Scheu in der Lehre

Die Zeit des Erwachsenwerdens

Moderator: Züri Mami

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F. Scarpi
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von F. Scarpi »

carina2407 hat geschrieben: So 3. Mär 2019, 19:43 Also ich finde halt auch mit 15 ist es noch oft zu früh. Ich fände es besser eine Lehre erst mit 17/18 zu starten, dafür aber die reguläre Schulzeit zu verlängern, innerhalb davon mit der Möglichkeit, aufs Gymi/Kanti zu wechseln, oder eben nach der regulären Schulzeit eine Lehre zu starten.
Die Schule müsste dann auch die Möglichkeit nach mehr praktischen Fächern beinhalten. Ich habe irgendwo mal einen Vorschlag gelesen, weiss nicht mehr wo. Vielleicht finde ich es noch...

Sunne,
auch in diesen Hauswirtschafts- und Au-Pair-Jahren können junge Leute ausgenützt und überfordert werden, bis hin zur Fahrlässigkeit und darüber hinaus, weshalb es nicht per se schlimmer ist über diese Art von Zwischenjahr "die Nase zu rümpfen" als über Praktika, die theoretisch so lehrreich und gut begleitet sein können wie ein Jahr in einem fremden Haushalt.
Den Rest lasse ich jetzt mal. Ich habe es offenbar nicht geschafft mich verständlich auszudrücken.
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newearth84
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von newearth84 »

Pastina hat geschrieben: So 3. Mär 2019, 21:37 @ newerth84
Also wenn man einem Lehrling Anfangs Lehre zuerst lernen muss, dass man sich begrüsst und der Lehrling dies nach einem halben Jahr immer noch nicht kann oder will, finde ich es alles andere als übertrieben, wenn man ihm dann mal langsam die Kündigung androht! Willkommen im Leben !
Ja, hast recht, wenns gar nicht geht nach 6 Monaten, wirklich etwas anders lernen, wo man weniger Kundenkontakt hat... Denn falls es wirklich am Charakter liegt, ist es besser sie nicht zu brechen. Ich kannte halt viel introvertierte Mitschülerinnen, welche als Lehrgangbeste abgeschlossen haben. Liegt vielleicht wirklich am Job. Ging nicht davon aus, dass Maler soooo viel Kundenkontakt hat... Denn während der Bauphase sind ja die Wohnungen nicht besetzt.

Nette : hatte sie eigentlich eine Laufbahnberatung gemacht bevor sie die Ausbildung angefangen hat?
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Hausdrache
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von Hausdrache »

Habe nun etwas quer gelesen. Habe vier Kinder, sehr unterschiedlich, was solche Dinge angeht. Es liegt also definitiv nicht an der Erziehung. Unsere Grosse, sehr kontaktfreudig, eher übersteigertes Selbstwertgefühl, geht auf jeden zu. Sie arbeitet auf dem Bau und kann da schonmal die Männer in die Schranken weisen. Sie hat schon schwierige Gespräche geführt und das obwohl sie bereits mit 14 Jahren in die Lehre kam und heute mit 19 auch mal eigene Baustellen führt.
Unsere Zweite war immer schon zurückhaltend, bringt den Mund kaum abeinander, wenn sie die Leute nicht kennt, macht lieber nichts als etwas Falsches. Da sie auch sonst in meinen Augen einfach unselbständiger war als ihre Schwester, haben wir uns für ein Welschlandjahr entschieden. Einfach, damit sie mal alleine klar kommen musste. Es gab viele schwierige Momente in dem Jahr. Sie musste lernen, fremde Menschen um Hilfe zu bitten, sich zu organisieren, sich auch zu öffnen. Es hat gut getan, aber trotzdem, war dann der Lehrstart noch schwierig.
Auch jetzt, im zweiten Lehrjahr ist sie halt immernoch eher zurückhaltend. Auch sie, in einem Bauberuf, wie die grosse Schwester, aber ganz anders unterwegs.

