Asperger Syndrom - Teil 5

Unsere grossen Kleinen und unsere kleinen Grossen. Was uns in diesem Abschnitt der Kinder begleitet, beschäftigt und interessiert.

Moderator: conny85

Antworten
fläcki
Senior Member
Beiträge: 561
Registriert: Do 18. Feb 2010, 11:03
Geschlecht: weiblich
Wohnort: im Ämmitau

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von fläcki »

@Dromedar
Unser Sohn war ab Geburt auffällig, mit neun Monaten dachte ich zum ersten Mal an Autismus, mit gut drei kam die Diagnose. Er hat eine schwere Ausprägung, wir waren immer sicher, dass etwas Grundlegendes anders ist. Dennoch gab es immer wieder die Momente in denen ich alles auf mich genommen habe. "Ach meiner schreit auch", "ach der trötzelet doch nur", "eh, das wächsts sich aus", "er ist halt einfach unerzogen, ihr müsst die Schrauben anziehen" - ab und zu kam immer der Punkt an dem diese Sprüche dann doch nagten. Und häufiger als das, habe ich an meiner Leistungsfähigkeit gezweifelt. Dachte, das musst du doch einfach schaffen. Die Diagnose war eine Erleichterung. Die Sprüche kommen zum Teil bis heute aber sie gehen mir am Allerwertesten vorbei, oder der Konter sitzt :wink:
Ich bin nicht jemand der alles abklären will. Aber wenn das Familienleben leidet, das Kind leidet, in der Schule nichts mehr geht, dann finde ich es richtig, das anzusehen. Das ist eine persönliche Entscheidung und jede Familie bestimmt selber, wann sie diese Gewissheit braucht. Man kann das endlos diskutieren, dass man Kindern nehmen soll wie sie sind, alle Platz haben müssen - das müssen wir hier ja glaub nicht wirklich :wink:. Alles richtig. Fakt ist aber, dass eine Schule mit Diagnose mehr unterstützen kann als ohne. Und als Familie, je nach Alter des Kindes, ist Unterstützung durch die IV auch nur mit Diagnose möglich (die Abklärung muss vor fünf beginnen). Zudem klappen wirklich ganz viele Erziehungsmethoden oder Massnahmen bei einem Kind im Spektrum nicht. Man muss sich je nach Ausprägung gänzlich neu orientieren und Dinge die für einen Neurotypen unproblematisch sind, können für einen Autisten ein riesiges Problem sein. Und das sind zum Teil wirklich kleine Dinge.
Wenn es für dich wichtig ist, aus welchem Grund auch immer, lass es ansehen. Du kannst besser unterstützen, wenn du die Fakten kennst. Ganz egal wie das Resultat der Abklärung ist. Wenn man erst einmal weiss, was Sache ist, wird es definitiv einfacher Wege zu finden, als wenn man sich blindlings durchprobiert und es dann vielleicht auch noch verkehrt macht.
Viel Kraft!

Benutzeravatar
AnnaMama
Vielschreiberin
Beiträge: 1630
Registriert: Di 10. Jan 2006, 14:35

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von AnnaMama »

Hallo zusammen
Ich lese schon länger bei euch mit. Unser Ältester könnte auch ganz knapp ins Asperger Spektrum reinpassen. Schon als Kleinkind hat mir eine Kollegin, die viel Erfahrung mit ASS hat gesagt, dass er ein Asperger sein könnte. Er ist jetzt 13 und kam eigentlich recht gut durch die Primarschulzeit. In der 6 Klasse machten wir eine Abklärung auf HB, da es in der Schule viele Probleme gab (jedoch nicht aspergertypische ... wobei einige evt. doch auch darauf zurückzuführen sind). Die Schulpsychologin hat das Thema Asperger auch angesprochen und uns eine Abklärung empfohlen. Sie meinte aber, dass er, wenn er betroffen ist dies wohl nur am Rande sei. Wir wollten aber mit einer Abklärung abwarten bis er im Gymi ist. Dort lösten sich viele Probleme auf. Er ist in der Klasse gut integriert (so weit wir das einschätzen können), er hat oft Kontakt mit seinen Schulkameraden, hat einen Freund mit dem gut zusammenarbeiten kann und geht grundsätzlich gerne in die Schule (noch lieber würde er gar nicht in die Schule gehen). Er hat Einzig Mühe mit Lernen ... das musste er die 6 Jahre in der Primarschule nie tun. Man merkt ihm nicht viel an, er reagiert jedoch häufig anders als "normale" Menschen. Freunde von uns haben einen Sohn mit Asperger und wir haben oft Parallelen gefunden. Bis jetzt hatten wir nie das Gefühl, dass wir ihn abklären müssen.
Heute habe ich mit einer Kollegin gesprochen und wir kamen auch aufs Thema Asperger zu sprechen. Sie meinte, dass wir ihn doch abklären lassen sollen und dass ihm mit spezifischen Therapien evt. geholfen werden könne seine Baustellen bezüglich Lernen und Schule anzugehen. Ihr fiel auf, dass er sie immer sehr speziell anschaue und jeweils froh sei, wenn sie wegschaue.
Was meint ihr? Würdet ihr ein Jugendlicher mit leichten Anzeichen abklären lassen oder seinen Weg sonst machen lassen? Wir sind sehr unschlüssig und sind eigentlich gegen zu viele Abklärungen, wenn der Leidensdruck nur minim ist.

