Dass Du dann aber noch viel später erst kommen solltest und dass auf einem anderen Weg, als ich es mir vorgestellt habe, zeigte sich aber erst noch...
Doch ich will nicht vorgreifen und die Geschichte von Anfang an erzählen

Dein berechneter Geburtstermin war nun schon ein paar Tage verstrichen, als ich mich am 20. Juni 2011 zur nächsten Kontrolluntersuchung bei meiner FA einfand. Auf dem Ultraschall konnte man erkennen, dass du zwar noch genügend Platz hättest, aber aufgrund des Übertragens langsam an eine Einleitung gedacht werden müsse. Zu dem Zeitpunkt war ich noch froher Dinge, denn ich rechnete damit, dass du schon von selber kommen wollest. Wir vereinbarten, dass ich am Samstag, am 25. Juni 2011, ins Spital gehe, falls es nicht von selber losgehen wolle.
So hatte ich also noch 5 Tage Zeit, etwas 'zu unternehmen'. Ich ging bis zum Äussersten - dem Rhizinusölcocktail - doch nichts passierte... ich musste nicht einmal grossartig aufs WC. Mein Körper scheint da wirklich sehr resistent zu sein.
So kam es, dass am Samstagabend mein Mann und meine kleine Schwester mich ins Spital begleiteten. Nach dem Letzten Abendmahl in Form eines Kebabs bei meinem LL-Kebabmann, fanden wir uns im Spital ein. Dort wurde ich erst einmal von einer Hebamme durchgecheckt. Da sie meine Venen nicht auf Anhieb fand, wurde ich 4x gestochen (meine Arme waren ganz blau...), schliesslich aber hatte sie es geschafft und der Katheter war gelegt.
Mein Mann und meine Schwester brachten mich in mein Zimmer und ich verabschiedete mich mit einem wehmütigen Gefühl.
Wenig später kam besagte Hebamme zu mir und wollte mich vaginal untersuchen. Ihr Befund hat mich verblüfft: Der Gebärmutterhals war bereits restlos verschwunden. Das hat mich sehr erstaunt... davon hatte ich rein gar nichts gemerkt, kein Anzeichen, keine Wehe, nichts!
Anschliessend führte sie die erste Kapsel ein, die so rosa war wie ein rosa Knallbonbon. Man würde um halb 8 morgens dann nochmal nach mir sehen und mir die 2. Kapsel verabreichen, ich solle jetzt schlafen.
Leichter gesagt als getan... ich schaute auf die Uhr... es war so gegen 23h00. Also... versuchen wir zu schlafen... irgendwann hat es dann geklappt.
Um halb 5, am 26. Juni 2011, Sonntag, bin ich aufgewacht, weil ich das Gefühl hatte, eine leichte Magenverstimmung zu haben und ging aufs WC. Vielleicht liegt das am Kebab, ging es mir durch den Kopf. Aber dem war nicht so....
Als ich abwischte und aufs Toilettenpapier starrte, was sah ich? Den ominösen, oft beschriebenen Schleimpfropf, der abgegangen war... allmählich verstand ich... logisch, irgendeine Reaktion musste mein Körper ja auf die erste Kapsel zeigen. Ich war froh... ich wollte nicht mehrere Kapseln bekommen.
Also ging ich zurück ins Bett, wo just die ersten, leichten Wehen einsetzten, die ich locker veratmen konnte. Ich blickte dabei auf die Uhr an der Wand. 45min lang waren die Wehen locker zu veratmen, wie eine leichte Magenverstimmung, dann legten sie einen Tick an Intensität zu. Ich läutete der Nachtschwester. Auf meinen Wunsch hin brachte sie mir dann einen Wickel mit heissen Kartoffeln, den ich mir an den Rücken drückte. Sie bemerkte noch, dass ich auch in die Gebärwanne dürfe, wenn ich möchte. Noch lehnte ich ab.
Etwa 10 Minuten später stimmte ich ihrem Vorschlag zu und fand mich in einem der drei Gebärsääle ein. Die Hebamme liess Wasser ein, ich stieg in die Wanne und sie lehnte sich auf den Wannenrand. So unterhielten wir uns ganz locker, während ich Wehe um Wehe hatte. Sie machte ein CTG, alles war gut, die Wehen noch nicht so stark, aber in regelmässigen Abständen. Deine Herztöne waren konstant und gut.
Zwischenzeitig musste sie ans Telefon. Da fing es an... ich hatte meine erste Wehe, die mich Beherrschung kostete. Plötzlich verspürte ich gewaltigen Hunger. Die Hebamme brachte mir einen Yoghurt, den ich gierig verschlang. Ich musste mich beeilen, weil ich ihn essen wollte, bevor die nächste Wehe kam, denn nun war Reden, Essen und Trinken während einer Wehe schon nicht mehr möglich. Mittlerweile war es etwa 6h. Die Hebamme hatte mich schon mehrere Male gefragt, ob ich nicht meinen Mann anrufen wolle, ich war mir noch nicht sicher, denn ich wollte meinen Mann nicht zu früh ins Spital bitten, er sollte noch etwas schlafen, damit er fit war. Ja, ich rechnete halt damit, dass es etwa ab 14h dann 'richtig' losgehen würde... was ich halt so gelesen habe, bei der 1. Geburt, da würde es nicht schnell gehen, meine Mam brauchte 3 Tage, bis ich dann endlich kam (wobei ich nicht hoffte, dass es nun genauso laufen würde....

