Schlau, aber...

Unsere grossen Kleinen und unsere kleinen Grossen. Was uns in diesem Abschnitt der Kinder begleitet, beschäftigt und interessiert.

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Ariadne
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von Ariadne »

@ scarpi
Das sind interessante Gedanken. Ich selber habe in unserer Familie allerdings diese Erfahrung nicht gemacht. Meine Älteste ist sozial und emotional schon immer sehr weit gewesen, aber kognitiv auch. Da gab es keine Diskrepanz. Ich kann also nicht sagen, dass sie sich bei uns nicht so gut emotional/sozial entwickeln konnte wegen der Gesellschaft oder weil sie die Älteste war. Ich denke, ihre ausgeprägte soziale Begabung liegt einfach in ihrem Naturel. Bei unserer Jüngsten ist die Diskrepanz ganz extrem, und da es eben bei der Älteren ganz anders war, denke ich nicht, dass es am Umfeld liegt. Bei ihr ist es ganz klar die Veranlagung Hochbegabung und hohe emotionale Intensität, die diese Diskrepanz zuwege bringt.
Das heisst ja aber nicht, dass es nicht doch eine allgemeine Tendenz sein könnte, dass viele Kinder sich heute nicht so schnell emotional entwickeln können wie kognitiv. Oder vielleicht ist es auch so, dass man eben, wenn ein Kind kognitiv weit ist, heutzutage erwartet, dass es auch emotional/sozial weit sein soll, während das früher weniger erwartet wurde. Ich weiss es nicht, da müsste ich genauer darüber nachdenken.
LG,
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F. Scarpi
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von F. Scarpi »

Ariadne hat geschrieben: Mi 3. Okt 2018, 12:03 @ scarpi
Oder vielleicht ist es auch so, dass man eben, wenn ein Kind kognitiv weit ist, heutzutage erwartet, dass es auch emotional/sozial weit sein soll, während das früher weniger erwartet wurde. Ich weiss es nicht, da müsste ich genauer darüber nachdenken.
Das kann auch sein... plus: es kann eben sein, dass wir allgemein von den Kindern in sozialer und emotionaler Hinsicht sehr viel, wenn nicht zu viel erwarten - ohne sie in dieser Hinsicht besonders sorgfältig zu fördern!.
Das ist ein Gedanke, der mich immer wieder mal beschäftigt, beruflich und privat.
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dromedar
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von dromedar »

F. Scarpi: Ich finde deine Gedanken sehr spannend. Mit den Windeln lesen, das erinnert mich an meinen Jüngsten, der mit Windeln Velo gefahren ist zwischen 3 und 4 Jahren.
Es geht hier um die Frage: Was ist die Veranlagung, was macht das Umfeld? Bei einem genügend guten Umfeld, kann das Kind das erreichen, was genetisch vorgegeben ist. Wenn das Umfeld ihm nicht das bieten kann, was es braucht, wird es unter seinen Möglichkeiten bleiben.

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F. Scarpi
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von F. Scarpi »

dromedar, das kann man in intellektueller Hinsicht so sagen und auch bezüglich anderer Talente, sportlicher, zum Beispiel. Kann man es auch bezüglich emotionaler und sozialer Entwicklung so sagen? Ich weiss es nicht... Das sind breite Felder...
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krista
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von krista »

dromedar hat geschrieben: Mi 3. Okt 2018, 22:38 Es geht hier um die Frage: Was ist die Veranlagung, was macht das Umfeld? Bei einem genügend guten Umfeld, kann das Kind das erreichen, was genetisch vorgegeben ist. Wenn das Umfeld ihm nicht das bieten kann, was es braucht, wird es unter seinen Möglichkeiten bleiben.
Das ist sicherlich in gewissem Masse so, jedoch finde ich, dass diese Sicht auch problematisch ist. Denn oft wissen wir nicht genau, was das Kind "genetisch" mitbringt. Natürlich ist es erstrebenswert, ein genügend gutes Umfeld zu bieten. Nur was ist das genau? Und wissen wir tatsächlich so genau, was das Kind gerade braucht: emotional, sozial, intellektuell?
Ich glaube, diese Sicht birgt die Gefahr des Leitungsdrucks: aufs Kind "Das Umfeld ist doch gut, also muss das Kind ja auch gute Leistung erbringen" oder auch Leistungsdruck auf die Eltern "biete ich meinem Kind das beste Umfeld, das ich bieten kann - oder muss ich optimieren"
Ich finde, es wird viel zu sehr unterschätzt, was Kinder aus sich heraus mitbringen und dass sie sich in in ihrem Tempo mit den Gegebenheiten ihres Umfelds entwickeln.
F. Scarpi hat geschrieben: Mi 3. Okt 2018, 12:16 es kann eben sein, dass wir allgemein von den Kindern in sozialer und emotionaler Hinsicht sehr viel, wenn nicht zu viel erwarten.
Das denke ich auch. Ich finde es entsetzlich, dass Kinder ständig bewertet werden, wie viel sie auf einer Skala schon erreicht haben. Auf allen Ebenen. Dieses Messen an Kompetenzlisten finde ich ganz furchtbar.
Ich denke, dass es gar nicht unbedingt so ist, dass von Kindern zu viel erwartet wird, sondern, dass erwartet wird, sich ständig in allen Bereichen zu verbessern, oder, sarkastisch gesagt, zu optimieren.
Ich finde, dass Kinder immer weniger angenommen werden, wie sie sind, sondern danach beurteilt werden, wie sehr sie sich dieser oder jener Anforderung annähern. Dieses ständige "Rummäkeln" an Kindern, dass sie diese oder jene, auch und besonders, soziale und emotionale Entwicklung noch nicht gemacht haben und wie man dies fördern könne --- einfach furchtbar.
F. Scarpi hat geschrieben: Mi 3. Okt 2018, 12:16 ohne sie in dieser Hinsicht besonders sorgfältig zu fördern!.
Spannender Gedanke, ich weiss gar nicht, ob solch eine Förderung überhaupt notwendig ist oder ob man den Kindern Zeit geben sollte.
Ich finde diesen Förderwahn unnötig. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht. Auch wenn das heutzutage viele glauben.

