Rassismus im Keim ersticken

Unsere grossen Kleinen und unsere kleinen Grossen. Was uns in diesem Abschnitt der Kinder begleitet, beschäftigt und interessiert.

Moderator: conny85

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Lotus
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von Lotus »

(((ausländerin))) Ich hätte ein Projekt im Tschad antreten sollen, habe abgelehnt, schweren Herzens. Mein Jüngster war 2 Jahre alt.
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danci
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von danci »

Entschuldige, Ausländerin. Ich lese Deine Beträge immer sehr gerne, aber hier verrennst Du Dich tatsächlich. Das Thema ist (Alltags-)Rassismus in der Schweiz. Das hat nun mal mit Weissrussland oder Somalia wenig zu tun. Mal davon abgesehen wage ich jetzt mal die These, dass es einem PoC in einem weissrussischen Gefängnis noch schlimmer ergehen würde als den verhafteten Demonstranten, was keinesfalls heisst, dass ich die Verhaftungen und Gewalt gutheisse oder bagatellisiere.

Und nur weil Dich eine Frage nicht stört, heisst das nicht, sie könne unter Umständen nicht problematisch sein. Man kann von sich ausgehen und sich als Beispiel bringen, aber nicht von sich auf alle schliessen. Ein Akzent ist auch m.M.n. etwas anderes als das Aussehen. Denn die Sprache ist ja nicht angeboren, diese erwirbt man. Dass heisst, dass jemand, der einen starken Akzent hat, auch einen Migrationshintergrund hat, was bei der Hautfarbe nicht der Fall sein muss. Jugend-Pseudo-"Balkanslang" vielleicht ausgenommen, aber da reut es mich wenig, wenn diese nach der angeblichen Herkunft gefragt werden.

Ich schätze die Arbeit der humanitären Hilfe und auch Entwicklungshilfe sehr, aber bereits der Umstand, wer diese braucht und wer diese gibt und auch, dass Du die Wahl hast, diese Arbeit zu tun oder nicht (auch wenn die Wahl eingegrenzt ist, ist es eine Wahl), ist ein Privileg. Die Menschen, die die Hilfe erhalten, sind dankbar, sie haben aber eigentlich keine Wahl, d.h. höchstens die Hilfe annehmen oder sterben. Keiner sagt deshalb, Du wüsstest nicht, was Rassismus ist oder die Arbeit sei nicht gefährlich.
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sonrie
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von sonrie »

danci hat geschrieben: Mo 17. Aug 2020, 14:03
Wenn Du das Wort "Eigenschaft" etwas ausdehnst, dann fällt doch auch darunter, dass man bei jemandem mit anderer Hautfarbe und/oder Namen gleich darauf schliesst, dass er (oder zumindest die Eltern) eingewandert ist. Das sagt doch schon bereits aus "Du bist Schwarz und darum nicht Schweizer". Das kann durchaus rassistisch sein.
Ich weiss was du meinst und ja, es kann natürlich rassistisch sein, aber genauso kann es doch einfach auch Interesse am anderen bedeuten.

Du hast einen Akzent, du trägst eine Tracht, du schaust anders aus, hast eine andere Hautfarbe, du hast einen fremdländischen Namen, du begrüsst mich anders als die Leute hier, etc.... das alles sind Dinge, die darauf schliessen lassen, dass derjenige aus einem anderen Land /Kulturkreis kommt und man einfach aus Interesse fragt, woher man denn stammt (ja, manche Dinge kann man ändern, manche nicht, das ist mir durchaus klar). Rassistisch ist für mich nicht die Frage an sich, woher man denn stammt, sondern die Art WIE man fragt. Mich skeptischem Blick und abfälliger Betonung oder mit echtem Interesse. Genauso wie man halt auch fragt, wo man wohnt, arbeitet oder ob man Familie hat.

Ich arbeite in einem sehr internationalen Umfeld und die wenigsten meiner Kollegen leben in dem Land in dem sie geboren/aufgewachsen sind, dazu kommen dann seltsame Namens- und Sprachkombinationen aufgrund binationaler Ehen ;-). Die Frage nach Herkunft und Nationalität passiert hier üblicherweise direkt nach der Frage nach dem Vornamen.

