Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Allgemeine Themen ab dem 2. Lebensjahr

Moderator: conny85

Mialania
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Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Mialania »

Hallo miteinander

Ist sicher ein kontroverses Thema, aber ich bin etwas ratlos, mein Mann auch.

Unser Sohn ist etwas über zwei Jahre alt und hört eigentlich auf nichts. Im Prinzip ein Luusbueb, wie aus dem Bilderbuch. Er spricht auch noch nicht gross, er kommuniziert lieber mit Handzeichen, hören tut er aber sehr gut. Ist aber noch besser in einem ignorieren. Manchmal merkt man, dass er weiss, dass er etwas tut, was er nicht darf und dann weint, weil ich schon vom Klo aus NEIN! schreie.

Motorisch ist er super und mittlerweile rennt er wie ds Bisiwätter davon, klettert über den Zaun und dann auf und davon. Schaut noch ein paar Mal, ob ihm jemand folgt oder lacht und winkt Ade...
Das geht ja noch, wenn er nicht direkt auf die Hauptstrasse rennt, aber ich bin schwanger und kann ihm nicht mehr so schnell hinter her, ergo rannte er mir letztens davon, ich schreiend hinter ihm her und als er dann auch das Auto vor sich sah, machte er eine Vollbremsung, die ihn aufs Füddli legte. Der Fahrer meinte noch "ich hab ihn schon gesehen!", aber was, wenn ihn dann ein Fahrer nicht sieht?

An der Hand gehen wollte er noch nie, wenn, dann habe ich einfach einen kreischenden Sack am Arm, den ich über den Boden schleife. Im Laden klettert er mir aus dem Wägeli und räumt alles ab oder rammt das Wägeli irgendwon rein oder rennt davon. Auf der Strasse rennt er ohne zu schauen davon und über die Strasse. Er klettert in jeden Traktor, Bagger oder sonstige Maschine, wo er sieht. Essen tut er manchmal das, wo er will, oder eben auch nicht und spuckt es dann aus. In meine Hand oder eben auf den Boden.

Ich bekomme Tipps, wie "mein Kind konnte das in dem Alter ja auch, mach mal so und so" und wenn ich es dann "vorführe", wie es eben nicht geht, grosses Erstaunen. Oder "weisst du, vielleicht musst du ihm mal auf die Finger hauen, dass es weh tut". Ganz ehrlich, als er den grossen, schweren Spiegel aushängen wollte, hab ich ihm wirklich eins auf die Finger gegeben, die einzige, die geweint hat, war ich. Er hat's noch lange öfters probiert. Mittlerweile ist er bombenfest an die Wand geschraubt.
Ich habe viel Dekoration entsorgt, verkauft, verschenkt, weil einfach alles kaputt ging. Pflanzen gingen mir ein, weil alles ausgegraben oder angefressen oder sonst zerstört wurde.
Gemäss meiner Mutter sei unser Fehler, weil wir an alle Schränke Kindersicherungen montiert hätten. Ich hätte geduldiger immer wieder Nein sagen sollen. Ich sage übrigens auch nach anderthalb Jahren immer noch nein zu "lass die Klobürste bitte im WC", aus den Fingern löse und wieder versorge. Ich hab mir den Mund fusselig geredet und versucht kurz und knapp zu erklären, wieso was nicht geht. Ich kann ihn auch seinen Trotz ausheulen lassen, geht sicher so eine halbe Stunde, bis ich ihn dann vom nassen Boden auflese.

Ich bekomme Tipps, wie "du musst ihn die Unordnung aufräumen lassen". Aha. Wie denn? Ich kann es ihm sagen, interessiert ihn nicht. Ich kann es ihm vormachen, interessiert ihn meist auch nicht. Ganz selten macht er mit. Ich kann ihn doch nicht packen und mit seinen Händen alles aufräumen? Oder ihn dazu prügeln?
Oder "du musst es ihm mit ganz ernster/böser/bestimmter Stimme sagen!". Ich habe bald alle Tonlagen durch, evtl. kann ich es ihm noch vortanzen, aber ich glaube nicht, dass das besser ankommt.
Und das Schlitzohr merkt ja auch so, wenn er es wieder mal übertrieben hat. Dann gibt es Küsschen und tätschelt einem den Kopf oder die Schulter und nimmt einen in den Arm. Und schau da dann nicht mehr böse.
Oder "wenn er vom Tisch aufsteht, gibt es nichts mehr zu Essen". Da heisst es dann nur "ja, und die Brust bekommt er auch nicht. Er muss das essen, was auf den Tisch kommt." Und was ist, wenn er das dann wirklich nicht mag? Ich will doch nicht mein Kind etwas zu Essen, von dem es ein Trauma bekommt und es in 30 Jahren nicht mal mehr probieren will.

Ich müsse mir Hilfe holen (eine Psychiaterin meinte, er ist doch normal? Der Kinderarzt auch...) und ich könne doch nicht die ganze Wohnung wegen ihm umräumen etc., wie ein Schiesshund auf ihn aufpassen und er müsse sich selber beschäftigen können.

