9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Unsere grossen Kleinen und unsere kleinen Grossen. Was uns in diesem Abschnitt der Kinder begleitet, beschäftigt und interessiert.

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nalin
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9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von nalin »

Mein 9-jähriger (Asperger, relevant?), hat sich mir anvertraut und gesagt, dass er sich nicht mehr in die Schule traue, weil dort ein Mädchen in seinem „Revier“ spielt, welches eine verkümmerte Hand hat und er sich davor gruselt. Ob er da irgendwelche Medikamente nehmen könne, dass es ihn nicht mehr so gruselt? :roll: Er fürchtet sich auch vor einer Mutter eines Schulkollegen, welcher eine Fingerkuppe fehlt. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass die Leute sich das auch nicht ausgesucht haben und nix dafür können. Sie würden vielleicht auch gerne Dinge tun, die sie mit ihrem Manko nicht machen können. Er solle versuchen, sich daran zu gewöhnen, weil man im Endeffekt ja nichts dagegen tun kann.

Hat jemand eine Idee, wie ich ihm die Angst nehmen kann?

Nalin
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vOiCe
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von vOiCe »

Es ist wohl eher Ekel als Angst. Gerade Asperger haben ja teilweise sehr sensible Sensoren. Verstümmelungen passen nicht in ihr System von Ordnung und Gleichheit. Er sieht ja sogar eine fehlende Fingerkuppe, solch ein kleiner Makel bemerken viele Menschen wohl nie (ich sehe solche Dinge übrigens auch sofort, aber sie ekeln mich nicht). Machen kann man da wohl nicht viel :/ . Das Krux ist einfach, dass er sich nicht mehr zur Schule traut deswegen, von daher ist eine "Behandlung" wohl angezeigt. Ich habe mal eine Sendung gesehen über Therapien bei Menschen mit Zwangskrankheiten (diese Angst/dieser Ekel gehört wohl in diese "Kategorie"). Vielleicht weiss euer Kinderarzt etwas in diese Richtung?

Manana
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von Manana »

Habt ihr in der Schule ein Heilpädagoge der deinen Sohn unterstützt ?
Ich würde das Thema allenfalls dort mal ansprechen. Oder sonst bei der KLP.
Bei uns hat es geholfen wenn mit den Kindern halt über solche Dinge gesprochen wird.
Entweder in der Schule oder sonst auch zu Hause.
Wenn du ihm erklärst dass jedes Kind einzigartig ist und seine Besonderheiten hat.
Evtl. erklären, warum dieses Kind diese Hand hat. Allenfalls könnte er dieses Kind auch mal besser kennenlernen. So
würde er selber erfahren, dass es abgesehen von der Ausserlichkeit gleich ist wie er und ihm nichts tut.

tin
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von tin »

Ich habe einen 8 jährigen Junge mit hochfunktionalem Autismus (vielleicht auch Asperger, da sind sich die Experten nicht ganz einig)
Jedenfalls würde uns mehrmals empfohlen, ihm Risperdal zu geben, damit das Leben „normaler“ funktioniert. Trotz Zureden von Ärzten (dass Nebenwirkungen von kleinen Kinderdosen absolut gering sind, oft nicht bemerkt und so...), könnten wir uns noch nicht dazu überwinden, den Jungen medikamentös zu behandeln.
Damit will ich einfach sagen: Ja, es gibt Medikamente gegen die Auswirkungen der „autistischen Überwahrnemung“ Wenn mein Sohn jemals solche Medikamente wünscht, würde ich nochmals ernsthaft darüber nachdenken.
Bis jetzt kommen wir mit „wissenschaftlichen“Fakten, was zur Behinderung/ Andersartigkeit führt, gespickt mit Ideen eher aus der Fantasiewelt ( Piratenhacken als Hand als extrem einer Behinderung, Katze des Nachbarn, welche uns besucht und sich auch ziemlich „aspergerisch“ verhält...)
Nalin, ich finde es eigentlich ganz toll, dass dir dein Junge dies so konkret anvertrauen kann. ( ich denke für Kinder, insbesondere Asperger ist es ganz schwierig, eigene Gefühle korrekt wahr zu nehmen und zu formulieren..
Würde mein Sohn so eine Äusserung machen, würde ich sagen, wie toll ich es finde, dass er dies mir gegenüber so formulieren kann und schauen, ob sich daraus ein Gespräch entwickelt...(..und höchstwahrscheinlich die Situation mit seiner Psychologin, einer „Autismusspezialistin“ nachbesprechen