@Ausländerin: ist mir in Madagaskar so gegangen - da haben uns die Kinder "vazaha" genannt, die "Weissen" eben ;-)
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ausländerin
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von ausländerin »

danci hat geschrieben: Mo 17. Aug 2020, 16:16 Entschuldige, Ausländerin. Ich lese Deine Beträge immer sehr gerne, aber hier verrennst Du Dich tatsächlich. Das Thema ist (Alltags-)Rassismus in der Schweiz. Das hat nun mal mit Weissrussland oder Somalia wenig zu tun. Mal davon abgesehen wage ich jetzt mal die These, dass es einem PoC in einem weissrussischen Gefängnis noch schlimmer ergehen würde als den verhafteten Demonstranten, was keinesfalls heisst, dass ich die Verhaftungen und Gewalt gutheisse oder bagatellisiere.

Und nur weil Dich eine Frage nicht stört, heisst das nicht, sie könne unter Umständen nicht problematisch sein. Man kann von sich ausgehen und sich als Beispiel bringen, aber nicht von sich auf alle schliessen. Ein Akzent ist auch m.M.n. etwas anderes als das Aussehen. Denn die Sprache ist ja nicht angeboren, diese erwirbt man. Dass heisst, dass jemand, der einen starken Akzent hat, auch einen Migrationshintergrund hat, was bei der Hautfarbe nicht der Fall sein muss. Jugend-Pseudo-"Balkanslang" vielleicht ausgenommen, aber da reut es mich wenig, wenn diese nach der angeblichen Herkunft gefragt werden.

Ich schätze die Arbeit der humanitären Hilfe und auch Entwicklungshilfe sehr, aber bereits der Umstand, wer diese braucht und wer diese gibt und auch, dass Du die Wahl hast, diese Arbeit zu tun oder nicht (auch wenn die Wahl eingegrenzt ist, ist es eine Wahl), ist ein Privileg. Die Menschen, die die Hilfe erhalten, sind dankbar, sie haben aber eigentlich keine Wahl, d.h. höchstens die Hilfe annehmen oder sterben. Keiner sagt deshalb, Du wüsstest nicht, was Rassismus ist oder die Arbeit sei nicht gefährlich.
Danci - jetzt verstehe ich wirklich nichts mehr. Ich bin mit allem was du geschrieben hast völlig einverstanden. Ich schildere auch nur meine Erfahrungen mit Diskrimination in der Schweiz (oder gehört Überwachung durch Kriminalpolizei auf Grund von Nationalität nicht dazu?) und was ich persönlich OK und nicht OK finde. Es ist mir mehr als Klar dass die Leute unterschiedliche Empfindungen haben, auf Grund von Erlebnissen, Kultur und Vorgeschichte. Das einzige was mir in diesen ganzen Diskussion gestört hat ist dass Rassismus durch Hautfarbe definiert wurde. Ich denke nur dass es unabhängig von dem ist, und als weisse Person kann man auch Diskriminierung erleben - hier in der Schweiz, oder halt als Zielperson in Somalia. Ich werte überhaupt nicht ob es schlimmer ist als weisse in Somalia umgebracht zu werden oder als Schwarze in der USA. Dank der BLM interpretation scheint mir aber dass Diskriminierung auf Grund von Hautfarbe jetzt anderes sein soll und wahrgenommen wird als Diskriminierung auf Grund von Herkunft, Religion, Politische Meinung (Weissrussland Beispiel), Sprache usw. Und die weisse keine Ahnung davon haben sollen. Das finde ich falsch. Du aber auch?
Ursprüngliche Thema war übrigens ein Kind dass ein anderes Kind aufgrund aussehen nicht nett findet. Das ganze Diskussion hier hat schon lange nichts damit zu tun. Vielleicht sollen wir ins Heisse Themen zügeln...

