Dr. Karg Gedichte / Teil 2

Moderator: Phönix

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Hans Hartmut Karg
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Erzählen rettet!

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Erzählen rettet!

Werden wir wohl das Erzählen verlernen,
Wenn wir das Kindaffine vertreiben lassen,
Erlerntes der Infoflut opfernd besternen,
Uns nicht mehr mit dem Zuhören befassen?

Wer alles schon weiß, der weiß doch nichts,
Ist schon längst den Fantasien entflohen,
Weil er als Sklave ständig gesendeten Berichts
Nur Quanten empfängt, bei der Abhängigkeiten lohen.

Erzählen rettet uns doch vor menschlicher Kälte
Und vor lebensfressender Zeitverschwendung,
Wo nichts unser erfindendes Fabulieren zustellte,
Wenn wir hinkommen zur Seelenwendung.

Im Erzählen gibt es Bauer, König und Dame
Und die Erlösung aus tiefem Erbarmen,
Denn weil uns der Wortsinn nicht erlahme,
Bestände Hoffnung auf das Glück der Armen.


©Hans Hartmut Karg
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Hans Hartmut Karg
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Wir müssen uns schon

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Wir müssen uns schon

Wir müssen uns schon auf Abwehr besinnen,
Selbst wenn wir sehr humanistisch ausgerichtet,
Sonst können wir nur den Tod gewinnen,
Wo wir doch menschlich dem Leben verpflichtet.

Wenn sich stärker die Terroristen mehren,
Hat auf Dauer die Menschheit keine Chance
Noch zu sehen auf das Gutgläubige der Humanisten,
Wie im Blick zur Schlange ist die Demokratie in Trance.

Dort schaut man darauf, wer nächstes Opfer der Schlange
Und verdrängt eigene Gefahren, schaut ihren Rachen.
Dann nimmt der Terror die Bürger in seine Zange
Und überall hört man nur noch Flugkörper krachen.

Wir müssen uns schon wieder die Arbeit machen,
Um herauszufinden, wer uns schändlich belügt,
Weil sich sonst finstere Mächte ins Fäustchen lachen,
Denn wer betrügt, der dann wirklich auch siegt.


©Hans Hartmut Karg
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Hans Hartmut Karg
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Zwischen den Hotelschluchten

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Zwischen den Hotelschluchten

Zwischen den Hotelschluchten
Steigen wieder Abgasdämpfe nach oben,
Dringen in Zimmer, in die nicht gebuchten
Und verbreiten sich weiter nach droben.

Im Sommer ist dies täglich dasselbe:
Die Autos verparken alle Innenhöfe,
Nur ein Zementtopf zeigt das Blumengelbe,
Beton, Steinpflaster – so sind die Höfe!

Zwar bleiben Hotels kaum ausgebucht,
Reise- und Ferienzeit bringen Ebbe,
Denn mancher hat das Weite gesucht,
Tummelt sich jetzt in Wüste und Steppe.

So ist wieder Einsamkeit eingekehrt,
Außer Landes lockt das pralle Leben,
In Resorts, wo nun das Plaudern gemehrt
Wollen Menschen sich Erholung geben.

Und doch fragt man sich insgeheim:
Warum muss es hier nach Heizöl riechen?
Es ist doch kaum jemand mehr daheim,
Müssen da noch Abgase herkriechen?


©Hans Hartmut Karg
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Hans Hartmut Karg
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"THINK GREEN!"

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


„THINK GREEN!“

Da waren wir doch in einem Stadthotel
Und banden außen hin ein Aushängeschild,
Das zeigte, mein Handeln kann gar schnell
Die Umwelt schützen – mit gutem Willen und mild.

Wenn wir drei Tage das Zimmer nicht reinigen lassen,
Spendet das Management den frei werdenen Betrag
Für Baumpflanzungen, um so begrenzend zu fassen
Den Kohlendioxidausstoß des nachts und am Tag.

„THINK GREEN!“ - ein gutes Zeichen, ein Konzept!
Das unterstützen wir mit verwehrter Reinigungsaktion
Und nutzen auch andernorts dieses Umweltrezept,
Sind für das Umweltgeld – erhalten Sauerstofflohn!


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Hans Hartmut Karg
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Drinnen und draußen

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Drinnen und draußen

Das Aushäusige ist nicht das Inhäusige,
Das Inhäusige von anderer Qualität,
Dabei in permanentem Weltgesäuse:
Man will wissen, wohin die Reise geht.