Yoghurt
Vielschreiberin
Beiträge: 1528
Registriert: Mo 3. Dez 2012, 21:16

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von Yoghurt »

Hallo AnnaMama

Ich bin eigentlich auch der Meinung, dass eine Abklärung nur um der Abklärung willen keinen Sinn macht. Allerdings solltet ihr in eure Überlegungen einbeziehen, dass das "Lern-Leben" nach dem Gymi nicht schlagartig aufhört. Dein Sohn wird nach der Schule eine Ausbildung oder (als Gymeler) ein Studium machen wollen, und da wird ein ganz anderes Lernen erwartet als in der Schule. Auch wenn das Studium heutzutage sehr stark strukturiert ist, was den Ablauf und die Wahlmöglichkeiten betrifft, wird dein Sohn dann komplett auf sich allein gestellt sein. Wenn er jetzt schon Probleme damit hat, sich den Stoff zu erarbeiten, weil ihm die Lerntechniken fehlen, wird es im Studium ein noch grösseres Problem. Es ist auch möglich, dass dein Sohn zwar mit den Strukturen der Schule gut zurechtkommt, weil eine Schule noch überschaubar ist. Eine Uni ist etwas völlig anderes, weil viel mehr Reize auf ihn einprasseln werden. Es macht halt einen Unterschied, ob vor Unterrichtsbeginn 300 Schüler oder 3000 Studenten durch die Gänge und Pausenhöfe strömen. Mit einer Diagnose kann dein Sohn im Studium Hilfen über die Fachstelle Behinderung bekommen. Schliesslich ist es auch möglich, dass eure Familie gute Strukturen geschaffen hat, die eurem Sohn helfen, "in der Bahn" zu bleiben. Falls er zur Ausbildung / Studium fortziehen muss, kann es passieren, dass er in ein Loch fällt, weil der haltgebende Rahmen wegfällt. Je früher er Hilfe bekommt, sich selbst(!) zu strukturieren, desto besser funktioniert der Übergang in die weitere Ausbildung.

Kurz: Ihr solltet nicht nur die jetzige Situation im Blick haben, sondern auch das, was dann noch kommt. Meint ihr, dass dein Sohn auch mit den Anforderungen im Beruf / Studium fertig wird, oder könnte es sein, dass es dann schwierig für ihn wird?

twain
Newbie
Beiträge: 13
Registriert: Sa 9. Jan 2010, 23:21
Geschlecht: weiblich

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von twain »

Hallo zusammen
Ich find meine Situation grad ziemlich schwer auszuhalten. Ich bin so verunsichert ob ich abwarten soll und vertrauen, dass alles okay ist wie es ist und gut kommen wird. (lass mich nicht so schnell aus der Ruhe bringen grundsätzlich) Oder ob ich jetzt handeln muss, um möglichst schnell eine 'Verbesserung' für meine Tochter zu erreichen...
Wir sind in der Abklärung bezüglich ASS. Bei der Abklärung der Hochbegabung (sie hat eine Klasse übersprungen, ohne abgeklärt zu werden, bringt ohne lernen sehr gute Noten) ist der Kinderpsychiaterin das 'spezielle' Verhalten,Reaktion auf gewisse Fragen meiner Tochter aufgefallen. Daraus ergab sich nun diese weitere Abklärung. Jedoch noch nicht durchgesprochen ob volles Abklärungsprogramm (keine Ahnung wie das genau ablaufen würde, ist für mich auch nicht so wichtig aktuell). Tochter ist 10,5 Jahre alt.
Tatsache ist, dass sie sich meines Empfinden nach zunehmend mehr zurückzieht. Sie isoliert sich mit ihrem Verhalten überall. Im Klassenverband ist sie die Stillste, die Pause verbringt sie alleine (gewollt, weil es ihr einfach zu blöd ist mit den anderen rumzustehen, wie sie sagt). Auch bei Partnerarbeiten kann sie Bedürfnisse nicht äussern, respektive wohl erst gar nicht wahrnehmen. Andere bestimmen, sie fügt sich. Immer. Ihr bleibt der letzte Platz, sie wird als letztes gewählt. Sie hinterlässt bei anderen Kindern den Eindruck, als wolle sie nicht. Sie kann aber nicht. Sie beginnt zu realisieren, dass sie allein ist, manchmal merke ich, dass sie das traurig stimmt und doch kennt sie nichts anderes. Sie kann Gefühle nicht formulieren. Grundsätzlich fühlt sie sich wohl alleine. Aber ich befürchte, je älter sie wird, desto bewusster und schlimmer wird das für sie. Der Vater meiner Tochter sagt, sie ist noch jung, das kommt schon noch, sie muss das einfach lernen. Mit Druck oder Situationen schaffen wo sie nicht anders kann als sich einfügen. Ich hab grad das Gefühl, mein Umfeld versteht nicht, dass sie nicht KANN. Und das find ich grad so schwer auszuhalten. Ich denke, wenn die 'Symptome' so richtig offensichtlich sind, ist das viel einfacher wahrzunehmen und wahrhaben zu 'müssen'. Sie ist grundsätzlich sehr angepasst.
Wenn etwas nicht ist wie sie es sich vorstellt, verschliesst sie sich noch mehr, kann nicht formulieren, was ihr Problem ist. Für mich als Mutter oft irgendwie einornderbar, aber für andere? Ein unfassbares, andere abweisendes Kind.

Hat jemand auch ein Mädchen mit ähnlicher Thematik?
Austausch wäre glaub recht hilfreich für mich im Moment.
Lieben Dank...

