Grundsätzlich ist es eigentlich Sinn und Zweck - und Theorie - des gemeinsamen Sorgerechts, dass auch beide Elternteile zu je 50% die Betreuung, Verantwortung und Pflichten und Rechten tragen/übernehmen. Aber: In der Praxis ist das natürlich selten möglich (weil oftmals die Väter 100% arbeiten und gar keine 50%-Betreuung übernehmen können). Dementsprechend wird die Betreuung halt immer nach den jeweiligen Möglichkeiten festgelegt.
Aber: Wenn Väter zeitlich die Möglichkeit haben, Ihre Kinder 50% zu betreuen und das auch wollen, ist das natürlich der Idealfall - der auch vom Gesetzgeber unterstützt wird. Ich habe zwei Kollegen, die Anfangs dieses Jahres (endlich) das gemeinsame Sorgerecht bekommen haben und sich - aufgrund selbstständiger Tätigkeit - zu 50% an der Kinderbetreuung beteiligen können (und auch wollen). Die Mütter waren in beiden Fällen auch dagegen - aber es wurde dann gegen Ihren Willen so bestimmt, dass die Kinder fortan zu 50% von beiden Elternteilen betreut werden (d.h. sie sind nun jeweils 3-4 Tage pro Woche beim Vater, 3-4 Tage pro Woche bei der Mutter). In beiden Fällen war das natürlich nur möglich, weil die Väter im gleichen Dorf wie die Kinder wohnten - und eben auch zeitlich die Möglichkeit dazu hatte. Aber eben: Vom Gesetzgeber wurde dieser Wunsch unterstützt.
Ich denke, Du musst Dich damit auseinandersetzen, dass ein solches Szenario auch in Deinem/Eurem Fall nicht ganz unwahrscheinlich sein wird. Klar wird das Alter des Kindes berücksichtigt werden - und auch Eure persönlichen Umstände. Aber wenn keine zwingenden Gründe gegen den Vater sprechen (Drogensucht, nicht urteilsfähig, gewalttätig, etc.) und er es sich zeitlich wirklich einrichten kann, gibt es faktisch keinen Grund, warum er nicht - genau so wie Du - 50% der Rechte auf Eure Tochter leben sollte. Denn nochmals: Ihr habt gemeinsames Sorgerecht - er hat genau die gleichen Rechte und Pflichte, wie Du sie hast. Du hast da keine Vorrangsstellung, nur weil Du per Zufall die Mutter bist.
Ich kenne das Gefühl, dass man das Kind dem Vater nicht all zu viel geben möchte. Meistens hat man bei einer Trennung dem Ex-Partner gegenüber sehr diffuse Gefühle - hält vielleicht auch nicht mehr viel von ihm als Mensch... vielleicht nicht mal viel als Vater. Aber: Ich habe mich dann halt immer versucht, aus meiner Mutterrolle (und damit auch aus meinen eigenen egoistischen Gefühlen!) herauszunehmen und daran gedacht, wie ich als Kind fühlte... dass ich meine beiden Elternteile genau gleich liebte, obwohl sie auch sehr verschieden waren, der Vater sicher auch nicht alles so machte, wie die Mutter (vielleicht auch nicht immer alles richtig)... und trotzdem: Ich habe beide Eltern genau gleich geliebt und war froh, dass meine Mutter den Kontakt zu meinem Vater immer unbeschränkt zuliess. Und genau so habe ich es bei meiner Trennung gehalten: Der Vater meines Sohnes hatte - ungeachtet meiner egoistischen Gefühle - immer dieselben Rechte auf unseren Sohn wie ich. Das war mein Credo (obwohl wir nicht mal gemeinsames Sorgerecht haben

). Aber: Es geht ja auch nicht darum, was auf einem Papier steht... und schon gar nicht um meine Wünsche und Bedürfnisse... es geht um ein Kind, dass das Anrecht auf BEIDE Elternteile hat und auch das Recht hat, beide Elternteile zu lieben.
Wie gesagt: Wenn Dein Ex die Möglichkeiten hat, Euer Kind 50% zu betreuen und auch den Willen dazu, würde ich an Deiner Stelle - Eurem Kind zuliebe - darauf eingehen. Denn wie gesagt: Vor Gericht bzw. bei der KESB werdet Ihr beide gleichberechtigt die gleichen Rechte habe. Du bist nicht diejenige, die entscheiden kann, ob und wann der Vater das Kind sehen darf - und Du bist auch nie die, die ihm das 50%-Betreuungsrecht (das er grundsätzlich mit dem gemeinsamen Sorgerecht hat) verweigern darf. Denn wie geschrieben: Grundsätzlich ist diese 50:50-Betreuung und damit 50:50-Uebernahme aller Rechte und Pflichten eigentlich Grundsatz des gemeinsamen Sorgerechts!
Wenn Euer Kind noch sehr klein ist und praktische Gründe (momentan noch) gegen das 50:50-Betreuungsrecht sprechen, wird das sicher berücksichtigt werden. Aber wie gesagt: Du musst Dich darauf einstellen, dass - wenn der Vater sich zu 50% an der Betreuung beteiligen möchte - diesem Wunsch wenn immer möglich entsprochen werden wird... dem Kind zuliebe!