Sehr schlechte Rechtschreibung

Unsere grossen Kleinen und unsere kleinen Grossen. Was uns in diesem Abschnitt der Kinder begleitet, beschäftigt und interessiert.

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stella
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von stella »

Leute...
Im neuen LP ist die Rechtschreibung nur noch an einem kleinen Ort, in ALLEN Sprachfächern. Da könnt ihr euch noch so aufregen.

Das habe ich ja auch gemacht bei meiner Tochter, die knapp KEINE LRS hat. Und ich hätte es mir anders gewünscht, ABER sie schreibt, wie schon weiter oben geschrieben, seit einer Zeit viiiiiel korrekter! Ohne Training von Rechtschreibung, ohne Verbesserung von Texten, ohne langes Üben.

Habt doch ein wenig Vertrauen.

Was den Unterschied von den Fremdsprachen zu Deutsch anbelangt - fragt da mal eure Lehrpersonen. Dis donc, als Beispiel, ist auch auf der neuen Sprachdidaktik aufgebaut, so viel ich weiss. Und da ist die Rechtschreibung wirklich an einem kleinen Ort. Ich selber verlange z.B. in der 9. Klasse Real 12 Wörter pro Woche korrekt geschrieben. Für das Wissen des Wortes gibt es einen Punkt, für die Rechtschreibung 1/2 Punkt. Dann müssen sie die Wörter auch noch anwenden können. Ohne "rechtgeschrieben" ist immer noch eine 4.5 erreichbar... Drei Teste zusammen geben eine Schreibnote. Aber daneben mache ich viel produktives Schreiben: Einen Dialog aufschreiben, eine Bildanalyse, ein Gadget erklären, ... Und da benote ich die Rechtschreibung nicht (ausser wir haben noch ein Begleitthema wie z.B. eine Zeitform - die möchte ich rechtgeschrieben...). Und dieses produktive Schreiben findet natürlich mehr statt. Und dann haben wir noch Sprechanlässe und Hör- und Leseverstehen... Die Rechtschreibung wird zur Kompetenz Schreiben gezählt und ist an einem kleinen Ort gewichtet (je 1/4 schreiben (produktives ist mehr zu gewichten), leseverstehen, hörverstehen und sprechen (am meisten Gewicht!) - so sieht es der Lehrplan vor. Ich würde mal nachfragen, wie der LP umgesetzt wird. Und wenn ihr das nicht gut findet, dann könnt ihr euch politisch engagieren, so dass der LP sowie das Lehrmittel verändert werden. Aber wir haben nun mal DEN Auftrag und keinen andern.
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Neonova
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von Neonova »

Naja, als Lehrer kann man natürlich immer sagen „so ist halt der Lehrplan“. Trotzdem gibt es da Spielraum, es machens ja nicht alle Lehrer gleich. Einige achten zum Glück immer noch auf eine einigermassen ansehnliche Darstellung, kommentieren eine Sauklaue und fordern ein, dass mindestens korrekt abgeschrieben wird. Viele machen das leider nicht mehr, obwohl sie die Möglichkeit hätten.
Im Moment müssen sie z.B. jede Woche persönliche Wochenziele aufschreiben. Das sind wenige Sätze. Die Lehrerin liest sie auch durch. Da könnte sie doch wirklich einen kurzen Kommentar (je nach Niveau des Kindes) abgeben, z.B. schau doch nochmals, ob die Nomen gross sind... oder sonst was. Sie müsste es ja nicht mal korrigieren, aber immerhin würde den Kindern vermittelt, dass sie doch darauf achten sollen. Aber nein, es wird einfach kommentarlos durchgewunken und meine Tochter schluderet munter weiter. Wieso sollte sie sich auch die Arbeit machen, wenns eh niemanden interessiert. Dabei müsste sich eine Lehrperson für sowas echt kein Bein ausreissen. Das versteh ich einfach nicht.