Ich denke oft, dass mein Kind anders ist. Aber ich gebe ihm Zeit und passe mich ihm halt etwas an. Es muss ja für meine Familie stimmen. Dann frage ich mich wieder "bist du zu wenig streng?", "brauche ich doch eine Art Hilfe?", "erziehe ich falsch/zu lasch/gar nicht?".

Ich weiss gar nicht, was ich jetzt hier erwarte. Ganz selten höre ich von anderen, dass sie auch so kleine Wildschweine zu Hause haben oder dass es auch mit 5 Jahren noch nicht besser wurde.
Mich stressen die Erwartungen von aussen, an meinen Sohn und dann an mich. Ich höre nur noch "er muss", "du musst" und "man sollte erwarten können, dass". Ich bin mich nur noch am wehren. Rechtfertigen tu ich mich nur noch zwischendurch, weil es einfach zu anstrengend ist. Und jetzt neu halt "du wirst dann ein zweites Kind im Haushalt haben, du musst ihn jetzt noch... Lernen/dazu bringen/etc."

Wie ist es bei Euch so?

Leela
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Leela »

Ich habe mir ehrlich gesagt über die Erziehung wenig Gedanken gemacht und einfach nach Gefühl gehandelt.
Meine mittlere war mit zwei jedenfalls genauso.
Es war sehr anstrengend ihr schwanger und später mit Baby hinterher zu rennen und einkaufen ging ich mit ihr schon gar nicht.
Heute ist sie mein unkompliziertestes Kind ;-)
Das kommt schon noch!
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Mialania
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Mialania »

Einkaufen gehe ich mit ihm seit Corona nicht mehr. Mein Mann hatte einmal das Gefühl, dass wir zusammen nach der Badi einkaufen gehen können. So schnell nicht wieder, vielen Dank :lol:

Mich stressen die ungefragten Inputs halt und dass ich wegen dem schon Selbstzweifel hege...

Yoghurt
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Yoghurt »

Hallo Mialania

Meiner Erfahrung nach ist es fast schon typisch für Eltern pflegeleichter bis durchschnittlicher Kinder, von sich auf andere zu schliessen und das Verhalten ihres Kindes ausschliesslich auf die eigenen (selbstverständlich erfolgreichen) Erziehungsmethoden zurückzuführen. Oder nicht einmal Erziehung: Vermutlich können sich nur Eltern von Schreibabys vorstellen, was das bedeutet, wenn das Kind stundenlang schreit und durch nichts zu beruhigen ist, während andere Eltern denken "Du musst doch nur dies / das / jenes". Es gibt immer Kinder, die jenseits der breiten Masse sind oder etwas anderes brauchen als die meisten anderen.

Mich hat folgender Satz von dir aufhorchen lassen:
Mialania hat geschrieben: Mi 2. Sep 2020, 11:16Ich denke oft, dass mein Kind anders ist.
Ich selbst bin Mutter eines autistischen, also besonderen Kindes. Von anderen Eltern höre ich öfter, dass sie selbst schon früh gespürt haben, dass ihr Kind irgendwie anders ist, obwohl Kinderärzte und sonstige Fachpersonen noch gar nicht beunruhigt waren. Wie Leela schon berichtet hat, gibt es noch so einige Kinder, die sich ein wenig später entwickeln, ohne "Diagnosekandidaten" zu sein, und die Fachpersonen kennen die Bandbreite der kindlichen Entwicklung. Deshalb soll dies auch kein Ratschlag sein, jetzt sofort wie eine hysterische Hyäne von Arzt zu Arzt zu rennen, um auf Gut Glück nach irgendeiner Diagnose zu suchen. Ich möchte dich einfach bestärken, dein Gefühl als Mutter ernstzunehmen und dich nicht verunsichern zu lassen, egal ob jemand dich als unfähige Mutter darstellt oder im Gegenteil meint, mit dem Kind sei alles in Ordnung, während du selbst das Gefühl hast, dass irgendetwas "nicht normal" ist.

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ragusa
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von ragusa »