Drinnen ist man noch wohl behütet,
Geschützt vor Wetter, Sonne und Wind,
Wo das Alter lebt, das so leicht ermüdet
Und nun die erweiterten Sofajahre sind.

Draußen geht es rau und stürmisch zu,
Keiner dankt Dir für möglichen Wagemut.
Dort ist aber die Luft frisch und immerzu
Sieht man: Da hat es die Z-Jugend gut!

Dennoch sollte man nicht automatisch meinen,
Das Aushäusige hätte einen größeren Horizont,
Könnte sich dort freier und besser vereinen,
Weil man auf Wellen der Bewegung thront.

Inhäusiges hat manches Mal mehr Gemütstiefe,
Bringt Ruhe, um auf Verarbeitung zu sehen,
Was geistig zugedeckt und jetzt nach mir riefe,
Worauf das Gemüt und der Geist erweckt stehen.


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Hans Hartmut Karg
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Über Plattengänge gehen

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Über Plattengänge gehen

Jahrhunderte hindurch liegen sie in Gebäuden,
Dort hat man sie mit großer Sorgfalt verlegt.
Mitbekommen haben sie Trauer und Freuden,
Die sich auf die oft so lange Zeiten gelegt.

Da bin ich schon selber oft gegangen,
In der Kirche, auf den alten Steinplatten,
Wo wir Lieder zum Lobe Gottes sangen,
Weil wir da den Wunsch auf Gottnähe hatten.

Immer sehe ich auf die Solnhofer Gesteine,
Während die Pfarrerin von Vergänglichkeit predigt,
An der Wand Grabstelen, im Boden Rittergebeine
Und überall der Beweis auf Endlichkeit bestätigt.

Hände, welche diese Platten einst geschlagen,
Sind lange schon vergangen, verwest,
Und doch können sie uns bis heute ansagen,
Dass mit Beten uns Hoffen nicht verlässt.

So viele Füße sind über diese Platten gegangen,
Ich bei meinen Gottesdienstbesuchen auch.
Da hat mich der Glaube befreit, nicht gefangen
Von Ängsten, die einhergehen mit Ritus und Brauch.


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Hans Hartmut Karg
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Weswegen sind wir auf der Welt?

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Weswegen sind wir auf der Welt?

Manche behaupten: Um Gottesbildlichkeit uns zuzulegen
Sind wir auf dieser schönen Welt.
Müssen wir uns eine solche hohe Reputation zulegen,
Wären wir nicht auf Bescheidenheit gestellt?

Die Schöpfung hat uns so viel mitgegeben,
Daraus könnten wir schon Gutes nutzen,
Doch wo wir die Lebensmöglichkeiten lahmlegen,
Sind wir halt weiter nur im Vernutzen.

So steh' ich auf und sage deswegen:
Wir müssen unser Handeln ändern.
Nichts wird uns weiterhin zum Lebenssegen,
Wenn kein Blick mehr geht zu den Rändern.

Manche behaupten: Immer duschen und sich pflegen,
Woher Wasser herkommt, das interessiert sie nicht.
Müssten wir nicht mit Verzicht diese Schöpfung hegen,
Damit wir verhindern klimatisches Weltgericht?

Die Apokalypse ist uns nicht aufgegeben,
Die entwickeln wir, weil wir egomanbestimmt.
Wir sollten unsere Rettungsschätze nachhaltig heben,
Weil sonst unsere Zukunft kein gutes Ende nimmt.

Wir sind auf der Welt, um uns endlich zu bewegen,
Nicht immer nach Lösungen aus den Nöten verlangen.
Unsere Lebenszeit, unser Schicksal ist auch ein Segen,
Wenn wir uns wehren gegen apokalyptisches Bangen.


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Hans Hartmut Karg
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Sag' nicht immer

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Sag' nicht immer

Sag' nicht immer, was Du willst,
Wie von außen man Dich rettet,
Wie Du Deine Wünsche stillst
Und man Dich in Watte bettet.

Sage lieber, was Du kannst,
Wo die Welt Dich brauchen kann,
Nicht, was Du von ihr verlangst,
Dann bist Du ein guter Mann.

Sage laut, wo Du gezielt
Deine Kräfte hier einbringst,
Weil konkret und lösungserfüllt
Du um gute Entscheidungen ringst!


