Rassismus im Keim ersticken

[nays]

Hallo zusammen

Unsere Tochter ist frisch in den Kindergarten gekommen. Heute Abend hat sie mir gesagt, dass sie den einen Jungen nicht mag. Als ich sie fragte weshalb war ihre Antwort: „weil er dunkle Haut hat“
Ich habe darauf geantwortet, dass die Farbe der Haut keine Rolle spielt. Sie war aber relativ schnell beim nächsten Thema und ich weiss nicht wie ich das noch einmal auf den Tisch bringen soll. Habt ihr mir evtl. noch einen Tipp wie ich sie für dieses Thema sensibilisieren kann?

[mariposa_2]

Das Beispiel zeigt, wie präsent Rassismus leider immer noch ist. Ich finde es schön, dass du darauf eingehen möchtest.

Ich kann dir das Buch Rosa Parks von little people sehr empfehlen. Es ist ein Buch mit Bildern und wenig Text, in welchem zwar keine krasse Gewalt dargestellt wird, aber auch nichts beschönigt wird. Ein super Einstieg in ein Gespräch über Rassismus mit deinem Kind.

Wir haben u.a. auch die Bücher von Kalle und Elsa. Ich achte allgemein auf Diversität bei den Büchern und sortiere Bücher mit nur weissen Menschen nahdisnah aus.

[Leela]

Ich finde es gut, dass du es thematisierst, würde es aber in dem Alter nicht zu ernst nehmen.
Ich weiss noch wie ich im KiGa unbedingt mit dem einen Mädchen befreundet sein wollte, weil sie so schöne blonde Haare hatte

[falabella]

Wir haben u.a. auch die Bücher von Kalle und Elsa. Ich achte allgemein auf Diversität bei den Büchern und sortiere Bücher mit nur weissen Menschen nahdisnah aus.

nicht wahr?! Somit kannst du viele der besten und schönsten Bücher mit ihr nicht lesen.

nays, das ist nicht unbedingt Rassismus. Zum Beispiel hätte deine Tochter das auch in Bezug auf ein dickes Kind oder ein Kind mit schmutzigen Kleidern sagen können. Aber thematisieren natürlich trotzdem!

[katinka78]

Ich finde, dass man dies ernst nehmen sollte und beim Kind (spielerisch) thematisieren kann. Wahrscheinlich hat sie etwas nach geplappert, was jemand anderes gesagt hat. Aber genau deshalb ist es wichtig dies nicht so stehen zu lassen, denn genauso können Kinder geprägt werden. (Was man 100x hört glaubt man irgrndwann.)
Ich versuche meine Kids in solchen Situationen durch gezieltes Nachfragen zum Nachdenken zu bringen, so das sie selber merken was richtig/falsch oder gerecht/ungerecht ist. (Zum Glück machen sie bzgl. Herkunft, Aussehen etc. keine Unterschiede, aber es gibt auch andere Situationen wo Kinder ausgegrenzt werden.)
Oft hilft auch die Vergleichssituation: "stell dir vor, du bist das einzige Mädchen mit blonden Haaren im KiGa und darum will niemand mit dir spielen. Wie fühlst du dich? Haben deine Haare etwas mit deinem Herzen zu tun?" Vielleicht zu banale Pauschalsätze....

Aber ich würde auf jeden Fall IMMER auf so eine Aussage reagieren. Nicht schimpfend und mit erhobenem Zeigeginger, sondern klar Position beziehen und die eigene Einstellung erläutern.

[naura]

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die fehlende Erfahrung, fehlende Begegnungen bei Kinder zu einer ablehnenden/zurückhaltenden Haltung führt. Es kann gut sein, dass sich dies durch diese Erfahrung im Kindsgi ändert. Wir organisieren regelmässig Begegnungen zwischen geflüchteten Kindern und einheimischen Schulklassen, ich sehe, dass dies durchaus sehr herzöffnend sein kann.
Ich würde wahrscheinlich auch spielerisch erklären.. sensibilisieren und wenn möglich absichtlich etwas urbanere/durchmischtere Spielplätze besuchen, um die Erfahrungen zu häufen.

OT; eine Anekdote: als Meite knapp 3 war habe ich mit ihr in ein Bilderbuch angeschaut, wo es lauter weisse Schafe hatte und nur ein schwarzes. Ich fragte sie: wieso sind alle weiss und nur eines schwarz? Meite: Die anderen schwarzen sind weg! Aber das ist nicht schlimm, die weissen sind ja noch da und die sind Freunde..