ausländerin
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von ausländerin »

Krista, ich weiss nicht ob ich dich falsch verstehe... Für mich hat gutes Umfeld mit Förderwahn nichts zu tun. Genau gleiches Umfeld kann für 1 Kind fördernd sein, und für ein anderes hemmend. Gutes Beispiel ist Kiga von meiner Tochter. Für meisten Kindern ist es super, Lehrerin ist toll, sehr herzlich, macht viel mit Kindern - also gutes Umfeld. Aber leider ist meine Tochter mit 20 Kinder, hälfte junger als sie einfach schon von Larmbelastung und rumrennen und rumschreien überfordert. Und die alle spielen und übungen die sie machen sind für sie langweilig weil gleich wie letztes Jahr, und immer um die gleichen themen die mit 20 Monaten schon wusste: wie zahlen bis 20, farben, würfel punkt usw. Sobald sie ein Waldtag haben, oder ein Ausflüg machen, oder mal ein neues thema wieder gibt - passt es ihr besser da draussen ist larm weniger problematisch und neue themen sind am anfang spannend. Für sie wäre so ein Wald kiga, oder bauernhof kiga viel geeigneter, einfach weil die "Störungen" dann weniger sind oder sie kann denen besser aus der weg gehen. Gibts bei uns leider nicht ausser man hat 25000 pro Jahr. Aber sie hat zu Hause für sie gutes Umfeld. Wenn sie in einer Familie mit 4 Kleinkindern und authoritären erziehungstil wäre, wäre es für sie auch kein gutes Umfeld - und ich bin mir recht sicher dass sie viel mehr auffalend reagiert hätte und noch mehr ihres können versteckt.

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F. Scarpi
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von F. Scarpi »

Ah schön, es entwickelt sich ev. doch noch eine Diskussion.

krista/fördern:
Ich sollte statt "fördern" vielleicht besser schreiben, das Kind in der/in seiner Entwicklung unterstützen. Wie auch immer, ich würde sagen, fördern ist nie schlecht, wenn wir das Kind dabei im Blick haben. Die Frage ist immer, tun wir dem Kind damit etwas Gutes. Beim "Förderwahn" ist das eben nicht der Fall. Wenn wir das Kind "optimieren", dann eben auch nicht. Die ganze Kompetenzorientierung (z.B. im Lehrplan 21, aber die gab es ja auch schon vorher und gibt es auch ausserhalb der Schule), ist ein zweischneidiges Schwert, denn einerseits ist sie gut, denn Kinder sind kompetent und wollen es auch sein, sie wollen Probleme lösen usw., und andererseits ist sie nicht gut, finde ich, denn bei diesem Konzept geht es unter dem Strich hauptsächlich um den wirtschaftlichen Erfolg und das wirtschaftliche Überleben (des Kindes, der Gemeinschaft, der Gesellschaft, blabla) in der Zukunft. Dabei hat die Bildung, im umfassenden Sinn, nicht den wirtschaftlichen Erfolg als einzigen Zweck oder als Hauptzweck.
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Engeli88
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von Engeli88 »

Guten Abend
Ich schleiche mich da mal rein. Unser Sohn ist 4. Wenn es um Technik geht, dann versteht er schnell. Motorisch ist er auch recht gut unterwegs. Nur sprechen kann er so gut wie nicht, aber lesen will er.
Am Mittwoch darf/muss er zum ersten Mal zum Kinderpsychologen.
Er hat Logo und heilpädagogische Früherziehung. Dazu logopädische Waldspielgruppe und heilpädagogische Spielgruppe. Wir finden, dass er am richtigen Ort ist. Er fühlt sich wohl. Jedoch gibt es so einige Mamis mit "normalen" Kindern, sie finden dass wir ihn so über behüten, er zu wenig Regeln lernt, es nicht förderlich für ein Einzelkind ist, er in normale Gruppen gehört, da es dort strenger ist und er so auch mal bestraft wird, usw....
Ähm ja, und jetzt wollen wir ihn nächsten Sommer in die Sprachbeilschule geben. Ihr könnt ja sicher denken was da von den anderen Müttern zu hören ist. Man kann ihnen es nicht erklären. Ich habe oft das Gefühl, dass sie Eifersüchtig sind, denn ihr Kind ist das beste und braucht die beste Förderung.
Ich habe oft das Gefühl, dass es nur um die Leistung geht. Das Kinder die nicht in diese Schublade passen schlecht sind, die Eltern etwas in der Erziehung falsch machen oder weiss ich nicht was. Unser Sohn ist noch jung, geht erst in die Spielgruppe. Fällt jedoch im Verhalten auf.

Wir waren in einer normalen indoor Spielgruppe schnuppern, bei der angeblich besten Spielgruppenleiterin im Dorf. Er fand nicht die nötige ruhe. Sie wollte ihn nicht/ wollte ihn ändern, dass er bis zum Kindergartenstart ein normales Kind ist.

Wir sind gespannt wie es weiter geht. Ob der Kinderpsychologe uns noch ein wenig unterstützen kann. Wir haben da grosses Glück, KiA, Kinderpsycholog und Ergotherapie sind bei uns im Dorf im gleichen Gebäude. Logo ist auch im Dorf. Und alles andere ist in den Nachbardörfern. Bis jetzt wurden wir von allen Seiten (KiA, Logo, Heilpädagogin) unterstützt. Da er eine sehr grosse Spannung zwischen Stärken und Schwächen aufweisst.

Wie es sein wird, wenn er spricht... Wir wissen es nicht. Er versteht so viel, merkt sich alles sehr schnell, er lebt nach dem Motto "bini gross, cha i ällei".