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Netterl
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von Netterl »

Würde auch einen Autismus- Experten zurate ziehen. Autisten ticken doch anders.
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Amaryllis
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von Amaryllis »

Nalin, ich schäme mich zwar, es zuzugeben, aber mich ekelt es auch vor verstümmelungen. Asperger habe ich nicht, ich bin (meiner Meinung nach ;) völlig normal.
Fehlende Fingerkuppen gehen für mich, da ich einen kollegen mit fehlender fingerkuppe habe, dessen hand ich schon oft berührt habe.
Generell versuche ich natürlich, mir den ekel nicht anmerken zu lassen. Hätte ich eine mir nahestehende person mit einem fehlenden gliedmass, würde ich mich hoffentlich mit der zeit daran gewöhnen. Helfen würde es wahrscheinlich auch, wenn ich den stumpf berühren und abtasten könnte. Ich habe das gefühl, verstehen, begreifen und vertrautheit nehmen den ekel weg.

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carina2407
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von carina2407 »

Findet ihr wirklich, dass solche Empfindungen abnormal sind und mit Medikamenten und Psychtherapie behandelt werden müssen? Weil meine Kinder fürchten sich manchmal auch etwas vor solchen Menschen. Meine Tochter auch noch vor sehr grossen und dicken Menschen, das ist einfach zuviel für sie. Ich spreche natürlich immer wieder mit ihnen darüber, dass Menschen unterschiedlich sind, frage sie wovor genau sie Angst haben, was denn passieren könnte, was sie meinen empfindet der Betroffene usw. Ich denke dass das ein Reifeprozess ist, und nichts was man behandeln muss.
Hat dein Sohn das Mädchen schon mal gefragt was mit ihrer Hand passiert ist? Ich habe damit bei meinen Kindern gute Erfahrungen gemacht, da sie vom Betroffenen selbst erfahren haben, warum er/sie so aussieht, das ist ein erster Schritt um Berührungsängste abzubauen. Aber das geht nicht von heute auf morgen, das braucht etwas Zeit und viele Gespräche. Einfach eine Pille einwerfen und „zack, Problem gelöst“, das wird nicht funktionieren. Und dann jedesmal wenn er sich nicht „politisch korrekt“ verhält, wieder Pillen und Therapie? Ich halte das für den falschen Weg. Er darf diese Gefühle haben, wichtig finde ich einfach, dass er diese Menschen nicht abwertet, das bringe ich auch meinen Kindern bei. Aber eine gewisse Angst vor Unbekanntem ist doch natürlich.
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Bridget
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von Bridget »

Meine Güte, das Kind ist neun Jahre alt, ist es da nicht völlig normal, dass es sich vor etwas gruselt, ekelt oder was auch immer? Ob jetzt Asperger oder nicht, für ein Kind finde ich das jetzt nicht soo ungewöhnlich. Ich bin eine erwachsene Frau und ich finde Knöpfe und Büroklammern total ekelhaft (es graust mich nur schon, diese Wörter zu schreiben...). Ich hatte das auch als Kind schon, habe einerseits gelernt, damit umzugehen, andererseits vermeide ich Kontakt mit diesen Dingern immer noch, soweit es irgendwie geht.

Wegen des Mädchens mit der verkümmerten Hand würde ich es auch mit Reden und Erklären versuchen. Und ja, er wird sich daran gewöhnen müssen, da er während des ganzen Lebens immer mal wieder mit solchen Sachen konfrontiert werden kann.

jupi2000
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von jupi2000 »

Ich sehe es wie carina!

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Netterl
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von Netterl »

Ein Asperger hat eine andere Wahrnehmung. Daher kann ( nicht muss!) ein Vorgehen, wie ihr es beschreibt, sowas von in die Hose gehen. Daher eben mein Ratschlag mit der Fachperson.
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tin
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von tin »