Benutzeravatar
haeremai
Vielschreiberin
Beiträge: 1400
Registriert: Fr 12. Feb 2010, 08:54
Geschlecht: weiblich

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von haeremai »

Ich rate allen, die am zweifeln sind, ob eine Abklärung sinnvoll ist, zur Abklärung. Steht dann einmal eine Diagnose fest, heisst das ja nicht, dass das Kind für den Rest des Lebens abgestempelt ist. Es bedeutet aber, dass man bei möglichen Problemen eher weiss, wie man das Problem an der Wurzel packen kann bzw. wie man besser damit umgehen könnte. Dies kann v.a. auch den Betroffenen helfen. Denn diese haben sehr wohl genügend Selbstreflexionsfähigkeit, um zu erkennen, wo und wie sie anders sind als neurotypische Menschen, und können somit Situationen wie auch sich selber besser einschätzen. Es ist doch viel angenehmer zu wissen, warum man sich z.B. nicht so leicht in einen Small Talk eingeben kann, oder wieso es einem zu laut etc ist, wieso man schon wieder wichtige Instruktionen und Mitteilungen der Lehrperson verpasst oder vergessen hat, wieso es einem nicht gelingt, eine gute Lernstruktur auf die Reihe zu bekommen ... Meinem Sohn hilft es auf jeden Fall sehr. Sollte dann keine Diagnose vergeben werden, dann weiss man auch, woran man ist. Ist doch besser, als jahrelang zu werweisen. Ich denke, viele v.a. im Jugendalter schämen sich innerlich fürs Anderssein. Sie wollen nichts mehr als dass sie nicht aus der Reihe tanzen. Gleichzeitig spüren sie aber, dass sie anders sind, verstehen aber nicht, an was es liegt. Dies kann sich negativ auf die psychische Gesundheit der Betroffenen auswirken. Es ist doch gesünder, man weiss über seine Einschränkungen bescheid, und setzt dementsprechende Berufs- und Lebensziele. Gelingt es einem dann doch besser als erhofft, umso besser.
mit 3 Mädels und 3 Jungs
"Wenn man nicht weiss, wohin man will, landet man leicht da, wo man gar nicht wollte." R.F. Mager

Benutzeravatar
Schwups
Vielschreiberin
Beiträge: 1155
Registriert: So 20. Mai 2007, 07:59

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von Schwups »

Twain
In manchen Zeilen erkenne ich die Tochter. Ein ADS wurde diagnostiziert, die Aspergerabklärung wurde auch durchgeführt, diesen Stempel bekam sie nicht (siehe S. 4) Ich wäre froh, wir hätten sie schon früher abgeklärt und nicht erst Ende 4. Klasse.

AnnaMama
Ist sein Leidensdruck wirklich minim? Ich würde Dein Sohn fragen, ob er mehr über sich erfahren möchte. Er ist ja schon genug alt, um den Entscheid Abklärung ja oder nein zu fällen.
Meitli 12/05
Bueb 06/07

Benutzeravatar
AnnaMama
Vielschreiberin
Beiträge: 1630
Registriert: Di 10. Jan 2006, 14:35

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von AnnaMama »

Vielen Dank für eure Antworten.

@Yoghurt
Es ist noch schwierig einzuschätzen wie es dann für unseren Sohn ist, wenn er ein Studium beginnt oder einen Beruf lernt. Wir haben bis jetzt die Erfahrung gemacht, dass es dann klappt, wenn er 100% überzeugt ist. Meistens braucht er eine Weile Bedenkzeit und kann dann sehr gut Entscheidungen treffen.
Er ist das zweite Jahr im Gymnasium und der Wechsel in die grössere Schule, über Mittag weg und einen Schulweg mit Bus (1-2 mal umsteigen) hat ihm überhaupt keine Probleme bereitet. Im Gegenteil: er ist im letzten Jahr viel selbständiger geworden.
Der einzige Knackpunkt ist im Moment das Lernen ... da wissen wir aber nicht, ob es mit einem allfälligen Asperger zu tun hat oder doch mehr damit, dass er in der Primarschule keinen Finger krümmen musste.

@Haeremai
Sicher ist es für ein Kind besser, wenn es seine Probleme einordnen kann. Bei unserem Sohn sind die Probleme aber wirklich minim und kaum feststellbar. Von den Lehrpersonen bekamen wir bis jetzt auch noch nie die Rückmeldung, dass er sich anders verhält als andere Kinder (ausser, dass er sich im Unterricht nicht viel meldet).

@Schwups
Im Moment besteht kein Leidensdruck. Es ist ihm sehr wohl in der Schule und er wird immer selbständiger. Wir wundern uns immer, dass er so wenig Hausaufgaben haben. Ich habe ihn gestern darauf angesprochen und er hat mir gesagt, dass er sie jeweils am Mittag in der Schule mache.
Ich finde aber deine Idee sehr gut, dass wir ihn direkt fragen könnten ob er mehr erfahren möchte.

Gestern habe ich noch mit meinem Mann gesprochen. Er meinte, dass er immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen ihm und unserem Ältesten findet. Er vermeide wenn möglich auch den Blickkontakt ... das fällt aber gar nicht gross auf. Für ihn besteht nur wegen diese kleinen Auffälligkeiten kein Handlungsbedarf. Bis jetzt ist er ohne Probleme durch den Alltag gekommen ... hat einfach keine tiefen Freundschaften, aber das stört ihn nicht.

dromedar
Junior Member
Beiträge: 52
Registriert: Mo 1. Jun 2015, 21:54

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von dromedar »

Danke für eure Antworten. Er ist für die Abklärung angemeldet und doch kommen mir ab und zu noch Zweifel.