Ich finde es spannend zu lesen wie es bei euch ist, da eure Kinder grösser sind.
September 2014 üsere Lusbueb 🧑
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von ausländerin »

Scarpi, ich komme noch zurück zu deiner Frage wegen diskrepanz zwischen kognitiv und sozial/emozional und dass die Kinder in kognitivem besser gefördert sind als in sozialem. Ich finde dass von Kindern zu viel verlangt wird was sozialle entwicklung angeht. Die vergleich/messplanke ist immer unsere eigene Generation. Was dabei vergessen wird ist dass die mehrheit von uns schon auf Gehorchen und Folgen quasi ab Geburt konditioniert wurden. Das angepasste soziale verhalten war eher aus Angst von Strafe/Liebesentzug motiviert (oder "dressiert"). Jetzt erwarten wir dass die Kinder aber angepasst verhalten aber aus Einsicht, Verständnis, Empathie. Vielleicht erwarten wir einfach zu viel?
Kognitiv - früher war es eher so dass niemand auffallen wollte. Ist immer noch so in CH in vergleich zu der Rest der Welt. Aber auch ist es mit mehrere wissenschaftlichen studien nachgewiesen dass Entfalten der Intellegenz (Nicht nur Kognitiv) eher dann passiert wenn Kinder "gut haben" (in geborgenen sicherem Umfeld aufwachsen, gute Bindung zu Eltern, keine extreme Armut usw.). Und ich denke dass es heute mehr Kinder "gut haben" als vor 20-30 Jahren und siche viel mehr als vor 40-50 Jahren.
Was mir auch noch auffahlt ist dass heute toleranz gegenüber "nicht können" in Kignitivem Bereich höcher ist als früher. Ein Kind der mit 8 noch nicht lesen kann wird in meisten fallen nicht mehr "runtergemacht" und als dumm und unfähig bezeichnet. Es wird eher in Lösungen investiert (therapien, abklärungen). Und ich finde es super und riesen Vorschritt zu der rest der Welt. Aber es ist immer noch so dass ein Kind der mit 8 nicht in der Schlange von hinten anstehen kann eher als unerzogenes Guuf betittelt wird und verbal runtergemacht wird oder Eltern bekommen ein Kommentar zu hören. Obwohl er eventuell es genau so nicht kann wie der erste 8 Jahrige nicht kann lesen. Das hilft die betroffen Kindern genau so wie es damals die "dummen" Kinder geholfen hat immer mal wieder zu hören wie dumm sie sind.

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aryu
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von aryu »

Wenn ihr es erlaubt, beteilige ich mich hier vor allem als Leserin. Als Lehrperson begegnen mir immer wieder "schlau, aber...-Kinder", und ich erhoffe mir hier auch den einen oder anderen Input, wie ich mit ihnen umgehen kann bzw. wie ich ihnen bieten kann, was sie brauchen, damit sie sich bei mir gut entfalten können.

@krista / genetik / Umfeld
Ich denke, es geht da beim Umfeld noch gar nicht um konkrete Förderung oder Massnahmen, sondern nur schon um Anregung. Also, ganz grob: Wächst das Kind in einem Haushalt auf, in dem es Bücher hat? Erhält das Kind Gelegenheit, seinen Körper zu erproben, sich frei zu bewegen etc.? Hat das Kind ein interessiertes Umfeld, das sich nach seinem Befinden erkundigt; auch in schulischen Dingen? Hat das Kind Zugang zu kulturellen Einrichtungen? Hat das Kind die Möglichkeit (!) einen Verein zu besuchen oder ein Instrument zu lernen? Also, es geht in meinen Augen nicht um elterlich auferlegtes Frühmandarin, sondern darum, was dem Kind überhaupt rein grundsätzlich zur Verfügung steht, ohne, dass irgend ein Druck auferlegt wird.

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F. Scarpi
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von F. Scarpi »

ausländerin hat geschrieben: Sa 6. Okt 2018, 22:19 Scarpi, ich komme noch zurück zu deiner Frage wegen diskrepanz zwischen kognitiv und sozial/emozional und dass die Kinder in kognitivem besser gefördert sind als in sozialem. Ich finde dass von Kindern zu viel verlangt wird was sozialle entwicklung angeht. Die vergleich/messplanke ist immer unsere eigene Generation. Was dabei vergessen wird ist dass die mehrheit von uns schon auf Gehorchen und Folgen quasi ab Geburt konditioniert wurden. Das angepasste soziale verhalten war eher aus Angst von Strafe/Liebesentzug motiviert (oder "dressiert"). Jetzt erwarten wir dass die Kinder aber angepasst verhalten aber aus Einsicht, Verständnis, Empathie. Vielleicht erwarten wir einfach zu viel?
Ja, genau... Diese Einsicht, die sie haben müssen... Empathie auch, stimmt. Ja, ich denke, es ist zuviel verlangt. Vielleicht ist es unsere eigene Bedürftigkeit manchmal, die das erwartet?? Ich weiss es nicht.
ausländerin hat geschrieben: Sa 6. Okt 2018, 22:19 Kognitiv - früher war es eher so dass niemand auffallen wollte. Ist immer noch so in CH in vergleich zu der Rest der Welt. Aber auch ist es mit mehrere wissenschaftlichen studien nachgewiesen dass Entfalten der Intellegenz (Nicht nur Kognitiv) eher dann passiert wenn Kinder "gut haben" (in geborgenen sicherem Umfeld aufwachsen, gute Bindung zu Eltern, keine extreme Armut usw.). Und ich denke dass es heute mehr Kinder "gut haben" als vor 20-30 Jahren und siche viel mehr als vor 40-50 Jahren.
Die Trennung zwischen der Schweiz und dem ganzen Rest der Welt würde ich mal nicht machen, aber sonst bin ich einverstanden: es ist einleuchtend, dass sich die Kinder, die unter diesen Bedingungen aufwachsen, sich gut entfalten können.
Allerdings stellt sich die Frage: wenn die Kinder es gut haben, ein stabiles Umfeld, eine gute Bindung zu den Eltern, materiell (relativ) hohe Sicherheit... und sich deshalb kognitiv gut entwickeln und auch sonst viele Talente entfalten können, woher kommen dann die Depressionen, die Burn-outs, die Ängste, die viele Kinder aus den Mittelschichten anscheinend haben (weltweit)? Sind das genau wieder die hohen Erwartungen, wie oben geschrieben?
ausländerin hat geschrieben: Sa 6. Okt 2018, 22:19 Was mir auch noch auffahlt ist dass heute toleranz gegenüber "nicht können" in Kignitivem Bereich höcher ist als früher. Ein Kind der mit 8 noch nicht lesen kann wird in meisten fallen nicht mehr "runtergemacht" und als dumm und unfähig bezeichnet. Es wird eher in Lösungen investiert (therapien, abklärungen). Und ich finde es super und riesen Vorschritt zu der rest der Welt. Aber es ist immer noch so dass ein Kind der mit 8 nicht in der Schlange von hinten anstehen kann eher als unerzogenes Guuf betittelt wird und verbal runtergemacht wird oder Eltern bekommen ein Kommentar zu hören. Obwohl er eventuell es genau so nicht kann wie der erste 8 Jahrige nicht kann lesen. Das hilft die betroffen Kindern genau so wie es damals die "dummen" Kinder geholfen hat immer mal wieder zu hören wie dumm sie sind.
Ja das stimmt! Ja, in einigen Bereichen haben "wir" Verständnis und Toleranz, in anderen nicht! Wollen es irgendwie nicht...