carina2407 hat geschrieben:Findet ihr wirklich, dass solche Empfindungen abnormal sind und mit Medikamenten und Psychtherapie behandelt werden müssen? Weil meine Kinder fürchten sich manchmal auch etwas vor solchen Menschen. Meine Tochter auch noch vor sehr grossen und dicken Menschen, das ist einfach zuviel für sie. Ich spreche natürlich immer wieder mit ihnen darüber, dass Menschen unterschiedlich sind, frage sie wovor genau sie Angst haben, was denn passieren könnte, was sie meinen empfindet der Betroffene usw. Ich denke dass das ein Reifeprozess ist, und nichts was man behandeln muss.
Hat dein Sohn das Mädchen schon mal gefragt was mit ihrer Hand passiert ist? Ich habe damit bei meinen Kindern gute Erfahrungen gemacht, da sie vom Betroffenen selbst erfahren haben, warum er/sie so aussieht, das ist ein erster Schritt um Berührungsängste abzubauen. Aber das geht nicht von heute auf morgen, das braucht etwas Zeit und viele Gespräche. Einfach eine Pille einwerfen und „zack, Problem gelöst“, das wird nicht funktionieren. Und dann jedesmal wenn er sich nicht „politisch korrekt“ verhält, wieder Pillen und Therapie? Ich halte das für den falschen Weg. Er darf diese Gefühle haben, wichtig finde ich einfach, dass er diese Menschen nicht abwertet, das bringe ich auch meinen Kindern bei. Aber eine gewisse Angst vor Unbekanntem ist doch natürlich.
Ich glaube nicht, dass irgend jemand Medikamente der Threaderöffnerin empfiehlt..
Ich bin glaub die Einzige, die Medikamente erwähnt hat, aber keinesfalls als Empfehlung. Ich glaubte gelesen zu haben, dass der Sohn fragte, ob es Medikamente gibt. Da habe ich geschrieben, ja es gebe...als Fakte, nicht als Empfehlung :) Hoffe, das kam so an :!: :wink:

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LadyBlue
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von LadyBlue »

nalin hat geschrieben:Mein 9-jähriger (Asperger, relevant?), hat sich mir anvertraut und gesagt, dass er sich nicht mehr in die Schule traue, weil dort ein Mädchen in seinem „Revier“ spielt, welches eine verkümmerte Hand hat und er sich davor gruselt. Ob er da irgendwelche Medikamente nehmen könne, dass es ihn nicht mehr so gruselt? :roll: Er fürchtet sich auch vor einer Mutter eines Schulkollegen, welcher eine Fingerkuppe fehlt. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass die Leute sich das auch nicht ausgesucht haben und nix dafür können. Sie würden vielleicht auch gerne Dinge tun, die sie mit ihrem Manko nicht machen können. Er solle versuchen, sich daran zu gewöhnen, weil man im Endeffekt ja nichts dagegen tun kann.
Also als erstes würde ich mit ihm darüber reden, dass es absolut normal ist, dass einem so was "komisch" vorkommt und man ein Bisschen Angst davor hat. Diese Angst ist nicht böse und man muss sich ihrer auch nicht schämen! Trotzdem kann man natürlich nicht "ih-wäh"-schreiend davon rennen, wenn einem jemand mit Fehlbildung begegnet...

Wir hatten im Gymnasium eine Kollegin mit einer Fehlbildung an der Hand. Ich wusste auch nie, wie ich damit umgehen soll - zu meinem Glück ging sie dann in die Offensive und kam auf mich zu: Hesch es Problem dermit? Wosch mau luege? Woch mau aarüehre?

Eventuell könntet ihr auch die Mutter der Kollegin mal darauf ansprechen, ob er ihren "abben" Finger mal anschauen, anrühren dürfte und sie alles fragen, was ihm dabei durch den Kopf geht? Ich bin überzeugt, echtes Wissen und Informationen helfen besser gegen Ängste als alle Tabletten der Welt.
"Es geht nicht darum, andere Meinungen „nicht auszuhalten“.
Es geht um „Opa, warum habt ihr damals eigentlich nichts dagegen getan?“

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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von LadyBlue »

Diesen Text hier fand ich in diesem Zusammenhang extrem hilfreich:
http://raul.de/leben-mit-behinderung/10 ... n-sollten/
"Es geht nicht darum, andere Meinungen „nicht auszuhalten“.
Es geht um „Opa, warum habt ihr damals eigentlich nichts dagegen getan?“

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nalin
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von nalin »