Liebe Mialania

Ich kann dir wirklich gut nachfühlen. Ich habe einen totalen Wirbelwind, der einige Phasen bis jetzt hatte, in denen ALLES ausprobiert / getestet /getäubelt wurde. Und ich war nicht schwanger oder mit Kleinkind, weil er unser jüngster ist. Aber ganz schlimm war er meistens nur, wenn wir alleine zu Hause waren. Meine Nachbarn kannten mich seeehr gut, weil Junior regelmässig aus dem Haus abhaute. Und das ab 2 jährig.. Türe schliessen ging auch nur bedingt, weil der Hinterausgang von so vielen benutzt wird während des Tages (Mitarbeiter), das ein schliessen nicht viel brachte, weil sie auch so noch genug offen war.. Glücklicherweise haben wir nach hinten unsere Tiere und unsere Wiesen, er ist meistens dort hingegangen, weil es ihm drinnen schlichtweg zu langweilig war.. Über die Strasse rennen (eigentlich nur, wenn wir unterwegs waren, zu Hause nicht), im Laden davon rennen und "mithelfen" beim einkaufen, in der Tiefgarage irgendwohin rennen, 30minütige Töibeli-Anfälle, heikler Esser (bis 1.5 jährig nur Schoppennahrung!) sind auch heute mit 4 Jahren noch da. Es ist besser geworden, teilweise ist er durch das Alter kooperativer geworden. Auch in der Kita hat er mit 2.5jährig mit diesen Mätzchen angefangen, hatte also nichts mit uns zu tun. Und die Grosse probierte auch vieles aus, akzeptierte die Grenzen aber besser. Er muss die Grenzen immer ausloten und teilweise extrem..
Ich habe einfach akzeptiert, dass er so ist. Die Grenzen setze ich immer noch gleich, wobei das aufräumen bis heute sehr schwierig ist und ich immer mithelfen muss. Ich sehe aber auch, dass er sich die letzten zwei Jahren gebessert hat, aber ich kann ihn im Wesen nicht umerziehen. Ich musste mich extrem abgrenzen gegen solche Äusserungen, Erziehungshilfen etc. Es heisst nicht, dass ich etwas falsch mache, wenn mein Kind auf eine Erziehungshilfe nicht so reagiert, wie man sich das wünscht. Ich habe ein neues Mantra gefunden: Wähle deine Kämpfe weise, also was lohnt sich, wo möchte ich hart bleiben, wo kann ich es auch mal etwas schleifen lassen. Weil ich möchte nicht immer der Polizist sein..
Unser Alltag haben wir jetzt so umgestellt, dass es meistens halbwegs gut läuft. Ich versuche ihn draussen gut auszupowern und zu beschäftigen.. Auch mal einkaufen mit ihm funktioniert mittlerweile zu 50% okay. Genügend Schlaf ist auch wichtig..
Meitli 07/2011
Bueb 02/2016

Mialania
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Mialania »

Yoghurt hat geschrieben: Mi 2. Sep 2020, 12:02 "Du musst doch nur dies / das / jenes".
Und dazu: bei mir gehorcht er da, ich weiss nicht, was du hast...

Oder "bei mir klappt's, es ist deine Schuld, wenn er nicht auf dich hört, weil..." oder "es ist erschreckend, dass er bei dir auf taube Ohren stellt".

All denen Müttern wünsche ich so ein Kind, wo's eben nicht klappt 🙈

Mein Mann lacht mich immer aus, weil unser Sohn mein OCD geerbt habe. Dafür muss er überall rumgvätterle und kann nichts stehen lassen. Wie mein Mann... Aber das sind halt wir.
Ich denke nicht, dass er authistische Züge hat, er ist viel sozialer als ich und dank ihm muss ich oft über meinen eigenen Schatten springen. Aber mir hat mal ein Arzt gesagt "wissen Sie, wenn es ihm weh tut, hört er von selber auf" und ich dachte nur so "das klingt logisch, aber mein Kind ist nicht so. Hat er dann bewiesen, als er den Schorf vom Schienbein abgekratzt hat und im Loch trotz "ou" und "au" und weinen rumgestochert hat.

@ragusa
Manchmal weint er, weil er drin sein will, manchmal will er raus und wieder rein... Jemand hat mir mal gesagt, Kinder sind wie Katzen. Als mein Sohn dann öfters in Kartonkisten sass oder sich mit den Katzen um den besten Platz auf den Kisten streiten konnte, dachte ich, ja, die hat doch irgendwie Recht... Aber ich kann ihn nicht alleine draussen lassen. Wie gesagt, er klettert über den Zaun und dann auf und davon. Der Kinderarzt hat gemeint, das sei normal, dass er mir einfach davon renne, weil er sich zu 100% sicher ist, dass ich ihn dann vor was auch immer beschützen werde. Sei halt scheisse für mich... Aber super toll fürs Kind.

Dein Mantra gefällt mir gut, aber ich brauche das schon für meinen Sohn. Manchmal lasse ich ihn einfach machen, lieber räume ich danach auf oder schmeisse es weg, als die ganze Zeit zu schimpfen und aufzupassen. Oder ziehe ihn einfach zum fünften Mal um und wasche einmal mehr die Kleider...

Leela
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Leela »

Es kommt halt schon auch aufs Umfeld an. Ich war ein relativ junges Mami und die erste im Kolleginnenkreis die schwanger wurde und es war auf beiden Seiten der Familie das erste oder fast erste Enkelkind.
Und mit meiner Mutter und Schwiegermutter ist das Verhältnis sehr gut.
So konnte ich mich entspannt ins Muttersein einfinden.
Heute muss ich selber schauen, dass ich keine ungefragten Ratschläge erteile. Es ist zwar gut gemeint, kann aber natürlich auch stressen, wie jetzt ist deinem Fall.
Ich bekam für meinen Wirbelwind eigentlich nie negative Kommentare, war eher froh, wenn ich mal etwas Jammern konnte ;-)
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Mialania
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Mialania »

@Leela
Ich bin halt erst spät Mami geworden und beide Grossmütter haben immer super tolle Tipps, wie wir etwas machen müssen hnd was alles falsch ist. Früher/bei uns war das drum nicht so!
Unser Sohn ist im Prinzip auch das erste und aktuell einzige Enkelkind, wir hoffen, dass es auf Seiten der Schwiegereltern noch eines gibt, das uns den Stress raus nimmt.