Was ich aber sagen kann, was ganz klar der Fall ist: Bau ist rauh und direkt. Oft ist man im Zeitdruck, es muss vorwärts gehen. Das macht lustigerweise den Jungs nicht so viel aus, Mädchen aber tun sich damit ganz schön schwer. Auch die Sprache ist eine andere, als was sie sich von der Schule gewöhnt sind. Jungs kennen das tendenziell schon. Auch sind es oft Jungen, die aus Handwerksbetrieben oder von Bauernhöfen kommen, die sich gewöhnt sind, dass es mal gewittert und dann wieder gut ist. Mädchen, wenn sie das nicht schon von zu Hause aus kennen, schüchtert das eher ein. Unsere Grosse nahm das gelassen, sie hat am Anfang zwei dreimal gefragt. Unsere Zweite nimmt das sofort auf ihre Kappe. Beispiel: Sie sind im Zeitdruck, das Dach muss dicht werden, weil Sturm angesagt ist, es ist fünf vor Vier, Freitnachmittag. Alles ist gereizt, angespannt, sie spürt das und es lähmt sie. Dann kommt ein Arbeitsauftrag, den sie noch nie gemacht hat zuvor, sie hätte einige Fragen, sieht nicht sofort, was von ihr erwartet wird, reagiert zu langsam, das Donnerwetter bleibt nicht aus. Es hat viel Zeit gebraucht, ihr zu erklären, dass es klar so ist, dass ihre Handlung zu diesem Ausbruch führte, aber dass die Heftigkeit des Ausbruchs an der Situation und nicht an ihr liegt.
Mir hat der Lehrmeister unserer Grossen, selber Vater von vier Töchtern, mal folgendes gesagt: Bei Frauen muss einfach alles stimmen. Am Meisten aber die Beziehung zu den Vorgesetzten und Mitarbeitern. Sie sind feinfühliger, brauchen mehr Lob und Bestätigung und eigentlich nicht wirklich Kritik, weil sie oft mit sich selber schon sehr kritisch sind. Das haben wir nun dem Lehrmeister unserer Zweiten auch gesagt und seit sie sich auf das konzentrieren, was gut läuft und sie da bestärken und nur noch ganz wenige, dafür gezielte Dinge verbessern mit ihr, geht es viel besser.

Was Dinge wie Uhr und Brille angeht. Oft sind Jugendliche in dem Alter so, dass sie auf der Baustelle sind, dann Feierabend und alles geht vergessen. Da muss man mit ihr anschauen, wie sie solche Dinge nicht mehr vergisst. Einen Wasserfesten Stift, mit dem sie ein Zeichen auf die Hand malen kann in den Rucksack, oder mit ihr anschauen, dass sie solche Dinge im Handy speichert, oder... Ich könnte mir vorstellen, dass es da noch an Strategien fehlt. In der Schule läuft heute alles über Chats, wenn man die Husi nicht mehr weiss liest man sie im Klassenchat nach. Das läuft nicht, wenn man alleine in der Lehre ist.

Ich hoffe, ihr findet einen Weg. Ich mache bisher sehr positive Erfahrungen mit Lehre, unsere eher theotrisch starken Damen haben enorm viel gelernt, nicht nur im Beruflichen, sondern auch menschlich und im erwachsen werden. Es geht nicht immer problemlos, aber das geht es bei den Wenigsten. Jeder hat so seine Baustellen, wo er oder sie noch wachsen kann.