Danke Ihr Lieben für die zahlreichen Antworten. Um es mal vorwegzunehmen: niemand hat mir empfohlen, meinem Sohn irgendwelche Medis zu geben; inklusive mir. Mein Sohn hat selbst danach gefragt, weil ihm dabei sehr unwohl ist. Das Mädchen einfach so fragen, geht bei ihm nicht. Als Asperger hat er Mühe mit sozialer Interaktion, auch schon im täglichen Umgang. Es wäre ein grösserer Schreck für ihn, wenn er dieses Mädchen auch noch direkt danach fragen müsste. Er hat es mir im Vertrauen gesagt, und ich bin stolz, dass er seine Probleme mir so offen darlegt. Aber Leuten, die keine Aspies kennen, fehlt da halt gelinde gesagt der Durchblick. Deswegen bitte keine unqualifizierten Bemerkungen hiezu!!
Ansonsten versuche ich, mit ihm darüber zu reden, wie ich es bis anhin gemacht habe. Danke für alle Verständnisvollen!
nalin
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carina2407
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von carina2407 »

@nalin: Das mit dem direkt fragen war nur ein Vorschlag, wenn er das nicht kann verstehe ich das gut. Aber danke für deine Reaktion, in Zukunft werde ich mich strengstens hüten meine unqualifizierte Meinung kund zu tun wenn Asperger oder Adhs im Raum steht.
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tin
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von tin »

Gell, Nalin, ist manchmal recht schwer mit den autisnusbetroffenen Kindern...aber auch faszinierend...falls du dich mal darüber austauschen willst, gibt es hier im Forum einen öffentlichen (und auch einen geschützten) Aspergerthread
Du hast in Klammern geschrieben, er sei Asperger, auch noch mit der Frage, ob es relevant sei...oder ich hab es so verstanden..
Ich war dadurch auch verunsichert, wie „aspergerisch“ ich antworten sollte..nehme an, dass es deshalb so viele „neurotypische“ Empfehlungen gab.

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nalin
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von nalin »

Hallo tin

Ja, er ist diagnostizierter Asperger. Soll ich‘s im Asperger-Thread versuchen zu schreiben? Ich weiss nicht, ob ich dort schon aufgenommen wurde. Ist ziemlich lange her, seit ich im Forum war.

Lg nalin
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tin
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von tin »

Nalin:
Oh sorry. Du hast ja schon mal im öffentlichen Asperger-Thread geschrieben, hatte ich vergessen. Den gibt es noch und dort bist du immer willkommen.
Beim geschlossenen steht halt ganz viel, was mit etwas Talent unsere richtige Itendität und Wohnadresse ausfindig machen lässt...und vielleicht auch das eine oder andere, was vielleicht manche nicht Betroffene dazu bringen würde, nach der KESB zu schreien oder uns Mütter für unfähig zu erklären :mrgreen:
Deshalb sind wir dort etwas vorsichtig mit Aufnahmen und bitten, die Personen, die wenig Einblick in ihr Leben in den öffentlichen Beiträgen geben, sich per PN bei Sundala oder Opti vorzustellen, welche den geschlossenen Teil verwalten..

Aber ich denke, du machst es gut mit deinem Sohn und ich hätte es genau so gemacht. (In meinem ersten Posting hier habe ich dies glaub erwähnt: Loben für die präzise Gefühlserkennung und Formulierung und dadurch den Weg für ein weiteres Gespräch öffnen.
(...und danach, meinen Sohn um Erlaubnis gebeten, seine spezialisierte Therapeutin und ISF-Person um Rat zu fragen. Habt ihr so jemanden? Manchmal kann auch der örtliche KJPD helfen, aber oft sind diese so sehr mit Abklärungen beschäftigt, dass Beratungen zu kurz kommen)

Ich selber bin auch etwas weiter im Autismusspektrum drin, bin mir deshalb unsicher, ob ich mich verständlich machen kann..

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Hausdrache
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von Hausdrache »

Nalin
Rat ist immer schwierig. Gerade wenn man das Kind nicht wirklich kennt.

