anders als geplant

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Moderator: Phönix

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kenell
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anders als geplant

Beitrag von kenell »

Die Schwangerschaft mit meinem zweiten Kind war anders als beim ersten Kind. Nach drei Fehlgeburten (8./11. Und 6. Woche) innerhalb von 12 Monaten konnten wir es zuerst gar nicht glauben, dass ich schon wieder schwanger war. Ich hatte erst einige Wochen zuvor ein für mich wichtiges Medikament gegen eine Autoimmunerkrankung abgesetzt da ich überzeugt war, die Fehlgeburten waren davon ausgelöst. Die Ärzte konnten das natürlich nicht bestätigen.
Wir konnten uns gar nicht richtig freuen, fragten uns jeden Tag, ob dieses Kind wohl bleiben würde. Unsere Gynäkologin hat uns super begleitet. Wir durften in den ersten 12 Wochen jede Woche einmal zur Kontrolle gehen und sahen Woche für Woche, dass das Kind lebt und sich dem Alter entsprechend entwickelt.
Ich litt 4 Monate unter starker Übelkeit und war sehr eingeschränkt.
Endlich waren die 12 Wochen vorbei, wir entspannten uns langsam. Mit jeder Woche stieg die Zuversicht und die Freude nahm zu.
Nachdem die Übelkeit überstanden war, hatte ich eine Schwangerschaft wie aus dem Bilderbuch. Ich fühlte mich fit und ganz wohl in meinem Körper. Ich genoss jede Veränderung, welche mein Körper wegen der Schwangerschaft durchmachte. Ich hatte kaum Beschwerden wegen meiner Krankheit. Bis zur 32. Woche ging ich sogar noch zum Fitness und fuhr Velo.
Mein Mann und ich hatten einen Kurs in „Hypnobirthing“ gemacht. Wir übten Tiefenentspannung, Visualisierungen, etc. Es funktionierte zuhause ganz gut, er konnte mich in eine sehr gute Entspannung bringen durch Hypnosetexte. Wir glaubten fest daran, dass wir mit dieser Methode eine natürliche Geburt haben könnten. Wir hatten in meinem Patientendossier sogar eine „Wunschliste“ deponiert, was wir alles für die Geburt wünschten bzw. eher ablehnten. (z.B. nicht ständig CTG, keine häufigen Kontrollen, Einleiten nur im Notfall, etc.)

