Von muhenden Kühen und lachenden Wehen; oder meine erste Geburt

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lifa2016
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Von muhenden Kühen und lachenden Wehen; oder meine erste Geburt

Beitrag von lifa2016 »

Hallo zusammen

Kurz vor der Geburt von Finn, unserem ersten Sohn, tummelte ich mich gerne in diesem Forum, las eure Geburtsberichte und stellte mir vor, wie es wohl bei uns werden würde. Deshalb möchte ich nun auch unsere Geschichte (Achtung Lang!) mit euch teilen und hoffe, dass es doch der ein oder anderen Mut macht, Vorfreude weckt oder auch einfach nur die Wartezeit vertreibt :)

Unsere Geschichte begann am Freitag den 16. September 2016. Ok, streng genommen begann sie rund 9 Monate früher :mrgreen: . Aber überspringen wir diese 9 Monate Gewichtszunahme, Übelkeit, Hormongeladene Heulkrämpfe und starten einfach beim 16. Sept mit einer ungeduldigen, schlaflosen und leider auch kranken Schwangeren. Genau. Ich war Erkältet, hatte Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und leicht Fieber. Und das alles bei 39+1. GG wollte unbedingt, dass ich auf die Gebärabteilung von unserem auserwählten Spital anrufe und frage, was wir machen sollen. Zunächst weigerte ich mich, da ich eigentlich wusste was für eine Antwort kommen würde. "Kommen Sie vorbei, dann können wir das genauer anschauen." Darauf hatte ich Freitag Abends um 23:00 Uhr eigentlich keine Lust.
Doch nach einigem hin und her, hatte GG gewonnen und ich rief widerwillig an. So sassen wir 30 Minuten später im Auto, die Kliniktasche im Kofferraum, und fuhren ins Spital.
GG: "Ich hab's im Gefühl, dass wir nicht mehr nach Hause kommen heute."
Ich: "Quatsch! Bin ja nur erkältet und hab noch nicht mal regelmässige Wehen."

Es sollte sich zwei Stunden später herausstellen, dass wir beide recht hatten. Die Blutuntersuchung ergab: Kein Infekt, also Entwarnung. Huch, Glück gehabt. ABER!
Ärztin: "Sie haben zu wenig Fruchtwasser. Es ist nur noch ein ganz kleiner Rest übrig. Das ist nichts schlimmes und deutet einfach darauf hin, dass Ihre Plazenta bereits altert. Wie gesagt, in dieser Schwangerschaftswoche absolut nichts schlimmes, aber wir empfehlen so rasch wie möglich die Geburt einzuleiten."
Ööööööhm Moment mal! Time Out. In meinem Hirn ratterte es. Ich schaute zu GG. Bei ihm rasten die Gedanken. Schock. Wir waren doch nur wegen einer Erkältung da. Wir haben mit Paracetamol und einem "Rufen Sie an, wenn Sie regelmässig Wehen haben" gerechnet. Panik stieg in mir auf. Nachdem ich wochenlang auf diesen Moment gewartet hab, dachte ich jetzt nur noch: "Stoooop, ich bin noch nicht bereit Mutter zu werden. Ach du sch*** ein Baby!" GG behielt, zumindest gegen Aussen, einigermassen die Nerven und fragte weiter nach.
Letztendlich sah auch ich ein, es geht um die Gesundheit vom kleinen Schatz. Das war wohl der Zeitpunkt an dem wir unseren eigenen Bedürfnissen vorläufig auf Wiedersehen sagten. Ab jetzt entscheidet der Kleine Wurm was wann wie und wo gemacht wird ;).

Zurück zum "technischen" Ablauf. Die Ärzte wollten gleich Einleiten. Es war mittlerweile 2 Uhr morgens, GG und ich völlig k.o. und nun noch sehr aufgewühlt bei dem Gedanken, dass wir jetzt Eltern werden. Wir einigten uns mit den Ärzten, dass wir nochmals nach Hause Schlafen gehen (haha, suuuper Idee!!! Das mit dem Schlaf klappt auch wunderbar in einer solchen Situation :roll: ) und am nächsten Morgen um 11 Uhr vorbeikommen um Einzuleiten.