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Ariadne
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von Ariadne »

Ich arbeite in einem sehr internationalen Umfeld und die wenigsten meiner Kollegen leben in dem Land in dem sie geboren/aufgewachsen sind, dazu kommen dann seltsame Namens- und Sprachkombinationen aufgrund binationaler Ehen ;-). Die Frage nach Herkunft und Nationalität passiert hier üblicherweise direkt nach der Frage nach dem Vornamen.
Aber international ist doch nunmal nicht gleich international. Natürlich erleben niederländische, schwedische, englische etc. Leute untereinander keinen Rassismus und keine Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft. Und ich kann mir gut vorstellen, dass man als jemand, der/die aus der CH oder aus solchen Ländern kommt und sich viel in einem solchen internationalen Umfeld bewegt, denkt, wenn man dann genau gleich umgeht mit jemandem, der/die eine dunkle Hautfarbe oder einen Namen aus einem Land mit Flüchtlings-Hintergrund hat, dann sei das doch genau so wenig rassistisch bzw. diskriminierend. Aber dieses Denken kommt ganz klar aus einer völlig privilegierten Situation heraus, in der man tatsächlich mit westlich-internationalen Namen oder binationaler Herkunft absolut keine(n) Rassismus/Diskriminierung erfährt, wenn man selber nach diesen Hintergründen gefragt wird.
Aber andere Ethnien und Länder haben nur schon historisch so viel Unterdrückung und Ablehnung erfahren, dass eine solche Frage für sie eine ganz andere Bedeutung hat. Das kann man nunmal wirklich nicht vergleichen, nur weil man denkt, die Art und der Tonfall der Frage seien doch dieselbe.
LG,
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Ariadne
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von Ariadne »

@ ausländerin
Ich verstehe deine Aussagen sehr gut und denke auch, dass es sich an sich schon lohnt, zu differenzieren, so wie du es tust.
Aber trotzdem kann jede Differenzierung nicht über eine grundlegende Sache hinwegtäuschen, die eben schon eine grundsätzlich andere Sache daraus macht, ob man als weisse oder als dunkelhäutige Person diskriminiert wird: der Kolonialismus hat jahrhundertelang ganz klar das Narrativ von der Minderwertigkeit der Dunkelhäutigen und der Überlegenheit der weissen Menschen verbreitet und es einen überwiegenden Teil der Menschheit (auf beiden Seiten) total verinnerlichen lassen. Das hat die Menschheit nunmal extrem geprägt.

Aber natürlich gibt es noch viele weitere Formen der Diskriminierung aufgrund von Herkunft und Hautfarbe - aber keine davon hat einen so extremen globalen Impact gehabt. Dies einfach als Erklärung, warum der Fokus oft darauf gelegt wird.
LG,
Ariadne

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ausländerin
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von ausländerin »

Ariadne - ja ich bin einverstanden dass Kolonialismus sehr viel damit zu tun hat. Aber nicht nur. Meine Erfahrung ist dass andere Merkmale die Diskriminierung weiter verschlimmern - und sie haben leider ihres Uhrsprung nicht in der Geschichte sondern in Gegenwart. Eine dunkelhäutige Frau in der Schweiz wird leider noch mehr unangenehmes erleben wenn sie eine Kopftuch trägt als wenn sie es nicht macht. Und eine weisse Frau mit Kopftuch leider auch, und vermutlich sogar mehr als eine Angestellte der Novartis in einem Businessanzug und BMW, mit dunkler Haut. Es spielen sowiele Sachen mit. Sozialer Status, politische Ansichten, Religion, sogar Kleider.
Gerade in 20 min regt sich ein Luzerner Komiker auf dass ein Bank sein Fahrerausweis nicht als ID akzeptiert hat und Mitarbeiterin seine Schweizer Bürgerschaft angezweifelt hat weil er dunkel ist. Wir finden es schrecklich, denken über Rassismus und fühlen mit. Dabei wird nicht erwähnt, dass die meisten Drittländerbürger gar keinen Konto in diesem Bank öffnen dürften, egal welche Hautfarbe. Sowie mit BLM Anfang in der Schweiz wurde nur über Süssigkeiten gesprochen statt zum Beispiel über Konzernverantwortungsinitiative die dann auch aktuell war. Wenn wir nur auf Hautfarbe fokussieren, laufen wir in Gefahr was wesentliches übersehen zu können. Ich habe keine Statistik dazu, und keine Forschungsstelle die es beweist. Aber mein subjektiver Gefühl und Erfahrungen aus meiner Multi-Kulti Umgebung ist dass Muslimische Frauen in der Schweiz die aus Drittländern stammen genauso viel oder sogar mehr Diskriminierung in der Schweiz erleben trotz heller Haut, als dunkelhäutigen Frauen und Männer die ihre Religionsangehörigkeit nicht zeigen oder/und Schweizer Pass besitzen.