Unsere Kinder sind auch speziell, was diverse Dinge angeht. So stört es sie, wenn jemand am Tisch mit offenem Mund kaut, auch wenn es nur ab und an mal kurz ist, oder unsere Zweite hat Angst vor lebensechten Puppen. Ist in Museen zum Beispiel sehr mühsam. Bis auf die Grosse tun sich alle schwer mit Behinderungen. Nicht im Sinne von, dass sie behinderten Menschen gegenüber kein Verständnis hätten oder so, aber wenn eine Gliedmasse fehlt, ist das oft schwierig. Dies obwohl oder vielleicht auch weil sie mit einem Grossvater aufwuchsen der eine Beinprothese hatte und dem diverse Finger fehlten. Sie getrauten sich lange nicht, ihm die Hand zu geben. Zum Glück hat er das sehr locker genommen.
Nun hat unsere Zweitjüngste einen Lehrer, dem die ganze Hand fehlt. Das war sehr schwierig. Es kommen dann tausend Fragen, warum das so ist, was ihm wohl passiert ist, wie er damit am Computer schreiben kann, wie er... Darüber sprechen war schon ein erster Schritt. Indem sie es offen ansprechen, setzen sie sich damit auseinander. Wichtig scheint mir, dass man es ernst nimmt. Dem Kind spiegelt, dass es "normal" ist, dass man davor erstmal zurückschreckt, dass man es unschön findet, es nicht gerne ansieht. Dann aber auch vermitteln, dass man sich ein Stück weit drangewöhnen kann, sich dem Ekel stellen kann. Aber auch, dass man sich dem nicht ständig aktiv aussetzen muss. Unsere hat dann mal ganz genau hingeschaut, bis sie fand, sie hätte es nun gesehen. Nun nimmt sie die Hand viel weniger war und sagt selber, nun müsse sie nicht immer hinschauen. Denn auch das ist oft mit dabei, eine gewisse Faszination, man wird wie angezogen davon.

Ich denke, dein Sohn hat es schon formulieren können, dass es ihn stört, vielleicht könnt ihr zusammen überlegen, was ihm helfen würde, damit klar zu kommen. Ausweichen kann er dem offensichtlich nicht ganz. Aber vielleicht hat er Ideen, was ihm helfen würde? Ich denke, auch Berührungen, es einmal anfassen zu können, kann hilfreich sein. Wenn er sich das denn zutraut. Aber es ist ja so ähnlich wie mit Schlangen, die stellen sich auch alle kalt und glitschig und eklig vor. Wenn man sie einmal angefasst hat, merkt man, dass sie sehr trocken sind und gar nicht so eklig.

Ich hoffe, ihr findet einen guten Weg. Nimm deinen Sohn unbedingt ernst. Es sind seine Gefühle, die sind da, egal warum. Unsere Kinder haben keine Aspergerdiagnose, aber sie machen sich die Gedanken genauso. Es gibt auch viele Erwachsene, die Mühe haben. Ich finde, das gehört mit zum Leben dazu. Andersartigkeit hat schon immer die Menschen beschäftigt. Früher wurden solche Menschen ausgegrenzt, verbannt, oder gar hingerichtet. Es wurde als Makel, Strafe Gottes oder was auch immer angesehen, wenn ein Mensch eine Behinderung hatte. Heute wissen wir zum Glück viel mehr und die Menschen haben ihren Platz in der Gesellschaft bekommen. Dass aber Menschen Zeit brauchen, damit klar zu kommen, ist verständlich. Zumal man ja doch nicht täglich mit solchen Dingen konfrontiert wird. Es wird ja heute noch oft versteckt, oder mittels sehr guter Prothesen kaschiert. So wirklich Salonfähig ist es ja nach wie vor nicht.

Warum also soll ein Kind es einfach können und damit klar kommen? Gib ihm Zeit, nimm es an, wie es ist und hör ihm zu, wenn er erzählt. Sucht gemeinsam nach Wegen. Und wenn ihr sie nicht findet, dann such dir professionelle Hilfe. Nicht alles müssen Mütter können und mit den Kindern bewältigen ;)
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Pädagogik ist der organisierte Kampf der Erwachsenen gegen die Kinder.(Mark Twain)

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Amaryllis
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Re: 9-jähriger gruselt sich vor Menschen mit „Verstümmelung“

Beitrag von Amaryllis »

carina2407 hat geschrieben:@nalin: Das mit dem direkt fragen war nur ein Vorschlag, wenn er das nicht kann verstehe ich das gut. Aber danke für deine Reaktion, in Zukunft werde ich mich strengstens hüten meine unqualifizierte Meinung kund zu tun wenn Asperger oder Adhs im Raum steht.
Ich kann dein post verstehen. Ich denke jedoch, sich hüten die eigene meinung kundzutun, ist der falsche weg, legt den fokus noch mehr auf das besondere, die andersartigkeit, die wir normalen nicht verstehen. Ich denke, es liegt an uns, angriffige reaktionen bei denen zu lassen, wo angreifen und sich diese reaktionen nicht zu herzen zu nehmen.

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