21/2 Wochen vor dem errechneten Termin hatte ich erste leichte Wehen im 10-min Takt. Gegen Abend wurde der Abstand kleiner, und ich ging zur Kontrolle ins Spital. Leider noch nichts Wirksames in Sicht, also wieder nach Hause. Am nächsten Tag hatte ich unregelmässige Wehen, am Abend wieder stärker bis stark. Während der ganzen Nacht machten mein Mann und ich die Hypnobirthing-Übungen, wir waren sehr entspannt und voller Freude. Am frühen Morgen fuhren wir wieder ins Spital, da die Wehen nun sehr kurz aufeinander kamen. Doch siehe da- immer noch nicht wirksam! Ich war richtig deprimiert. Wir gingen also wieder nach Hause. Wieder hatte ich den ganzen Tag über leichte Kontraktionen, welche gegen Abend stärker wurden. Gegen Mitternacht waren sie sehr stark und in kurzen Abständen. Mein Mann und ich richteten uns wieder im Wohnzimmer ein für Tiefenentspannung. Es hat mir sehr geholfen und ich war ganz ruhig und entspannt. Es war aushaltbar und ein schönes Gefühl, in so einer friedlichen Entspannung zu sein.
die Abstände wurden noch kleiner, und irgendwann so um 03.00 Uhr am Sonntagmorgen riefen wir wieder im Spital an. Wir sollen kommen, aber sie seien sehr stark belegt. Als wir das hörten, beschlossen wir, nochmals etwas zu warten. Ich wollte nicht auf einem Schragen im Gang liegen…
Ich ging nochmals ins Bad, da die Wehen nun eine neue Stärke annahmen. Ich konnte sie kaum noch ohne Geräusch aushalten. Nach dem Bad legte ich mich aufs Sofa und schlief tatsächlich für 10 Minuten ein. Es kam eine neue Wehe, ganz leicht nur, und klang wieder ab. Aber bevor sie ganz weg war, kam gleich im Anschluss eine neue, viel stärkere Wehe. Und plötzlich kam Fruchtwasser, das ganze Sofa wurde nass. Mein Mann brachte sofort Tücher und es kam immer noch mehr Wasser. Die Wehen, welche jetzt kamen, waren eine x-fache Steigerung von allem vorherigen. Darauf war ich absolut nicht gefasst. Ich hatte immer ein langsames Ansteigen der Intensität erwartet und war jetzt von einer Sekunde auf die andere in einem ganz anderen Schmerzbereich. Wir fuhren dann sofort los, zum Glück hatten wir das Auto vom Schwiegervater. Mein Mann blieb ganz gelassen, obwohl ich hinten im Auto ziemlich laut wurde…
Ich versuchte immer wieder, in eine Entspannung zu kommen, hatte aber wegen der starken Schmerzen und der kurzen Abstände keine Chance mehr.
Wir erreichten das Parkhaus des Kantonsspitals. Zu meinem Schrecken stellten wir fest, dass der Lift direkt zum Frauenspital erst ab 06.00 Uhr morgens in Betrieb ist…Somit mussten wir einen anderen Ausgang nehmen und um das ganze Spital herum gehen. Mehrmals musste ich anhalten und vor Schmerzen schreien.
Wir kamen endlich an. Noch bevor wir zur Tür rein gingen, war für mich klar, dass ich das so nicht aushalten konnte. Wir gingen rein und sobald ich konnte, verlangte ich eine PDA. Ich wusste, dass das unser ganzes Konzept von natürlicher Geburt ungültig macht, aber es kam für mich nicht mehr in Frage. Ich wurde sehr schnell in ein Zimmer gebracht, es war ein Aufwachraum, da alle Geburtssäle besetzt waren. Es gab das Übliche CTG, Kontrolle des Muttermundes (2-3 cm erst…). Diese Untersuchungen waren kaum auszuhalten mit den Wehen und ich war nicht sehr kooperativ. Bald kam die Anästhesistin und startete die PDA. Es war 06.40 Uhr. Sie sagte mir, dass etwa ab 07.00 die PDA wirken würde. Ich konnte es kaum erwarten, und dann endlich: 07.00 Uhr, die Schmerzen waren plötzlich nicht mehr so stark. Und nur kurz darauf waren sie weg!!! Was für eine Erleichterung. Endlich konnte ich sprechen, etwas entspannen, ruhiger werden.
Leider waren meine Beine ganz ohne Gefühl, die PDA wirkte wohl sehr stark. Aber endlich fühlte ich mich wieder „ausser Gefahr“. Es gab noch Schichtwechsel bei den Hebammen und wir stellen mit Freude fest, dass wir von derselben Hebamme wie gestern betreut wurden. Die Herztöne von unserer Tochter waren nicht immer sehr gut zu hören, und einmal entstand so etwas Panik: Ich wurde ganz flach gebettet und musste mich umdrehen, bekam Sauerstoff und Adrenalin und diverse Personen kamen herein. Sie versuchten, die Herztöne wieder zu finden, es klappte aber nicht. Schliesslich kam eine Ärztin mit einem Ultraschall-Gerät, und damit wurden die Herztöne dann wieder sicht- und hörbar. Gottseidank, ich dachte schon, es gäbe wie bei meinem ersten Sohn ein Notkaiserschnitt….
Nun wurde ich endlich in einen richtigen Gebärsaal gebracht. Die Wehen waren etwas zurückgegangen wegen der PDA und nun bekam ich nochmals Wehenmittel. Bald stellte die Hebamme fest, dass der Muttermund fast vollständig geöffnet war. Unsere Tochter lag aber noch etwas seltsam im Becken und ich musste lustige Verrenkungen machen, damit sie sich in die optimale Geburtsposition dreht. Es funktionierte nicht, man liess den Dingen aber seinen Lauf in der Hoffnung, dass sie sich noch in die optimale Position bringen würde.
In der Zwischenzeit war der Muttermund ganz geöffnet, und die Presswehen begannen. Ich spürte leider gar nichts und wurde jeweils aufgefordert, zu pressen wenn eine Wehe auf dem Wehenschreiber zu sehen war. Es war ziemlich anstrengend, ging aber gut vorwärts und unsere Tochter kam in die richtige Position. Bald schon war der Kopf fast unten. Die Hebamme und die Ärztin mussten noch einen Dammschnitt machen. Dann war der Kopf auch schon da, ich durfte ihn fühlen. Mit der nächsten Wehe war unsere Tochter da. Ich hatte mir gewünscht, dass ich sie wenn möglich selber zu mir hoch heben kann. Die Hebamme half mir, sie richtig zu fassen und schon lag sie auf meiner Brust. Das war sehr bewegend. Sie „knörzelte“ etwas und weinte kurz, dann war sie ruhig und zufrieden. Die Nabelschnur wurde auspulsiert und mein Mann durfte sie danach durchschneiden. Ich durfte unser Kind lange so halten, unterdessen wurde der Dammschnitt genäht. Sie versuchte schon nach kurzer Zeit zu trinken.
Erst nach langer Zeit (etwa 45 min, weiss es aber nicht mehr so genau) wurde sie gewogen und gemessen und das erste Foto wurde gemacht.
Ich bekam dann etwas zu essen und wurde schon bald ins Zimmer verlegt. Es ging mir sehr gut. Ich war zwar sehr müde, aber hatte doch alles sehr gut überstanden.
Ich habe es nicht geschafft, vollkommen natürlich zu gebären. Rückblickend ärgere ich mich über mich selber. Vielleicht hätte ich es doch schaffen können? Hätte ich es geschafft, wenn ich die letzten Nächte geschlafen hätte? Oder wenn die Wehen mich nicht so plötzlich überrollt hätten? Oder wenn wir früher im Spital angekommen wären? Bin ich wehleidiger als andere Frauen? So viele Fragen und keine Antwort…Ich möchte endlich aufhören, mich dafür zu verurteilen. Ich möchte dankbar sein für die unkomplizierte Geburt und stolz darauf, was mein Körper geschafft hat. Wir sind dankbar für unsere beiden wunderbaren Kinder!