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Ariadne
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von Ariadne »

@ ausländerin
Wieso sollte nur der Kolonialismus mit Diskriminierung zu tun haben? Das wäre doch völlig simplifizierend. Schliesslich gab es schon vor dem Kolonialismus Diskriminierung. Dennoch ist das im Kolonialismus verbreitete Narrativ das prägendste der letzten Jahrhunderte auf globaler Ebene.
Aber natürlich darf das nicht dazu führen, dass man in jedem Einzelfall nur auf dieses Erklärungsmuster zurückgreift. In Einzelfällen muss immer differenziert werden, ganz klar.
LG,
Ariadne

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sonrie
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von sonrie »

@Ariadne: genau. Es kommt auf die Situation und den Kontext an, nichts anderes wollte ich sagen. Einen Schwarzen in CH zu fragen woher er kommt muss nicht rassistisch sein, kann aber.
Es kann sein, dass die Frage für jemanden unangenehm oder nervig ist, muss aber nicht. Also die Frage nach der Herkunft aufgrund von Hautfarbe etc. ist per se nicht rassistisch.
Übrigens sind es meistens Araber, Afrikaner und Inder sowie Chinesen mit denen ich zu tun habe um mal mit dem Expat- Klischee aufzuräumen ;-)
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Ariadne
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von Ariadne »

@ sonrie
Einen Schwarzen in CH zu fragen woher er kommt muss nicht rassistisch sein, kann aber.
Es kann sein, dass die Frage für jemanden unangenehm oder nervig ist, muss aber nicht. Also die Frage nach der Herkunft aufgrund von Hautfarbe etc. ist per se nicht rassistisch.
Hmm, das klingt mir jetzt doch ein bisschen zu salopp, finde ich. So als ob es halt mal so und mal so wäre. So einfach ist es aber nicht. Es schon wichtig, wem man diese Frage stellt und mit welchem eigenen Hintergrund. In Einzelfällen kann das anders empfunden werden, aber generell zu sagen, Menschen jeglicher Herkunft und Hautfarbe können die Frage sozusagen mit 50:50 Chance als übergriffig empfinden oder nicht, entspricht einfach nicht der Realität.

Hast du wirklich noch nie darüber nachgedacht, dass deine Position eine zutiefst privilegierte ist, und dass du im Grunde gar nicht nachempfinden kannst, was diese Frage bedeuten könnte? Also ich kann es nicht. Und ich bin auch zum Teil ausländisch und werde oft nach meinem nicht-schweizerischen Namen gefragt. Aber das ist absolut nicht vergleichbar, wenn man so privilegiert aufgewachsen ist wie ich.
LG,
Ariadne

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sonrie
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von sonrie »

Ariadne hat geschrieben: Mo 17. Aug 2020, 19:52 Es schon wichtig, wem man diese Frage stellt und mit welchem eigenen Hintergrund. In Einzelfällen kann das anders empfunden werden, aber generell zu sagen, Menschen jeglicher Herkunft und Hautfarbe können die Frage sozusagen mit 50:50 Chance als übergriffig empfinden oder nicht, entspricht einfach nicht der Realität.
wer hat denn gesagt dass es so ist?
Ariadne hat geschrieben: Mo 17. Aug 2020, 19:52 Hast du wirklich noch nie darüber nachgedacht, dass deine Position eine zutiefst privilegierte ist, und dass du im Grunde gar nicht nachempfinden kannst, was diese Frage bedeuten könnte? Also ich kann es nicht. Und ich bin auch zum Teil ausländisch und werde oft nach meinem nicht-schweizerischen Namen gefragt. Aber das ist absolut nicht vergleichbar, wenn man so privilegiert aufgewachsen ist wie ich.
Ja natürlich bin ich privilegiert, das steht ausser Zweifel - dies aber ganz unabhängig von meiner Hautfarbe. Ich weiss auch nicht, was diese Frage eventuell bedeuten könnte - je nach Geschichte und Hintergrund kann das dieses oder jenes sein....