Ich würde vielleicht eine Geschichte erfinden, um die Empathie zu fördern und die Gleichartigkeit hervorzuheben.

[danci]

Ich würde den Weg über nachfragen einschlagen. Was stört Dich denn an seiner Haut? Kennst Du anderen Menschen mit dunkler Haut? Bekannte? Sänger? Figuren in Bilderbüchern und/oder Sendungen?

Wenn Du nun selber nicht weisst, wo sie bereits in Kontakt gekommen sein könnte, würde ich das bei mir zuerst hinterfragen. Wie kommt es, dass Dein Kind das nicht kennt? Und schauen, ob man das Kinderzimmer nicht etwas diverser machen könnte, mit neuen Bücher, einer Schwarzen Puppe o.ä. Das Kind ist nicht schuld, wenn es das nicht kennt und es meint es nicht böse. Einfach stehen lassen, würde ich es aber nicht, sondern spielerisch näher bringen. Rassismus ist ein wichtiges Thema, man muss Kindern den Umstand, dass es auch Menschen mit nicht-weisser Haut gibt, nicht zwangsläufig über Rassismus näher bringen. Eher durch das "Menschen wie Du und ich".

[maple]

Ich würde auch in dem Moment nachfragen, wenn sie es erwähnt und erklären, dass äussere Merkmale nichts damit zu tun haben, wie liebenswert jemand ist. Allerdings würde ich es auch nicht allzu sehr überbewerten oder davon ausgehen, dass das Kind rassistische Äusserungen nachplappert. Sondern vermutlich geht es um die Ablehnung von Andersartigkeit in irgendeiner Form. Wie falabella sagt, könnte das auch mit einem Kind passieren, das eine grosse Nase hat, als Mädchen "Jungskleider" anzieht, oder was auch immer.

Meine ältere Tochter gruselt sich vor körperlichen Behinderungen (z.B. eine verkümmerte Hand, fehlende Arme oder so). Das ist auch nicht angelernt, es mangelt im Gegenteil an Erfahrung. Inzwischen hat sie ihre Reaktion in den Griff gekriegt, aber früher hat sie dann recht panisch reagiert und sich an mich geklammert - sozial sehr unangenehm. Ich habe mit ihr immer wieder darüber gesprochen, dass sie sich vorstellen soll, sie hat eine körperliche Besonderheit, und wie unangenehm es wäre, wenn alle so reagieren wie sie. Wird mit wachsender Empathiefähigkeit einfacher...

[mariposa_2]

Wir haben u.a. auch die Bücher von Kalle und Elsa. Ich achte allgemein auf Diversität bei den Büchern und sortiere Bücher mit nur weissen Menschen nahdisnah aus.

nicht wahr?! Somit kannst du viele der besten und schönsten Bücher mit ihr nicht lesen.

nays, das ist nicht unbedingt Rassismus. Zum Beispiel hätte deine Tochter das auch in Bezug auf ein dickes Kind oder ein Kind mit schmutzigen Kleidern sagen können. Aber thematisieren natürlich trotzdem!

Natürlich ist es Rassismus. Wenn auch das Kind nichts dafür kann, weil es eben in der Gesellschaft hineinwächst und entsprechend geprägt wird.

[Berlin]

Ich finde richtig, dass man als Eltern auf solche Aussagen reagiert. Ich würde das aber nicht als Rassismus überbewerten.
@mariposa, es muss nicht sein, dass ein Kind gesellschaftlich so geprägt wurde/wird. Vielleicht ist es etwas Anderes, was es an diesem Kind stört und sie konnte es einfach am besten auf Grund äusserlicher Merkmale formulieren.

Ich selber würde auch eher nachfragen, als mit dem "erhobenen Zeigefinfer" reagieren. Mal nachfragen, was es dann an diesem Kind stört. Und je nach Antwort dann auf das Thema "äusserliche Merkmale sollten keine Rolle spielen" eingehen. Grundsätzlich hat ein Kind ja sehr wohl das Recht, nicht alle Anderen nett zu finden. Nur sollte der Grund nicht in äusserlichen Merkmalen liegen.

