Ich bin Zuhause sehr behütet aufgewachsen. Selber telefonieren, selber waschen, selber kochen, etc - musste ich alles nicht

. Ich musste dann aber SEHR schnell erwachsen und selbständig werden, als ich mit 20 ungeplant wegen gesundheitlichen Problemen meiner Mutter quasi von einem Tag auf den anderen in eine eigene Wohnung ziehen musste. Und das war am Anfang - weil ich mir ja gewohnt war, dass meine Mutter alles für mich macht - VERDAMMT schwer. Nur schon das erste Mal eine Waschmaschine selber bedienen müssen, gestaltete sich als Herausforderung

... und jedes Telefon, das ich führen musste, kostete mich Schweiss und Tränen... aber es ging nicht anders: ich musst es von heute auf morgen - auf die wirklich brutale Art - lernen.
Von daher: Ich bin meiner Mutter einerseits dankbar, dass sie mich derart behütet hat aufwachsen lassen und ich wirklich SEHR lange Kind (und somit auch unselbständig) sein konnte. Andererseits denke ich heute, es war - nebst Mutterliebe (natürlich!) und dem Wunsch, mich zu behüten (ich war als Kind sehr schüchtern) - auch ein bisschen Egoismus. Mich unselbständig zu behalten, gab ihr in meinem Leben natürlich auch einen grösseren Wert... sie war für mich ja unverzichtbar. Es ging faktisch nichts ohne sie

. Und eben: Alles, was sie mich in 5-6 Jahren nicht gelernt hatte, dann innert 2-3 Wochen lernen zu müssen, war nicht einfach. Von daher hätte ich es mir anders gewünscht - und mache es darum bei meinem Sohn ganz bewusst anders!
Am Gras ziehen, damit es wächst, muss nicht sein

. Es gibt auch Dinge, bei denen mein Sohn noch Mühe hat oder eben Zeit braucht. Aber: Ich "schubse" ihn halt immer wieder, auch etwas zu machen, was ihm schwer fällt - was ihm aber auch einen Schritt weiter in Sachen Eigenständigkeit bringt. Denn ich sehe meine Aufgabe nicht nur darin, ihm Wurzeln zu geben, sondern auch Flügel - und ich denke, gerade das mit den Flügeln, fällt vielen Müttern umglaublich schwer

. Für mich ist aber wichtig: Mein Sohn soll nicht von mir abhängig sein - sondern lernen, von mir unabhängig zu werden. Da geht es nicht um mich - sondern ums Kind! Und ich denke, das muss man unterscheiden (und sich je nachdem auch selber etwas durchschauen, wenn man die Kinder gerne auch mal etwas überbehütet und sich vielleicht auch mal fragen, warum man es macht - wirklich fürs Kind oder evtl. etwas mehr für sich selber

).
Für mich ist es auch ein beruhigendes Gefühl: Wenn mir morgen etwas passiert, kann mein Sohn schon ganz viel... waschen... Betten selber anziehen... einfache Dinge kochen... telefonieren... selber einkaufen... alleine Bus und Zug fahren, selber einen Fahrplan lesen und ein Ticket lösen... etc. Er wird ohne mich nicht untergehen. Und darum geht es mir. Solange ich da bin, schön. Aber man weiss ja nie - und eben: Er soll Zeit haben, Dinge zu lernen und sie nicht (so wie ich damals) quasi über Nacht lernen müssen.
Ich habe auch eine Kollegin, die mir vor 2 Jahren mal sagte, dass sie es extrem findet, was ich meinen Sohn schon alles machen lasse und was er schon alles könne. Sie wolle, dass ihr Sohn noch etwas "Kind" bleibt und auch noch für ihn da sein können

. Hallo? Ich bin genau so für meinen Sohn da und er ist noch genau so Kind (na ja, bald nicht mehr

) wie ihrer. Aber ich denke, darum geht es: Ganz oft wollen und können Mütter einfach nicht loslassen können und behalten ihre Kinder ganz bewusst in einer gewissen Abhängigkeit, weil sie sonst Angst haben, "Wert" und "Wichtigkeit" im Leben ihrer Kinder zu verlieren. Das kenne ich nicht. Weil ich überzeugt bin, dass ich durch mich als Person - nur schon einzig und alleine durch die Tatsache, dass ich die Mutter meines Sohnes bin - einen Wert und eine Wichtigkeit in seinem Leben habe. Ich bin überzeugt, dass das nicht abhängig davon ist, ob er nun selber telefonieren kann

. Und entsprechend kann ich da auch gut loslassen und auch ihn auch mal ganz bewusst aus seiner Komfortzone "schubsen" - weil das meiner Meinung nach auch den Aufgaben von uns Müttern/Eltern gehört!