Engeli, ich bin beeindruckt von den grossen Unterstützungsmöglichkeiten, die in eurem Dorf existieren.
Das kann sein, dass besondere Förderung manchmal auf Neid stösst. Das ist nachvollziehbar... Es ist sicher nicht fair, da euer Sohn die Förderung braucht, da er noch nicht spricht!
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von krista »

ausländerin hat geschrieben: Sa 6. Okt 2018, 22:19 Aber auch ist es mit mehrere wissenschaftlichen studien nachgewiesen dass Entfalten der Intellegenz (Nicht nur Kognitiv) eher dann passiert wenn Kinder "gut haben" (in geborgenen sicherem Umfeld aufwachsen, gute Bindung zu Eltern, keine extreme Armut usw.).
Davon bin ich auch überzeugt. "Es gut haben" bedeutet für mich psychische (hauptsächlich geliebt-werden, aber auch andere Aspekte) und physische (Spielen, Bewegung, frische Luft) Gesundheit. Das finde ich essentiell.
Gleichzeitig glaube ich, dass Kinder eine unglaubliche Lernfähigkeit oder auch Lernbereitschaft mitbringen. Ich glaube, wenn das Wesentliche stimmt: Liebe und Gesundheit, dann kann sich jedes Kind entwickeln und in allen Bereichen wachsen.
aryu hat geschrieben: Sa 6. Okt 2018, 22:35 Ich denke, es geht da beim Umfeld noch gar nicht um konkrete Förderung oder Massnahmen, sondern nur schon um Anregung. Also, ganz grob: Wächst das Kind in einem Haushalt auf, in dem es Bücher hat? Erhält das Kind Gelegenheit, seinen Körper zu erproben, sich frei zu bewegen etc.? Hat das Kind ein interessiertes Umfeld, das sich nach seinem Befinden erkundigt; auch in schulischen Dingen? Hat das Kind Zugang zu kulturellen Einrichtungen? Hat das Kind die Möglichkeit (!) einen Verein zu besuchen oder ein Instrument zu lernen?
Ich persönlich glaube durchaus, dass solche "Anregungen" Kinder in einzelnen Bereichen gewissen Entwicklungen schneller durchlaufen lassen. Aber ist das tatsächlich alles? Ich glaube, wir (Erwachsene) unterschätzen extrem, was alles so "nebenbei" erlernt wird. Auch Kinder, die all diese Anregungen nicht haben, lernen und wachsen. Aber das ist alles nicht so messbar, wie die Beherrschung eines Instruments, ein Wortschatz oder Rechenkünste.
Ich persönlich glaube nicht, dass Kinder, die diese Anregungen nicht haben, weniger fähige Erwachsene sind. Hier wage ich es, mich aus dem Fenster zu lehnen: ich frage mich, ob nicht all diese Anregungen irgendwie verschwendete Zeit sind, die den Kindern genommen wird, frei und "selbstbestimmt bzw. selbstmotiviert" zu lernen.
:arrow: Nicht, dass ich gegen "Anregungen" bin, denn ich finde es sehr wichtig, dass Kinder sich wohlfühlen. Und dieses Wohlfühlen ist für jedes Kind anders. Manche brauchen Bücher, andere Musik, wieder andere Sport und manche einfach nichts ausser Liebe. Kritisch wird es für mich dann, wenn nicht das Wohlfühlen des Kindes, sondern die "Anregung zum Lernen" im Vordergrund steht.