Das ist aber bei vielen Fragen so.... wenn eine kinderlose Frau gefragt wird ob sie Familie hat, kann das in ihr etwas sehr unangenehmes auslösen, muss aber nicht. (dsa Bsp. hinkt, ich weiss) Man kann mit jeder Frage wunde Punkte treffen, deswegen müssen die Beweggründe dahinter aber nicht unbedingt rassistisch oder fies oder was weiss ich was sein.

Wenn ich einen dunkelhäutigen im Coop aber anschaue als ob er nicht bis 3 zählen kann und frage "Du sprechen deutsch?" - dann ist es m.M. nach rassistisch motiviert, weil es nicht mit Interesse am Gegenüber zu tun hat.
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stella
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von stella »

sonrie - Frage nach der Herkunft
Bei einer PoC Person impliziert diese Frage, dass sie nicht von hier sein kann. Wenn dann eine PoC Person sagt, dass sie von Hinterfultigen ober Oberdorfen kommt und dann jemand noch nachschiebt, woher sie wirklich komme, sagt das im Prinzip aus, dass es keine PoC gibt, die SchweizerIn sein kann. Und es gibt doch etliche PoC, die noch nie in "Afrika in ihrem vermeintlichen Ursprungsland" waren. Sie fühlen sich als SchweizerIn. Daher ist die Frage der Herkunft für viele PoC rassistisch.

Wenn man PoC zuhört, würde man das oben hören und feststellen können. Nein, ich bin keine PoC, aber ich höre zu.

Die Frage kann allenfalls später, wenn man sich gut kennt, gestellt werden. Oder man stellt sie und gibt sich zufrieden mit "Hinterfultigen" und doppelt dort nicht nach.
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sonrie
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von sonrie »

stella hat geschrieben: Mo 17. Aug 2020, 20:45 sonrie - Frage nach der Herkunft
Bei einer PoC Person impliziert diese Frage, dass sie nicht von hier sein kann. Wenn dann eine PoC Person sagt, dass sie von Hinterfultigen ober Oberdorfen kommt und dann jemand noch nachschiebt, woher sie wirklich komme, sagt das im Prinzip aus, dass es keine PoC gibt, die SchweizerIn sein kann. Und es gibt doch etliche PoC, die noch nie in "Afrika in ihrem vermeintlichen Ursprungsland" waren. Sie fühlen sich als SchweizerIn. Daher ist die Frage der Herkunft für viele PoC rassistisch.

Wenn man PoC zuhört, würde man das oben hören und feststellen können. Nein, ich bin keine PoC, aber ich höre zu.

Die Frage kann allenfalls später, wenn man sich gut kennt, gestellt werden. Oder man stellt sie und gibt sich zufrieden mit "Hinterfultigen" und doppelt dort nicht nach.
danke, ich habs vorher schon begriffen was ihr meint. ;-) Darum auch meine Aussage, dass es auf die Situation und den Kontext ankommt und die einfache Frage "Woher kommst du?" auch einfach aus Interesse gestellt werden kann. Und wenn das Gegenüber dann "us Züri" antwortet, dann ist ja die Frage auch beantwortet. Von Nachdoppeln war nie die Rede, das gehört sich auch bei anderen Themen nicht und ist schlichtweg unhöflich. Daher habe ich geschrieben es ist nicht Frage an sich, die rassistisch ist, sondern die Art und Weise wie man sie stellt.
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falabella
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von falabella »

Ich kann nur auf weniges eingehen gerade, möchte mich aber tatsächlich verteidigen :lol:

Mein Einspruch hat nichts - oder zumindest nur ganz wenig - mit white fragility zu tun.