Auf meinem Weg zurück in den Gebärsaal hatte ich wieder eine heftige Wehe, während welcher ich mich gegen die Wand stützen musste.
Zurück im Gebärsaal machte die Gebärwanne irgendwie gar keinen verlockenden Eindruck mehr auf mich. Wo war mein 'Ich-will-unbedingt-eine-Wassergeburt' geblieben? Schon kam die nächste Wehe und ich legte mich halb aufs Gebärbett... dort fühlte ich mich aber auch nicht wirklich gut aufgehoben und so kniete ich mich bei der nächsten Wehe auf den Boden. Die Wehen wurden von Mal zu Mal stärker, alles ging plötzlich schlag auf schlag.
Die Hebamme legte eine Matte hin, wo ich war, so dass ich auf einer weichen Unterlage kniete. Ich atmete gut und richtig - wie ich es im GVK gelernt hatte (wobei ich glaube, dass jede Frau automatisch richtig atmet.....). Plötzlich merkte ich, dass Veratmen allein nicht reichte und jedes mal, beim Ausatmen, rief ich laut 'AAAAAH', um den Schmerz irgendwie katalysieren zu können. Das half. Denn die Wehen waren mit einem Mal wirklich WIRKLICH unerträglich geworden, so dass ich dem Schmerz am liebsten davongerannt wäre.
Wo blieb mein Mann?
Die Hebamme meinte, dass sie Feierabend hätte und kurz die neue Hebamme briefte, war mir recht. So verschwand sie und ich war allein. Das war mir egal, ich hatte ohnehin alle Hände voll zu tun und konzentrierte mich nur noch auf mich, auf meinen Körper und die Wehen, alles andere war mir völlig egal, mir war egal, ob ich allein war oder dutzend Leute im Raum standen, von mir aus hätte der Kaiser von China durch den Gebärsaal watscheln können, das hätte mich nicht abgelenkt.
Ich habe vage durch einen Schleier wahrgenommen, dass wieder die Tür aufging und die neue Hebamme, gefolgt von meinem Mann, den Gebärsaal betreten haben.
Wann immer ich eine Verschnaufpause hatte, kniete ich am Boden, vornüber auf die Unterarme abgestützt, die Augen geschlossen und regenerierte mich, so gut ich konnte, weil ich genau wusste, dass ich die Kraft dann zum Bewältigen der nächsten Wehe brauchte.
Sobald eine Wehe herannahte - wie eine Welle am Strand - richtete ich den Oberkörper auf und kniete breitbeinig am Boden, während ich beim Ausatmen die Wehe verschrie, dabei schrie ich lauter, je schmerzhafter es war. Die ganze Zeit über hatte ich die Augen geschlossen, es hätte mich zu sehr von mir abgelenkt, wenn ich die Augen offen gehalten hätte, ich musste mich absolut auf mich selber konzentrieren, damit ich stets wusste, was zu tun war. Ich liess mich einfach von meinem Körper leiten, von den Wehen führen.
Mein Mann erzählte mir nämlich im Nachhinein, dass die Hebamme einige Meter von mir entfernt am Fenster gesessen und mir zugeschaut hatte, als er reinkam. Sie hob dann die Schultern und sagte zu ihm 'Ich bin auch gerade erst gekommen.'
Mein Mann war im ersten Moment etwas überrumpelt, er war davon ausgegangen, dass wir noch stundenlang im Spital herumwandern müssten, bis es soweit war... mich auf allen Vieren am Boden, nassgeschwitzt und schon voll dabei zu erblicken, damit hatte er dann doch nicht gerechnet.
Aber er machte seine Sache so gut... unglaublich! Hätte er mich umarmt oder gedrückt, ich wäre wohl durch die Decke gegangen... er aber rieb mir lediglich den Rücken... das war genau den Körperkontakt, den ich wollte und brauche, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Schliesslich stellte man mir einen Hocker hin, auf den ich mich abstützen konnte, weil ich mit dem Oberkörper nicht mehr runter sollte, damit unser Kleiner ins Becken rutschen konnte.
Die ganze Zeit über fragte ich mich, ob ich jetzt 6h lang noch diese Schmerzen ertragen müsste, weil die Senkwehen (was sie waren), waren viiiiiiiiiel schlimmere Wehen, als die Geburtswehen, soviel steht fest!
Schliesslich merkte ich plötzlich, dass die Wehen sich veränderten, sie taten immer noch weh (sonst hiessen sie wohl anders