Bei uns wird die Rechtschreibung im E und F also ganz normal gewichtet, nix mit „Hauptsache das Kind weiss das Wort“.
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mamily
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von mamily »

@ stella
wir haben natürlich auch mit der LP gesprochen, und es ist nun mal so, dass es in deutsch keinen menschen interessiert wie was wo wie geschrieben wird (siehe beitrag neonova) und in den fremsprachen machen sie dann die welle. das ist vielleicht kantonal verschieden, ist aber zumindest in und um zürich wohl häufiger der fall.
ich persönlich finde es extrem wichtig, dass in allen fächern (inklusive der fremdsprachen) die rechtschreibung gewicht hat, und es regt mich umso mehr auf, dass das wohl mehr an bedeutung verliert. warum ist das so? warum hat die schule an sich (und das ist jetzt nicht gegen dich stella, sondern im allgemeinen) nicht den anspruch, das "beste" raus zu holen? in meinen augen gehört das schreiben da ganz klar dazu. schreiben ist ein kulturgut, das zentral dabei war, dass wir jetzt da sind, wo wir sind.
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Papa68
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von Papa68 »

Ich bin echt froh, dass die Lehrerin unserer Grossen (4. Klasse) darauf schaut. Sie lernen korrekt schreiben. Alles wird nicht bemängelt, aber sie nehmen Regeln durch und die müssen dann auch korrekt geschrieben werden. Alte Schule! 8)
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ES SEI DENN, DU HAST KINDER. DANN IST SCHWEIGEN VERDÃCHTIG!

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stella
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von stella »

Ich bin nun ja bereits ein älteres Semester und kam vor sic! 30 Jahren zur Volksschule raus. Mein Oberstufenlehrer war kurz vor der Pensionierung, alte Schule. Ich wage zu behaupten, die Einflüsse der 60ger waren spürbar. Schon er hat uns damals gesagt, dass die Sprache verrohen würde und dass wir es NIE lernen werden, wenn wir so weiterfahren würden. Wie bereits weiter oben geschrieben, war ich in Rechtschreibung so um eine 4 - 4.5 herum...

Vor gut 2000 Jahren hat Sokrates was Ähnliches geschrieben...

Nun... Ja... Sprache verändert sich. Hat sich immer verändert. Wir haben damals, im Zuge von Polo Hofer und Züri West, viele Dinge in Mundart aufgeschrieben. Für meinen Lehrer war das ganz schlimm. Die Verrohung der Sprache. Einfluss von E-Mail, SMS,... machen die Sprache direkter, flüchtiger. Der Inhalt ist wichtiger als die Schreibart. Letztens sah ich im TV gar, wie ein Zürcher (weiss den Namen nicht mehr) für ein phonetisch geschriebenes Buch auf Züridütsch einen Preis gewonnen hat. Das Buch erschien übrigens im Diogenes Verlag, also in einem renomierten Verlag.

Ich nehme an, dass ihr eine Chuttle jünger als ich seid. Viele könnten gar bei mir zur Schule gegangen sein. Meine ältesten Schüler sind 41 Jahre alt!!! Und ich mag mich erinnern, wie viele gestandene LehrerInnen in den jeweiligen Dekaden darüber gejammert haben (und ja, das tue ich manchmal auch), wie die heutige Jugend nicht mehr präzis arbeiten kann, keine Texte mehr richtig schreibt und dass das bestimmt ganz schlimm enden wird. Ist das passiert??? Nein.

Ich denke, das Niveau ist ungefähr gleich geblieben, vielleicht leicht gesunken. Dafür können heutige Kids andere Dinge, die ich in dem Alter nicht gekonnt hätte. Meine Tochter plant z.B. gerade eine grössere Arbeit, die in einem Produkt enden muss und über mehrere Monate gehen wird, mit regelmässigen Arbeitszeiten, aber auch mit Intensivwochen. Ich hätte da einfach begonnen und gemacht und getan. Womöglich wäre ich total am falschen Ort gelandet.