Ansonsten kenne ich jetzt halt auch eher nur Mamis mit mehreren (pflegeleichten) Kindern und Nicht-Mamis, die keine Ahnung haben, wovon ich spreche.

Meine Tipps sind mittlerweile eher so "versuchen, damit zu leben?". Es ist ja alles eine Phase, so hoffe ich doch.

Mialania
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Mialania »

@tris
Ich weiss nicht, ob das unter "recht empfänglich" geht, aber es heisst ja auch "steter Tropfen höhlt den Stein". Gewisse Leute wiederholen sich einfach unwahrscheinlich gerne und meine Mutter hat mir (nicht wegen meinem Sohn) auch schon gesagt, dass sie sich so lange wiederholen werde, bis ich es anders mache.

Es ist halt auch so, dass viele dann ins gleiche Horn blasen und dann frage ich mich, ob es anders vielleicht doch richtiger ist? Ich habe schon eher wenig soziale Kontakte und anstatt mehr, werden es wieder weniger.

Deal, wie "wenn du so, ich dann so" funktionieren hier nicht, aber das ist mit 2 wahrscheinlich auch noch zu früh.
Und wie du sagst, für viele Kämpfe fehlt mir die Kraft. Manches lasse ich über mich gehen, anderes muss ich dann einfachsagen "lasse die fünf halt mal gerade stehen", was nicht ganz meinem Naturelle entspricht. Aber ich kann lernen und mich ändern. Es lohnt sich nicht für alles in den Kampf zu ziehen.

sonrie
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von sonrie »

Sag mal, wie ist es denn für dich? Hast du auch das Gefühl, er sollte und er müsste und eigentlich ist das alles nicht erträglich oder sind es einfach nur die anderen?
Du schreibst eigentlich nur was die anderen sagen und raten, aber was denkst du denn? Nicht alle haben dieselben Erwartungen und auch dieselbe Geduld mit Kindern, während die einen erwarten, dass Kinder an der Hand laufen, leben andere gut damit, wenn das Kind sich frei bewegt. Die Frage ist für mich also eher, ob DU damit klarkommst oder ob du Handlungsbedarf siehst?

Ich finde das Alter an sich ist sehr anstrengend und die Tatsache dass du wieder schwanger bist kann das auch noch verstärken (er merkt ja wohl auch, dass sich was verändert). Ich hab 3 Kinder, davon Zwillinge... einer ist auch "anders", allerdings nicht im Sinne von autistisch oder so, sondern einfach bereits seit Babyalter sehr selbstbestimmt und autonom. Was bei den anderen 2 super funktioniert, geht bei ihm nicht, haben so ziemlich alles versucht und irgendwann einfach akzeptiert, dass er so ist wie er ist, auch wenn das nicht immer überall reinpasst und alle Erwartungen der Umgebung erfüllt.


PS: Prophezeiungen von Leuten rundherum (wenn du jetzt nicht X tust, wird irgendwann Y passieren) würde ich in Seelenruhe in den Wind schiessen... ich hör diese Dinge seit etlichen Jahren und bis dato hat sich noch keine einzige dieserAnsagen bewahrheitet ;-)
"Wenn Aufregung helfen würde, Probleme zu lösen, würde ich mich aufregen." (Angela Merkel in "Die Getriebenen")

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maple
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von maple »

Hm, schwierige Frage... Ganz ehrlich gesagt gehöre ich schon zu denen, die gewisse Erwartungen an Kinder haben, das gebe ich hier offen zu. Nicht, weil "man" etwas muss, sondern weil ich finde, es ist unsere Aufgabe, unsere Kinder zu sozialverträglichen Wesen zu erziehen. Ob bei euch zu Hause Unordnung herrscht, ist mir egal. Aber es gibt Bereiche, in denen mich das Verhalten fremder Kinder betrifft. Mir fällt ein Beispiel ein, das meinem Mann passiert ist. Er war im nahegelegenen Coop, und ein damals 4- oder 5-jähriges Nachbarskind ist wie eine Wildsau mit einem Kinderwägeli durch den Laden gerannt. Der Vater hat schon immer wieder geflötet "nei, Peter (Name fiktiv), nöd ränne". Das Kind hat sich darum aber nicht gekümmert, ist meinem Mann mehrfach in die Hacken gefahren und war eine Gefährdung für unsere Jüngere, die ein Kleinkind war. Da erwarte ich schon eine deutliche Reaktion der Eltern. Z.B. Einkaufswägeli wegnehmen, auch wenn es Geschrei gibt. Ein achselzuckendes "Mein Kind hört halt nicht, ist eben ein wilder Junge" ärgert mich dann sehr. (Wenn ein Kind aufgrund einer Störung solches Verhalten zeigt, ist das etwas anderes, ich meine hier "Normalokinder").