Benutzeravatar
haeremai
Vielschreiberin
Beiträge: 1400
Registriert: Fr 12. Feb 2010, 08:54
Geschlecht: weiblich

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von haeremai »

Ich hatte gerade ein super Gespräch mit dem Lehrer und dem Heilpädagogen. Es wird nun ein Antrag für Nachteilsausgleich im orthographischen und im Prüfungsbereich eingereicht, wie auch ein Antrag für verstärkte Massnahmen. Zudem hat sich der Lehrer echt Mühe gegeben, hat auf Anraten des Heilpädagogen extra einen Stundenplan mit Symbolen erstellt, zur verbesserten Übersichtlichkeit, der auch der ganzen Klasse zu Gute kommt. Mein Sohn hat einen stabileren Stuhl als die anderen Schüler bekommen und sitzt zuforderst. Und auch sonst scheint mir der Lehrer wirklich bedacht und engagiert zu sein, dass mein Sohn die benötigte Unterstützung erhält, sowohl jetzt als auch in der Oberstufe. Ich kann kaum beschreiben, wie erleichtert ich darüber bin!
Dann habe sich das Verhalten meines Sohnes im Vergleich zu vor den Sommerferien merklich zum Positiven verändert. Konnte das jemand auch so beobachten, dass sich das Kind besser einbringen konnte ab dem Zeitpunkt, wo es von der Diagnose und somit über seine Einschränkungen wusste?
mit 3 Mädels und 3 Jungs
"Wenn man nicht weiss, wohin man will, landet man leicht da, wo man gar nicht wollte." R.F. Mager

tin
Senior Member
Beiträge: 695
Registriert: So 13. Jun 2010, 21:52
Geschlecht: weiblich

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von tin »

Da war es hier wieder lange ruhig..

Haeremai: falls deine Frage noch aktuell ist: Meinem Sohn war es immer sehr wichtig, zu wissen, wieso er anders ist...Er weiss von der Diagnose seit er 4;5 Jahre ist..


Alle: Was mich noch Wunder nähme: Autismus ist ja auch „vererbbar“. Glaubt ihr Mamas auch betroffen zu sein? Ich persönlich habe mir nie vorstellen können, selber betroffen zu sein...aber in diesem Jahr hat eine Aspergerspezialistin, die meinen Sohn betreut, mehrmals erwähnt, dass sie bei mir hochfunktionaler Autismus vermutet und je länger ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher erscheint es mir..Abklären lasse ich mich glaub doch nicht...die nächste Stelle dazu wäre etwa 100 km vom Wohnort entfernt..

Und was mich weiter sehr Wunder nimmt: wie erklärt ihr einem Laien die Unterschiede von Neurotypismus und Autismus? Da wir offen mit der Diagnose umgehen, werden wir des Öfteren gefragt, was denn anders sei...Für mich ist es eindeutig..Aber erklären scheine ich es nicht zu können.. Jedenfalls ist die Antwort vom Laien auf meine Erklärung meist etwas wie: „aber das ist doch normal,. Mein Kind macht das auch“ oder „ah, man er kennt es an xy, aber da müsste man doch nur Xyz machen. Dann würde es wieder verschwinden“ Beides bezweifle ich zutiefst...

Yoghurt
Vielschreiberin
Beiträge: 1528
Registriert: Mo 3. Dez 2012, 21:16

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von Yoghurt »

tin hat geschrieben:Und was mich weiter sehr Wunder nimmt: wie erklärt ihr einem Laien die Unterschiede von Neurotypismus und Autismus? Da wir offen mit der Diagnose umgehen, werden wir des Öfteren gefragt, was denn anders sei...Für mich ist es eindeutig..Aber erklären scheine ich es nicht zu können.. Jedenfalls ist die Antwort vom Laien auf meine Erklärung meist etwas wie: „aber das ist doch normal,. Mein Kind macht das auch“ oder „ah, man er kennt es an xy, aber da müsste man doch nur Xyz machen. Dann würde es wieder verschwinden“ Beides bezweifle ich zutiefst...
Hallo tin

Das liegt nicht an dir. Damit werden viele Eltern von ASS-Kindern immer wieder konfrontiert. Hier findest du einen Blog-Beitrag darüber: http://ellasblog.de/wenn-dein-kind-auti ... rst-recht/

Wer nicht selbst betroffen ist, kann sich einfach nicht vorstellen, dass manche Verhaltensweisen etc. so sehr über das "Normale" hinausgehen.

fläcki
Senior Member
Beiträge: 561
Registriert: Do 18. Feb 2010, 11:03
Geschlecht: weiblich
Wohnort: im Ämmitau

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von fläcki »

@Tin
Ich erinnere mich an eine Situation als ich einer Freundin auf diese Frage antwortete: "Er schreit zum Beispiel wenn ein Zwieback zerbrochen ist und kann es dann nicht essen."
Sie sagte: "Ja aber das macht mein Zweijähriger auch."
Ich sagte: "Ja klar, aber schreit er nach vier Stunden immer noch, isst zwei Tage lang nichts und brüllt noch drei Wochen danach wegen diesem einen Zwieback? Und erwähnt es nach drei Monaten noch mal. Und tut das der Vierjährige auch?"
Sie: "Nein, das ist der Kleine und es ist nach fünf Minuten vorbei."
Ich: "Das ist der Unterschied."
Ich habe bei ganz vielen Dingen das Gefühl dass es primär eine andere Intensität ist und nicht unbedingt etwas, das Neuros überhaupt nicht machen. Die Wahrnehmung hat ja auch eine andere Intensität.
Viele Kinder mögen am liebsten das was sie kennen. Aber essen sie deshalb in den Ferien im Ausland konsequent fünf Tage überhaupt nichts, das nicht aus einer Packung kommt die sie von daheim kennen? Oder verweigern sie das Essen das man von Zuhause mitbringt, weil man denkt man hat gelernt, und dann aber das Geschirr nicht stimmt? Kaum. Die meisten werden spätestens bei einer Portion Pommes oder einer Glace einknicken und futtern. Mein Autist macht das nicht. Der verhungert lieber. Und an alle die jetzt denken, wenn er nur genug Hunger hat, dann isst er dann schon: Nein, tut er nicht. Verzweifelt festgestellt als wir das mit dem Essen mitnehmen noch nicht wussten und die Farmer und Früchte nach zwei Tagen ausgegangen sind.
Das selbe bei der Überreizung. Auch ein Neurokind weint mal am Abend weil ihm der Tag über den Kopf wächst. Aber es war dann in der Schule, an einem Geburi und am Abend noch kurz einkaufen und dann kam noch Besuch. Mein Sohn macht schon nach einem Geburtstag für drei Tage zu und bleibt dann nicht mal die ganze Zeit. Und in der Schule war er auch nicht.