Was auch hilfreich sein kann, Verantwortung übergeben im Sinne von: Wir brauchen von dir, was brauchst du von uns, damit das klappen kann? Die Jugendlichen sollen überlegen und mitteilein, was sie brauchen, damit sie erfüllen können. Oder wo sie scheitern und einen guten Input oder ein Mitdenken brauchen können, damit es dann doch klappt. Ihr könnt alle für sie wollen und überlegen, das wird nichts bringen. Sie muss selber wollen und Ideen haben.
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F. Scarpi
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von F. Scarpi »

Hausdrache, spannendes Posting und auch konkrete Tipps, danke.
Junge Erwachsene wie deine Älteste sind natürlich bestens unterwegs. Das ist toll für sie, und ich bewundere diese.
Für deine Zweite ist es viel schwieriger, aber das (Berufs-)Leben dauert noch sehr lange. Ihre Schwierigkeiten könnten ihr dafür später einmal helfen, wenn sie vielleicht mal in dieser harten Branche ein Team führt, wer weiss, mit besonderer Empathie mit (unsicheren) Lernenden und anderen Mitarbeitenden umzugehen.
Hausdrache hat geschrieben: Mo 4. Mär 2019, 06:49 Beispiel: Sie sind im Zeitdruck, das Dach muss dicht werden, weil Sturm angesagt ist, es ist fünf vor Vier, Freitnachmittag. Alles ist gereizt, angespannt, sie spürt das und es lähmt sie. Dann kommt ein Arbeitsauftrag, den sie noch nie gemacht hat zuvor, sie hätte einige Fragen, sieht nicht sofort, was von ihr erwartet wird, reagiert zu langsam, das Donnerwetter bleibt nicht aus. Es hat viel Zeit gebraucht, ihr zu erklären, dass es klar so ist, dass ihre Handlung zu diesem Ausbruch führte, aber dass die Heftigkeit des Ausbruchs an der Situation und nicht an ihr liegt.
Rein vom Lesen dieser Situation her, würde ich sogar sagen, auch der Ausbruch selber, nicht nur die Heftigkeit, muss sie nicht allein auf ihre Kappe nehmen. Dass sie Fehler gemacht hat und daraus lernen muss, ist klar, aber wenn ausgelernte Mitarbeiter, die diese Situation bestimmt nicht zum ersten Mal haben, einer Lernenden einen Auftrag geben, den sie noch nie gemacht hat, können sie nicht damit rechnen, dass es klappt. Wenn sie dann ausflippen, ist das auch ihr Fehler. Nicht, dass es nicht verständlich wäre, auch Chefs sind Menschen und können nicht perfekt sein. - Genau wie die Jugendlichen auch!
Zuletzt geändert von F. Scarpi am Di 5. Mär 2019, 09:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von carina2407 »

F. Scarpi hat geschrieben: So 3. Mär 2019, 22:59
carina2407 hat geschrieben: So 3. Mär 2019, 19:43 Also ich finde halt auch mit 15 ist es noch oft zu früh. Ich fände es besser eine Lehre erst mit 17/18 zu starten, dafür aber die reguläre Schulzeit zu verlängern, innerhalb davon mit der Möglichkeit, aufs Gymi/Kanti zu wechseln, oder eben nach der regulären Schulzeit eine Lehre zu starten.
Die Schule müsste dann auch die Möglichkeit nach mehr praktischen Fächern beinhalten. Ich habe irgendwo mal einen Vorschlag gelesen, weiss nicht mehr wo. Vielleicht finde ich es noch...

Das fände ich super, man könnte Wahlfächer machen, klar bräuchte es dazu fähige Lehrkräfte, die das drauf haben, ist mir klar, dass es nicht so einfach ist.Ich stelle mir das wie so eine Art Vorlauf auf Lehre und Berufsschule vor, und die Jugendlichen hätten mehr Zeit, sich zu überlegen, ob das überhaupt was für sie ist und ob die Richtung stimmt. Oder man macht aus den 3-Jährigen eine 4-Jährige Lehre, mit dem Fokus im ersten Jahr auf viel mehr Einführungskurse mit wichtigen Grundlagen zur Erlernung des Berufes. Ich finde es einfach so wie es jetzt ist, nicht optimal, 9 Jahre Theorie, die Hälfte davon brauchen sie nie , und dann werden sie ins kalte Wasser geworfen. Das mag für einige passen, aber für viele andere nicht. Einige fangen einfach irgendeine Lehre an, obwohl sie gar nicht wissen was sie wollen, und was ihnen gefällt. Sie nehmen dann das wo sie einen Vertrag bekommen, egal obs ihnen beim schnuppern gefallen hat oder nicht, der Lehrer macht Druck, die Eltern machen Druck, obs passt ist egal, Hauptsache man hat eine Anschlusslösung. Finde ich einfach nicht gut.
In Nette's Fall zumindest denke ich gefällt dem Mädchen die Wahl, aber zu diesem Job gehört noch etwas mehr als nur die Wand anzumalen, das hat sie sich vielleicht vorher etwas anders vorgestellt, aber ich denke dass sie das packt wenn sie Gas gibt.