[Drag-Ulj]

Ich sehe es auch nicht als Rassismus. Das Kind hatte keinen Kontakt, weil in der Region wo es lebt nicht so viele Kinder eine dunkle Haut haben?! Nicht, weil die Eltern es bewusst davor "versteckt" hätten... Als unsere zwei Grossen in der KiTa waren, haben, sind sie einige Male aus der Umkleide gerannt, weil ein sehr dunkelhäutiger Vater sein Kind abgeholt hat. Mit dem Kind hatten sie keine Mühe, aber der Vater war gross und kräftig... meine Kinder sind übrigens nicht die einzigen, mehrfach habe ich es mitbekommen, dass Kinder weinend zu den Eltern gerannt sind. Für den Mann selbst ist das vielleicht heftig, aber es hat nicht "nur" damit zu tun, dass er dunkelhäutig ist.

Ich kenne auch aussagen "weil er dick ist", "weil er so gross ist" ... mein Sohn sagt manchmal "weil sie eine komische Nase hat" und und und ...

Ich finde dancis Ansatz wunderbar! Empathie zeigen, Thema aufgreifen, aber nicht über die Rassismusschiene. Vieilleicht wird sie den Jungen weiterhin nicht mögen und die dunkle Haut ist für sie gerade am greifbarsten als Erklärung... aber vielleicht lernt sie andere Dunkelhäutige, bei denen die Sympathie stimmt... dann erledigt sich diese erste Antwort von selbst.

[falabella]

mariposa, natürlich ist das überhaupt nicht klar.

maple, unsere Tochter hat etwas ähnlich reagiert bezüglich der Behinderungen, wenn auch nicht aus Ekel oder Angst, sondern weil sie ein solches Mitleid gepackt hat. Sie hat weggeschaut, die Seite gewechselt, sich versteckt etc., um es nicht sehen zu müssen.
Ich habe mit ihr darüber gesprochen, dass diese Reaktionen für die Menschen schlimmer sein können als die Behinderungen selbst und warum.
Aber das sind lange Lernprozesse...

[dede]

Speziell wie schnell es um die Diskussion geht, was jetzt als Rassismus bezeichnet werden kann und was nicht Rassismus ist. Vieles, das passiert, ist nicht böse gemeint, aber trotzdem als rassistisch zu werten. Jemanden als "ich mag nicht" an der Hautfarbe aufzuhängen....ja was ist das jetzt? Oder ist die Beantwortung dieser Definitionsfrage überhaupt wichtig?

Ich denke, dass es wichtig ist, den Kindern auf ihren Weg mitzugeben, dass innere Wert nichts mit dem Äusseren zu tun haben. Deshalb würde ich mit Kindern etwas näher thematisieren, warum sie jemanden nicht mögen, an der Hautfarbe usw. sollte es nicht liegen...vielleicht am ungewohnten Anblick....mit der Zeit können das Kinder unterscheiden und können auch ihre Reaktionen auf Menschen mit Behinderungen oder anderen ungewohnten Äusserlichkeiten etwas besser steuern.

[falabella]

dede, diese Diskussion finde ich derzeit gar nicht so daneben, sondern eigentlich sogar wichtig.
Es geht (mir) dabei auch gar nicht darum, ob etwas böse (gemeint) ist oder nicht. Rassismus kann sogar auch "gut gemeint" sein.

Es geht meines Erachtens auch nicht nur um innere Werte und Äusserlichkeiten, sondern um eine Sensibilisierung gegenüber Aussenseitern und Ausgeschlossenen jeglicher Art.

[Drag-Ulj]

Oder ist die Beantwortung dieser Definitionsfrage überhaupt wichtig?

--> ebbe nöd!

Ich denke, dass es wichtig ist, den Kindern auf ihren Weg mitzugeben, dass innere Wert nichts mit dem Äusseren zu tun haben.

--> jawohl!

[Yoghurt]

Es wundert mich, wie schnell hier von Rassismus geredet wird. Es ist eine typische Reaktion, nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Tieren, dass auf Andersartige mit Misstrauen oder sogar Ablehnung reagiert wird. Ein junges Kind kann das noch nicht so ausdrücken, dass es das "dunkle Kind" unheimlich findet, weil es dunkel ist. Darum wundert mich die Aussage nicht, dass es den Jungen nicht mag, weil er dunkle Haut hat. Es hat noch keine anderen Worte dafür. Rassismus ist das in diesem Moment noch nicht, kann aber dazu werden, wenn man darauf nicht reagiert oder das Kind von Gspändli, die ihre Eltern nachplappern, beeinflusst wird. Warum nicht einfach erklären, dass Menschen unterschiedlich sind, manche haben blondes Haar, manche rotes oder braunes oder schwarzes, manche haben glatte Haare, andere gewelltes Haar oder krause Locken, manche haben helle Haut, andere dunklere oder braune oder sogar schwarze. Manche sind dünn, andere ein wenig fülliger oder sehr dick. Menschen sehen halt unterschiedlich aus, unterscheiden sich sonst aber nicht voneinander. Das ist für Kinder ein Lernprozess, den man nicht dramatisieren muss, sondern unaufgeregt begleiten und Lernmöglichkeiten schaffen.

