
Die Erinnerung an die Geburt unseres Sohnes im Februar 05, der ganz knapp an einem Not-KS vorbeigeschrammt ist und mit Hilfe einer Saugglocke zur Welt kam, und ein ganze Anzahl grauenvoller Geburtsberichte (die zu lesen man sich ja dann doch nicht verkneifen kann) waren nicht unbedingt förderlich, der Geburt unserer kleinen Tochter gelassen und mit Freude ins Auge zu sehen. ABER: da die gesamte Schwangerschaft abgesehen auf kleine Wehwehchen völlig problemlos verlief, das kleine Wesen in meinem Bauch wuchs und gedieh und auch drumherum alles stimmte, hielt sich die Angst in Grenzen und ich freute mich wie verrückt auf unseren zweiten kleinen Goldschatz, der am 11. Januar kommen sollte.
Wir verbrachten Weihnachten bei meinen Eltern in Deutschland, aber der Trubel nervte mich und ich war froh, schon am zweiten Feiertag wieder zuhause in meinen eigenen vier Wänden zu sein. Meine Schwester und ihr Partner wollten uns bis am 3. Januar besuchen, was mir sehr recht war, denn so hatten wir jemanden, der auf den Grosse aufpassen konnte, falls wir ins Spital mussten.
Am 31. 12. ging ich nochmals ins Spital zur Kontrolle bei der Hebamme. Noch keine Anzeichen, alles in Ordnung. Eigentlich hätte ich fragen wollen, ob das Kleine gewachsen ist, denn bei der letzten Kontrolle hatte es nicht mehr der Kurve entlang zugelegt und schon beim ersten Kind hatte die Plazenta in den letzten Wochen geschwächelt. Die Ärztin was aber nicht da, und so beschloss ich, noch bis nach den Feiertagen zu warten. Silvester und Neujahr vergingen, der Besuch vergnügte sich mit Skifahren und Hammam, ich grummelte vor mich hin, weil beides für mich ausfiel und wurde langsam ungeduldig, weil ich endlich wissen wollte, wer und wie mein Kind war.
Am 2. Januar abends genossen wir ein wunderbares Essen als ich plötzlich das Gefühl hatte, dass die kleine Ameise sich bereit machte. Keine Wehen, kein Garnichts, einfach diese Idee, sodass ich meine Tasche packte, die Papiere bereitlegte und wir anschliessend schlafen gingen. Um 2 Uhr wachte ich auf. Wehen! Spürbar, aber nicht schmerzhaft, alle 7 Minuten. OK, der Flieger meiner Schwester geht um 11.30, sie haben schon zweimal umgebucht, aber die Grandmama kann rechtzeitig kommen, um den Grossen zu übernehmen. Ich versuchte, noch ein bisschen zu schlafen, und erinnerte mich an die Nacht vor drei Jahren, als das Licht meines Weckers kaputt ging, weil ich alle fünf Minuten daraufschaute, bevor unser Kind auf die Welt kam… Ich schlief tatsächlich bis 4.30. Mittlerweile waren die Wehen stärker, aber gut verkraftbar. Bis 5.30 Uhr blieb ich liegen, warf dann meinen GG aus dem Bett und ging unter die Dusche. Als ich im Spital anrief, erwischte ich einen dummen Moment, die Hebamme rief mir nur ins Telefon: „wir sind hier grade am Gebären, kommen Sie einfach“ und im Hintergrund hörte ich es brüllen. Na toll, die nächste, die so schreit, bin ich!
Meine Schwester schlappte verschlafen aus dem Schlafzimmer und wusste nicht so wirklich, was sie sagen sollte, wünschte mir viel Glück und wir verabschiedeten uns. Zu schade, dass sie ihren Nichte oder ihren Neffen um wenige Stunden verpassen wird, aber sie müssen wirklich zurück nach Norwegen. Wir fahren los nach Riggisberg, alles ist still, die Kälte und die Dunkelheit haben alles erstarren lassen, nur ein einziger Bauer steht irgendwo vor dem Kuhstall und raucht. Gegen 7 Uhr treffen wir ein, sind eine Zeitlang alleine im Gebärsaal bis die Hebamme kommt, mich ans CTG hängt und sich gleich verabschiedet, ihr Schicht ist vorbei. Alles ist friedlich und ruhig, niemand da, aber ich weiss, dass es noch eine Zeitlang geht, und so ist es gut. Meine neue Hebamme kommt, redet mit uns, schaut sich den Muttermund an: 3 cm offen. Ich freue mich, als ich höre, dass meine Ärztin Dienst hat und später vorbeischaut. Die Hebamme schickt uns aufs Zimmer zum Frühstücken, es ist 8.30 Uhr.