Vielleicht könntest du für dich mal sortieren, was dir wirklich wichtig ist und entsprechend priorisieren. Und dir dann auch überlegen, was du machen könntest, um diese Regeln durchzusetzen. Und dann auf diese wichtigen Sachen fokussieren, nur dort klare "Neins" aussprechen und diese auch konsequent durchsetzen. Ich habe in meinem weiteren Bekanntenkreis ein paar Beispiele von Müttern, die oft "Nein" sagen und sich den Mund fusslig reden, aber schlussendlich sehr selten wirklich Konsequenzen folgen lassen (und mit Konsequenzen meine ich hier nicht schlagen oder anschreien). Da nehme ich persönlich schon wahr, dass diese Kinder zu lernen scheinen, dass Mami eh meist irgendwas zu motzen hat, aber es auch keinen Unterschied macht, wenn man sich nicht dran hält... Dann doch lieber wenige Regeln und bei denen strikt bleiben.
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Leela
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Leela »

Und abgesehen davon finde ich es schon schwierig, mich zu erinnern wie meine Kinder vor zwei oder drei Jahren waren und wie ich jeweils reagiert habe....wenn das dann sogar Jahrzehnte her ist, frage ich mich dann schon, ob die Erinnerung noch wirklich zuverlässig ist.
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Netterl
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Netterl »

Es kann sein, dass es an Deinem Kind liegt, dass es anders ist, andere Wahrnehmungen, andere Verarbeitungen hat etc. Es gibt beispielsweise sehr autonome Kinder etc. Es kann aber auch sein, dass es ähnlich ist wie in maples Beispiel oder auch eine Kombination. Das können wir von hier aus nicht sehen.

Grundsätzlich finde ich es schon schwierig, wenn sich ein Kind häufig in gefährliche Situationen bringt. So lese ich es aus Deinen Schilderungen.

Schwierig und anstrengend sind so Einmischungen von (Groß)Eltern, da sie einen gerne in die Eltern-Kind-Rolle wieder schieben können.

Evtl wäre eine neutrale fachliche Sicht von aussen hilfreich? Wir hatten mal bei einem unserer Kinder eine Heilpädagogin konsultiert, da es Probleme in der Schule hatte. Sie konnte ihn ( und uns ) gut lesen und letztendlich gab es keine Erziehungstips oder ähnliches, sondern alleine die Erkenntnis, wie das die Kind Welt wahrnimmt, hat nicht nur uns sehr sehr viel geholfen.

Ich glaube, Du hattest auch mal Fragen wegen Stillens, auch Tandemstillen?
Ehrlich? Du wirktest zumindest auf mich im schriftlichen so, dass Du das jeweilige Verhalten entschuldigt und erläutert hast.
Im Thread beim Stillen wirkte es auf mich so: Ich möchte ja nicht, ABER er...

Was ich für mich als hilfreich empfunden habe, war das Hinterfragen dieses "Abers"
Habe ich wirklich eine klare Haltung? Bin ich wirklich von diesem und jenem Weg überzeugt? Oder habe ich doch eine leise Entschuldigung für sein Verhalten? (ABER er braucht doch eigentlich noch ... Aber er ist ja noch so klein...) Je klarer ich bei mir bin und je überzeugter ich bin, desto besser. Das ist jedoch nicht das Allheilmittel, denn einerseits gibts natürlich immer wieder Unsicherheiten, andererseits kann Dein Kind einfach tatsächlich eines jener autonomen Persönlichkeiten sein oder einfach eine andere Wahrnehmung haben als andere Kinder oder oder oder.

Ich bin mir sicher, dass Du einen Weg findest.


@maple: Habe ich auch öfter erlebt. Aussage und Art der Aussage passen oft nicht zusammen und ohne Konsequenzen. Gerne auch in Verbindung mit endlosen Texten und Begründungen. Ich tendiere auch dazu und habe mir wirklich kurze klare Ansagen angewöhnt/musste sie mir angewöhnen. Sicher gibt es bei Bedarf auch Erläuterungen, aber erst mal die Situation klären.

@tris. manchmal ist es schwierig mit Eltern

@leela: Natürlich haben wir unsere Kinder immer perfekt erzogen. Logo :lol: :lol: :lol: Immer und zu jederzeit. Und ich werde mich auch 40 Jahre später perfekt daran erinnern können. :lol:
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Mialania
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Mialania »

@sonrie
Also, bei mir persönlich ist es so: weil ja unser Erstgeborener schon mit zwei Wochen verstarb und ich eine schwierige Beziehung zu meiner Mutter habe, habe ich mir gesagt, dass ich ihn nicht wahnsinnig streng erziehen will und meine Kinder allgemein so nehmen will, wie sie sind, dass sie sich auch entfalten können. Also, im Sinn von "das erste Kind wurde super streng erzogen, aber das Zweite hatte dann viele Freiheiten, weil wir keine Kapazität mehr hatten, so gut aufzupassen". Eigentlich ist er ja das Zweite, bald das Mittlere, aber in der Rolle vom Ältesten. Kompliziert.
Wäre ich alleine mit Kindern auf der Welt, fände ich es total normal, wie ich erziehe. Weil aber rundherum andere Mamis mit kleinen oder auch erwachsenen Kindern meinen, dass mein Kind anders sein sollte, hinterfrage ich mich selber. Ich hinterfrage sehr viel. Mich selbst oder auch andere. Ich habe mich mit der Situation arrangiert, manchmal bin ich überfordert resp. am Anschlag, aber ich kann damit leben. Natürlich fände ich es auch schöner, wenn mein Kind an der Hand gehen würde oder zumindest neben mir auf dem Trottoir laufen könnte, oder eine halbe Minute beim Bäcker neben mir stehen bleibt, bis ich die Ware eingepackt und das Porte-Monnaie wieder versorgt habe. (Er hat dann fast das Brotregal umgestossen und ist aus dem Laden gerannt...)