Neulich hat jemand aus der engsten Verwandschaft mir gesagt, ich hätte halt eine andere Lebensaufgabe und dürfe das nicht nur als Belastung sehen, müsse das positive rausnehmen. Ich sagte ihm, wenn ich alles schwarz sehen und mich nicht am Positiven halten würde wäre ich längst weg, oder mein Kind wäre weg. Ich habe ihn in ein Praktikum eingeladen, drei Wochen. Natürlich ohne mich. Und ihm gesagt, er dürfe danach beurteilen ob dieses Leben, egal wie positiv man es lebt und ansieht, nicht vielleicht doch eine Belastung sein könnte. Er hat abgelehnt.

Zu Yoghurts Link: Mein Mann hat die selbe Antwort wie der Vater in dem Textauszug: "Keine Ahnung, Maul halten". Und er fährt ganz gut damit. Und um einiges weniger belastet als ich, die noch immer ab und zu der Versuchung erliegt, Menschen etwas zu erklären, das sie offensichtlich nicht verstehen wollen oder können. Meine Schwiegermutter findet, unser Sohn sei wie sein Vater... Mein Mann irgnorierts, ich kann das nicht, also habe ich mich für Distanz entschieden.
Allerdings muss ich gestehen, dass es in unserem Umfeld mehrheitlich Menschen gibt und ich auch mehrheitlich neunen solchen Menschen begegene, die den Autismus unseres Sohnes richtig einordnen und ich grundsätzlich mehr "Lob" und "Anerkennung" (klingt ja ganz blöd) bekomme als Abwertungen. Allerdings ist das AS bei unserem Kind sehr gut zu spüren und auch sehr offensichtlich und ziemlich immer für alle Anwesenden irgendwie anstrengend.
Ich habe mehr Mühe damit, wenn man in meinem Kind, kaum hat es den Mund auf- oder eine Zeichnung gemacht, einen kleinen Tesla sieht oder einen Jobs oder Wozniak. Diese Erwartungshaltung dass er super intelligent sein muss, dass er Physiker oder Programmierer werden wird, oder der nächste Basquiat, das nervt mich. Die Annahme, dass jeder Autist ein Genie und jedes Genie ein Autist ist. Halbwissen über Savants, sowas regt mich auf. Oder die ewigen Vergleiche mit André Stern und die Annahme, dass aus jedem Homeschooler weiss ich was werden wird und es für uns super einfach ist, weil er ja klug ist. Und intrinsisch motiviert bis zum geht nicht mehr. Da bin ich dann wie die Frau aus Yoghurts Link und werfe mit Monotropismus, dessen Nachteilen und ähnlichem um mich, bis es ruhig wird :oops: Ich über aber zu ignorieren und zu gehen.

Fjödur
Newbie
Beiträge: 6
Registriert: Di 23. Jan 2018, 14:44

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von Fjödur »