:arrow: Ich frage mich ausserdem auch, ob ein "gutes Umfeld" wirklich so viel ausmacht. Was ist mit all den Kindern, die das so nicht haben? Ich glaube, dass oft aus diesen Umfeldern auch sehr fähige Kinder erwachsen. Sie haben dann einfach andere Fähigkeiten. Zum Beispiel können sie sich aneignen, sich durchs Leben zu kämpfen, wenn es nicht immer so einfach läuft. Ich weiss nicht, ob wir es unseren Kindern nicht zu einfach machen, und ob das gut ist.
ausländerin hat geschrieben: Sa 6. Okt 2018, 16:43 Für mich hat gutes Umfeld mit Förderwahn nichts zu tun. Genau gleiches Umfeld kann für 1 Kind fördernd sein, und für ein anderes hemmend.
Wie ich oben schrieb, finde ich es essentiell, dass sich ein Kind wohl fühlen. Und ich denke auch, dass dies mit einem Umfeld zu tun hat. Ich sehe ja auch, dass nicht jedes Kind in jedes Umfeld passt. Der Fehler ist in meinen Augen der, dass man glaubt, man könne das Kind dem Umfeld "anpassen", wenn es nur in die richtigen Richtung an sich arbeitet.
:arrow: da ist man bei dem Punkt, dass oft die Kinder nicht so akzeptiert werden, wie sie sind. Im passenden Umfeld oder auch im unpassenden Umfeld.
ausländerin hat geschrieben: Sa 6. Okt 2018, 22:19 Ich finde dass von Kindern zu viel verlangt wird was sozialle entwicklung angeht. Die vergleich/messplanke ist immer unsere eigene Generation.
Und vor allem sind es Erwachsene mit ihren Werten, die die Messlatte bzw. Bereiche festlegen. Ich glaube, dass vergessen wird, wie viel Kinder einfach so lernen. So vieles ist nicht messbar.
F. Scarpi hat geschrieben: Sa 6. Okt 2018, 23:13 Allerdings stellt sich die Frage: wenn die Kinder es gut haben, ein stabiles Umfeld, eine gute Bindung zu den Eltern, materiell (relativ) hohe Sicherheit... und sich deshalb kognitiv gut entwickeln und auch sonst viele Talente entfalten können, woher kommen dann die Depressionen, die Burn-outs, die Ängste, die viele Kinder aus den Mittelschichten anscheinend haben (weltweit)? Sind das genau wieder die hohen Erwartungen, wie oben geschrieben?
Da stand in einer der letzten Ausgaben von "Fritz und Fränzi" ein Artikel darüber. Mit einer These, mit der ich mitgehe: die Kinder haben nicht zu viel Programm, sondern zu wenig Leidenschaft. Das hat vielleicht mit den "Anregungen" zu tun, die wir unseren Kindern anbieten. Wie viel sollte es sein? We viel ist gut? Was genau ist gut? Ist mehr auch mehr gut? Oder ist weniger mehr?

:arrow: "Fritz und Fränzi" hat im aktuellen (oder letzten?) Heft das Titelthema "Hochbegabt". Ich fand die Artikel recht spannend.


:D und noch zu mir: ich habe ein "schlau-aber"- Kind und ein "normal mit kleiner Lebenseinschränkung"-Kind.
Mein "schlau-aber"-Kind hat eine Lehrerin, die sehr auf der Schiene ist: "in diesem Bereich müsste man aber noch fördern" und wir sehr dafür kämpfen müssen, unserem Kind einfach seine Zeit zu lassen.
Mein "normal mit kleiner Lebenseinschränkung"-Kind hat eine Lehrerin, die die Kindern annimmt, wie sie sind, ohne spezielle Förderprogramme, aber auch ohne spezielle Rücksichtnahme.
Ironie des Schicksals? Jedes Kind wäre bei der Lehrerin des anderen genau am richtigen Ort.
Aber gut, sie werden ihren Weg machen. Und in meiner Überzeugung lernen sie durch die Probleme vieles, das sie hoffentlich im Leben brauchen werden.

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Ariadne
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von Ariadne »

Spannende Diskussion. Ich kann nicht zu allem Stellung nehmen, nur zu dem:
Doch, @ Krista, es ist erwiesen, dass Kinder, die keine anregende Umgebung haben, später weniger Chancen und einen niedrigeren Lebensstandard haben. Es ist eben die Frage, wie du "Anregung" verstehst. Ich denke, du verstehst darunter Kurse, Sachen für und mit dem Kind machen, etc. Aber ich glaube, es ist darunter eher gemeint, dem Kind z.B. einfach Bücher zur Verfügung stellen, mit dem Kind reden, es nach seinen Interessen zu fragen und zuhören, wenn es etwas erzählt, bei gewissen Interessen des Kindes dafür sorgen, dass es Sachen in Bezug auf dieses Interesse lesen, sehen oder machen kann, wenn es denn möchte... etc. Um das zu tun, muss man dem Kind gar keine Zeit wegnehmen und auch keine Entscheidungen, sondern nur einfach aufmerksam für das Kind da sein.
Wir haben z.B. in unserem Haus Unmengen von Büchern, und meine Jüngste nutzt das leidenschaftlich gerne. Meine Älteste jedoch interessieren Bücher nicht so. Sie hat dann mal meine alte Nähmaschine "ausgegraben" und darauf bestanden, sie wieder zum Laufen zu bringen... Als Geburtstagsgeschenk habe ich einmal mit ihr zusammen einen Nähkurs gemacht, und jetzt näht sie sehr gerne Sachen.
Sie bestimmen beide ganz frei, was und wie sie lernen wollen, das finde ich selber eben gerade sehr wichtig.
Kinder, deren Eltern sich nicht mit ihnen auseinandersetzen, kaum mit ihnen richtige Gespräche führen und keine Umgebung schaffen, in der das Kind seine Interessen und Leidenschaften überhaupt entdecken und ihnen nachgehen kann, haben nachgewiesenermassen weniger Chancen, ein gesundes Selbstbild zu entwickeln und ihre Interessen zu leben.
LG,
Ariadne

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Re: Schlau, aber...

Beitrag von dromedar »

Ich wollte nicht darauf hinaus, dass die Kinder ein optimales Umfeld brauchen, um sich gut zu entwickeln. Mehr so im Sinn von:
Wir haben ein gutes Schulsystem mit zwei Jahren Kindergarten. Wenn das Kind beispielsweise nie eine Schere in der Hand hatte und daher im Kindergarten noch nicht schneiden kann, wird es das in kürzester Zeit aufholen und grosse Fortschritte machen. Wenn es aber wegen Problemen mit der Feinmotorik nicht schneiden kann, wird es ihm auch nach einer Therapie immer noch schwer fallen.

Wie bei der Intelligenz hat auch nicht jedes Kind das gleiche Potential im Sozial/Emotionalen. Dieses ist ausserdem viel schwieriger zu messen. Kommt mein Kind bei den Mitschülern nicht gut an, weil es noch zu sehr auf sich selbst bezogen ist, zu schnell und kompliziert spricht oder motorische Schwierigkeiten hat? Wird es nicht an Parties eingeladen, weil es unbeliebt ist oder ist es Gruppendruck so a la: "Den laden wir sicher nicht ein!"?