Meine 25 Jährige Erfahrung als Lehrerin ist einfach die, dass es für die meisten Kinder nix bringt, wenn man nur die Rechtschreibung anschaut. Es ist viel zu viel Energie, die da rein gesteckt werden muss, für etwas, das durch guten Sprachunterricht bei ganz vielen von selber passieren wird. Und es gibt einige, die es schwerer haben, die Rechtschreibung zu lernen, die brauchen Hilfe und nicht ständiges Wiederholen. Denn genau dies funktioniert bei diesen SuS nicht, weil es dort oft ein Wahrnehmungsproblem ist.

Rechtschreibung zu lernen und vor allem anwenden zu können ist einfach so viel mehr als Regeln zu lernen und Wörter zu üben.
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Neonova
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von Neonova »

Das mag ja alles sein, ABER uns wurde damals nicht das Gefühl gegeben, dass die Rechtschreibung unwichtig ist. Das wird bei uns aber den Kindern vermittelt und das stört mich extrem.
Ausserdem finde ich schon, dass die Fähigkeiten der Leute, Texte korrekt zu formulieren und zu schreiben, abgenommen hat.
Meine Freundin hat letztens Zuschriften auf ein Inserat erhalten und war schockiert, wie die Bewerbungen teilweise geschrieben waren. Einige mag das vielleicht nicht stören, aber auf mich macht das einfach keinen guten Eindruck. Diese Entwicklung gefällt mir definitiv nicht. Aber das ist meine persönliche Meinung.

Und wie ich geschrieben habe, nur schon den Kindern zu vermitteln, dass auf die Rechtschreibung geachtet wird, würde bei einigen Kindern sicher etwas helfen. Vor allem bei Kindern wie meiner Tochter, die wahrscheinlich einige Fehler in ihren Texten finden würden, aber die Notwendigkeit nicht sehen. Mit 11 Jahren erwarte ich von ihr auch noch nicht, dass sie da von sich aus etwas ändert. Aber für die Lehrer wäre es ein Leichtes. Da fehlt mir einfach das Verständnis... zumal dann im F auf jedes aigu geachtet wird. Da hat dann keiner Verständnis, dass es halt eine Frage der Reife ist.
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stella
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von stella »

Neonova
Ja, ich denke auch, das die Haltung der Lehrperson einen grossen Einfluss darauf hat, wie geschrieben wird. Gerade auch bei meiner Tochter.
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Malaga1
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von Malaga1 »

Mein Sohn hat in Englisch die bessere Rechtschreibung wie in D, weil es dort verlangt wird. Ab seinem Deutsch stehen mir die Haare zu Berg. Interessiert ihn nicht, eingefordert wird es auch nicht, also macht es der Oberschluderi nicht. Durchlesen? Kä Luscht gha. Im Englisch dagegen gibt jeder Fehler eine Viertelnote Abzug - beim gleichen Lehrer! Das ist doch mit Verlaub gaga.
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stella
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von stella »

Bei der Rechtschreibung in den Fremdsprachen passierte dieser Entwicklungsschritt, dass ich besser rechtschreiben konnte, ungefähr bei einem B2...
Eine letztens veröffentlichte Studie der Uni Freiburg zur neuen Sprachdidaktik besagt, dass Wortschatz lernen (und ich nehme an, den korrekt zu schreiben und anwenden zu können) am Anfang des Sprachenlernens viel wichtiger ist als der Einsatz von Strategien.
Daher kann ich mir eben vorstellen, dass es schon Sinn macht, von Anfang an viel Wortschatz und Training zu machen. Erst von einem gewissen Niveau an können Wortfamilien und Schreibregeln dann abgeleitet werden.

Das kam mir heute Nami beim Shopping in den Sinn.

Aber letztlich denke ich, ist dieser Bereich schlicht nicht erforscht - also der Quervergleich zur Rechtschreibung in der Mutter- und in der Fremdsprache. Wäre wohl ein interessantes Feld für eine nächste Masterarbeit.

