine während der Rush-Hour auf den Weg gemacht hätte, wäre es seeeehr kapp geworden... bei einem allfälligen Dritten werden wir dann sehen ;-) Sicher würde sich mein Mann entsprechend vorbereiten müssen.

@Trix: "Die liegengelassene Brotscheibe" --- nur so ein Vorschlag ;-)
* Januar 2013 / Grosses Mädel April 2014 / Kleiner Bub 20. Januar 2016

zirkusclown
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von zirkusclown »

"Diese ersten Minuten und Stunden im Spital, frühmorgens, wenn alles noch ruhig ist, waren wie Magie. Draussen brach der Tag an und für uns hatte sich eben die ganze Welt verändert!"

Ja genau so habe ich das auch empfunden. Meine beiden Kinder kamen am Morgen früh auf die Welt, was ich einfach wunderschön fand.

Susanne39
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Re: Die verlassene Cornflakes-Schüssel

Beitrag von Susanne39 »

Warum gab es noch einen Venflon?

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