Ich finde auch, dass dieser Bereich, der als normal angeschaut wird, immer enger wird, vorallem von Seiten der Schule. Wobei es da sicher auch sehr auf die LP ankommt. Ich schätze Remo Largo sehr. Jedes Kind ist anders und das ist auch gut so.

Unser Kind 1 ist in einigen Bereichen viel weiter als der Durchschnitt in anderen weniger weit. Ich hätte mir vorallem anfang Primarschule gewünscht, dass es seitens der Lehrperson wohlwollend angenommen worden wäre. Durch die ganze Kritik habe ich mir grosse Sorgen gemacht und es hat sich gar nicht wohl gefühlt in der Schule. Es wurde ihm anfangs die Teilnahme in der Begabtenförderung verwehrt aufgrund seiner Schwächen. Dabei wäre es gerade für ihn wichtig gewesen, dass auch die Stärken gefördert werden.

Mein Ziel ist, die Kinder so wie sie sind anzunehmen. Ich glaube aber schon auch, dass es wichtig ist, dass die Kinder oder allenfalls auch erst wenn sie älter sind, ihre Stärken und Schwächen kennen. Und dass sie dann schlussendlich auch sich selbst so annehmen können, wie sie sind.

Ich finde diese Bewertung der Kinder auch ganz schlimm. Ich bin froh, dass es zu meiner Schulzeit diese jährlichen Elterngespräche in Anwesenheit der Schüler noch nicht gab. Was bringt es, das Kind dafür zu kritisieren, dass es beispielsweise das Arbeitsmaterial zu wenig schnell parat hat? Es wäre doch besser, das Kind zu unterstützen, dass es dies schneller schafft.

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Re: Schlau, aber...

Beitrag von sillyspider73 »

@ariadne:
Bin ganz Deiner Meinung! Wichtig ist es, zu spüren, wo das Kind mehr "Futter" braucht und es in dieser Hinsicht zu unterstützen. Wir handhaben das auch so; wenn eines unserer Kinder in einem Bereich zusätzlichen Bedarf an Info, Aktivitäten etc. hat, versuchen wir, diesen Hunger zu stillen. Wir drängen ihnen aber nichts auf. Bei uns gibt es kein Frühchinesisch oder keinen Geigenunterricht, nur weil "man" dies heutzutage so macht, um seinem Kind die besten Startchancen zu geben.
Ich finde aber, das Wichtigste, was wir unseren Kindern mitgeben können, ist ein gutes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Ohne diese ist es schwierig, sein eigenes "angeborenes" Potential auszureizen, ob HB oder nicht. Ich erlebe dies selbst in meinem eigenen Alltag.

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Re: Schlau, aber...

Beitrag von krista »

Ariadne hat geschrieben: So 7. Okt 2018, 19:03 Doch, @ Krista, es ist erwiesen, dass Kinder, die keine anregende Umgebung haben, später weniger Chancen und einen niedrigeren Lebensstandard haben.
In diesem Sinne gebe ich Dir recht. Doch ist diese Art von Erfolg (mehr Chancen, höherer Lebensstandard) nicht nach unseren eigenen (erwachsenen, kulturellen) Maßstäben gemessen?
Was ist letztlich ein erfolgreiches Leben? Ich glaube, dies ist sehr schwer zu definieren und noch schwieriger ist es, dies zu steuern. Da spielen so unendlich viele Faktoren mit hinein, dass, in meinen Augen, unser Einfluss weitaus geringer ist, als wir glauben. Daher plädiere ich für mehr Gelassenheit im Umgang mit der Kindererziehung und mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder. Ich bin nämlich überzeugt, dass Kinder fantastische Fähigkeiten haben, sich zu entfalten und zu entwickeln. Auch allen Widrigkeiten zum Trotz.

Da kommt man auch wieder zurück zu der Frage, warum so viele Menschen an Depressionen, Burn-Out etc. leiden, die doch eigentlich in dieser Definition ein "erfolgreiches" Leben haben. Ich kenne die Zahlen nicht, aber ich würde jetzt mal gefühlt behaupten, dass genau in diesen Kreisen, die mehr Chancen und einen höheren Lebensstandard haben, die Zahl dieser Erkrankungen hoch ist.
Was also ist ein erfolgreiches Leben?

:arrow: ich finde das ein sehr komplexes Thema. Und natürlich möchte ich für mein Kind das Beste und tu das, was ich für das Beste halte. (und ich biete meinen Kindern auch Anregungen und Möglichkeiten, sich auszuprobieren und die Welt kennenzulernen, bin gar nicht dagegen, auch wenn es sich vielleicht so liest :wink: )
Ich bin nur nicht überzeugt, dass das, was ich für das Beste halte, auch tatsächlich das Beste ist. Oder ist es letztlich nur eine persönliche Vorliebe? Sind andere Kinder weniger glücklich, wenn sie kein "förderndes, anregendes" Umfeld haben? Da ist man wieder bei der Frage: was ist ein erfolgreiches Leben?

Ariadne hat geschrieben: So 7. Okt 2018, 19:03 Ich denke, du verstehst darunter Kurse, Sachen für und mit dem Kind machen, etc. Aber ich glaube, es ist darunter eher gemeint, dem Kind z.B. einfach Bücher zur Verfügung stellen, mit dem Kind reden, es nach seinen Interessen zu fragen und zuhören, wenn es etwas erzählt, bei gewissen Interessen des Kindes dafür sorgen, dass es Sachen in Bezug auf dieses Interesse lesen, sehen oder machen kann, wenn es denn möchte... etc. Um das zu tun, muss man dem Kind gar keine Zeit wegnehmen und auch keine Entscheidungen, sondern nur einfach aufmerksam für das Kind da sein.
Jein, hier bei dem Thema "Anregung" oder "Förderung" dachte ich tatsächlich ans ganze Paket: sowohl Kurse/Vereine/Aktivitäten, wie auch das Zurverfügungstellen von Material und Möglichkeiten.
Ich bin mit Dir absolut einverstanden, dass es das A und O ist, aufmerksam für das Kind da zu sein.
Das ist in meinen Augen sogar das einzig Wahre. Alles andere kann man anpassen, nach Wohlbefinden von Kindern und Müttern.
Wohlfühlen, Glücklichen und Geliebtwerden - das ist es, worauf es meiner Meinung nach ankommt. Dann können Kinder das in ihnen liegende Potential realisieren. Und zum Wohlfühlen gehört es, dass man auf das Kind achtet, es respektiert und es dort sein darf, wo es in seiner Entwicklung und seinen Interessen steht. Aber auch, Futter zu besorgen, wenn es nötig ist - zum sich wohlfühlen.