Hallo liebe Mamas

Ich bin ganz neu hier in der Gruppe! Erstmals ein grosses Hallo in die Runde! Ich hoffe wir dürfen uns hier ein bisschen Erfahrung, Verständniss und Ausstausch holen... Ich bin nicht der grosse "Internetler" schon gar nicht in Foren unterwegs, aber wir stehen gerade vor der grossen Frage, ob wir unseren Sohn 7 Jahre abklären lassen wollen. Und manchmal steht man mit all seinen Fragen und Ungewissheiten alleine da im Alltag...
Seit Geburt haben wir festgestellt, dass unser Sohn "Anders" ist. Immer wieder gab es Menschen in unserem Umfeld, die das Thema Asperger in den Mund genommen haben. Mir war das Wort vor ein paar Jahren noch fremd. Mittlerweile kann ich es mir immer mehr vorstellen, dass er tatsächlich das Aspergersyndrom haben könnte. Eigentlich sind die Übereinstimmungen sehr genau. Aber mir war es nie ein Bedürfnis, dies abzuklären. Wir wissen das irgendwas "anders" ist und versuchen so gut es geht damit umzugehen, was immer eine tägliche Herausforderung darstellt. Jedoch kenne ich ihn nicht anders und er ist mein Sohn und perfekt so wie er ist. Zwischendurch gibt es aber immer wieder Situationen mit Fremdpersonen, welche ich nicht mehr so recht weiss wie meistern. "Du musst mal ganz klar Grenzen setzen" "Lass ihn nur schreien, dann wird er es schon lernen" "Meine Tochter fühlt sich nicht verstanden von ihm, ich möchte, dass die Beiden miteinander sprechen und das Problem klären, er ist sehr verletzten in seinem Verhalten" (Herrjeh die Kinder sind 4 und 7 und meiner KANN nicht über Emotionen und Gefühle walten). "Hör mal auf so "Bubig" zu tun". Ich könnte hier noch so einiges auflisten. Auch haben wir nun immer mehr Probleme beim lernen. Er kann sich eifach nicht konzentrieren, ständig schweift er ab oder sieht in den Rechnungsaufgaben, Buchstaben oder in der Gestaltung der Arbeitshefter irgendwelche Geschichten, die er dann erzählt. Oder es kommt ein "Pieps" von nebenan und schon ist er nicht mehr bei der Sache. Auch kommt "üben" für ihn nicht in Frage, wenn man etwas gemacht hat, muss man es nicht 100x wiederholen. Freundschaften hat er keine wirklichen, er kennt paar Kinder von der Nachbarschaft, spielt hie und da auch mit ihnen (seit ca. 4 Monaten). Aber zwei Tage hinereinander mit anderen Kinder zu spielen, wird für ihn zu viel. Lieber zieht er sich zurück und spielt in der Natur.
Bis auf den schulischen Aspekt finde ich vieles nicht so schlimm, da wir ihm immer Zeit gelassen haben, damit er in seinem Tempo "lernen" kann und er auch bereits viele Fortschritte gemacht hat (er weiss das sowas wie Ironie, Sarkasmus und Humor gibt, weiss zwar nicht wie damit umzugehen/verstehen, aber er weiss, da Menschen manchmal "komisch" sprechen, er fängt an sich um seine kleine Schwester zu kümmern, versucht sozialen Kontakt zu anderen Kindern herzustellen, auch wenn sein Gegenüber seine "komische" Art nicht versteht, gibt sich grosse Mühe Emotionen zu kontrollieren, auch wenn es selten klappt, merken wir dies sehr deutlich).
Auf den ersten Blick wirkt er wie ein "normaler" Junge. Aber so langsam gibt es eben, wie gesagt, "Probleme" die den Alltag erschweren, bzw er anfängt zu leiden.
Aus diesem Grund habe ich dies mit unserem Kinderarzt angeschaut, was er empfehlen würde, im Falle einer Abklärung. Er würde uns nach Zürich ins Kispi schicken, in die Entwicklungspädiatrie. Ich oder besser wir, sind jetzt sehr hin und hergerissen. Zum einen denke ich, wäre es sinnvoll hätten wir allenfalls was "offizielles" und können uns auch Hilfe holen? Zum Anderen möchte ich ihn nicht "abstempeln" und vorallem wenn dann, jemand gutes finden, damit das ganze Prozedere nicht zu unnötigem Stress für ihn wird (schon ein normaler Kinderarztbesuche/Zahnarzt etc. bedeutet für ihn Höllenstress).
Oops jetzt habe ich länger ausgeholt, als das ich wollte... Aber wenn man mal in Fahrt kommt... Aber noch länger mache ich jetzt nicht ;)
War jemand von euch im Kispi Zürich und hat Erfahrungswerte hierzu? Oder gibt es hier Familien, die ihr Aspergerkind zu Hause unterrichten? Würde mich sehr über einen Ausstausch freuen!

Herzliche Grüsse

Benutzeravatar
Papa68
Stammgast
Beiträge: 2454
Registriert: Do 4. Feb 2010, 21:36
Geschlecht: weiblich

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von Papa68 »

Hallo Fjödur
Wenn es so klare Anzeichen gibt, würde ich ihn abklären lassen. Mein Cousin ist betroffen. Bei ihm wurde es aber erst mit 16 Jahren getestet, da hatte er schon in allen Bereichen verloren. Wenn euer Sohn vom Aspergersyndrom betroffen ist, kann man entsprechend reagieren (v.a. in der Schule) und hat mehr Verständnis für ihn. Auch kann einem das Gerede von anderen am A**** vorbei gehen. Wenn er nicht betroffen ist, könnt ihr aufatmen und müsst nicht jahrelang im Ungewissen leben.
SCHWEIGEN IST GOLD.
ES SEI DENN, DU HAST KINDER. DANN IST SCHWEIGEN VERDÄCHTIG!

Bebu
Member
Beiträge: 126
Registriert: Mo 12. Dez 2016, 17:55

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von Bebu »

Hallo Fjördu
Mein Sohn ist fast gleich alt wie deiner (bald 8) und ist abgeklärt. Die Probleme in der Schule oder bei den Hausaufgaben sind sehr ähnlich wie bei euch. Er fokussiert sich bei Arbeitsblättern auch oft auf unwichtige Details wie Schriftarten, Abstände zwischen Buchstaben oder Zeilen etc. – alles Dinge, die mir gar nicht auffallen. Ihn lenken sie ab. Sich auf die eigentliche Aufgabe zu konzentrieren ist dann schwierig. Auch der kleinste Pieps vom kleinen Bruder bringt ihn auf die Palme und aus der Konzentration. Es ist ziemlich schwierig und anstrengend. Ich versuche, zu Hause etwas mit dem TEACCH-Ansatz zu arbeiten. D.h. Aufgaben strukturieren, Texte oder Rechenaufgaben so abdecken, dass nur die aktuelle Übung zu sehen ist, etc.
In der Ergotherapie lernt er momentan, sich zu beruhigen und zu fokussieren - mit Atemübungen, leisem Zählen etc. Die Umsetzung zu Hause ist allerdings noch schwierig.
In der Schule hat er Unterstützung durch eine Assistentin. Während ca. 12 Lektionen ist sie anwesend (sie haben sonst noch oft Halbklasse), sitzt neben ihm und hilft ihm, konzentriert zu bleiben. Das ist sehr viel wert. Wenn du dir für deinen Sohn Unterstützung dieser Art wünschst, ist eine Abklärung – und eine Diagnose – unumgänglich. Du müsstest in dem Fall zuerst schauen, welche Institution in deinem Kanton Diagnosen stellt, die von eurem SPD akzeptiert werden. (Ich kenne eben Eltern, die ihr Kind in ZH abklären liessen, dann aber mit dem SPD im AG Probleme bekamen, weil die Diagnose nicht vom KJPD gestellt wurde.)
Alles Gute für die Entscheidung.