Plötzlich sagte eine der Hebammen: Das Kind ist um die engste Stelle herum.
Ich dachte nur so: Hä???
Was bedeutete das, es sei um die engste Stelle herum? Das würde ja heissen, dass.....
Und schon fing ich an zu pressen.
Ich dachte: Halt! Was machst du da? Warum presst du denn??? Hat irgendjemand was von Pressen gesagt!? Hallo?! Sollte jetzt nicht jemand sagen 'Frau V., Sie dürfen noch nicht pressen!'??!
Aber niemand sagte was.. irgendwann kniete noch eine weitere Frau, eine Walliserin, vor mich hin und sagte, sie sei Assistenzärztin, aber an den Namen konnte ich mich nicht erinnern. War mir doch egal, wer das war, ich war beschäftigt!
Immer wenn ich mich aufgerichtet habe, hab ich eine Hand zwischen die Beine gelegt, ich weiss nicht, wieso, vielleicht, um die Kontrolle zu haben, was da vor sich ging? Plötzlich lief etwas warmes zwischen meinen Fingern hindurch...... das Fruchtwasser, es ging nun ab, unter der Geburt. Die Fruchtblase war also definitiv geplatzt. Sehr gut.
Das CTG war nach wie vor gut, die Wehen konstant (wobei, das hätte ich natürlich auch so gewusst