Zum Frühstücken bin ich nicht mehr gekommen, ein halbes Joghurt, die Dame von der Hotellerie kam und wollte wissen, wie unser Plan fürs Essen heute aussehen soll. Absurd, ich hab doch keine Ahnung, wann das Kind kommt und sicher kleine Lust auf ein warmes Mittagessen mit Wehen im Dreiminutentakt. Ich will also ein Birchermüsli, das man stehen lassen kann… Unter der Diskussion geht’s dann plötzlich richtig los. Das sind sie schon die Wehen im Dreiminutentakt, muss ich gar nicht erst aufs Mittagessen warten! Um 9.15 hangele ich mich also der Wand entlang und an GGs Arm den Gang zurück ins Gebärzimmer. Zwei Wehenstopps habe ich, bis ich wieder dort bin. Jetzt geht’s richtig los! Eine halbe Stunde turne ich auf der Matte am Boden herum, die Hebamme fragt, ob sie das Wasser in die Wanne lassen soll. Was jetzt schon? Da hab ich ja Schwimmhäute bis das Kind kommt! Das dauert doch sicher noch… Ich bin aber so gerne im Wasser, dass ich dem doch sofort zustimme. Wenig später bringe ich mich in Froschposition auf den Knien, das ist das Angenehmste für mich. Immer wieder bekomme ich warme Handtücher auf den Rücken. Zwischen den Wehen rede ich mit GG und der Hebamme, das Ganze ist bisher verkraftbar. Die Ärztin kommt und schaut, wie es bei uns geht. Dann plötzlich merke ich, wie die Wehen sich verändern. Auäh, das drückt bereits richtig nach unten. Aber es ist doch sicher noch nicht soweit, in zweieinhalb Stunden von 3 auf 10cm? Ich verziehe das Gesicht, zerquetsche mienem GG die Hände und sage: „Jetzt wird’s aber langsam ziemlich fies mit den Wehen“. Die Ärztin und die Hebamme schauen sich an und können sich das Grinsen nicht verkneifen. Später werden sie sagen, dass das normalerweise der Augenblick ist, in dem sie hören „ich will bittbittebitte nach Hause“ oder ich will sterben, bitte, ich kann das nicht…“ Die Hebamme kontrolliert den Muttermund, das ist ziemlich unangenehm, denn ich muss mich dazu auf den Rücken drehen. So schnell als möglich platsche ich wieder zurück. Sie sagt nur: „Du kannst loslegen, es ist offen!“ Waaaaas? Das gibt’s doch nicht! Mit der nächsten Wehe also pressen. Mit Schreien, das muss jetzt sein (muss selber lachen, weil ich mich an das Telefonat vorher erinnere). Noch ein zweites Mal auch mit Schrei. Das Kleine hat den Kopf im Becken und mich sprengt es gleich. Beim dritten Mal bitte nicht schreien, Luft anhalten, alle Energie nach untern und: Da gleitet das kleine Wesen ins Wasser. Die Hebamme hilft mir, es zu fassen und nach vorne hochzuziehen an die Brust. Kaum kommt es an die Luft, fängt es an zu quietschen. Mein Gott, so ein wunderbares kleines zerknautschtes Gesicht und so lange perfekte kleine Finger. Und: Es ist ein Mädchen!!! Ein Mädchen!!! Das gibts doch nicht, es ist doch ein Mädchen!, meine kleine süsse Ameise ist da, Ana Isabel! Um Punkt 11 Uhr bist du auf die Welt gekommen. 2650 g schwer, 48 cm gross und ganz lebendig. Wir freuen uns unendlich über dich!
Cricri