dromedar hat geschrieben: So 7. Okt 2018, 19:16 Ich wollte nicht darauf hinaus, dass die Kinder ein optimales Umfeld brauchen, um sich gut zu entwickeln. Mehr so im Sinn von: Wir haben ein gutes Schulsystem mit zwei Jahren Kindergarten. Wenn das Kind beispielsweise nie eine Schere in der Hand hatte und daher im Kindergarten noch nicht schneiden kann, wird es das in kürzester Zeit aufholen und grosse Fortschritte machen.
Das finde ich auch. Unsere Schulen bieten den Kindern so viel an Anregung und Möglichkeiten.

dromedar hat geschrieben: So 7. Okt 2018, 19:16 Ich finde auch, dass dieser Bereich, der als normal angeschaut wird, immer enger wird, vorallem von Seiten der Schule. Wobei es da sicher auch sehr auf die LP ankommt. Ich schätze Remo Largo sehr. Jedes Kind ist anders und das ist auch gut so.
Das sehe ich genauso. Leider. Und ich finde auch dass von Kindern zu viel erwartet wird. Am Besten sollen sie "kleine Erwachsene" sein.
Mein Sohn, der oft nicht weiss wohin mit seinen Emotionen, wurde so lange "in seiner Entwicklung gefördert", dass er nun seine Emotionen super reflektieren kann, oft besser als manch Erwachsener. Das finden sie in der Schule natürlich toll.
Nur wir finden es spooky :roll: , denn er ist ein nunmal ein Kind, kein kleiner Erwachsener.

sillyspider73 hat geschrieben: So 7. Okt 2018, 22:36 Ich finde aber, das Wichtigste, was wir unseren Kindern mitgeben können, ist ein gutes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Ohne diese ist es schwierig, sein eigenes "angeborenes" Potential auszureizen, ob HB oder nicht. Ich erlebe dies selbst in meinem eigenen Alltag.
Das hast Du gut ausgedrückt!

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Ariadne
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von Ariadne »

In diesem Sinne gebe ich Dir recht. Doch ist diese Art von Erfolg (mehr Chancen, höherer Lebensstandard) nicht nach unseren eigenen (erwachsenen, kulturellen) Maßstäben gemessen?
Was ist letztlich ein erfolgreiches Leben? Ich glaube, dies ist sehr schwer zu definieren und noch schwieriger ist es, dies zu steuern. Da spielen so unendlich viele Faktoren mit hinein, dass, in meinen Augen, unser Einfluss weitaus geringer ist, als wir glauben. Daher plädiere ich für mehr Gelassenheit im Umgang mit der Kindererziehung und mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Kinder. Ich bin nämlich überzeugt, dass Kinder fantastische Fähigkeiten haben, sich zu entfalten und zu entwickeln. Auch allen Widrigkeiten zum Trotz.
Ja wie definierst du es denn? Ich habe ja keine Definition gegeben. Und ich habe das Wort Erfolg überhaupt nicht genannt. Das hast du jetzt gemacht, und das ist schon recht interessant :wink: Für mich hat das wenig mit Erfolg zu tun, ausser, wenn man sagt, man hat Erfolg, wenn man Erfüllung findet. Für mich ist ein hoher Lebensstandard etwas sehr Umfassendes, etwas was mit dem Glücklich- und Zufrieden-Sein zu tun hat. Das ist für mich nicht etwas von Erwachsenen Gemachtes.
Da kommt man auch wieder zurück zu der Frage, warum so viele Menschen an Depressionen, Burn-Out etc. leiden, die doch eigentlich in dieser Definition ein "erfolgreiches" Leben haben. Ich kenne die Zahlen nicht, aber ich würde jetzt mal gefühlt behaupten, dass genau in diesen Kreisen, die mehr Chancen und einen höheren Lebensstandard haben, die Zahl dieser Erkrankungen hoch ist.
Was also ist ein erfolgreiches Leben?
Eben: Ich habe das Wort nicht benutzt, nur du hast das. Siehe oben für meine Definition. Wer in meinen Augen erfolgreich ist, kennt sich selber, seine Grenzen, hat einen guten Selbstwert und weiss, was glücklich macht. So eine Person hat eben kein Burn-Out bzw. weiss, wie sie da wieder herauskommt, weil sie sich selber spürt. Mir geht es um diese Art von "Erfolg", wenn du es so nennen willst.
Sind andere Kinder weniger glücklich, wenn sie kein "förderndes, anregendes" Umfeld haben? Da ist man wieder bei der Frage: was ist ein erfolgreiches Leben?
Ja, diese sind weniger glücklich. Denn sie wissen nicht wirklich, was ihre eigenen Interessen sind, gehen einfach nach dem Mainstream, machen das, was "man" halt macht und sind nicht daran gewöhnt, nach ihren eigenen Interessen gefragt zu werden und diese überhaupt zu entwickeln. Das sind eben die, die später erst lernen müssen, zu sich selbst zu finden.
Ich bin mit Dir absolut einverstanden, dass es das A und O ist, aufmerksam für das Kind da zu sein.
Das ist in meinen Augen sogar das einzig Wahre. Alles andere kann man anpassen, nach Wohlbefinden von Kindern und Müttern.
Wohlfühlen, Glücklichen und Geliebtwerden - das ist es, worauf es meiner Meinung nach ankommt. Dann können Kinder das in ihnen liegende Potential realisieren. Und zum Wohlfühlen gehört es, dass man auf das Kind achtet, es respektiert und es dort sein darf, wo es in seiner Entwicklung und seinen Interessen steht. Aber auch, Futter zu besorgen, wenn es nötig ist - zum sich wohlfühlen.
Eben. Ich glaube, wir denken da wirklich gleich und sind einfach von anderen Begriffsdefinitionen ausgegangen.
LG,
Ariadne