Ich merke schon, dass ihm nicht so klar ist, was da jetzt los ist, aber etwas ist definitiv anders. Er klammert massiv und kurz vor der Schwangerschaft war er im Ablösungsprozess und jetzt habe ich das Gefühl, wir haben wieder einen Rückschritt um etwa anderthalb Jahre gemacht.

Gewisse Prophezeiungen, wie du auch sagst, ignoriere ich. Ich gehe nicht davon aus, dass ich ihn mit 20 noch stillen muss und auch nicht, dass er bis zur RS bei uns im Bett schlafen wird.

@maple
Also, ich lasse meinen Sohn nicht mit dem Einkaufswägeli irgendjemanden oder irgendwas rammen und er darf auch nichts aus den Regalen räumen. Ich bin dann wirklich nonstop dabei, das Kind daran zu hindern und räume das ganze Zeugs wieder ein oder entschuldige mich auch, falls etwas passieren würde. Ich kann das auch nicht ab, wenn jemand immer rumsäuselt "Susi, lass das. Susi, itz hört's aber! Susi, itz isch de guet. Susi, hör doch bitte uf..." Da schüttle ich also auch den Kopf. Ich habe mir und meinem Mann immer gesagt "wenn du etwas ansagst, musst du es durch ziehen und zwar konsequent. Also grad so: im Restaurant darfst du nicht auf den Tisch klettern, aber daheim schon. Es ist einfach nirgends und punkt. Auch wenn es ein Theater gibt.
Habe so auch schon Einkäufe abgebrochen und bin dann mit halb leeren Taschen wieder heim gefahren.
Mich nerven auch so Sprüche "är isch haut e Bueb". Ja und? Deswegen darf er ja nicht immer die Sau raus hängen lassen und ich muss mir auch nicht alles bieten lassen.
Ich sage im Laden also konsequent nein und setze mich da auch durch. Und da ist nichts mit diskutieren. Aber ich kann ihn nicht im Wägeli anbinden und schreien lassen.

@tris
Wir wohnen in einem Haus, zwei Wohnungen. Ich bin ihr auch schon davon gelaufen, je nach je hat sie dann zu gar nichts mehr eine Meinung und wie gesagt, wir haben nicht die einfachste Beziehung. Sie sagte mir auch schon "immer sagst du jaja, aber machen tust du nichts" und ich antworte "ja, weil es für mich so okay ist, egal, wie oft du dich wiederholst".

@Leela
Ja, da hast du auch wieder Recht. Schon nur, wenn ich an Erinnerungen zurück denke, die ich als Kind hatte und wie es meine Eltern rückblickend sehen. Zum Teil komplett anders.

@Netterl
Wir haben das mit einer Psychiaterin/Psychotherapeutin und dem Kinderarzt angeschaut. Alle finden es "einfach normal". Im Sinne von "er ist halt so" und "Sie machen das doch gut".

Ja, ich denke, ich werde Tandemstillen, Zeitweise entziehe ich ihm die Brust und halte dann die Trotzphasen eben aus. Sie dauern einfach enorm lang und die Schwangerschaft macht mich zusätzlich müde und er hält mich ja auch noch immer auf Trab. Und ich sage mir hier ja auch "du hast ihm nein gesagt, knicke jetzt bloss nicht ein und gib ihm die Brust, dass er still ist". Ich bin konsequent.

Mialania
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Mialania »

@tris
Systemische Beratungen hatten wir schon und wir hatten jetzt diverse Therapeuten/Therapeutinnen und eher schlechte Erfahrungen gemacht. Ich glaube nicht, dass mein Mann nochmal auf einen weiteren Versuch Lust hat und ich ehrlich gesagt auch nicht.
Hier ist echt wieder der Punkt von "wir müssen selber irgendwie damit klar kommen".

Mialania
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Mialania »

tris, habe dir eine PN geschickt.

Bleistift79
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Bleistift79 »

nach dem Lesen deiner Texte geht mir grad ganz viel durch den Kopf. Ich versuche es jetzt mal zu ordnen, mal schauen wie mir das gelingt.

Im Moment ist der Berg grad gross.
Die Schwangerschaft, die Konflikte mit der Besserwisserei des Umfelds, deine Unsicherheit und dein vor Energie strotzendes Kind.
Deine Wünsche, Hoffnungen, Träume und „ das es gut machen wollen“ fährt grad mal mehr, mal weniger an die Wand.

In so Momenten neigen wir Menschen oft dazu, zu viel Energie auf s Mal in zu viele Sachen zu investieren.
Wir wollen viele grosse Dinge auf s Mal verändern und uns geht nach kurzer Zeit „ de Schnuff us“. Darüber ärgern wir uns dann, sind traurig und zweifeln ( noch) mehr an uns.
Statt das wir Energie raus nehmen, um wieder zu Atem zu kommen, geben wir Gas.