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Traditionskost als Kulturform

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Traditionskost als Kulturform

Wenn es überall immer mehr Dasselbe gibt,
Wächst der Abwechslungswunsch exponentiell.
Natürlich sind viele auf Dasselbe konditioniert,
Bei den Wenigen ändert sich nichts mehr schnell.

Doch inzwischen sieht man bei Essen es wieder:
Einheimische speisen vermehrt in Nischenwirtschaften,
Wo man noch gute Hausmannskost bekommt,
Erinnerlich der Kindheit im bodenständigem Verhaften.

Dort legen für die Gäste freilaufende Hühner noch die Eier,
Kartoffeln für den Salat wachsen auf dem Acker der Wirtsleute,
Die weltbeste Leber von eigenem Schwein backt Frau Meier
Mit Röstzwiebeln – Kitzinger Silvaner bringt Freude!

Denn da sitzen sie alle, die heimatlichen Insider,
All jene, die noch diesen Genusstempel kennen.
Es gibt keine Proteste und keine Hungerleider,
Man kann sich noch zur Nahfreundschaft bekennen.


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Professionsachtung

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Professionsachtung

Man muss kein radikalisierter Mensch sein,
Um sich der eigenen Herkunft zu erinnern.
Das stärkt und festigt Lebenszeit und Sein,
Eigene Speise darf im Topfe noch simmern.

In diesen wunderbaren spätherbstlichen Tagen
Finden sich bisweilen Graugedanken ein.
Da gibt es noch das Halali und Geisterjagen,
Man darf mit Freunden Freund noch sein.

Bauer und Jäger sind Gegenkonzepte,
Was der eine will, das nervt den andern,
Weil man so gern Gründe verschleppte,
Dadurch Versöhnungen abwandern.

Dabei sind BEIDE von sehr großem Nutzen,
Auf BEIDE lässt sich schwer verzichten.
Da müssen wir die Einwände schon stutzen
Und hören, was die Gegenseite zu berichten:

Der Bauer richtet unsere Getreidefelder,
Ohne die gäbe es für uns schließlich kein Brot.
Er hegt und pflegt Äcker, Wiesen und Wälder,
So leidet niemand bei uns Hungersnot.

Jäger schießen Rehe und Wildschweine,
Damit die des Bauern Äcker nicht zerstören,
Und so ergänzen sich die BEIDEN, wie ich meine,
Auf BEIDER Profession sollten wir hören.


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Mit Gerd Müller habe ich Fußball gespielt

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Mit Gerd Müller habe ich Fußball gespielt

Jetzt, in diesen neuerlichen Kriegsverhalten
Erinnere ich mich wieder gern an die Nachkriegszeit.
Damals konnte man mit Fußball noch Welt gestalten
Und war zum fairen Wettbewerb, zum Spielen bereit.

Als Nördlinger Junge war das sonnenklar:
Fußball wird Teil aufsteigender Lebensführung:
Mit Gerd Müller spielten wir ganz wunderbar,
Da gab es immer wieder Spieleranrührung.

Einfach, geradlinig stand er dort im Spiel,
Auch zum Bolzen an der Stadtmauer fand er hin,
Wo immer wieder reifte unser ausgemachtes Ziel:
Schützenkönig werden, das macht wirklich Sinn.

In seiner Mannschaft wollte ein jeder spielen,
Weil er dauernd die allermeisten Tore schoss:
Nur kurz gedreht, kaum wahrnehmbares Wühlen,
Dann traf er sicher, obwohl eigentlich nicht groß.

Warum ich so gern mit ihm zusammen spielte?
Er war sehr kameradschaftlich und niemals intrigant.
Obgleich er stets die schönsten Tore erspielte,
Erlebte ich ihn stets bescheiden, niemals arrogant.


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Es ist so schwer

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Es ist so schwer

Es ist so schwer,
mit Menschen Gespräche zu führen,
die immer nur sich selber strahlend sehen wollen.
Sie kommen daher,
Lassen Dich ihre Überlegenheit spüren
Und manches Mal sitzt man dabei wie auf Kohlen.

Wenn die Eingebildeten sich dann beweihräuchern,
bleibt uns, den Bescheideneren nur das Zuhören,
das Loben gar, wo man nichts will, als nur bewundert sein.
Da braucht es manches Mal schon ein gewisses Heucheln,
man kann sich gegen Zumutungen ja kaum wehren,
und doch sind diese Ansprüche oft hundsgemein.