[danci]

@ Berlin
Wir ALLE sind rassistisch geprägt, denn wir wachsen in einer Gesellschaft auf, in der Rassismus eine langjährige Tradition hat. Das gilt für den linkesten "Gutmensch" wie für den Neonazi. Was auch dazu führt, dass uns sehr viele Aspekte gar nicht auffallen, sofern wir nicht selber betroffen sind. Das fängt beim Kindergartenkind an und endet beim Polizisten, der u.a. darum schneller schiesst, weil er sich von schwarzen Menschen schneller bedroht fühlt, wie auch drag-ulj's Beispiel gut aufzeigt. Das haben wir nicht verschuldet und das können wir nicht ändern. Das einzige, was wir können, ist uns dessen bewusst zu werden und reflektieren und damit unsere Reaktionen beeinflussen. Und versuchen, unsere Kinder zu sensibilisieren.

Es ist auch richtig, dass Schwarze Menschen in manchen Regionen der Schweiz eher seltener sind. Auch das kann man nicht gross verändern und dafür umzuziehen, fände ich etwas übertrieben. Wenn man sich gegenüber aber ehrlich ist und zum Beispiel mal prüft, wie es im eigenen Bücherschrank aussieht, dann kann man sich schon ertappt fühlen. Wenn nun von 50 Kinderbüchern nirgends eine Schwarze Person vorkommt, kann man sich fragen, warum dem so ist und ob man das nicht ändern möchte.

Bei meinem Kind machte ich übrigens gerade die umgekehrte Erfahrung. Er lieh einmal ein Buch aus der Bibliothek, wo es um einen Schwarzen Jungen ging, der nach Deutschland kam. Als wir es fertig gelesen hatten, sagte er zu mir, er kenne gar keine Schwarzen Menschen. Ich war etwas erstaunt, da (neben anderen Personen) seine beiden Lieblings-Kita-Gspännli Schwarz waren. Als ich ihn darauf ansprach, glaubte er mir zuerst nicht. Nach dem nächsten Kita-Tag kam er dann und meinte, er hätte nachgeschaut, ich hätte recht gehabt. Zuerst bereute ich es etwas, ihn darauf aufmerksam gemacht zu haben, aber schliesslich finde ich es gut. Die Lektion war ja, wir sehen anders aus, machen deshalb auch andere Erfahrungen, aber sind gleichwertig. Colorblindness ist ja auch keine Lösung.

[danci]

Es wundert mich, wie schnell hier von Rassismus geredet wird.

Und mich wundert eher, wie schnell der Aufschrei erfolgt, wenn jemand das böse R-Wort in den Mund nimmt . Rassismus kommt doch nicht nur in Form von Hackenkreuzen oder weissen Kapuzen daher. Natürlich ist das Gefühl, jemand sei aufgrund seiner dunklen Hautfarbe unheimlich, rassistisch. Selbst wenn das Kind nichts bewusst dafür kann. Ein sehr grosser Teil von Alltagsrassismus findet unbewusst statt. Und genau darum bleibt es zu prüfen, warum es das so empfindet. Weil es keine Menschen nicht-weisser Hautfarbe kennt? Weil es schlechte Erfahrungen gemacht hat? Weil in den Märchen die wir lesen, schwarz immer fürs Negative stehen? Und v.a. was können wir tun, dass das Gefühl verschwindet? Niemand hat gesagt, man soll dem Kind nun 2 Wochen Stubenarrest verpassen, weil es sich so geäussert hat.

[Yoghurt]

Und wenn das Kind sagt, es mag das andere Kind nicht, weil es so dick ist? Oder Schriftdeutsch spricht statt Schweizerdeutsch? Ist das auch rassistisch, oder ist das etwas anderes, weil das stigmatisierte Kind die einheimische Hautfarbe hat?

[mariposa_2]

@Yoghurt nein das ist nicht Rassistisch, das ist Diskriminierung.

@Danci