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leoninchen
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Re: anders als geplant

Beitrag von leoninchen »

vielen dank für den eindrücklichen und schönen bericht.

deine fragen und gefühle kann ich absolut nachvollziehen. meine erste geburt war auch ein nks, das zweite kind hätte ich wie du gerne möglichst natürlich geboren (und am liebsten noch im wasser :wink: ). schlussendlich gings mir wie dir, ich wurde genau wie du von der plötzlichen heftigkeit überrumpelt und nichts ging mehr bis die pda gelegt war.
ich habe mir die gleichen fragen gestellt, auf die ich auch keine antworten gefunden habe. irgendwann sind sie aber in den hintergrund gerückt und die tollen momente der geburt standen im vordergrund.
und weisst du was? beim dritten durfte ich wirklich eine kurze, absolute traumwassergeburt erleben. meine hebi meinte dazu ganz trocken, dass manche frauen halt einfach biz übung brauchen :mrgreen: hat was. beim ersten hätt ich im vorfeld nie mit einem ks gerechnet. beim zweiten hätt ich nie damit gerechnet, dass ich mit der heftigkeit der wehen nicht gut umgehen kann. beim dritten hab ich mit allem gerechnet :wink:

sei stolz auf dich! du hast zwei wunderbaren kindern das leben geschenkt! wie sie zur welt gekommen sind ist teil eurer geschichte, wird aber mit der zeit bestimmt in den hintergrund rücken.

alles gute!
so verliebt i euch...
luusbueb 09/09
plappermüüli 03/11
strahlemaa 10/12
babybueb 03/14

kenell
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Re: anders als geplant

Beitrag von kenell »

Liebe Leoninchen
Vielen Dank für Deine Worte! Es tut gut zu hören, dass andere Frauen das Gleiche erleben und sich danach die selben Fragen stellen. Diesen Bericht zu schreiben hat mir schon geholfen, es zu verarbeiten.
Schön, dass Du beim dritten Kind dann eine Traumgeburt haben konntest!
Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute und sende Dir herzliche Grüsse

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Manasota
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Re: anders als geplant

Beitrag von Manasota »

Liebe kenell
Auch ich hatte einen Hypnobirthing Kurs gemacht und mir die 2. Geburt natürlich gewünscht. Nun, auch bei uns kam alles anders. Die Wehen konnte ich am Anfang sehr gut verarbeiten, aber je heftiger sie wurden, desto schmerzhafter wurde es auch. Die Kraft schwand, und ich hätte noch länger ausgehalten, aber wir kamen einfach nicht über die 8 cm und mein Kind bekam langsam Stress und einmal sackten die Herztöne komplett ab. Mit einer PDA schaffte ich die 10 cm, aber meinem Kind fehlten einige cm bis nach unten. Wir warteten wirklich so lange wie wir konnten, da ich mir so sehr eine natürliche Geburt wünschte. Es kam schlussendlich zu einem KS, weil es Komplikationen gab. Mein Kind wäre nie natürlich auf die Welt gekommen :-(. Schon mein 1. Kind kam per KS. :(
Ich denke manchmal darüber nach, aber ich hadere nicht. Ich glaube nicht, dass ich etwas hätte anders machen können. Es kam so wie es kam. Ich denke, das ist auch bei dir der Fall. Hadere nicht, schliesslich hast du es wunderbar geschafft (im Gegensatz zu mir). Was spielt da eine PDA für eine Rolle? Ich hätte mir so einen Ausgang gewünscht!
Sommerkind 7/08 und BildBild und Glückskeks 3/13

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Knuddu01
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Re: anders als geplant

Beitrag von Knuddu01 »

Liebe kenell

Schöner Bericht und hadere nicht mit dir. Du und dein Körper haben grossartiges geleistet und PDA oder nicht spielt doch nicht sone Rolle! Ich kann dir aber ein wenig nachfühlen, als ich bei meiner Geburt beinahe einen NotKS hatte und man den Kleinen schlussendlich mit der Zange holen konnte, hatte ich lange das Gefühl versagt zu haben. Schliesslich hatte nicht ich das Kind geboren, sondern meine FA es rausgezogen... Eigentlich voll dämlich, heute ist mir das auch klar, jedoch kann man seine Gefühle schlecht steuern.

Ich wünsche dir alles gute mit deinem kleinen Schatz!



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Die Entscheidung, ein Kind zu haben ist von grosser Tragweite. Denn man beschliesst für alle Zeit, dass das Herz ausserhalb des Körpers herumläuft.

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