Plötzlich fühlte ich... 'Es ist offen!', da ist was offen, eine Öffnung, die ich mit meinen Fingern ertastete. Ich kniete aufrecht am Boden und presste, mein Mann zu meiner Linken, die Hebammen (es waren 2), zu meiner Rechten. Immer noch hielt ich die Augen geschlosse. Plötzlich fühlte ich das Köpfchen! Himmel, ich fühlte zum ersten Mal mit meinen Händen unseren Jungen!!!!!!
Ich spürte, wie das Köpfchen nach draussen drang, wenn ich presste. Hielt ich inne, rutschte es wieder etwas zurück. Ich erinnerte mich an die Worte der Hebamme aus meinem GVK 'Lasst eurem Gewebe Zeit, sich an den Druck zu gewöhnen und sich zu weiten, so verhindert ihr bestmöglich, dass es reisst', warum ich unter diesen Umständen noch SO ETWAS berücksichtigen wollte, weiss ich nicht, Tatsache war, dass ich wirklich nicht wollte, dass etwas reisst und so versuchte ich, geschickt und überlegt zu pressen, damit sich 'das Gewebe daran gewöhnen konnte'.
Schliesslich presste ich ganz stark, fühlte ein leichtes Brennen (dann nämlich, als mein Damm riss) und das Köpfchen war draussen..... ich wusste, dass das Köpfchen draussen war, ich hörte einen ersten, klagenden Laut... ich hörte die Hebamme bestimmend sagen 'Herr V.,stützen Sie ihre Frau, sie darf sich keinesfalls setzen!', ich kniete ja immer noch aufrecht. Aber wenn die wirklich geglaubt hätten, dass ich mich hinsetze... ich hätte mich IM LEBEN NICHT hingesetzt!!!!

Plötzlich spürte ich einfach, wie etwas aus mir hinausrutschte (das Gesetz der Schwerkraft).
Und dann blickte ich nach unten...
Es war überwältigend...
Die Hebammen wichen von uns weg wie aus einem Kreis und liessen die Eltern mit ihrem Kind alleine. Ich war total baff... konnte kaum glauben, was ich da sah... ein kleines, zierliches Menschlein, ganz überzogen mit Käseschmiere, lag da zu unseren Füssen und weinte und jammerte, so wie es sein musste. Benommen streichelte ich das kleine Wesen und mein Mann kämpfte mit den Tränen, es war so wahnsinnig berührend. Und doch war es einfach viel zu schnell gegangen... nach 4h und 50 Minuten war unser kleiner Pascal um 08h52 geboren worden.
Ich brauchte wirklich etwas Zeit, um zu realisieren, dass die Geburt schon vorbei war. Ich hatte mich auf 12-15 Stunden eingestellt.
Eine der Hebammen hob unseren Sohn auf und wickelte ihn in ein warmes Tuch. Ich erhob mich ebenfalls, was sofort Protest unter den Hebammen auslöste, weil sie fürchteten, dass ich plötzlich wegsackte. Aber ich fühlte mich fit wie ein Turnschuh und setzte mich mit meinem Mann zusammen aufs Gebärbett. Dort wurde Pascal auf meine nackte Brust gelegt, damit er direkt trinken konnte.
3h liessen sie uns alleine, so dass wir realisieren konnten, dass unser Kind geboren war. Ich brauchte diese Zeit wirklich. Es war alles so wahnsinnig überwältigend!!!!!!!!!
Danach konnten wir in mein Zimmer zurück, Pascal hatte sein eigenes, kleines Bettchen (obwohl er keine einzige Nacht darin schlief, er wollte bei mir im Bett schlafen

Die Tage nach der Geburt waren sehr emotional... ich weinte sehr schnell. Wenn Pascal weinte, weinte ich auch, weil ich doch wollte, dass es ihm gut ging und sein Weinen mir direkt ins Herz ging. Ich weinte, wenn ich an die Geburt dachte, weil es so wunder- wunderschön war und ich wünschte, ich könnte diesen Augenblick wieder und wieder erleben und weil ich fast irgendwie traurig war, dass die Schwangerschaft und die Geburt nun schon vorüber waren. Ich weinte, weil ich meinen Mann so wahnsinnig vermisste.
Das Stillen hat Gott sei Dank von Anhieb geklappt und Pascal war und ist ein traumhaftes Baby, dass nur schreit, wenn es etwas braucht. Mein Mann und ich sind sehr dankbar darüber, aber das ist wohl jeder an unserer Stelle

Wenn mich heute jemand fragt, 'was ist das Schönste, das du in deinem Leben erlebt hast', dann lautet meine Antwort 'Die Geburt meines Sohnes.'
Denn das ist es.
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H I E R befindet sich der Geburtsbericht meiner Tochter Lea