Deshalb möchte ich dir am s Herz legen, dass ganze Thema in kleinen Schritten an zu gehen.
Was brauchst DU, jetzt gerade, für die nächsten Stunden, Tage, Wochen?
Wie kannst du das praktisch umsetzen? Was brauchst du, damit du dir diese Bedürfnisse zugestehen kannst?

Als Beispiel:
würde dir mehr Struktur im Tag helfen? Gibt es Dinge, die deinen kleinem Rabauken beschäftigen? Oder Orte wo du hingehen kannst und nicht ständig auf „ halb 8 Stellung“ sein musst? Gibt es Menschen in deinem Umfeld, die dir gut tun?

Kinder sind oft unsere Spiegel. Sie spiegeln unsere Gefühlswelt und auch ganz stark unserer innere Haltung. Sie überprüfen unsere innere Haltung zig tausendfach. Manchmal von Morgens bis Abends. Das ist anstrengend. Elternsein kann ganz schön anstrengend sein.
Wir wünschen uns ein friedliches, freudiges Miteinander. Das Kind soll sich geliebt fühlen und wenn wir ehrlich sind, wollen wie von unseren Kindern auch geliebt fühlen.
Klingt wunderschön, gell. So rosarot und mit ganz viel Glitzer...

Mit Kindern in Beziehung leben, ist Arbeit. Schweissausbrüche, Tränen, Unperfektheit, zu wenig Schlaf.Fehler machen, verzeihen, wiedergutmachen, neu starten.
Die Medaille hat zwei Seiten. Wie so vieles im Leben.

Manchmal hilft es den Fokus auf das zu legen was gut läuft.
Wo findest du mit deinem Kind einen guten Konsens? In welchen Momenten und Situationen?
Sind es Momente wo du besonders entspannt bist? Genug gegessen hast? Genug getrunken?
In welchen Bereichen des Erwachsenenlebens kannst du dein Kind stärken? Es abholen wo es altersmässig ist? Welche „Tun“ von ihm kannst du einfach in s positive steuern?
Beispiel:
Du hast das WC Bürsteli angesprochen. Kannst aus dem „ lass das WC -Bürsteli sein“ ein „ willst du zusammen mit mir das WC putzen machen?
Wenn er dir Schränke ausräumt, wahllos. Ein „ oh, magst du mit mir zusammen den Schrank die Schublade neu einräumen?

Ich weiss nicht, wie weit dein Kind bereits Verknüpfungen im Alltag erkennen kann und diese „ herstellen“ kann. Im Kopf. In seinem fühlen, denken und handeln.
Das wäre für mich ein Ansatz. Dies heraus zu finden. Damit könntest du „arbeiten“. Ihm Input s zu bieten, wo er kooperativ sein kann und für dich die „wow“ Momente als Mami wieder mehr finden darfst. Und dir die Energie geben können; damit du nicht schimpfend und ärgerlich durch den Tag gehst. -

Malaga1
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von Malaga1 »

Mein erstes Kind war ein Anfängerbaby wie es im Buch steht: Mit 6 Wochen durchgeschlafen, fröhlich, unkompliziert.. Ich hätte dir wohl auch ganz viele Ratschläge erteilt. Es ist ja so einfach mit diesen Babys und Kleinkindern! Mein Sohn, der 1.5 Jahre später geboren wurde, hat mich dann eines Besseren belehrt: Er war immer und ist immer noch ein sehr herausforderndes Kind, der mich regelmässig an meine Grenzen und darüber hinaus bringt. Er hat einen unglaublichen Willen, ist null bestechbar (und in meinem Augen null erziehbar), argumentiert dich in Grund und Boden und kann dir den letzten Nerv ausreissen. Ich weiss noch ganz genau: zwischen 2 und 3 hätte ich noch etwas bezahlt, wenn ihn jemand genommen hätte - terrible 2 mit einem solchen Kind wird zu horrible 2... ABER: Mein Sohn ist auch blitzgescheit, unglaublich selbständig, organisiert, hat immer einen Plan. Wir mussten lernen, mit diesem Kind umzugehen. Gängige Disziplinierungsmethoden versagen zu Hause genau so wie in der Schule. Das ist eine grosse Herausforderung und gelingt mal besser, mal weniger gut.

Was mir sehr geholfen hat, ist eine Erziehungsberatung. Das wird im Kanton Zürich von der öffentlichen Hand angeboten und ist quasi die Fortsetzung der Mütterberatung. Die Dienstleistung ist kostenlos. Ich bekam dort nicht in erster Linie Tipps, sondern konnte das Verhalten meines Sohnes und unseren Umgang damit reflektieren. Das finde ich entscheidend: Es wird nicht am Kind "herumgedoktert", sondern du wirst befähigt, mit ihm umzugehen. Viele Eigenschaften meines Sohnes sind anstrengend und herausfordern, aber für das weitere Leben sehr nützlich. Denn weit im Leben kommen nicht in erster Linie die Braven und Angepassten, sondern die Querdenker und Unbequemen.
sie 2009
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ChrisBern
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von ChrisBern »

Es kamen ja schon viele gute Beiträge. Das Buch "das geliebteste Wunschkind aller Zeiten" hat mir sehr geholfen zu verstehen, was kinder im dem Alter überhaupt können und was nicht. Das wird dort in meinen Augen gut beschrieben, inkl. Quellen und hat mir auch etwas Druck genommen. Unser zweites Kind ist deutlich trotziger als das erste...das finde ich immer noch sehr anstrengend, zumal er ein totales Mamakind ist.