Es ist so schwer,
sich aus den Redefluten zu befreien,
die immer nur dem Eigenlob, der Anerkennung dienen,
wo eigentlich sozial so leer
das Mantra nie ein Nachfragen kennt, nie ein Verzeihen
stets Eigenlob steht auf ausgeleierten Schienen.


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Meine Ferienarbeiten früher

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Meine Ferienarbeiten früher

Wenn die Eltern arm und nicht reich sind,
Sucht man schon als Junge nach Einkommen.
So nahm ich in den Schulferien g'schwind
Arbeiten an, wo ich konnt' unterkommen.

In den Ferien habe ich mich in Arbeit eingebunden:
Flaschenwaschen in der Limonadenfabrik.
Da habe ich mich nachts um 3:00 Uhr eingefunden.
Um 17:00 Uhr ging ich heim mit hundemüdem Blick.

Und im Zementwerk war der Presslufthammer
Mein Arbeitsgerät, so dass nachts die Hände zitterten.
Bei 80 Grad gingen wir in die Drehofenkammer,
Lösten Schamottereste, wo wir im Zementstaub schlitterten.

Schließlich kam ich zu einem großen Unternehmen,
Das viele Steinbrüche mit Sprengmaterial versorgte:
Ammongelitstangen musste ich in die Hände nehmen,
Wo sich niemand um mein Wohlergehen sorgte.

Erst als ich durch Zufall zur Stadtranderholung kam,
Später Jugendgruppen in Ferienheime begleiten konnte,
Die schöne Arbeit mit Kindern Lebensangst mir nahm,
Merkte ich, welch' Zauber der Jugend innewohnte.

Schon immer wollte ich eigentlich Lehrer werden,
So entdeckte ich mein künftiges Berufsfeld,
Um Jugendnöte anzuhören, auch Beschwerden,
Denn so viele hatten echte Nöte – und kein Geld!

Am Ammersee konnte ich Jugendliche aufbauen,
Gestärkt von dort in ihr Leben entlassen,
Auf ihre Anlagen und Interessen förderlich schauen,
Damit sie Mut zum Guten Leben konnten fassen.


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Einswerdung

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Einswerdung

Noch immer lacht SIE über meine alten Witze,
Es ist das Sonderrecht der langen Jahre,
Dass mit Beständigkeit und Duldsamkeit
Zwei Liebende gingen durch Kälte und durch Hitze,
Gemeinsam man auf seinen Wohlstand spare
Im Höherführen jung, im Wesen glücksbereit.

Immer weiß SIE, was ER denkt und sagen muss,
Durch und durch kennt er SIE, auch die Marotten
Und auch – womit SIE IHN ja manchmal foppt!
Sind sie getrennt, selten nur, doch der Kuss
Bringt sie dann näher in thermalen Grotten,
Wo seelennah ihr Lustgebiet längst ausgelobt.

Nach und nach werden sie ein einzig' Wesen:
Zwei Liebende bespielen ihre späten Tage.
Sie wissen schon, dass dies dem End' zugeht.
In lachenden Augen lässt sich schon ablesen
Dass sie befasst mit jener letzten Frage:
Werden wir uns wiederseh'n, wenn einer geht?


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Die Gebissene

Beitrag von Hans Hartmut Karg »

Die Gebissene

Sie kam lange nicht darauf,
das dies doch bei ihr selber lag,
denn ihre Nachtträume
waren meist sehr mächtig,
so dass sie schweißgebadet
erwachte mit schmerzender Lippe,
auf die sie sich gebissen hatte.

Nach und nach kam sie darauf,
dass es ohn' Fug und Recht
Champagnerschäume waren,
die abends, getrunken so bedächtig
und in Geselligkeit ganz heimelig
die Ursache für ihre Bisse waren.

So ließ in weiterem Verlauf
sie alles Alkoholische beiseite –
und bald verschwanden die Nachtträume,
die wild den tiefen Schlaf einst säumten.
Die Lippe heilte langsam und doch nach und nach,
Kein Biss brachte mehr Leid und Schmerzen.


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Lebensprogramm

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Lebensprogramm

Meere sollte man schon selbst befahren,
Zu Wolken und Sternen eigens hochschauen
Und das Gewohnte immer wieder mal verlassen,
Dabei das Dasein lieben, niemals Menschen hassen,
Dem eigenen Leid entfliehen, wie stets allem Grauen
Im Wissen um das Geschenk an Lebensjahren.


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Dezemberwetter, mild

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Dezemberwetter, mild

Eislastende Wolken,
es riecht schon nach Schnee?
Nein, es fallen nur Tropfen.

