Ganz anders als erwartet...

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Chrissie
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Ganz anders als erwartet...

Beitrag von Chrissie »

Als ich meiner Mutter erzählte dass ich schwanger bin war ihre erste Reaktion mir zu erzählen wie lange und schmerzhaft eine Geburt ist. Und dass ich AUF JEDEN FALL SOFORT eine PDA bestellen soll wenn ich im Spital ankomme. Weil alles andere (Atmen, Globuli und was auch sonst die Hebammen noch so können) bringe überhaupt nichts.

Im meinem Freundeskreis bestätigte sich diese Aussage. Die ersten Geburten dauerten lange und ein grosser Teil endete in einem Kaiserschnitt.

Irgendwann bekam ich vom Spital das Formular für die Geburtsinfo zugeschickt auf dem ich meine Wünsche ausfüllen sollte.
Ich überlegte mir ob ich auf meine Mutter hören und „ich will auf jeden Fall eine PDA und zwar so früh wie möglich“ drauf schreiben soll.
Fast ein bisschen aus Trotz entschied ich ich das Gegenteil zu schreiben: PDA soll nicht aktiv vorgeschlagen werden ausser sie sehen einen medizisch begründeten Vorteil darin. Zuerst sollen alle anderen - nicht medikamentösen - Möglichkeiten zum Zuge kommen.
Ausserdem wünschte ich mir möglichst viel Zeit im Wasser zu verbringen.

Im Geburtsvorbereitungskurs sprachen wir an einem Abend über unsere Ängste bezüglich der Geburt. Ich dachte während einem langen Spaziergang darüber nach. Ich realisierte, dass ich eigentlich keine Angst vor den Schmerzen habe. Ich hatte grossen Respekt davor, aber keine Angst.
Angst machte mir aber die Tatsache, dass mein Wunschspital recht beliebt ist und es vorkommt, dass sie eine Frau an ein anderes Spital verweisen muss. Die Spitalwahl war so das einzige an der Sache was ich wirklich beeinflussen konnte. Die Vorstellung zu erfahren dass ich nicht dorthin kann fand ich gar nicht prickelnd. Das würde mich ziemlich aus dem Konzept bringen.
Ausserdem hatte ich ein bisschen Angst gerade Pech zu haben und das Gebärzimmer ohne Badewanne zu bekommen.

ich versuchte mich mental auf die Geburt vorzubereiten. Übte mich auf meine Atmung zu konzentrieren, stellte mir vor wie mein Mann mich unterstützt und motiviert. Die Atmung „übte“ ich bei langen Spaziergängen. Ich kam immer auf einen Rhythmus von 3 Einatmen / 5 Ausatmen, das schien einfach „richtig“.
Spitaltasche war schon länger gepackt. Sogar 2 Taschen. Eine für die Aufenthalt, eine für die Geburt. Diese hatte so ziemlich alles drin was man eventuell brauchen könnte während einer Geburt. Gatorade (meine Geheimwaffe bei längeren Läufen, also bringt es vielleicht auch etwas um noch etwas Energie zu bekommen bei einer langen Geburt), Gummibärli, Salzstangen. Und Cola, Ice Tea, Twix für meinen Mann. Ausserdem leistete ich mir noch neue bequeme Shorts und ein weites Trägershirt.

Im der Märzei Facebook Gruppe purzelten schon die ersten Babies und viele schrieben über Vorsehen, Ziehen im Bauch und verlorene Schleimpfröpfe.
Bei mir tat sich nichts. FA Besuch 9 Tage vor ET am Freitag zeigte zwar, dass der Kleine schon gut im Becken liegt und der Muttermund nicht mehr allzu lange ist. Sie massierte mir noch ein bisschen den Muttermund, falls alles bereit wäre könnte das in den nächsten Tagen die Geburt auslösen.
Nächster Termin war bei ET+1 geplant - ich wünschte mir diesen bereits im Spital zu machen um mal zu sehen wie die dort so drauf sind.
Akupunktur hatte ich auch noch an dem Tag. Und weil wir schon an geburtsfördernden Massnahmen waren gab es am Samstag noch Wehentee (Nelken / Zimt / Eisenkraut / Ingwer) und Sex.
Alles zusammen führte zu einem leichten Ziehen im Bauch. Aber so fein dass es auch nur eingebildet sein könnte. Und konstant, nicht irgendwie regelmässig. Und schon am Mittag war es wieder weg.
Tja, dann war halt noch ein bisschen warten angesagt. Eigentlich ja auch ok, hatte ja keine Probleme mit der Schwangerschaft.