@newerth84: Maler sind ja nicht nur auf Neubauten für Mehrfamilienhäuser , die machen ja auch private Aufträge von Eigentümern von Häuser/Wohnungen, Firmen ect, und da hat man also schon oft Kundenkontakt.
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F. Scarpi
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von F. Scarpi »

Carina, hm ja...
Da das Schweizer System immer so über den grünen Klee gelobt wird, natürlich auch zu Recht!, beachtet man vielleicht die Nachteile zu wenig.
Es gibt ja doch viele, die scheitern, überfordert sind, die Lehre abbrechen etc., aber während man z.B. im Kanton Zürich dauernd davon liest, wie viel übertriebenen Druck auf Kindern aufgrund des Gymnasiums lastet (die Prüfung! die Probezeit! Eltern, die ihre halbe Karriere verhauen, weil sie wegen des Gymis familiär so belastet seien), hört man von den Nöten der Lehrlinge schlechterdings nichts.
Erfolgreiche Lehrabgänger haben zwar einen Startvorteil wegen der praktischen Erfahrung (und die Fachhochschulabsolventinnen natürlich auch), aber die mehr akademisch Gebildeten haben diesen dann schnell aufgeholt, während die Lehrabgänger manchmal bleibende Nachteile haben, weil ihre Abschlüsse international nicht anerkannt sind, weil sie viel weniger Bildung haben, weniger ihre Reflektionsfähigkeit und kritisches Denken trainiert haben.
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von Nette »

Was man aber auch nicht ausser Acht lassen darf ist einerseits die Reife der jungen Person, teilweise wie die Lehrer in der Grundschule waren, die Erziehung und die Unterstützung vom Elternhaus.

Wenn eine Mutter sagt, weisst du mein Sohn ist noch sooo jung, er soll seine Kindheit geniessen darum muss er nichts zu Hause helfen (er ist 15 Jahre alt), dann macht sie ihm damit keinen Gefallen. Meine Mutter war leider auch so, man... kam ich später auf die Welt. Unterstützen finde ich richtig, aber wir als Eltern dürfen und müssen auch gewisse Sachen von unseren Kindern verlangen. Auch wenn es dann in diesem Moment unangenehmer ist...
Wir hatten in einem Lehrlingslager eine 18 jährige junge Frau. GEmäss ihrer Aussage musste sie in ihrem Leben noch nie abtrocknen zu HAuse, da frag ich mich halt dann teilweise schon. Ihre Mutter sei für die Küche zuständig...
Stolzes Mami vo zwei liebe Luusbuebe ;-)

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Hausdrache
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von Hausdrache »

Scarpi
weisst du, die Geschichte ist etwas komplexer, unsere Tochter musste den Lehrbetrieb wechseln, weil ihr Betrie konkurs ging. Dies führte dazu, dass sie im neuen Betrieb als Zweitlehrjahrsstift lief, aber ganz vieles nie gelernt hatte, da sie keine Arbeit hatten im ersten Lehrjahr. Der Vorarbeiter war sich der Situation nicht bewusst, für ihn war klar, das muss sie können. Auch da hat es dann Gespräche gebraucht und sie hat einen tollen Vorarbeiter an die Seite bekommen, der ihr ganz viel Handwerk erstmal beibrachte und zeigte. Von daher kann meine Tochter das schon richtig einordnen, so grundsätzlich und dennoch ist es für jemanden mit wenig Selbstbewusstsein schwieriger, als für jemanden mit einem sehr guten. Da braucht es halt manchmal etwas Hilfe von zu Hause.