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F. Scarpi
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von F. Scarpi »

krista, ich möchte dazu auch noch etwas schreiben, obwohl es sich zum Teil mit dem, was Ariadne und du geschrieben haben, deckt...
krista hat geschrieben: So 7. Okt 2018, 15:39
aryu hat geschrieben: Sa 6. Okt 2018, 22:35 Ich denke, es geht da beim Umfeld noch gar nicht um konkrete Förderung oder Massnahmen, sondern nur schon um Anregung. Also, ganz grob: Wächst das Kind in einem Haushalt auf, in dem es Bücher hat? Erhält das Kind Gelegenheit, seinen Körper zu erproben, sich frei zu bewegen etc.? Hat das Kind ein interessiertes Umfeld, das sich nach seinem Befinden erkundigt; auch in schulischen Dingen? Hat das Kind Zugang zu kulturellen Einrichtungen? Hat das Kind die Möglichkeit (!) einen Verein zu besuchen oder ein Instrument zu lernen?
Ich persönlich glaube durchaus, dass solche "Anregungen" Kinder in einzelnen Bereichen gewissen Entwicklungen schneller durchlaufen lassen. Aber ist das tatsächlich alles?
Nein, das ist eben nicht alles (darum auch dieser Thread?). Es erklärt, warum viele Kinder, welche diese Anregungen und Möglichkeiten haben, sich zum Beispiel intellektuell gut entwickeln und warum diese Kinder gute Chancen haben ihr genetisches Potential (in bestimmten Bereichen) zu erfüllen. Warum viele andere Kinder, welche in einem verarmten und belasteten Umfeld aufwachsen - verarmt nicht nur oder nicht mal zwingend primär in materieller Hinsicht - hinter den Kindern, welche diese Anregungen haben, schulisch im Schnitt zurück bleiben, zum Beispiel. Darum gibt es in vielen Ländern Frühförderprogramme für die ärmsten Kinder/Familien, die erwiesenermassen erfahrungsgemäss eine Wirkung haben.

Aber: eine Prognose, wie sich dieses und jenes Kind entwickeln wird und wie zufrieden und erfüllt es werden wird, kann man nie wagen, auch wenn man das Umfeld kennt oder zu kennen glaubt!

Das Glück der Kinder (der Menschen):
Ich glaube, neben einem Grundmass an (materieller) Sicherheit und Stabilität, Geborgenheit und Freiheit ist es die Entfaltung der Talente, die zur Zufriedenheit führt!
Zuletzt geändert von F. Scarpi am Di 9. Okt 2018, 12:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von Stella* »

Ich bin in den letzten Tagen nicht dazu gekommen, nachzulesen. Habe aber gerade den geschützten Thread eingerichtet. Falls jemand dort noch mitschreiben möchte, den ich nicht auf meiner Liste hatte, bitte ich um eine PN.

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krista
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Re: Schlau, aber...

Beitrag von krista »

@stella
Danke, nimmst Du mich auch mit auf die Liste?

@Diskussion
nun sind wir ganz schön umfangreich geworden. Ich gebe Euch natürlich recht, dass es wichtig ist, dass ein Kind ein sicheres, liebevolles und anregendes Umfeld hat.
Obwohl das Thema "anregendes Umfeld" mich hier zum Thread-Thema eben auch nachdenklich macht.
Hat man ein "schlau-Kind", dann scheint es so naheliegend (für das Umfeld - LehrerInnen, Freunde, Verwandtschaft), dass man dies fördern müsse. Das Kind "verlangt" ja nach Futter und kann es ja auch gut verarbeiten.
Hat man ein "-aber-Kind", dann braucht dieses ganz offensichtlich Zeit und Raum, sich in seinem Tempo zu entwickeln.
Ich glaube unsere "schlau-aber"-Kinder sind da ganz eigen und einzigartig.

Ich persönlich bin ein bisschen allergisch auf das ganze "Förderung/Anregung", weil in meinem Umfeld immerzu überlegt wird, wie man das Kind zum Lernen und Entwickeln anregen und fördern könne. Dabei braucht es manchmal nur Zeit und Ruhe. Und eben genau keine "Anregung", die immerzu vorwärts drängt. Manchmal ist auch das innehalten-dürfen auch gut.
Denn alle Anregung und Förderung zielt ja immer nur auf Teilbereiche und Teil-Kompetenzen. (Klar ist es da wichtig, vielseitige Anregung zu bieten.) Ich denke jedoch, dass man nicht alle Entwicklung forcieren kann. Und auch nicht muss, denn durch das schilichte Sein, wird ja auch viel gelernt. Oder zumindest dem Lernen mehr Zeit gegeben.

Da ist man wieder bei der Frage, ob man von Kindern zu viel erwartet.
Für mein Kind kann ich das ganz klar mit JA beantworten. Er redet wie ein kleiner Erwachsener. Das führt dazu, dass etliche Erwachsene auch so mit ihm reden. Und dann auch erwarten, dass er sich so benimmt, wie er redet.
Manchmal tut er das auch, aber manchmal eben auch nicht. Das wird dann schärfer beurteilt als das gleiche Benehmen von gleichaltrigen Kindern. Leider.

Letztlich erfordert es sehr viel Kreativität und Flexibilität mit den Kindern, die "etwas eigen" sind und nicht so wie ein grösserer Teil der Kinder. Und viel Toleranz und Gelassenheit. Dies kann leider nicht jeder.

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