Samstag Morgen, ein wunderschöner Tag. Frisch ausgeruht, frisch geduscht und heiteren Gemüts waren wir auf dem Weg unser Kind zu bekommen. So hatten wir uns es zumindest vorgestellt. Realität: Augenringe so dick wie Autoreifen, "frisch" geduscht mit dem Katergefühl in den Knochen, schweigend nervös sassen wir im Auto. Zuvor wurde noch rasch zwischen Tür und Angel ein letztes Bauchfoto gemacht. GG hatte vor lauter Nervosität noch eine zweite Kliniktasche gepackt. :lol: Wir hätten mit dem ganzen Gepäck für zwei Wochen in die Ferien fahren können...
Dieser Teil der Geburt nennen wir heiteres Warten.
Im Spital zog sich das Ganze aber dann doch wieder ewigs. Man wollte warten, bis ich allenfalls auf natürlichem Weg noch regelmässige Wehen bekomme. Die Wehen waren zwar da, aber sie entschieden sich nach dem Chaosprinzip zu kommen. So watschelten wir Treppen hoch und runter, massierten den Bauch mit Nelkenöl etc etc. Nichts half, Sohnemann wollte einfach noch nicht. Was ich ihm auch nicht verübeln kann ;)
So bekamen wir um 17 Uhr das Hormonzäpfchen. Ab einem gewissen Zeitpunkt ohne Schlaf, merkt man gar nicht mehr, dass man ja eigentlich hundemüde ist. Also spassten wir wieder rum, Treppen wieder hoch und Runter, 3 mal ums Spital laufen.
Die Wehen kamen nun regelmässig und stärker. Ich musste sie auch schon veratmen. Aber es war immer noch sehr gut aushaltbar. Wir spassten rum und befanden beide: "Also soooo schlimm wie alle immer sagen, finden wir die Geburt jetzt wirklich nicht." So naiv kann man auch nur beim ersten Kind sein :roll:

Wir näherten uns Mitternacht und die Hebamme meinte, ob ich nicht mal in die Wanne wollte um die Wehen etwas zu fördern. Gesagt, getan und 10 Minuten später sass ich spassend in der Wanne. GG und ich fanden es äusserst amüsant. Was genau, weiss ich eigentlich gar nicht mehr. Schön brav verarbeiteten wir 3 Wehen in der Wanne. Dann kam Nr. 4. Und das Lachen verschwand jäh aus meinem Gesicht. "Holy sh****!!!! Was war das?!?!?!" In meinem Uterus schien etwas förmlich zu explodieren und gleichzeitig ein Schmerz, den ich überhaupt nicht kannte und mir die Eingeweide zerriss. Die Hebamme grinste: "So, dass wäre die Fruchtblase gewesen und die erste richtige Geburtswirksame Wehe." GG und ich schauten uns an. GG einen hilflosen Sch**-ich-hab-keine-Ahnung-was-ich-machen-soll-Blick. Und ich wusste nicht ob ich Lachen oder Weinen soll. Was ich wusste, ich wollte so schnell wie möglich aus der Wanne raus. Nach einer zweiten "Geburtswirksamen" Wehe, kletterte ich unbeholfen mit wackeligen Beinen aus der Wanne. GG schaute mir noch rasch beim Klogang zu und half mir dann mich anzuziehen.
Die nächste Wehe kam und ich muss leider zugeben, ich bin doch keine leise Gebärende. GG bezeichnete mich oder besser gesagt die Laute die ich in jeder Wehe von mir gab "Eine Kuh die gerade gemetzget wird". Das hätte ich nie von mir erwartet. Nun denn, man erkennt als Mutter und besonders als Gebärende Seiten an sich, die man vorher so eh nicht gekannt hatte.
Die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen. Was zunächst erwünscht war, war nun definitiv zuviel. Wehen pausenlos. Dieser Teil der Geburt würde ich "und sie gingen durch die Hölle" nennen. Vom Wehen einleiten haben wir inzwischen zu Wehen hemmen gewechselt, doch die einzige Wirkung, die einsetzte war ein extremes Zittern. Die Wehen kamen weiterhin nonstop. Dies ging ungefähr 3 Stunden. Zugegebenermassen war ich mittlerweile in einer Art Delirium und nahm nur noch Wehen war. Daher was folgt, weiss ich auch nur aus GGs Erzählungen.
Angeblich sackten plötzlich die Herztöne des Kleinen zu stark ab. So entschieden Hebamme und GG das es jetzt Zeit für eine PDA ist. Nicht 5 Minuten später stand der Anästhesist im Raum. Meine Begrüssung: "Fluchwort-fluchwort-fluchwort, was soll die Sch***, das nächste mal gibts sofort einen Kaiserschnitt!" Bitte kein falsches Bild haben, ich fluche sonst nicht soooo viel.
Da ich pausenlos Wehen hatte, dauerte es etwas bis die PDA gesetzt war. Aber was für eine Erleichterung!!!! Ein Traum! Ich konnte wieder grinsen. Diesen Teil der Geburt würde ich die Auferstehung nennen. Ich war wieder unter den "Zurechnungsfähigen". So bekam ich auch mit das MuMu erst 3cm offen ist. Na toll die letzten 3 Stunden Dauerwehen für nur 3cm, dachte ich zunächst. Aber dann kam mir in den Sinn, was GG und ich besprochen hatten. Wir wollten jede Wehe positiv sehen und jeden cm ist einer weniger. So besann ich mich. Aber heimlich hatte ich die Sorge, dass nun die PDA alles noch verlangsamen würde. Es sollte sich herausstellen, dass die Sorge unbegründet ist. Nach all den Strapazen, schliefen wir ein wenig.