Am Sonntag Morgen erwachte ich um 7 Uhr. Auf dem WC entdeckte ich, dass sich der Schleimtropf gelöst hatte. Aber das muss ja noch nichts heissen. Da war auch so ein leichtes ziehen das sich ab und zu bemerkbar machte. Während dem Frühstück musste ich mal kurz warten mit weiter essen weil mein Bauch zog.
Sicherheitshalber packte ich die letzten Sachen in die Spitaltasche.
Ich verzog mich aufs Sofa und schaute eine Serie auf Netflix. 2 Episoden schaffte ich. Immer noch zog es im Bauch, etwa alle 15 Minuten. Ich ging zu meinem Mann der im Büro/Schlafzimmer am Computer arbeitete, gab ihm ein Update über die Situation und bat ihm auch noch seine Sachen in die Tasche zu schmeissen.
Während er packte legte ich mich aufs Bett. Aus dem Ziehen wurden Wehen die ich veratmen musste. Wie geübt zählte ich 3 Atemzüge ein / 5 Atemzüge aus. Und ich realisierte, dass eine Wehe wirklich nicht ewig dauerte sondern nur etwa 5-7 solcher Ein/Aus Zyklen. Auch waren von diesen nur 3 wirklich schmerzhaft, der Rest war erträglich. Und die Pausen dazwischen waren total erholsam.

Da innert kurzer Zeit die Wehen alle ca 5 Minuten kamen und mehr als eine Minute lang waren entschied ich um 11 Uhr einmal im Spital anzurufen. Ich erzählte der Hebamme wie die Situation ist. Wahrscheinlich wäre besser gewesen auch eine Wehe zu haben während ich mit ihr sprach. Sie hatte sicher das Gefühl ich hätte noch keine richtigen Schmerzen so locker wie ich mit ihr plauderte. Wie zu erwarten wies sie mich an zuerst einmal in die Badewanne zu gehen und mich danach eine halbe Stunde hinzulegen.
Während die Badewanne sich füllte stand ich daneben und stütze mich auf dem Wannenrand ab. Mein Mann massierte mir den Rücken wie er es im Kurs gelernt hatte.
Im ersten Moment konnte ich mich im Wasser entspannen. Aber schon die nächste Wehe war einiges schmerzhafter als die vorher. Ich konzentrierte ich vollkommen darauf die Wehen zu veratmen und mich dazwischen zu erholen. Ab meisten half mir mich einfach auf die aktuelle Wehe zu konzentrieren, zu spüren wie sie stärker wurde, die Spitze zu vertatmen und dann wieder zu spüren wie sie schwächer wurde. Und danach zurücklehnen und entspannen. Die Vorstellung, dass es jetzt noch stundenweise so weiter geht machte mir etwas Angst, was ich meinem Mann auch mitteilte. Er meinte ich sei ja ingesamt schon fast 4 Stunden dran, vielleicht hätte ich die Hälfte schon überstanden. Das konnte mich irgendwie aber auch nicht extrem aufbauen…

