Hallo Phönix
Frühkindlich, atypisch, asperger... Schlussendlich ist Autismus ein Spektrum und kein Autist gleicht dem anderen. Jeder kann aus jedem Bereich des Spektrums Teile haben. Irgendwo wird der Schnitt gemacht und die Diagnose bekommt ihren Namen.
Unser Sohn fiel schon als Säugling auf. Im Nachhinein gab es viele Anzeichen von Autismus, noch bevor er zwei war. Seine Diagnose ist Asperger Syndrom, obwohl deutlich früher diagnostiziert als normalerweise. Grund, er spreche und sein IQ liege mindestens im Normbereicht. Einige seiner Verhaltensweisen, bzw. deren Ausprägung passen (va. in Stresssituationen) mehr zu frühkindlichem Autismus, dann heisst es dann, er sei sehr schwer betroffen. Im Endeffekt spielt es keine Rolle.
Ich kann durchaus verstehen, dass du - auch wenn das von vielen Seiten oft kritisiert wird - froh um eine Diagnose bist. Kinder sind unterschiedlich und manche etwas anders. Das ist gut so. Aber wenn es für das Kind und das Umfeld ein Problem wird, ist es gut dem Ganzen einen Namen geben zu können und gezielt Hilfestellungen zu geben. Grad bei autistischen Kindern bedeutet das nämlich eine 180 Grad Wendung und alles über den Haufen zu werfen, weil neorotypische Erziehung und Lernen eben nicht greift. Bei aller Liebe und bei allem Verständnis nicht.
Ich hoffe, ihr bekommt nun die Hilfe, die ihr braucht.
Deine Frage war, ob es feinfühlige Kinder mit AS gibt. JA! Ich selbst finde die Annahme, Autisten hätten keine Empathie anmassend. Ich bin der Ansicht, dass sie sehr wohl und sehr viel spüren, oftmals aber nicht angemessen auf diese Gefühle reagieren können.
Google mal die Intense World Theory und die Empathy Imbalance Hypotesis. Die IWT geht grob gesagt davon aus, dass Menschen mit AS nicht zu wenig empfinden, sondern im Gegenteil, zu viel und zu intensiv. Was sehr viel Stress auslösen kann. - Und zu dem nahe liegt, da sie auch bezüglich anderen Reizen dazu neigen davon überrollt zu werden.
Ich empfinde Unseren Sohn als sehr feinfühlig, allerdings nicht in der Lage auf diese, auf ihn einfallenden Emotionen richtig reagieren zu können. Etwas, das er nach und nach, relativ mühsam über die kognitiven Wege lernen muss, da er es nicht intuitiv kann. Das kann auch mal daneben gehen und er tröstet dann zBsp. gut gemeint auf eine eher unpassende Weise und löst damit dann eventuell sogar noch Wut und Unverständnis aus.
Er kann Menschen schlecht lesen, spürt aber jede schlechte Schwingung (klingt esotherisch, ich weiss). Oftmals, ausserhalb der Familie merkt er, dass etwas zwischen Menschen nicht ok ist, wo viele andere es nicht merken. Er kann dem natürlich keinen Namen geben (er ist zudem auch erst knapp fünf), aber er reagiert darauf gestresst. Er kann diese Spannung nicht ertragen. Die Reaktionen darauf sind dann das, was man als autistisch bezeichnen würde.
Er hasst auch angeregte Diskussionen, da er sozusagen nur den Ton erkennen kann, nicht aber die Musik. Für ihn ist diese "Aufregung" zwischen den Diskutierenden wie ein Streit. Und vor lauter Gestik, Mimik, Stimmveränderungen, kann er den Inhalt eines Gesprächs gar nicht mehr raus filtern.
Mich und meinen Mann kann er inzwischen recht gut lesen und merkt nun manchmal auch ohne Tränen, wenn wir traurig sind, oder Schmerzen haben. Oder ohne Rumschreien, dass wir wütend sind.
Bei anderen Menschen kann er das nicht, da er sie zu selten in solchen Situationen sieht. Da läuft es weniger subtil ab. Blut=Schmerz. Tränen=Trauer. Verzerrtes Gesicht=

Anstrengung? Lachen? Wut? Schmerz? Schon wird es schwierig.
Er hat sehr feine Antennen für Menschen, die ebenfalls anders sind. Für Menschen mit Verständnis für Andersartigkeiten und solche, die dieses Verständnis nicht haben.
Ich persönlich finde nicht, dass deine Beschreibung von der Feinfühligkeit deines Sohnes eine Diagnose im Autismus Spektrum ausschliesst. Grad die neueren Ansätze gehen dies bezüglich andere Wege und halten Autisten längst nicht mehr für Eisberge.
Viel Glück auf eurem Weg!