Sonntag Morgen, erneuter Schichtwechsel bei den Hebammen. Wir trafen wieder auf jene Hebamme, die uns am Tag zuvor um 11 Uhr in Empfang nahm. Es war ein nebliger Tag. MuMU 9cm! Yeeeeeeeesssss. GG und ich ich hatten wieder eine riiiiesen Freude. 9cm und das halb schlafend. Geburt ist ja doch voll easy :lol: :P Wir rissen also wieder Witze im Kreissaal und die Hebamme musste gleich mitlachen. Die brüllende Kuh lebte wieder :mrgreen:
Um 9 Uhr waren wir bei den vollen 10cm. Die Hebamme machte Tücher und heisses Wasser bereit, worauf GG und ich wieder in einen Lachkrampf fielen. Wie im Film hahaha. Zwei Kinder im Kreissaal, kam es mir teilweise vor. Die Ärztin sah kurz bei uns vorbei und stellte sich vor. Ab jetzt durfte ich mitpressen. Trotzt PDA spürte ich die Wehen noch. Nicht schmerzhaft aber als einen sanften Druck gegen unten. So begann ich langsam bei jedem Druck nach unten mit zu drücken.
Plötzlich wurden die Wehen wieder schmerzhaft, fast wie in der Nacht. Nur mit Pausen diesmal, was es doch wieder erträglich gemacht hatte.
Irgendwie hatte ich das mit dem Pressen noch nicht ganz raus und drückte mehr Luft in den Kopf, worauf ich aussah wie eine überreife Tomate kurz vor dem Platzen. Dies führte zu einem weiteren Lachkrampf von allen 3 mitten in einer Wehe. Lachen hilft echt gut gegen den Schmerz ;). Diesen Teil der Geburt nenne ich Wehen zum Lachen.
Dank einer einfühlsamen und erfahrenen Hebamme lernte aber auch ich noch richtig pressen und so war schon bald das Köpfchen zu sehen. GG wagte einen kurzen Blick, ich dachte "Sexleben Ade" und ich durfte das Köpfchen fühlen gehen <3. Und so spürte ich zum ersten mal unseren Sohn ausserhalb meines Bauches.
Von da an ging es aber irgendwie plötzlich nicht mehr weiter. Ein zu fester Damm und ein Sohnemann, der um 90Grad gedreht kommen wollte, brachte alles ins Stocken. Ein Dammschnitt musste gemacht werden. Na toll, das nächste mal spare ich mir das ganze Damm-Massage Zeugs gleich von vorn herein. Ich musste die nächste Wehe ankündigen und ohne dass ich es gesehen hab, holte die Ärztin die Schere raus und schnitt während der Wehe. Ich spürte absolut nichts, nur dass plötzlich ein enormer Druck verschwand. Und im gleichen Augenblick sah ich unseren Sohn. Es war 12:27 und unser Leben hat sich in dieser einen Sekunde um 180 Grad geändert. Und schon war auch der erste Schrei da. Ich schaute zu GG und wir beide weinten einfach nur noch um diesen wunderschönen Augenblick.

Abschliessend kann ich sagen, dass es ein wunderschönes (teilweise auch lustiges) Erlebnis war, dass ich nicht missen möchte. Trotzt Einleitung, nonstop Wehen und Dammschnitt. Auch ich habe zuvor viele Horrorstories von eingeleiteten Geburten und Dammrissen und -Schnitten gelesen. Doch auch mit alledem, kann man eine wunderschöne Geburt erleben. Klar bin ich dankbar, dass es bei uns so schnell ging und wahrscheinlich wäre auch mein Erlebnis anders, wenn es sich über Tage hingezogen hätte. Aber er kann auch anders gehen und man sollte sich von all den Geschichten nicht zu viel Angst einjagen lassen. Letztendlich ist auch jede Geburt, wie jedes Kind einzigartig :)

Genug der neunmalklugen Sprüche, ich bin gespannt auf unsere nächste Geburt (falls wir nochmals dieses Glück haben dürfen).

LG
lifa
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Amlina
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Re: Von muhenden Kühen und lachenden Wehen; oder meine erste Geburt

Beitrag von Amlina »

Herzlichen Glückwunsch zu eurem kleinen Sohn und danke fürs Teilen deines Geburtsberichts, total schön und witzig geschrieben. :mrgreen:
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Leela
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Re: Von muhenden Kühen und lachenden Wehen; oder meine erste Geburt

Beitrag von Leela »

Herzlichen Glückwunsch, toll geschrieben! :-)
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Netterl
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Re: Von muhenden Kühen und lachenden Wehen; oder meine erste Geburt

Beitrag von Netterl »

Musste sooo lachen!
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Smarties
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Re: Von muhenden Kühen und lachenden Wehen; oder meine erste Geburt

Beitrag von Smarties »

toll geschrieben, musste selber gerade mitlachen :D
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