Ich denke, es ist eine Mischung: das Kind ist anstrengend, die Kraft wird weniger und damit verhält man sich als Eltern vermutlich auch nicht immer "nach Lehrbuch". Und dann kommt man oft in eine Spirale. Und ich muss ehrlich sagen: ich setze meinem zweiten Kind weniger Grenzen als dem ersten, weil wir eine schwierige medizinische Geschichte hatten und ich oft nachsichtiger bin. In der Kita zeigt er bestimmte Verhaltensweisen deutlich weniger als bei mir, das heisst, das hat auch klar was mit mir zu tun. Ich finde, da darf man sich auch nichts vormachen. Ist ja auch nicht schlimm, keiner handelt immer "ideal", wir alle geben in der Erziehung (brrrr, irgendwie ein schlimmes wort) oder in der Begleitung unser Bestes und manchmal geht einfach nicht mehr.

Und ich denke, es lohnt sich, auf ein bis zwei Themen zu fokussieren, die einen selbst wirklich wirklich stören und dort dann auch klar die Grenze zu setzen.

Ich höre bei dir auch bisschen raus (aber vielleicht interpretiere ich das) "ist mein kind normal"? Mal davon abgesehen, dass es DIE norm bei Kindern nicht gibt, kann man das in dem alter noch nicht abschätzen. Ist die Frage, ob es einfach Persönlichkeit ist, oder die auch schwierigen Umstände oder eben tatsächlich ADHS (ich meine, diese kinder haben auch massive probleme mit Grenzen, aber da kennen sich andere hier besser aus) oder noch etwas anderes. Ich denke, so etwas kristallisiert sich mit der Zeit heraus.

Die Frage ist: Willst du das Thema angehen oder nicht? Falls ja, würde ich mir Unterstützung suchen: keinen Psycho, der schaut, ob dein Kind normal ist, sondern jemand, der dir dein Verhalten spiegelt und mit dir anschaut, ob du auf sein Verhalten die "ideale Antwort" zeigst. Und das ist halt weder die Mama noch die Freundin ;-), sondern jemand, der vom Fach ist. Oft kann man mit anderen Reaktionen von sich auch etwas im Verhalten ändern. Voraussetzung ist natürlich, dass das Kind keine special needs hat, aber ich denke, für die Art von Diagnostik ist es noch zu früh. Falls du aber findest, dein Kind ist gut so, wie es ist, dein Verhalten ist gut so, wie es ist, dann würde ich einfach zuwarten.

sonrie
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Re: Wie erzieht man? Und ab wann soll das funktionieren und was kann man von einem Kind erwarten?

Beitrag von sonrie »

Bitte versteh mich nicht falsch, aber für mich klingt es relativ normal wie du deinen 2jährigen beschreibst und dir selber scheint es auch nicht allzuviel auszumachen, dass er eben eher der Wirbelwind ist und nicht das angepasste Kind... aber irgendwie drehten sich alle deine Gedanken darum, was andere sagen. Warum? Du wirst es nie allen recht machen können.

Ich würde mich mal hinterfragen WER denn diese anderen sind und was sie dazu befähigt, zu bewerten was normal ist und was nicht. Und welche Macht du ihnen über dein Tun geben möchtest. Weiters denke ich geht es in erster Linie darum, dass du deine Bedürfnisse so wie die deines Sohnes erkennst und dir klar darüber wirst, welche Sachen dir wichtig sind und welche nicht. Nicht jedes Nein ist notwendig.

Versuch doch mal, dich und deinen Sohn ganz unabhängig vom Umfeld zu sehen. Nur ihr 2 - ganz ohne darüber nachzudenken, ob er nun der Erst- oder der Zweitgeborene ist, unabhängig davon, welche Rolle er nun innehat, unabhängig von Erwartungen die die Gesellschaft, die Grossmutter oder das Umfeld an ihn/dich hat.... es geht darum, dass ihr einen Weg für euch findet, der passt, egal wie die Umstände nun sind. Natürlich prägen dich deine Erfahrungen und beeinflussen wie du reagierst und bist, aber versuch doch mal herunter zu brechen, was für dich im Alltag wirklich wichtig ist, was dein Sohn braucht und wie ihr das unter einen Hut bekommt. Und nicht normal sein ist nicht falsch.

Man muss nicht jede Schlacht bestreiten, man muss einfach wissen welche Dinge einem wichtig genug sind um Energie dafür zu investieren. Dann aber auch dazu stehen, dass andere Dinge vielleicht eben nicht zur Zufriedenheit der Allgemeinheit laufen.
"Wenn Aufregung helfen würde, Probleme zu lösen, würde ich mich aufregen." (Angela Merkel in "Die Getriebenen")

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