Ich finde es spannend, wie hier zwischen "Rassismus" und "Unbehagen gegenüber Unbekanntem/Fremden" unterschieden wird. Und auch über die Frage diskutiert, ob man das von zu Hause mitbekommen hat oder nicht. Ich finde nicht, dass die Grenze so klar ist. Im Gegenteil, sie ist sehr fliessend. Man muss zu Hause auch nicht unbedingt offenen Rassismus mitbekommen. Wenn aber Menschen anderer Hautfarben unbekannt sind, könnte man sich ja selber fragen: Wieso? Weshalb ist mein Umfeld rein weiss? Weshalb hatte mein Kind bisher keinen Kontakt? Weshalb kennt es das nicht? Huckepack schreibt es ja schön, dass es Kindern nicht auffällt, wenn es normal ist. Offenbar hat das Kind, das Unbehagen vor dem Unbekannten hat, aber zu Hause auch nicht mitbekommen, dass es Menschen anderer Hautfarben gibt.
Zur Zeit wird, wie Du richtig schreibst, Fallaballa viel über Rassismus gesprochen. Aber es ist ja kein neues Thema. Viele Menschen, in erster Linie Betroffene, aber nicht nur, haben sich aber zuvor schon eindringlich mit diesem Thema beschäftigt. Es ist ja ein Privileg der Weissen, wählen zu können, ob sie sich damit beschäftigen oder nicht. People of Color haben dieses oftmals nicht. Warum aber nicht solche Erlebnisse als Anlass nehmen, nicht nur das Kind, sondern auch sich selber zu hinterfragen und zu sensibilisieren? Das ist ein Prozess.
Ich kenne es von mir selber: Ich habe einen Migrationshintergrund, allerdings weisse Hautfarbe, und mir würden ohne gross nachzudenken 20 Situationen einfallen, wo ich Opfer von Rassismus wurde. Als selber Betroffene und dazu noch ein "linker Gutmensch"

war ich aber stets davon überzeugt, niemals Täterin geworden zu sein. Ich und rassistisch? Sicher nicht! Als ich vor ein paar Jahren begann, mich genauer damit zu beschäftigen, kamen mir aber auch locker 20 Situationen in den Sinn, in denen ich nicht darüber nachgedacht habe, die aber im Nachhinein klar rassistisch waren. Ich hatte eine sehr gute Freundin, sie ist Inderin und wir haben jeweils lange über Gott und die Welt gesprochen. So viele Dinge, die sie mir damals mit etwa 13-15 Jahren schon gesagt hat, kann ich erst heute gut einordnen und verstehe, was sie meinte. Und für so manche meiner Bemerkungen würde ich mich sehr gerne entschuldigen, weil sie aus heutiger Sicht unmöglich waren, wenn auch meiner Unwissenheit und Naivität geschuldet und nicht meiner Einstellung.
Gerade aus dem Grund finde ich heute, man sollte nicht immer mit einer solchen Abwehrhaltung reagieren, wenn jemand etwas rassistisch bezeichnet. Sondern sich überlegen, was diese Person denn dazu bewegt hat, das zu äussern. Vielleicht weiss sie über das Thema mehr, vielleicht hat sie recht und mein Verhalten war unbewusst falsch. Etwas Selbstkritik schadet nicht, man muss sich ja darum nicht geisseln.
@ Drag-Ulj / Huckepack
Zum nicht bemerken:
Wenn ein 7jähriges Kind nicht bemerkt, welche Hautfarbe das Gegenüber hat, ist das selbstverständlich kein Problem. Das Problem fängt da an, wo durch die "Wir sind alle nur Menschen"-Einstellung Rassismus, den viele Menschen jeden Tag erleben, einfach verneint resp. weggewischt wird. Und damit natürlich auch die eigenen Privilegien. Natürlich sollte man alle Menschen als gleichwertig betrachten. Aber dazu gehört u.a. auch zu sagen: "Ich sehe, Du bist Schwarz und ich weiss resp. kann mir vorstellen, dass Du durch diesen Umstand Erlebnisse und Nachteile hast, die ich als weisser Mensch nicht habe und die mir oftmals nicht einmal bewusst sind.". Darum wird inzwischen colorblindess auch als rassistisch bezeichnet. Denn ja, es wäre schön, wir würden in einer Welt leben, wo es keine rolle spielt, aber das tun wird nicht und da hilft auch nicht, wo tun als ob. Aber das gilt sicher nicht bei einem Kind, das dieses Wissen noch nicht hat/haben kann.