Nach einer Weile teilte mir mein Mann (der brav auf einer App die Wehenabstände und -dauer stoppte) mit, dass die Abstände jetzt nur noch 3 Minuten sind und ich vielleicht nochmals im Spital anrufen sollte.
Ich kletterte wieder aus der Wanne und rief nochmals an. Diesmal war es kein lockeres plaudern mehr. Der Anruf dauerte nur noch 45 Sekunden und die Hebamme meinte es sei wohl jetzt ok mich langsam auf den Weg zu machen.
Während dem anziehen merkte ich noch, dass die Fruchtblase geplatzt war.
Mein Mann rief ein Taxi, auch das ein kurzes Telefon: brauche ein Taxi ins Spital Z, meine Frau hat Wehen.
Mir graute vor der Taxifahrt… Aber die Wehen waren besser zu ertragen als in der Badewanne. Konnte sie ruhig verarmen. Sie waren irgendwie anders, eher nach unten drückend. Die Abstände waren aber immer noch sehr kurz. Zum Glück war Sonntag und kein Verkehr auf der Strasse.
Das Spital das wir uns ausgesucht hatten ist nicht das nächste von zu Hause. Als wir am zweiten Spital mit Geburtsabteilung vorbei fuhren machte mein Mann noch Witze, dass die heutigen Frauen immer ihre Sonderwünsche haben müssen und nicht einfach ins nächste Spital fahren können.
Nach knapp einer halben Stunde waren wir im Spital. An der Tür zur Geburtsabteilung wurden wir von 2 Hebammen (1 davon in Ausbildung) in Empfang genommen die mich sogleich bei der nächsten Wehe unterstützten. Irgendwie hatten sie etwas sehr beruhigendes. Wie folgten ihnen in den Gebärsaal, es war einer mit Badewanne. Wobei ich mir nach der Erfahrung in der Badewanne zu Hause nicht mehr sicher war ob ich nochmals ins Wasser will.
Zuerst sollte ich sowieso aufs Bett damit sie schauen konnten wie weit ich bin. Die Hebamme in Ausbildung drückte an meinem Bauch herum im die Lage des Babies zu bestimmen. Es dauerte (gefühlt) ewig, also sagte ich ihr wie der kleine beim FA Termin vor 2 Tagen lag. Währenddessen hatte ich eine oder zwei Wehen, daher war mein Ton wahrscheinlich nicht allzu freundlich. Ihre Kollegin meinte vielleicht sollten wir jetzt mal schauen wie weit ich bin - es könnte ja sein dass ich schon recht weit. Ich sagte ihr, dass ich das bezweifle weil es ja zu schön wäre wenn die Geburt so schnell vorbei ist. Sie halfen mir meine Hosen auszuziehen. Sie warf nur einen Blick nach unten und sagte: ich seh den Kopf - wenn möglich bei der nächsten Wehe nicht pressen. Nach dieser Wehe kam noch eine Ärztin ins Zimmer und setzte sich neben mich. Mein Mann stand auf der anderen Seite. Bei der nächsten Wehe durfte ich langsam pressen und spürte wie der Kopf alles dehnte. Ich versuchte ganz vorsichtig zu sein damit nichts reisst. Noch eine Wehe später war der Kopf draussen und der Kleine meckerte schon einmal ein bisschen. Und noch eine Wehe später war er da und ich konnte ihn zu mir nehmen - 12.52, nicht einmal eine halbe Stunde nachdem wir im Spital angekommen waren.
Mein Mann setzte sich zu uns und wir konnten unseren Sohn zum ersten Mal kuscheln.
Ich hatte nur zwei Schürfungen an den Schamlippen die genährt werden mussten, war aber absolut schmerzlos.
Wir konnten fast 2 Stunden im Gebärsaal sein zusammen und unseren Kleinen betrachten.
Danach konnte ich duschen und wir zügelten ins Spitalzimmer. Scheint es war wirklich unser Glückstag, das grosse Familienzimmer war gerade am Morgen frei geworden so dass wir alle 3 einziehen konnten.
Junior März 2017
* Juni 2018 (10 SSW)
J April 2019

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Caledonia
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Re: Ganz anders als erwartet...

Beitrag von Caledonia »

Herzlichen Glückwunsch, Chrissie, das tönt nach einer wunderschönen ersten Geburt! Danke fürs Teilen des Geburtsberichtes.

Angie222
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Re: Ganz anders als erwartet...

Beitrag von Angie222 »

Wenn so meine Geburten gewesen wären würde ich noch 5 Kinder bekommen wollen [-][-][-] sehr schön

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Lorelei
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Re: Ganz anders als erwartet...

Beitrag von Lorelei »

So schön geschrieben! Das macht doch Mut! :-) Nochmals herzliche Gratulation zum Baby Boy.
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