In der neuen Sprachdidaktik hat man mir vor 5 Jahren gar gesagt, dass wir keine Rechtschreibung korrigieren sollten und keine Wörtlitests mehr machen dürfen. Aus der Praxis haben wir schnell gelernt, dass dies nicht verhebt. Daher machen viele Sprachlehrpersonen beim Ersterwerb einer Fremdsprache wiederum Wortschatzübungen und Teste und verlangen da ein gewisses Mass an Rechtschreibung. Die, die jedes Aigu zählen, bei denen schlägt das Pendel wohl in die andere Richtung aus und sie werden wieder extremer...
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mamily
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von mamily »

stella hat geschrieben: Sa 21. Dez 2019, 18:02 Bei der Rechtschreibung in den Fremdsprachen passierte dieser Entwicklungsschritt, dass ich besser rechtschreiben konnte, ungefähr bei einem B2...
Eine letztens veröffentlichte Studie der Uni Freiburg zur neuen Sprachdidaktik besagt, dass Wortschatz lernen (und ich nehme an, den korrekt zu schreiben und anwenden zu können) am Anfang des Sprachenlernens viel wichtiger ist als der Einsatz von Strategien.
Daher kann ich mir eben vorstellen, dass es schon Sinn macht, von Anfang an viel Wortschatz und Training zu machen. Erst von einem gewissen Niveau an können Wortfamilien und Schreibregeln dann abgeleitet werden.
Interessante studie stella. danke! und das folgende ist nun wirklich nicht gegen dich, aber du bist wirklich breit aufgestellt in dem bereich und kannst sicher etwas licht ins dunkle bringen:

ich frage mich jetzt allerdings gerade umso mehr, warum dann eben nicht gerade in den ersten stufen, bis eben das b2 in deutsch erreicht wird, ein besonderes augenmerk auf das korrekte schreiben, wortschatz und die anwendung gelegt wird. die wenigsten kinder in den unteren stufen erreichen ein b2-deutschlevel, also zumindest in der klasse meines jüngeren sohnes sind die kinder meilenweit davon entfernt. (dort wird aber gott sei dank fast alles korrigiert, lehrer von ganz alter schule). in der nachbarklasse, die eine ähnliche soziale durchmischung / erstpsrachenzusammensetzung hat (> 50% der kinder nicht deutsch als erstsprache), schreiben sie aber nach gehört.

die studie belegt doch daher ja eigentlich genau das, was hier angekreidet wird: nämlich dass die kinder, bis sie ein gewisses niveau erreichen, die worte, die sie benutzen (können), von anfang an, korrekt schreiben lernen sollten - ohne der anwendung von regeln, die können ja später immernoch eingeführt werden. das eine schliesst doch das andere nicht aus? und du schreibst ja selbst, in der praxis verhebt der ansatz des nichtkorrigierens beim fremdsprachenerwerb eben nicht. für die meisten ist aber deutsch auch eine fremdsprache (auch wenn sie deutsch als erstprache sprechen, ist auf grund der starken dialekte (nicht nur in der schweiz, im ganzen deutschsprachigen raum) das schrift(!)deutsch neu - denn sprechen und schreiben sind da ganz klar 2 paar schuhe).

danke dir dass du immer so ausführlich und fundiert antwortest!!!
stella hat geschrieben: Sa 21. Dez 2019, 18:02 In der neuen Sprachdidaktik hat man mir vor 5 Jahren gar gesagt, dass wir keine Rechtschreibung korrigieren sollten und keine Wörtlitests mehr machen dürfen. Aus der Praxis haben wir schnell gelernt, dass dies nicht verhebt. Daher machen viele Sprachlehrpersonen beim Ersterwerb einer Fremdsprache wiederum Wortschatzübungen und Teste und verlangen da ein gewisses Mass an Rechtschreibung
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stella
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von stella »

mamily
Ich denke, dieser Bereich ist eben nicht erforscht. Standardsprache ist eben KEINE Fremdsprache. Aus der neurologischen Forschung weiss man, dass diese Sprache im Muttersprachzentrum "abgelegt" wird, wohingegen Fremdsprachen im Fremdsprachenzentrum gespeichert werden.
Warum dann dieser Effekt nicht spielt, das weiss ich nicht. Und ich denke, da könnte Forschung wichtig werden.