Obwohl ich v.a. als Kind auch Ausgeschlossensein, Ablehnung, Gewalt von anderen Kindern und Verachtung von Lehrpersonen erfahren habe, ganz ohne Migrationshintergrund, bin ich mir meiner Privilegien - deren sehr viele sind - extrem bewusst, hinterfrage mich oft gründlich und mache mir insbesondere bewusst, wenn schlechte Gefühle meinerseits (ganz unterschiedlicher Art) mit meinen eigenen Unzulänglichkeiten zu tun haben oder sogar auch nur teilweise zu tun haben könnten. Ich bin persönlich sensibel gegenüber Menschen, die Diskriminierung erlebt haben könnten - und habe z.B. noch nie in den Zusammenhängen, die hier beschrieben wurde, jemanden gefragt, „von wo“ er oder sie komme, und zwar bewusst.

Ich finde aber, um einen Bogen zu machen zum Anfang, trotzdem nicht, dass diese Frage, gegenüber typischerweise diskriminierten Minderheiten in unserem Land, rassistisch oder diskriminierend sein muss. „Es kommt darauf an“ (langweilig aber wahr :lol: :wink:)

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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von Flipp »

Ich habe soeben diese ganze Diskussion gelesen und finde sie sehr interessant. Mir kam eine Situation (mehr zum ursprünglichen Thema) aus meiner Schule in den Sinn. Ich war in der 2. oder 3. Klasse, da kam ein Junge aus der Türkei neu in unsere Klasse. Er hat kein Wort Deutsch gesprochen, aber wohl bereits einiges verstanden. Wir mussten in Zweierreihen auf irgendeinen Ausflug gehen. Doch niemand wollte die Hand des Jungen halten. Alle haben sich möglichst weit von ihm entfernt, einige haben ein angeekeltes Gesicht gemacht und ich habe gehört, wie alle “sicher nicht” gesagt haben. Der Junge stand hilflos da und die Lehrerin hat uns aufgefordert, dass sich doch jemand bereit erklären solle. Ich habe das dann gemacht, denn der Junge hat mir so leid getan.
Ich glaube, wenn man solche Situationen beobachtet kann man, auch wenn man weiß und privilegiert ist, nachempfinden, wie es so einem Kind ergeht. Ich fand das wirklich ganz schlimm. Und das war bestimmt nicht das einzige Mal, dass er so etwas erleben musste. Und der einzige Grund war, dass er fremd und anders war als wir. Dieses Erlebnis kommt mir bis heute immer wieder mal in den Sinn.

Nun muss ich aber zugeben: auch ich musste mich wirklich überwinden... Nicht weil er neu war, oder Türke, oder nicht gesprochen hat, oder seltsame Klamotten trug. Viel schlimmer: das war ein BUB!!! (und ich war zu dieser Zeit wohl noch etwas sexistisch)

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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von Ariadne »

sonrie hat geschrieben: Mo 17. Aug 2020, 20:28
Ariadne hat geschrieben: Mo 17. Aug 2020, 19:52 Es schon wichtig, wem man diese Frage stellt und mit welchem eigenen Hintergrund. In Einzelfällen kann das anders empfunden werden, aber generell zu sagen, Menschen jeglicher Herkunft und Hautfarbe können die Frage sozusagen mit 50:50 Chance als übergriffig empfinden oder nicht, entspricht einfach nicht der Realität.
wer hat denn gesagt dass es so ist?
Kann sein, dass ich dich da falsch verstanden habe. Lass es mich also als Frage formulieren. Ich habe mich dabei auf diesen Satz bezogen:
sonrie hat geschrieben:Es kann sein, dass die Frage für jemanden unangenehm oder nervig ist, muss aber nicht.
Das verstehe ich so, dass es deiner Meinung nach völlig unabhängig von der Hautfarbe oder der Herkunft einfach je nach konkreter Situation sein kann, dass es jemand als unangenehm empfindet, oder eben nicht. Halt mal so und mal so ohne Tendenz in die eine oder andere Richtung. Man kann nicht voraussagen, wie es tendenziell empfunden wird, denn es ist nur von der Situation abhängig, nicht von der Hautfarbe oder Herkunft der Person. So habe ich deine Aussage verstanden. Also meine Frage, damit ich das richtig verstehe: wie hast du diese Aussage denn gemeint?
LG,
Ariadne