Am Morgen aufwallende Grauwolken
führen weiteren Regen heran,
auch ein paar Flocken
hin zur tropfenden Nase,
Nässe zu Nässe!

Selbst in wärmeren Landregionen
macht sich nur Kühles breit,
kommt kein Gestiebe auf.

Ich liebe die sauerstoffreiche Kühle,
doch werde ich nässeverschreckt,
wenn es tagelang regnet,
die Auen geflutet.

Wir sind dann gerne daheim.


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Tschechows Therme

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Tschechows Therme

Gestrandet im kleinen Heilbad Badenweiler
Suchte Anton Tschechow nach jenem Heiler,
Der ihn von Tuberkulose befreien konnte,
Weil das Virus seine Lunge bewohnte.

Schon zwanzig Jahre ging Tschechows Krampf,
Der großherzogliche Badearzt nahm auf den Kampf,
Und doch lag der berühmte Russe weiterhin darnieder,
Denn die schlimmen Schübe kamen immer wieder.

Tschechow, ehrenamtlicher Arzt und Dramatiker,
Zurückhaltend, wertneutral, keinesfalls Fanatiker
Sah die schlimmen Nöte in russischer Provinz,
Seine Vorfahren waren Leibeigene, er kein Prinz.

Eigene beengte Verhältnisse, zweimaliges Sitzenbleiben,
Autoritärer Vater, Zarensystem – da musste er schreiben,
Offenbaren seine große Ironie, seinen feinen Humor
Gegen Armut, Zensur und tagtäglichen Furor.

Die vielen Besuche des Taganroger Stadttheaters,
Tägliche Mitarbeit im elenden Laden des Vaters.
Dennoch fand Anton Tschechow noch den Weg
Und besuchte dort in der Stadt die Bibliothek.

Er war einer der fleißigsten russischen Dramatiker
Und doch leidend wie ein Dauerasthmatiker.
So konnte ihn Badenweiler auch nicht retten,
Zur Ewigkeit musste sein Haupt sich dort betten.


©Hans Hartmut Karg
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Hast Du mir verschwiegen

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Hast Du mir verschwiegen

Hast Du mir verschwiegen,
Wo nächtens Du willst liegen,
Zu Dir, zu mir wir kommen,
Abschied wird nicht genommen?

Das Offene, das Ungeplante bleibt uns schon,
Wir sehnen uns nach jenem Liebesthron:
Gibt der uns mit dem Zauber der Enthüllung
Die Lüste zu zartfühlender Erfüllung?

Braucht die Umarmung immer das Gewagte,
Reicht uns nicht das Leise, Angesagte,
Mit dem schon die Altvorderen spielten,
Wenn sie sich ihre Sehnsüchte erfüllten?

So schweigen wir Liebenden lieber denn,
Weil die Erwartung, aus der Minne spricht,
Wir ohne Worte selig, inniger gestalten,
Wo über uns des Himmels Sterne walten.


©Hans Hartmut Karg
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Ist man frei, wenn man total liebt?

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Ist man frei, wenn man total liebt?

Noch immer beherrscht der Irrglaube
Unser Menschengeschlecht: Liebe mache frei.
Das jugendliche Liebesleben unter der Dachgaube
Suggeriert uns ein Verlangen, das ewig so sei.

Und natürlich verlangt Wiederholung die Brust,
Sieht im Mehrenden gar schon Erfüllung.
Doch wächst wirklich weiter der Liebe Lust,
Wenn ständig aufsehnt tätige Enthüllung?

Machen wir uns rar, wächst die Sehnsucht
Und könnte uns vielleicht Denkfreiheit rauben,
Weil man immer wieder nach Erfüllung sucht:
Ohne Liebe ist das Leben nicht zu entstauben.

Das Sehnen aber wächst uns mächtiger zu
Und raubt den Sinnen mancherlei Freiheit,
Weil die gefangenen Gedanken immerzu
Dieses Sehnen hochheben zur Weltzeit.

Nicht mehr frei und nur noch gefangen
Im Überlegenden mit dem Liebesplanen
Suchen wir, wo händchenhaltend gegangen,
Wie vor uns schon Generationen von Ahnen.

Ist man frei, wenn man total liebt?
Nur wer das Sehnen als Freiheit sieht,
Weil die Erfüllung ihm Stärke gibt,
Der bleibt immerzu lebensbemüht.


©Hans Hartmut Karg
2023

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