Eine glückliche Geburt

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Rokeby
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Eine glückliche Geburt

Beitrag von Rokeby »

Ich habe diesen Geburtsbericht vor allem für mich geschrieben, als Erinnerung – deshalb ist er arg lang geraten, Achtung!

Ich veröffentliche ihn für alle lesefreudigen Interessierten und insbesondere für alle schwangeren Frauen, die vielleicht ein wenig bange sind beim Gedanken an die bevorstehende Geburt – lest diesen Bericht und lasst Euch von ihm ermutigen: Eine gute, natürliche Geburt ist (wenn auch alles andere als selbstverständlich!) möglich! Bei mir bleiben nur schöne Erinnerungen und ein super Gefühl zurück (wofür ich unendlich dankbar bin). Wenn Ihr Fragen habt, dann nur los…


Es war Anfang Juli 2012, ein Sonntag, sechs Tage vor dem errechneten Geburtstermin.

Schon die ganze Woche war es sehr heiss und schwül gewesen. Doch in der Nacht von Samstag auf Sonntag kippte das Wetter. Ich erwachte morgens nach 7 Uhr, ich weiss nicht ob von dem Hagelsturm, der gerade niederging, oder von dem Krampf im Bauch, den ich spürte. Durch das geöffnete Fenster fühlte ich die deutlich abgekühlte Luft und war dankbar. Ich ging aufs WC, denn während der Spätschwangerschaft hatte ich schon öfter einen Bauchkrampf bekommen, wenn meine Blase voll war. Dann ging ich wieder ins Bett, aber schon kurze Zeit später hatte ich wieder einen Krampf. „Nanu, also diese Spätschwangerschaftsbeschwerden werden ja immer schlimmer“, dachte ich und stand auf – wenn ich eh nicht schlafen konnte, wollte ich etwas essen und lesen, ich könnte ja nachmittags noch ein Schläfchen halten. Ich ass eine Nektarine und las Zeitung. Zu den Cornflakes kam ich nicht mehr, denn diese blöden Bauchkrämpfe wiederholten sich, es war recht unangenehm und jedenfalls nicht geeignet, um dabei zu essen. Ich fragte mich langsam ernsthaft, ob es Wehen sein könnten, wollte jedoch nicht überinterpretieren und mich zu früh freuen. Also wechselte ich aufs Sofa, versuchte mich zu entspannen und nahm nach einer Weile die Wehen-App auf meinem neuen iPhone in Betrieb. Sie errechnete, dass meine Bauchkrämpfe ca. alle 4-6 Minuten kamen und jeweils ca. 1 Minute dauerten. Ich konnte die Situation nicht ganz ernst nehmen, denn nach meinen Informationen begannen Wehen weit auseinanderliegend, und erst mit fortschreitender Geburt verkürzten sich die Abstände dazwischen. Ich hatte gelesen, wenn der Abstand zwischen den Wehen „nur noch“ 10 Minuten betrage, solle man ins Spital gehen. Also konnten meine Bauchkrämpfe doch keine Wehen sein? Für die relativ geringe Schmerzintensität lagen sie einfach zu nahe beisammen, das passte nicht zusammen. Ich wartete also weiter ab – vielleicht würde es ja mit der Zeit wieder bessern – und nahm mir vor, um 10 Uhr GG zu wecken, falls es bis dahin nicht besser geworden war.

Ich lümmelte mich auf dem Sofa herum. Immer bei einer „Wehe“ drehte ich mich und stützte mich mit den Armen auf der Rückenlehne auf und versuchte gut zu atmen. Die Schmerzen waren wie gesagt eigentlich nicht gar zu intensiv, aber irgendwie vertrug ich sie doch schlecht, sie machten mir üble Laune. Und immer kam wieder ein neuer Krampf, es hörte nicht auf. Um 9.45h reichte es mir, ich ging GG wecken, damit er mich mental unterstütze. Ich sagte: „Hallo, wach auf… Du musst nicht pressieren, es ist noch nicht dramatisch, aber ich glaube, möglicherweise habe ich Wehen, also musst Du jetzt aufstehen.“ Während er verschlafen ins Bad tapste und unter die Dusche stieg, nahm ich meinen Posten auf dem Sofa wieder ein. Einige Zeit später, als er mit Duschen fertig war, rief GG die Pikettnummer des Geburtshauses an und sprach eine Nachricht auf den automatischen Telefonbeantworter. Wir warteten auf den Rückruf, der jedoch nicht kam – irgendetwas hatte GG falsch gemacht. Also noch ein Versuch, und endlich (ich war schon ziemlich ungeduldig) klappte es. Hebamme P. rief zurück, GG schilderte die Situation, dann wollte P. noch kurz mit mir sprechen und fragte, wie es mir gehe. Sie meinte, ich könne ins Geburtshaus kommen oder noch zu Hause bleiben, ganz wie es mir wohler sei. Ich sagte ihr, ich wolle es noch mit einem Bad versuchen, wilde Wehen würden dadurch gelindert. Denn ich wollte auf keinen Fall mit falschem Alarm ins Geburtshaus und dann wieder nach Hause geschickt werden. Also liess GG mir ein Bad ein und betätigte, während ich drin lag, nach meinem Kommando die Wehen-App. Das Bad war unangenehm, denn die Wehen hörten nicht auf, und ich fand keine bequeme Position, um sie entspannt durchzustehen. Nach ein paar Wehen hatte ich genug und gab die „Hoffnung“ auf, dass meine „Bauchkrämpfe“ weggehen würden. „Hol mich hier raus, und dann fahren wir ins Geburtshaus“, gab ich die Parole durch. GG half mir beim Abtrocknen und Anziehen, bestellte ein Taxi und packte zwischendurch noch einige Sachen zusammen.