Fakt ist, dass Multilinguismus zu einem breiteren Sprachverständnis beiträgt und jede weitere Fremdsprache, die dann gelernt wird, einfacher gelernt werden kann.

Und aus Erfahrung denke ich, dass wir etwas entspannter mit der Rechtschreibung umgehen können, was die Muttersprache anbelangt. Oder kennst du eine Erwachsene Person, die nicht einigermassen rechtschreibt und KEINE Beeinträchtigung hat? Ich nicht.

Mich machen eher die 19% Illeteristen Sorge... Das sind dann Erwachsene, die unser Schulsystem durchlaufen haben und Lesen und Schreiben so mangelhaft gelernt haben, dass sie es durch Nichtgebrauch im Erwachsenenalter wieder verlernt haben! Ich habe solche Menschen unterrichtet. Die fallen zwischen Stuhl und Bank und haben zum Teil abenteuerliche Lernbiografien hinter sich!

Nun denke ich, dass aber die meisten Kinder, über die hier berichtet werden, zu den 80% gehören, die die deutsche Sprache genügend lernen, als dass sie einem Alltag folgen können. (Sprich: Sie haben ungefähr einen Wortschatz von 4000 Wörtern und verstehen Zeitungsberichte aus einer Zürcher Zeitung oder aus einer Berner Zeitung sowie die Texte der Abstimmungsvorlagen und können mehrheitlich korrekt und zielgerichtet schreiben.)
Und ein Teil wird die Sprache so lernen, als dass sie eben einen grösseren Wortschatz haben und kompliziertere Texte auf Anhieb verstehen und komplexer schreiben können. Das brauchen sie aber womöglich eher im beruflichen Kontext.
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sonrie
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von sonrie »

stella hat geschrieben: So 22. Dez 2019, 12:52. Oder kennst du eine Erwachsene Person, die nicht einigermassen rechtschreibt und KEINE Beeinträchtigung hat? Ich nicht.
Echt nicht? Mir gehts grad umgekehrt, ich bin jeden Tag darüber erstaunt, wie falsch sich viele Erwachsene schriftlich ausdrücken bzw. wie wenig die Leute darüber wissen, wie Sprache richtig geschrieben/eingesetzt wird.
Ich lese tagtäglich in Emails, auf Social Media Plattformen oder in Foren immer wieder dieselben Fehler, dies von Erwachsenen die die Schule durchaus durchlaufen haben. Es sind keine Tippfehler, die stören mich nicht weiter, gerade am Natel ists schwer diese nicht zu machen :roll:

Beispiele (auch hier aus dem Forum) die sich ständig wiederholen:

seid/seit
Schoppen/Shoppen (wobei beides nicht hochdeutsch ist)
das/dass
Dativ statt Genitiv
wider / wieder
Reperatur/Raparatur
Standart/Standard

Nicht wirklich falsch, aber im (schriftlichen) internationalen Umgang ein Gräuel sind der Gebrauch von Helvetismen, welche aus Unwissenheit "eingedeutscht" werden und im Kontext mit Hochdeutsch verwendet werden:
"Ich gebe dir ein Telefon" oder "grillieren" / "parkieren" um nur ein paar Beispiele zu nennen.
"Wenn Aufregung helfen würde, Probleme zu lösen, würde ich mich aufregen." (Angela Merkel in "Die Getriebenen")

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Helena
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von Helena »

Unterschreib bei sonrie. Wie man seid/seit verwechseln kann als nicht Beeinträchtigter und nicht Ausländer, verstehe ich also auch nicht. Oder eben, das/dass. Und der Genetiv scheint generell auszusterben. Fast niemand schreibt mehr während des,.... was eigentlich korrekt wäre.
Oder Haken und hacken, strickte und strikte und solche Worte.