Bebu
Member
Beiträge: 126
Registriert: Mo 12. Dez 2016, 17:55

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von Bebu »

Wenn ich schon mal dran bin, würde ich gern folgende Frage an jene Eltern stellen, deren Kinder in die Regelschule gehen:
Bekommen Eure Kinder bei Prüfungen einen Nachteilsausgleich? Wenn ja, in welcher Form?

fläcki
Senior Member
Beiträge: 561
Registriert: Do 18. Feb 2010, 11:03
Geschlecht: weiblich
Wohnort: im Ämmitau

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von fläcki »

@Fjödur
Willkommen.
Zum einen denke ich, wäre es sinnvoll hätten wir allenfalls was "offizielles" und können uns auch Hilfe holen?
Sobald die Familie oder das Kind zu leiden beginnt dünkt es mich sinnvoll hinzuschauen. Bezüglich der Schule kann Hilfe beantragt werden, dies ist aber mit einer Diagnose deutlich einfacher, bzw. zT nur so möglich. Daher ist es, sobald in der Schule Probleme auftreten für alle einfacher, wenn man weiss woran man ist. Das heisst dann leider nicht, dass alle spuren, aber du hättest etwas in der Hand. Ja.

Kisp kenne ich nicht, komme aus dem Kanton Bern.
Oder gibt es hier Familien, die ihr Aspergerkind zu Hause unterrichten?
Ja, wir machen das. Sohn ist sieben und wird seit Mitte erstes Kindergartenjahr zuhause beschult. Darfst mir gern eine PN schreiben, wenn du konkrete Fragen dazu hast.

Benutzeravatar
Missdaisy
Member
Beiträge: 217
Registriert: Fr 28. Okt 2005, 22:35
Geschlecht: weiblich

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von Missdaisy »

@Bebu
Unser Sohn in ist der Regelschule. Er hat keinen Nachteilsausgleich. Bis zur 4. Klasse lief alles soweit normal, er hatte einfach ab der 1. Klasse Förderstufe 2. Die ersten Jahre hatte er nur 2 Lektionen pro Woche Unterstützung, danach konnte es auf 4 Std. aufgestockt werden (Ich glaube ab der 3. oder 4. Klasse). Als er in die 5. Klasse kam hatte er recht Mühe, somit wurde beschlossen, dass er in die Verlangsamung geht, das heisst die 5. Klasse in zwei Jahren. Im 1. Jahr wurden ihm somit die Test gekürzt, d.h. die Lehrerin hatte ihm Teile rausgestrichen und er musste somit weniger lösen. Jetzt im 2. Jahr macht er wieder alles genau gleich mit. Allerdings ist es nun eine andere Lehrerin welche von Grund auf viel kleinere Tests macht. Er hatte vor allem mit der Menge der Aufgaben recht Mühe. Ich weiss nun nicht, wie es im nächsten Jahr wird, wenn er in die 6. Klasse kommt und womöglich wieder die "alte" Lehrerin zurück bekommt, die die strengeren Tests macht. Sie kann dann auch wieder kürzen, dies würde dann aber entsprechend im Zeugnis erwähnt werden.

@Fjödur
Hab keine Angst vor einem "Stempel". Unser Sohn wurde mit 5 abgeklärt, weil er verhaltensauffällig und halt eben anders war. Solche Sprüche wie du habe ich auch immer mal zu hören bekommen. Er verhält sich im grossen und ganzen auch wie ein normales Kind aber hat immer wieder so spezielle kuriose Sachen an sich und ist allgemein sehr mühsam. Für uns war die Diagnose eine Erleichterung. Vor allem auch zu wissen was los ist und warum er so ist. Zudem kann man dann auch den Leuten mal sagen, dass er sich nicht absichtlich so verhält sondern dass er einfach anders tickt und die Welt anders wahr nimmt und sieht.
Räuber 12/2005
kleine Zicke 10/2008

Fjödur
Newbie
Beiträge: 6
Registriert: Di 23. Jan 2018, 14:44

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von Fjödur »

Vielen Dank für eure Worte, den gestrigen Tag habe ich viel nachgedacht und bin zum Schluss gekommen, dass es wahrscheinlich wirklich das Beste ist, wir lassen ihn abklären. Ich denke das kann uns als Familie Klarheit bringen und können uns auch Hilfe holen wo nötig sein sollte. Unklar ist noch wo wir es machen lassen wollen. Ich werde diesbezüglich noch "Nachforschungen" anstellen.
Angst vor einem Stempel habe ich nicht. Mich nervt es nur ungemein, dass wir alles schubladisieren müssen und die Menschen nicht einfach sein dürfen wie sie sind. Ich hoffe noch immer auf mehr Toleranz der Menschheit, aber ich glaube, das wird auf immer eine Wunschvorstellung sein :/ Anderssein sollte möglich sein, ohne "ohjeh ihr Armen" oder "er ist halt ein bisschen Anders". Denn sind wir mal ehrlich... Wir sind doch alle ein bisschen "Anders" ;)

fläcki
Senior Member
Beiträge: 561
Registriert: Do 18. Feb 2010, 11:03
Geschlecht: weiblich
Wohnort: im Ämmitau