Lehrlingsabbrecher
das Hautpproblem besteht bem Alter bei der Berufswahl. Mit HarmoS sind die Jugendlichen jünger, wenn sie sich entscheiden müssen. Auch haben leider doch viele Betriebe halt Mühe Lehrlinge zu finden, weil zum Teil auch mehr ans Gymnasium oder die Fachmittelschule gehen. Somit werden zum Teil Lehrverträge eineinhalb Jahr im Voraus abgemacht. In dieser Zeit ändert sich aber noch vieles, die Jugendlichen selber aber auch im Betrieb. Dies führt zu viele Abbrüchen.
Aber ich kann auch sagen, wir haben bei unseren Kindern auch Jugendliche erlebt, die die Lehre geschmissen haben. Zum Teil waren es dann aber gesundheitliche Probleme, was halt auf dem Bau im Wachstum passieren kann, einmal wars ein Arbeitsunfall, der die Fortsetzung der Lehre unmöglich machte, einmal wars wirklich der falsche Beruf. Auch eine Scheidung und dadurch wegfallen eines unterstützenden familiären Systems hat zwar nicht zum Abbruch, aber zur EBA Lehre geführt. Und, ganz oft schaffen sie es schulisch nicht mehr. Die Anforderung sind enorm, gerade in Mathe ist es im Handwerk nicht einfach, die geforderten Leistungen zu bringen. Unsere Grosse hat sehr oft Nachhilfe gegeben, damit ihre Kollegen sich halten konnten.
Es kommt aber auch vor, dass drei Monate vor der LAP noch abgebrochen wird, was ich nicht verstehen kann.

Nette
das ist heute ein grosses Problem. Ich sehe das auf der Primarschule schon. Eltern, die für ihre Kinder nachfragen, was denn Hausaufgabe sei, oder Kinder die in der 5. Klasse nicht daran denken können, dass am nächsten Tag ein Ausflug ansteht. Dies obwohl man es ihnen mehrfach sagte und es am Vorabend nochmal erwähnt wurde. (Ein Elternbrief ging auch nach Hause, der 5. Klässler könnte also auch selber lesen, was da steht und sich den Zettel aufhängen, wenn die Eltern nicht helfen.) Oder Kinder die ihr Turnzeug regelmässig vergessen und dann dem Mami die Schuld geben.Wenn dann Mami noch so lieb ist und das Turnzeug in die Garderobe hängt, zweite Oberstufe notabene, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Es ist klar, im Kindergarten habe ich auch noch geholfen, aber irgendwann muss das aufhören. Oder das Gejammer, weil Mami kein Znüni eingepackt hat, ebenfalls bei den Grossen, das kann ich dann doch nicht ganz ernst nehmen. Es wären so kleine Dinge, die schon helfen würden.
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von F. Scarpi »

