In „meinem“ Bundesland liegt die Gymiquote bei über 40%, in „meinem“ Stadtteil sogar bei über 70%. Aus meiner Primarschule sind mehr als 80% auf ein Gymnasium gegangen. Dazu muss man sagen, dass ich in einem Stadtteil mit extrem hoher Akademikerquote aufgewachsen bin. Auch meine Eltern haben beide studiert. Es gibt zwar eine Empfehlung von der LP, aber wenn die Eltern wollen, können sie einfach sagen, dass ihr Kind auf‘s Gymnasium soll.
Mein Gymnasium hat einen sehr elitären Ruf und selbst bei den Kindern mit Migrationshintergrund (der Anteil war nicht winzig) gab es keine „Arbeiterkinder“. Aus diesem Grund hatten wir definitiv eine Menge Kinder auf der Schule, die von den Eltern gepusht wurden und eigentlich nicht unbedingt auf ein Gymnasium gehört hätten. In meinem Jahrgang gab es einige, die bis zum Abitur in mehreren Fächern Nachhilfe erhalten haben. Ich selbst habe mir mit Nachhilfe bis ins Studium eine goldene Nase verdient

Allerdings muss ich dazu sagen, dass aus meinem Jahrgang teilweise gerade diejenigen, die stark gepusht wurden, einen erfolgreichen Weg eingeschlagen haben. Ihnen wurde von den Eltern vorgelebt und beigebracht, dass zum Erfolg Disziplin und Fleiss gehört. Einige der sehr intelligenten Kinder sind eher gescheitert, weil ihnen in der Schule noch alles zugeflogen ist, sie damit dann im Studium und gerade danach aber irgendwann nicht mehr weitergekommen sind.
Eine Prüfung wie in Zürich, die Fleiss und Disziplin voraussetzt, bringt also nicht unbedingt die falschen Kinder ans Gymnasium. Ich sehe das Problem aber da, dass eben diese ganze Nachhilfe-Maschinerie entstanden ist. Viele meiner Kollegen mit älteren Kindern haben mir bestätigt, dass der Kurs in der Schule nicht ausgereicht hat und diejenigen Kinder, die noch private Kurse besucht haben, eher durch die Prüfung gekommen sind, als die ohne. Und das sind nicht alles Eltern, die ihr Kind unbedingt auf dem Gymnasium sehen wollten, aber sie wollten doch ihr Kind bestmöglich unterstützen. Die Tochter einer Kollegin hatte extrem Stress bei der Vorbereitung (inklusive privatem Kurs und viel Unterstützung der Eltern) und hat auf dem Langzeitgymnasium jetzt keine Mühe, gute Noten und keine Nachhilfe.
Ich denke also, dass die Prüfung nicht abgeschafft werden muss. Allerdings sollte das System so geändert werden, dass es ohne private Unterstützung möglich ist, mit ein bisschen mehr Fleiss und Disziplin, auf das Gymnasium gehen zu können. Ich glaube auch eine etwas höhere gymnasiale Maturaquote wäre nicht verkehrt. Ich finde das Schweizer System zwar super, aber ich glaube nicht, dass der Umweg über Berufsmatura -> FH Studium oder sogar Berufmatura -> Passerelle -> Uni Studium der richtige für alle ist, die es knapp nicht auf das Gymnasium schaffen.
Noch zu den Hochbegabten: Hier gibt es definitiv sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz sehr viel Nachholbedarf. Ich habe einige hochintelligente (eventuell auch hochbegabte) Leute scheitern gesehen, weil sie keine Unterstützung erhalten haben. Ich glaube nicht, dass die Lösung ist, dass diese Kinder ohne Mühe und ohne bestandene Prüfung „einfach“ auf das Gymi kommen, weil sie dann dort aufblühen und endlich gefordert werden. Ich habe genau das Gegenteil gesehen.
PS: ein paar Posts haben sich mit meinem überschnitten.