Re: Asperger Syndrom - Teil 5

Beitrag von fläcki »

Angst vor einem Stempel habe ich nicht. Mich nervt es nur ungemein, dass wir alles schubladisieren müssen und die Menschen nicht einfach sein dürfen wie sie sind. Ich hoffe noch immer auf mehr Toleranz der Menschheit, aber ich glaube, das wird auf immer eine Wunschvorstellung sein :/ Anderssein sollte möglich sein, ohne "ohjeh ihr Armen" oder "er ist halt ein bisschen Anders". Denn sind wir mal ehrlich... Wir sind doch alle ein bisschen "Anders" ;)
Das höre und lese ich immer wieder. Ja, wir sind alle ein bisschen anders. Und das ist gut so. Und ja, ich wünsche mir auch Inklusion und Toleranz. Sehr. Das Thema Abklärung hat diesebezüglich für mich aber vielschichtig. Die eine, unschöne ist, dass Kinder in der Regelschule bestimmte Unterstützung nur bekommen, wenn sie schubladisiert sind. Schön wäre es, man müsste über Inklusion gar nicht mehr reden, dann hätten wir es wohl geschafft dass sie passiert. Im Privaten hat man das noch eher in der Hand. Und meine Wunschvorstellung ist da, dass Inklusion auch klappt, wenn Behinderungen Namen haben. Oft wird mit dem Namen einer Behinderung eine Wertung vorgenommen, das ist die eigentliche Tragik.
Und ganz ehrlich, wir fürchteten uns alle davor, dass da etwas ist. Der Wunsch man müsste nicht genauer hinsehen, weil alle tolerant genug sind hat für mich oft auch mit der Angst zu tun, dass das was man vermutet wahr werden könnet. Ist es erst einmal wahr, muss man die Konfrontation und den Kampf annehmen. Das kann weh tun. Was sage ich... Es tut weh. Die Erkenntnis, dass es nicht einfach wieder verschwindet, die Sorge was noch kommen kann wird real. Nicht einfach.
Ich bin der Meinung, man muss auch sehen, dass es grosse Unterschiede in der Ausprägung von Besonderheiten gibt. Je nach Ausprägung sind diese Abklärungen absolut gerechtfertigt und notwendig. Wir standen die ersten drei Jahre da und hatten Vermutungen. Haben diesen Vermutungen nach versucht zu reagieren, unser Kind zu stützen. Unzählige Bemerkungen, Einmischungen in die Erziehung, Abwertungen dieser Erziehung. Der Bauch sagte, wir machen es gut, aber diese Angriffe haben genagt. Da waren körperliche Symptome, ein Kind dem es offensichtlich innerhalb der Normgesellschaft nicht gut ging. Als dann endlich mit 3.5 die Diagnose da war wussten wir, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Wir konnten uns vertieft mit diesem Thema auseinandersetzen und unser Kind noch besser tragen und versuchen die Toleranz zu fördern. Es wurde nicht einfacher aber wir wussten womit wir es zu tun hatten. Wir wussten was er braucht damit es ihm gut geht. Wo die Grenzen liegen. Wo wir für ihn einstehen müssen weil er es nicht kann. Und wir können ihm heute erklären wieso manches für ihn so ganz anders ist als für viele andere. Er bekommt die Unterstützung die er braucht, aber dafür brauchte seine Besonderheit einen Namen. Weil er nicht nur "Bitzli anders" ist. Sondern ganz deutlich anders. Weil der Alltag mit ihm deutliche Anpassungen an eine Wahrnehmung erfordert, die man sich nicht manchmal nur ganz schwer erklären kann. Weil seine Entwicklung anders verläuft und er Dinge die Kinder mit sieben normalerweise können nicht kann. Und das in einem Rahmen, in dem man unterstützen muss, damit es irgendwann gehen wird, wo man nicht einfach nur annehmen kann, dass er halt anders ist und denken kann, es kommt dann schon.
Unsere Psychiaterin sagte einmal, man hätte auch vor 30 Jahren Kinder psychiatrisch begutachtet, aber gerade Kinder mit Autismus seien einfach schwererziehbar und entwicklungsverzögert gewesen und genauer hätte kaum einer hingeschaut.
Die Folgen waren für ganz viele Kinder und Familien dramatisch. Von daher: ab einer gewissen Ausprägung, die Kind und Familie nachhaltig schwächt oder beeinträchtigt, sind Diagnosen für mich unumgänglich um wieder stark zu werden. Dank dem dass man weiss wie eine Beeinträchtigung funktioniert weiss man heute auch, wie man Defizite ausgleichen kann und Förderung gelingt. Dank dem können heute Kinder mit Down Syndrom, Autismus oder anderen geistigen Besonderheiten mehr erreichen, selbstständiger werden, haben eine Chance auf ein zufriedenstellendes Leben in dem sie selbst irgendwann auch für Inklusion einstehen können. Selbst wissen was sie brauchen und was nicht.
Und zu guter letzt, ist eine Beeinträchtigung schwerwiegend greift die IV und finanziert Therapien, Material, Mediamente, Betreuungspersonen. Dafür braucht es aber eine Diagnose. Man muss einen Schweregrad irgendwie einstufen können.
Ich glaube bei Autismus wird oft vergessen wie weitreichend dieses Spektrum ist. Auf manchen Punkten dieses Spektrums braucht es keine Schublade, da wäre Toleranz und Menschlichkeit genug. Auf anderen Punkten sieht das aber ganz anders aus.

Antworten