Hausdrache hat geschrieben: Di 5. Mär 2019, 13:27 Scarpi
weisst du, die Geschichte ist etwas komplexer, unsere Tochter musste den Lehrbetrieb wechseln, weil ihr Betrie konkurs ging. Dies führte dazu, dass sie im neuen Betrieb als Zweitlehrjahrsstift lief, aber ganz vieles nie gelernt hatte, da sie keine Arbeit hatten im ersten Lehrjahr. Der Vorarbeiter war sich der Situation nicht bewusst, für ihn war klar, das muss sie können. Auch da hat es dann Gespräche gebraucht und sie hat einen tollen Vorarbeiter an die Seite bekommen, der ihr ganz viel Handwerk erstmal beibrachte und zeigte. Von daher kann meine Tochter das schon richtig einordnen, so grundsätzlich und dennoch ist es für jemanden mit wenig Selbstbewusstsein schwieriger, als für jemanden mit einem sehr guten. Da braucht es halt manchmal etwas Hilfe von zu Hause.
Natürlich, ich hatte nur vom Lesen deines vorherigen Posts diese Gedanken und sehe ja nicht, wie es wirklich war. Auch diese neue Erklärung zeigt mir aber wieder Versäumnisse der Vorgesetzten - sie wussten erst NICHT, dass deine Tocher so wenig lernte im ersten Lehrjahr.
Ja, es ist für jemanden mit viel Selbstbewusstsein viel einfacher in der Lehre, das kann wirklich einen wesentlichen Unterschied ausmachen. Für Jugendliche mit wenig Selbstbewusstsein ist es hart. Und das ist ja genau das, was ich die ganze Zeit sagen will: NEBEN DEM, dass die Jugendlichen selber hier Arbeit leisten müssen, die Eltern etwas tun können, können auch die Vorgesetzten viel tun (was du ja auch schreibst!).
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Re: Scheu in der Lehre

Beitrag von stella »

Ich finde, wenn es viele Lehrabbrechende gibt, dann stimmt das System nicht. Jetzt da den Eltern die volle Schuld zu geben, finde ich auch ein Bitz daneben.
Wie bei allem, ist die Ursache wohl ein Konglomerat aus ganz vielen Bereichen:
Die Jugendlichen leben mit ihrem Handy in einer Art "Scheinwelt" und wirken zum Teil sehr abgehoben und abwesend. Ganz oft haben schon PrimarschülerInnen in der virtuellen Welt ein anderes Ich, welches viel besser und schöner ist, als dass sie in der Realität sind. Durch die ständige Beschäftigung mit Tiktok, Insta, Youtube entfernen sie sich mehr und mehr von der wirklichen Welt, in der es langweiliger und ohne ständige Reize zu und her geht.
Die Eltern, die dann ihre Kinder oft in Watte packen und auch merken, dass ihre Kinder mehr gefordert sind als sie es in dem Alter waren. Dazu kommen Ängste, dass aus dem Kind nix wird, wenn es denn nicht durch die Schule gepusht wird.
Das Schulsystem, welches nicht so attraktiv ist wie tiktok und Co. Ein Schulsystem, bei dem alle wissen, wie es geht (siehe Diskussion oben, was die Schule in Bezug auf den Übergang zur Berufswelt auch noch sollte, ungeachtet der sehr heterogenen Klientel, die sie bedienen muss) und es zunehmend weniger Menschen gibt, die sich darin engagieren wollen.
Die Berufswelt, inklusive Berufsschulen, die sich weder dem LP21 gross angepasst haben noch der Tatsache, dass die Kids heute jünger zu ihnen kommen, was an gewissen Orten Anpassungen bedürfen würde.


Was bleibt uns als Eltern?
Es geht doch darum, ein Plätzli für sein Kind zu suchen und zu finden, natürlich mit dem Kind zusammen, in dem seine spezifischen Anlagen und Fähigkeiten gesucht sind und seine Unzulänglichkeiten Platz für Entwicklung haben. Da nützt es nix, sich über das System aufzuregen, dass die Kids immer jünger werden bei Lehrantritt und ihre Exekutivfunktionen immer schlechter.
Es braucht courragierte Erwachsene, die einem solchen Mädel vom Eingangspost die Augen öffnen, ohne es zu knicken.
Und wir Eltern begleiten das Kind und nötigenfalls (ich habe ein Kind mit special Effects, dem ich immer noch helfen muss, damit es seine sieben Sachen zusammen hat, weil es dies von seinen special Effects her einfach noch nicht kann. Ich werde ihm vermutlich auch noch in der Lehre helfen müssen...) helfen wir ihm halt jeden Abend, seine Schen für den Arbeitstag (Brille, Werkzeug, Kleidung,... ) zu packen.
Pfunzle 06/04 und Gumsle 10/07

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