Die Wehen im Taxi gingen besser als befürchtet, ich klemmte mich auf dem Rücksitz in eine Ecke und stützte mich mit einem Arm auf dem Türgriff, mit dem anderen auf der Rückenlehne ab. Auf halber Wegstrecke kam heraus, dass GG nicht daran gedacht hatte, unser Kommen im Geburtshaus mit einem weiteren Telefon anzukündigen. Er hatte P. so verstanden, dass wir kommen könnten, wann wir wollten, doch ich machte ihn darauf aufmerksam, dass die Pikett-Hebamme nicht im Geburtshaus sitzt und auf Anrufe wartet, sondern irgendwo sein kann. Eilig rief GG noch einmal den automatischen Telefonbeantworter an und teilte mit, wir seien auf dem Weg – eigentlich schon fast da. Ich hatte Angst, dass noch keine Hebamme dort sein würde, wenn wir beim Geburtshaus eintrafen, und dass ich dann auf der Treppe vor dem Haus Wehen veratmen müsste. Der Gedanke beelendete mich ziemlich, ich fühlte mich überhaupt nicht fit dazu und hatte das langsam dringende Bedürfnis, mich in erfahrene Profi-Hände zu begeben. Der Taxifahrer setzte uns mit unserem Gepäck vor dem Geburtshaus ab, nicht ohne sich vorher etwas bange zu erkundigen, ob wir hier richtig seien, ob das ein Ort zum Gebären sei. Es war ca. halb Eins am Mittag. Gottseidank öffnete auf unser Klingeln hin sogleich eine Hebamme die Tür! Offenbar waren wir an diesem Tag nicht die Ersten, die im Geburtshaus Hilfe suchten.

Hebamme M. führte uns hinein. Es stellte sich heraus, dass wir das dritte Paar waren, das an diesem Tag ein Kind im Geburtshaus bekommen wollte – das hiess, dass sowohl das eigentliche Gebärzimmer als auch das Untersuchungszimmer bereits besetzt waren. Deshalb führte uns M. in den kleinen Eingangsbereich mit Sitzecke vor dem Kursraum. Das Sofa war eins dieser Teile, die im Grunde nichts Anderes sind als eine Matratze mit losen grossen Kissen als Rückenlehne und losen Kissenrollen als Armlehnen. Ich liess mich sofort darauf nieder, und die Kissen wurden teils abgeräumt, teils stützend unter und neben mir drapiert. So lag ich eine Weile da, auf meiner rechten Seite ruhend, mit geschlossenen Augen, müde nach der Aufregung und einfach nur froh, endlich angekommen zu sein. M. hatte ein paar liebe Worte gesagt, bevor sie wieder verschwand. Ich fühlte mich angekommen und gut aufgehoben und konnte die Wehen nun, mit mehr Ruhe, besser verarbeiten.

Dann kam Hebamme S.. Sie stellte sich vor: Sie würde nun bei uns bleiben und uns durch die Geburt begleiten. Sie erkundigte sich nach dem bisherigen Geburtsverlauf und machte eine Untersuchung. Und konnte uns gleich Mut machen: Herztöne des Kindes bestens, Muttermund schon ordentlich am Aufgehen. Ich verarbeitete weiter Wehe um Wehe, ich glaube, S. legte derweil irgendwelche Sachen bereit, aber ich kriegte kaum etwas mit, denn ich hatte die Augen immer geschlossen: während der Wehen, um mich besser auf meine Atmung konzentrieren zu können, in den Wehenpausen, um mich besser entspannen und erholen zu können. GG sass auf dem Sessel neben dem Sofa. Ein oder zwei Mal versuchte er, mich zu streicheln, doch ich wehrte ab, ich wollte gar nicht berührt werden. Wir sprachen auch nicht, ich war völlig in meiner eigenen Welt aus Wehen und Ruhepausen. S. ermunterte mich, ich mache das wunderbar, nur weiter so…

