@Enzian
Auch für unser Kind ist es schwierig mit anderen Kindern, generell sogar mit Besuch. Auch wir haben nicht viel Besuch. Der Preis ist einfach sehr hoch und wir sind schon so am Limit und können dann je nach Woche, das Kind nach zusätzlichem Besuch kräftemässig kaum noch auffangen und tragen.
Gerade am Anfang einer Diagnose muss man damit auch irgendwie zurechtkommen. Das machen alle etwas unterschiedlich. Manchen tut der Austausch gut, andere wollen möglichst erst einmal gar nicht darüber reden. Es kann Mühe machen andere Familien zu sehen, bei denen "alles in Ordnung" ist. Man hat dann vielleicht sogar das Gefühl, die seien alle so super glücklich und problemfrei

Sind sie ja nicht. Aber halt anders. Manchmal geht man irgendwohin und fragt sich, warum es nicht mal einfach so einfach sein könnte. Man lebt seine eigene Realität mit einem Kind mit Besonderheiten oder Behinderungen. Die ist die eigene Norm solange man in seinen vier Wänden ist, aber sobald man rausgeht, knallt einem die Wirklichkeit anderer Familien an den Kopf, die Defizite des eigenen Kindes unter Umständen mit. Das ok zu finden und damit umgehen zu können ist nicht immer einfach. Es braucht auch Zeit. Manchmal spielt sogar Angst mit, vor den Reaktionen anderer Leute. Oder man fürchtet sich so sehr vor der Reaktion des eigenen Kindes, dass man es lieber sein lässt, weil es nur Stress mitbringt und schlussendlich keine schöne Erinnerung bleibt. Unüberlegte, gemeine Reaktionen auf bestimmte Besonderheiten, die gibt es leider in übler Form. Heute nehme ich meinen Neunjährigen mit aufs Damen-WC und putze das Füdli und ziehe wieder an und die dummen Sprüche sind mir egal. Es gab Zeiten, da habe ich das aber schlicht nicht ertragen. Und selbst jetzt, nach doch einigen Jahren, erwische ich mich manchmal dabei, wie ich im Hallenbad mein Kind nach dem Baden tragen muss, duschen muss, wieder tragen. Abtrocknen, anziehen, wieder tragen und sehe wie andere mit viel jüngeren Kindern, drei davon locker durch die Umkleide manövrieren und mir das dann kurz einen Stich gibt. Wenn man am Limit läuft, kann das soweit gehen, dass man gar keine "normalen" Familien mehr sehen will, die einem vor Augen führen, wie es anders sein könnte. Und manchmal ist man sicher auch zu dünnhäutig, missversteht, fühlt sich schnell in die Enge getrieben oder unverstanden. Als Eltern muss man sich da selbst reinfinden. Das hat mit Annehmen zu tun. Ein Stück auch mit trauern und vielleicht wütend sein. Das braucht Zeit. Bei manchen länger, bei anderen weniger lange.
Ich musste nach der Diagnose erst herausfinden wo und bei wem ich gut aufgehoben bin. Leider sind die weniger schönen Erfahrungen halt auch da und je nach dem hat man schlicht nicht mehr die Energie sich dem auszusetzen. Und statt dann einfach einer Person aus dem Weg zu gehen, blockt man in jede Richtung ab, aus Angst, man bekäme eh nirgends Rückhalt. Da muss man als betroffene Eltern schon auch etwas für Kontakt tun, aber das ist manchmal nicht so einfach. Oft liegt auch schon ein langer Weg hinter einem, bis man eine Diagnose hat. Einer der sehr müde macht, der sehr erschöpft. Ich habe gemerkt, dass viele Eltern den Grad der Erschöpfung nicht nachvollziehen können, auch wenn sie sich sehr bemühen. Die Kraft reicht oft noch grad für das Kind, die Familie, alles andere - so gut es einem vielleicht auch täte - hat zeitweise einfach keinen Platz. Und doch muss man irgendwann wieder aus dem Schneckenhaus raus. Aber hach du, manchmal hat man so gar keine Kraft dazu, so sehr man will. Es sind Kosten-Nutzenrechnungen die man macht. Für mich bewähren sich da Treffen mit einzelnen Freunden, ohne Kinder. Da habe ich am meisten davon und kann auftanken. Mit Kind ist es immer ein Kraftakt.