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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von Ariadne »

sonrie hat geschrieben:Daher habe ich geschrieben es ist nicht Frage an sich, die rassistisch ist, sondern die Art und Weise wie man sie stellt.
Da bin ich anderer Meinung.
Die Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe ist so tief verwurzelt, dass man absolut nicht sagen kann, dass man es selber in der Hand hat, wie eine Frage rüberkommt oder dass man es ja nicht einschätzen kann und es nicht an einem selber liegt, wenn die Frage als unangenehm empfunden wird, denn man hat sie ja "richtig" gestellt. Und das sagst du ja im Grunde genommen. Du sagst, es ist egal, wem du die Frage stellst, wenn du sie einer weissen und einer schwarzen Person auf die gleiche Art stellst, dann ist das das Gleiche und nicht rassistisch.
Damit verkennst du aber den ganzen historischen Kontext und die grundsätzlich unterschiedlichen Erfahrungen, die weisse und schwarze Leute (oder man könnte auch einsezten Menschen mit westlichen Namen oder aber mit gewissen osteuropäischem Namen) in ihrem Leben machen. Du denkst, weil du von dir aus die gleichen Massstäbe ansetzt (denn ich glaube dir, dass du es absolut nicht rassistisch meinst), müsse das auch gleich ankommen, bzw. wenn es nicht gleich ankomme, dann sei das absolut nicht deine Schuld und liege nur am Gegenüber oder an der zufälligen Situation. Aber du bist doch jetzt sensibilisiert auf dieses Thema, du weisst also, dass es da ganz klar grosse Unterschiede auf der Empfängerseite gibt je nach Herkunft. Also warum bestehst du darauf, dass DU es ja nicht rassistisch gemeint habest, wenn du doch weisst, dass es oft so ankommt (und du weisst auch wieso)? Das verstehe ich halt nicht.
falabella hat geschrieben: Ich bin persönlich sensibel gegenüber Menschen, die Diskriminierung erlebt haben könnten - und habe z.B. noch nie in den Zusammenhängen, die hier beschrieben wurde, jemanden gefragt, „von wo“ er oder sie komme, und zwar bewusst.
Genau das ist es eben, was ich meine. Dieses Bewusstsein ist da, und deshalb kann man doch auch darauf achten.
LG,
Ariadne

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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von sonrie »

puuuh.... dass du anderer Meinung bist habe ich erkannt und auch, dass du meine Erklärungen nicht verstehst... aber ich versuche es nochmal mich zu erklären.
Der zitierte Satz ist etwas aus dem Kontext gerissen, die längere Variante ist noch etwas weiter oben. Was ich damit sagen möchte ist, dass wenn man jemanden kennenlernt, ist es oftmals reines Interesse an der Person, zu fragen woher sie kommt, das kann auch ein Weisser mit Schweizer Dialekt sein. (Ich kann zb. Schweizer Dialekte schlecht den Regionen zuordnen und frag da wirklich mal nach, woher er sie denn kommt bzw. was das für ein Dialekt ist). KLingt jetzt so als ob es nur um die Herkunft geht, aber man fragt ja alles mögliche wenn man jemanden kennenlernt - nicht grad Löcher in den Bauch, aber in so einem kennenlerngespräch werden doch viele Fragen gestellt (woher kennst du den Gastgeber? Wie lange arbeitest du schon für XY? Was hast du vorher gemacht? Von wo seid ihr grad hergezogen? Hast du Kinder? Was machst du gerne in deiner Freizeit, magst du diese Musik? etc....) -
Genauso interessiert es mich, woher jemand kommt. Damit muss man nicht mal die Herkunft der Familie meinen, sondern vielleicht eben auch nur wo jemand wohnt. Wie gesagt, wenn jemand dann als Antwort "aus Zürich" gibt dann ist das ja eine Antwort und das Gespräch geht weiter. Vielleicht aber erzählt derjenige auch, dass er aus Frankreich kommt und gerade ein Austauschjahr hier macht oder aber, dass er eigentlich Amerikaner ist, aber bereits seit 10 jahren in DE wohnt... was auch immer.
Wenn ich nun einfach Interesse an der Person gegenüber habe, sollte ich eine Person mit dünklerer Haut das nun nicht fragen, die mit weisser Haut aber schon?
Ich denke einfach, dass das Interesse von Menschen untereinander (ganz unabhängig von Herkunft und Aussehen) was sehr positives ist und zu lustigen oder interessanten Begegnungen führen kann. Und dass es daher auch ganz legitim ist, einander Dinge zu fragen, solange dies ein höfliches Fragen ist und kein nachbohren und ausquetschen (das gilt generell für alle Fragen). Und ich finde es sehr sehr schade, wenn man sich nicht mehr traut, miteinander zu reden und einander kennen zu lernen, weil man Angst hat es könnte falsch aufgefasst werden. Somit bleiben sich die Leute fremd und verpassen Möglichkeiten aufgrund irgendwelcher Berührungsängste. Und ehrlich, wenn man sich nicht traut, anders aussehende /- sprechende Menschen was zu fragen, was man seinesgleichen fragt, dann ist das für mich bedenklicher als Interesse zu bekunden. Ich bin dafür, allen Menschen gegenüber unvoreingenommen gegenüber zu treten und nicht, sich bei jedem Kontakt zu überlegen ob er/sie das vielleicht nicht gut finden würde.