Jedoch nicht bei den Helvetismen. Die meisten hat Duden als ok aufgenommen und man darf es der Sprache durchaus ansehen, dass wir Schweizer sind... Grillieren und parkieren sind absolut kein Problem, ich gebe dir ein Telefon ist wirklich falsch.

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stella
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von stella »

Aus meiner Erfahrung als Reallehrerin kann ich euch sagen, dass es für viele RealschülerInnen, zumindest während der Zeit der Volksschule, nicht möglich ist, eure genannten Beispiele zu können. Für SchülerInnen der höheren Niveaus sollte es aber für die meisten schon gehen.

Und ihr dürft nicht vergessen, dass Sprache sich auch immer wandelt. Mit der Rechtschreibereform sind einige Dinge regelkonform geworden, über die ich mich wundere: aufwändig, Gämse, Portmonee, Majonäse, all dieses zusammen - getrennt geschreibsel...

So denke ich mir, dass in Zukunft halt wirklich der Genitiv verschwinden wird. Der war schon zu meiner Schulzeit vor gut 35 Jahren total altmodisch.

Ich bin also gespannt auf die nächste Rechtschreibereform. Wir haben damals gewarnt davor, dass dadurch die Rechtschreibung zu wenig wichtig mehr sein wird.

Zu den Helvetismen: Ich finde schon, dass wir zu diesen selbstbewusst stehen dürfen. Gerade z.B. hier im Forum! Ich baue gerne sogar Mundartwörter mitein... So kleine Wörter wie "ame" oder "äuä". Man darf merken, dass ich Schweizerin bin.
Und keine Angst! In einem anderen Kontext kann ich gut unterscheiden.

Ach noch zu Soneries Beispielen:
Ich selber habe das erst mit über 20 Jahren gecheckt. Und zwar durch den bewussten Gebraucht der Sprache.
Und noch zu den Anglizismen: Die werden sich genau so wie die französisch stämmigen Wörter in die deutsche Sprache einbürgern. Daher ist es doch okee, wenn jemand "shoppen" schreibt statt einkaufen. Auch gerade in einem Forum.
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von sonrie »

Helvetismen sind in CH oder in Foren etc. natürlich ok, daher hab ich ja geschrieben "im internationalen kontext".
Für einen Deutschen oder österreicher klingen solche Dinge schlichtweg falsch, ausser er wohnt grenznah ;-)
Das Problem ist, dass Helvetismen von Schweizern oft nicht als solche wahrgenommen werden, sondern fälschlicherweise für Schriftdeutsch gehalten werden (hat aber nichts mit Rechtschreibung zu tun, mehr damit, Sprache richtig einzusetzen).

PS: Ich mag auch emails die mit "Es nimmt mich Wunder, ob...." beginnen 😊
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von mamily »

stella hat geschrieben: So 22. Dez 2019, 20:56 Aus meiner Erfahrung als Reallehrerin kann ich euch sagen, dass es für viele RealschülerInnen, zumindest während der Zeit der Volksschule, nicht möglich ist, eure genannten Beispiele zu können. Für SchülerInnen der höheren Niveaus sollte es aber für die meisten schon gehen.
Das mag ja sein, aber es wird ja noch nicht mal auf Primarstufe grossartig durchgenommen - zumindest kamen bei uns bis und mit 4. Klasse weder das/dass, seid/seit, noch die Fälle im Stoff vor. Dabei sind das doch Dinge, die man täglich braucht, und daher wäre es doch sinnvoll, die Besonderheiten zumindest mal zu erklären. Auch für das Sprachverständnis - seit und seid zB, das kann man doch wirklich schon in den unteren Stufen erklären, zumindest mal das Konzept dahinter. Und auf den weiterführenden Schulen wird das dann aber plötzlich vorausgesetzt...

In Mathe macht man ja ich keine Abstriche, da wird ja auch geübt bis zum umfallen. Aber Deutsch? Das soll dann von selber kommen? Mathe ist doch auch eine Reifefrage. Da wartet man aber auch nicht ewig...
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von stella »

mamily
In Mathe macht es z.B. keinen Sinn, Algebra oder Geometrie VOR dem 12 Lebensjahr durchzunehmen, weil sich diese Fähigkeiten erst dann entwickeln - in Mathe wird also auch gesteuert.