Ich persönlich bin allen Menschen in meinem Leben dankbar, die mich auch in den harten Zeiten nicht aufgeben. Auch wenn ich nicht abmache, nicht einlade, mich manchmal nicht mal richtig melde. Die wissen, dass es nichts persönliches ist, dass es für mehr zum Teil einfach nicht reicht. Ich schreibe viel mit Freunden, damit der Kontakt bleibt, wenn es fürs sehen nicht reicht. Mir hilft das und ich bin froh sind die wirklich nahen Menschen dann auch auf diesem Weg für mich da.
Ich finde es schön, dass dir der Kontakt am Herzen liegt und dass du ihn aufrecht erhalten möchtest. Ich kann dir schreiben, was mir am meisten geholfen hat, oder auch noch hilft.
-Menschen die mir Zeit gegeben haben und mir immer wieder signalisierten, dass sie da sind, ohne etwas zu wollen (Abmachen gehört da dazu)
-Mit Menschen die mir wichtig sind ohne deren Familie abmachen. Nur ich und ein Freund, eine Freundin. Vielleicht mal als Paar. Ohne Kind. Das nimmt Druck raus.
-Menschen die mich gefragt haben, oder fragen, was ich brauche. Ich hatte eine Nachbarin die mir, wenn sie hörte wie unser Sohn den ganzen Tag geschrien hat, eine Nachricht schickte, dass sie Nachtessen vorbeibringt und wieder geht. Ohne mitessen zu wollen.
-Mit Freunden zu schreiben oder zu telefonieren. Telefonieren ist unter Umständen schwierig wenn das Kind da ist. Das schaffe ich noch heute kaum. Schreiben schon. Sich austauschen, halt auf einem etwas anderen Weg als mit einem Treffen
Menschen treffen, mit denen ich nicht über Kinder, oder mein Kind reden muss. Mit denen mich anderes verbindet. Ein Kind mit besonderen Bedürfnissen nimmt sehr viel Platz ein. Man braucht Pausen davon. Daher mag ich treffen mit Leuten, die andere Themen haben, mit denen ich lachen kann oder diskutieren. Klar auch mal übers Kind, aber es tut gut, das auch mal auszublenden.
Ich muss gestehen, dass sich die Freunde mit Kindern bei uns sehr dezimiert haben. Ich treffe Freunde die Kinder haben in der Regel allein. Mein Mann auch. Das bringt uns allen mehr. Die viel beschriebenen Treffen oder Ferien mit anderen Familien, das geht einfach nicht. Gibt es hier so gut wie nicht. Da musste ich mir irgendwann sagen, dass ich ja in der Regel mit diesen anderen Eltern befreundet bin weil ich sie als Mensch mag und dass das halt im Moment auf der erwachsenen Ebene bleiben muss, ohne Kinder. Auch da verabschiedet man sich von Vorstellungen die man von sich als Familie hatte. Und manchen fällt das vermutlich sehr schwer. Vielleicht ist es Zufall, aber das klappt bei uns mit Männern/Vätern sehr gut, die Frauen haben eher Mühe damit. Weibliche Freunde habe ich fast nur noch kinderlose. Viele Mütter mit denen ich Kontakt hatte, fühlen sich persönlich zurückgewiesen, wenn es mit Kind nicht geht. Es ist aber keine Zurückweisung oder kein "nicht mögen" der Kinder von anderen. Es ist einfach mit sehr viel Stress und sehr wenig Freude verbunden. Wir müssen bei so Sachen zBsp. eine Person abstellen, die das Kind betreut. Das macht dann nicht wirklich Spass, schon gar nicht wenn diese Person dann noch in einem anderen Zimmer sein muss, damit das Kind überhaupt durch den Besuch durch kommt.
Vielleicht hilft dir das weiter? Einfach ist es sicher nicht, auch nicht für deine Seite.