@sensibilisieren: du meinst also, wenn hier jemand schreibt, dass die Frage "Hey, woher bist du?" unabhängig von Situation und Kontext als rassistisch einzustufen ist und man das nicht fragen darf, dass ich diese Information dann über all die Erfahrungen mit Menschen unterschiedlichster Rassen und Hautfarben stelle? Ich habe Freunde aus aller Herren Ländern auch mit unterschiedlichsten Hautfarben und sehr spannenden Mischungen - und gerade durch die BLM Bewegung waren da auch Diskussionen über Diskriminierung im Gange, aber da ging es immer um ungerechte Behandlung oder unterschiedliche Chancen und Vorurteile, ... und ich würde sagen, wir reden sehr offen.
Ich habe übrigens selber lange im Ausland gelebt und gearbeitet (v.a. Asien) und bin dort natürlich aufgefallen weil ich anders aussah, da liegt die Frage doch auch nahe, woher ich denn komme. So ergeben sich Gespräche das ist doch schön.

Ich kann auch gut damit leben, dass du das anders siehst und verstehe auch, was du mir sagen möchtest - ich finde die Diskussion auch interessant und nehme Dinge mit, aber ich sehe es nicht als so absolut rassistisches no-go als dass ich den Satz "hey, woher bist du denn?" aus meinem Repertoire total streichen würde weil jemand dunklre Haut hat (ist auch nicht so dass ich auf jeden zurenne und die Frage stelle ;-)) . Wärst du jetzt eine schwarze Frau, die mir das sagen würde, würde es mich brennend interessieren wie und in welchen Situationen diese Frage für dich wie geklungen hat. Wäre noch spannend.
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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von falabella »

Ariadne, man kann darauf achten, und ich finde das gutes Verhalten. (Obwohl es auch sein kann, dass Menschen MEHR angesprochen werden wollen auf ihre Herkunft und somit ihre Erfahrungen und es als Gleichgültigkeit wahrnehmen, wenn es nie oder wenig geschieht).
Ich finde es vor allem wichtig, Kindern zu erklären und zu vermitteln, dass Menschen dazu gehören wollen, einfach angenommen werden wollen.
Das ist aber etwas anderes als (pauschal) zu sagen, die Frage sei rassistisch oder habe etwas mit Rassismus zu tun, gerade wenn sie von Kindern kommt. (Ich schlage den Bogen zur ursprünglichen Frage :wink:)

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Re: Rassismus im Keim ersticken

Beitrag von naura »

@sonrie
Solche Geschichten (Nachfrage nach Herkunft) findest du auf twitter unter dem Hashtag #vonhier.. auf Instagram glaube ich auch einige, zb bei zett.

Ich glaube richtig elend ist es halt für die Befragten, weil sie diese Frage ständig hören.. da wird die Intention irgendwann nichtig.

Post dazu: https://www.instagram.com/p/CALcrsOlkZY ... cvquzmspb3
mit Meite (07)
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Wir sind da um zu strahlen, wie es die Kinder tun.
Mandela

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