Und ja klar... Durchnehmen sollte man solche Dinge schon. Wird hier bei uns gemacht. Gerade die Fälle sollte man auch nicht zu früh, weil das viele wirklich nicht hören. Da braucht es definitiv Reife.
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von Helena »

@Stella: was ist denn für dich Geometrie?
Das hat man doch in der Primar bereits?

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Neonova
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von Neonova »

Helena hat geschrieben: So 22. Dez 2019, 21:56 @Stella: was ist denn für dich Geometrie?
Das hat man doch in der Primar bereits?

Wollte ich auch grad schreiben. Schon mein Drittklässler hat Geometrie. Sie lernen Formen und Körper.
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Akiko
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Re: Sehr schlechte Rechtschreibung

Beitrag von Akiko »

Da ist ja einiges gegangen in der Zwischenzeit, sehr spannend, vielen Dank, grad auch für die fundierten Beiträge von stella, merci!

Ich bin jetzt innerlich etwas runtergefahren. Das Ganze ist wohl, wie so vieles, um einiges komplexer, als man oft denkt. Lesen, die Regeln üben, Diktate schreiben, Wahrnehmung schulen... Alles gut und recht, aber der individuelle Faktor, also halt all die verschiedenen (Kinder-)Hirnis, verarbeiten alle total unterschiedlich.
Schon nur wenn ich Gg und mich betrachte, ist der Zugang da ganz anders. Gg (ist Seklehrer) hatte früher immer Mühe mit Rechtschreibung. Offenbar hat er nie wirklich "gehört", was richtig oder falsch ist. So waren ihm die Regeln sehr wichtig, weil er sich da an was Handfestes klammern konnte. Er schreibt noch heute bei Wörtern, bei denen er unsicher ist, nach den Regeln. Und so schreibt er mittlerweile eigentlich korrekt. Ich selber mache das viel intuitiver. Wenn ich ein Wort falsch schreibe, leuchtet irgendwo in mir eine rote Lampe und ich weiss irgendwie, dass das Wort falsch ist. Weil es für mich falsch aussieht. Keine Ahnung, ob das mit dem vielen Lesen zu tun hat, oder ob einfach mein Gehirn anders bewertet als seines, ich ein anderes "Gefühl" für die Sprache habe. Mein Hirn arbeitet deshalb aber nicht besser als seines.
Entsprechend unterschiedlich sind dann auch unsere Tipps, wie wir eine katastrophale Rechtschreibung verbessern möchten. Er meint, ganz klar Regeln pauken. Ich kann die Regeln nicht wirklich, schreibe die Wörter aber trotzdem meist richtig. Ich setze das in einen Zusammenhang mit dem Lesen. Somit - eben - haben wir ganz andere Lösungsstrategien. Nun, wir liegen zwar wohl beide nicht ganz daneben, es ist wohl auch nur die halbe Miete. Und es gibt wohl noch viel mehr Strategien. Nur müsste man wissen, worauf das eigene Kind am besten anspricht, wo sein persönliches "Problem" bei der Sache ist.
Und dann, das haben einige geschrieben, weil so erlebt, ists oft wohl auch eine Frage der persönlichen "Reife" des Kindes. Also dass mit zunehmendem Alter, sprich wohl auch Beschulung, die Rechtschreibung automatisch besser wird und das Gehirn somit einfach seinen Job bei einem Teil der Kinder selbständig ohne enorm viel bewusst Gepauktes tut. Klar, das funktioniert nicht bei allen Kindern. Aber bevor ich jetzt einen auf Panik mache und damit beim Kind nur Stress auslöse, gucken wir mal, dass wir da Druck wegnehmen und dem Kind Strategien aufzeigen können, wie es sich selber nicht immer im Weg steht 8) .

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