Einmal musste ich aufstehen, damit S. eine Plastikunterlage auf das Sofa legen konnte. Das löste sofort eine Wehe aus, und ich klammerte mich an GG, bis ich mich wieder hinlegen konnte, diesmal in die linke Seitenlage, mit einer Rolle zwischen den Knien. Und weiter ging es, wie zuvor, Wehe, atmen, Pause, atmen… Nach einiger Zeit machte S. einer weitere Untersuchung und hatte wieder gute Nachrichten: Herztöne des Kindes immer noch bestens, Muttermund fast ganz offen. Ganz unmerklich veränderte sich die Qualität des Schmerzes, und mit ihr auch meine „Routine“. Es fühlte sich an, als ob die Krämpfe etwas aus mir herausbefördern wollten. Ich begann, während der Wehen das obere Knie in die Luft zu klappen, also die Beine zu öffnen, und das Becken nach vorne zu kippen, was gefühlsmässig einem inneren Herausschieben entsprach. Mit der Zeit schob ich tatsächlich, nur während einiger Sekunden, immer in der Mitte einer Wehe – das war wohl, was gemeinhin als „Pressen“ bezeichnet wird. Mir fiel ein, was ich dazu gelesen hatte: Dass man noch nicht presste dürfe, wenn der Muttermund noch nicht ganz offen ist, und dass es typisch sei, dass Frauen einen Pressdrang verspürten, dem sie aber zunächst noch nicht nachgeben dürften, und dass dies die schlimmste Phase einer Geburt sei. Ich fragte S. deshalb: „Ist das falsch, darf ich noch nicht drücken?“ Sie antwortete: „Du machst es genau richtig: So gut es geht atmen, und wenn Du musst, dann drückst Du ein bisschen… nur weiter so.“ Diese „schlimme Phase“ gab es bei mir gar nicht!

Als das innere Schieben begann, ergriff ich mit jeder Hand eine von GGs Händen, unsere Arme kreuzten sich, und während der Wehen zog ich, während GG dagegen hielt. Die ruhige, abgehobene Stimmung blieb. Auch S. sprach wenig, aber sie lobte uns und sagte, wir machten das super. Ich bekam zwischendurch Isostar zu trinken. Irgendwann ging ein heftiges Sommergewitter nieder, was mir ein gutes Gefühl gab: „Der Himmel öffnet sich, mein Bauch öffnet sich…“. Das durch die dunklen Wolken entstehende Zwielicht verstärkte die meditative Stimmung noch.

Mitten in die Ruhe hinein, während einer Wehe, ich atmete konzentriert, tief und langsam – platzte die Fruchtblase. Sie explodierte geradezu, zwischen meinen Beinen spritzte das Fruchtwasser in alle Richtungen hervor. Ich wurde von dieser Fontäne und dem dazugehörigen merkwürdigen inneren Bruch abrupt aus Konzentration und Atemrhythmus gerissen und war total baff. Wir mussten alle lachen über diesen filmreifen Effekt. „Tja, das war wohl die Fruchtblase…“ Die nächste Wehe führte uns aber gleich wieder in die ruhige Stimmung zurück.

Die kindlichen Herztöne wurden derweil während der ganzen Geburt immer mal wieder abgehört und waren stets bestens. Dabei musste S. den „Hörer“ immer weiter unten ansetzen, das Kind hatte sich also auf den Weg gemacht. Irgendwann begannen sich meine hinteren Oberschenkel- und Pomuskeln von dem vielen Nach-Vorne-Schieben zu verkrampfen, S. massierte mich und gab mir homöopathische Globuli dagegen. Immer stärker hatte ich nun das Gefühl, dass der Kopf des Babys gegen mein Steissbein drücke und nicht daran vorbeikomme. Als ich das äusserte, meinte S., das sei ein ganz typisches Gefühl, und es sei ein gutes Zeichen, es bedeute nämlich, dass der Babykopf dabei sei, die engste Stelle des Beckens zu passieren. Ich müsse mir keine Sorgen machen, der gehe da schon durch, auch wenn es sich im Moment nicht so anfühle, und ich würde es merken, weil dann das Druckgefühl am Steissbein nachlassen werde. Und so war es dann ein wenig später auch. S. bestätigte bei einer weiteren Untersuchung, dass der Kopf nun schon ein Stück weit nach unten gerutscht sei. Ich war erfreut, aber auch ein wenig bange: „Nun kommt die Sache mit dem Beckenboden, nicht wahr?“ Aus Büchern und dem Geburtsvorbereitungskurs wusste ich, dass dies die zweite „grosse Barriere“ war. S. bejahte meine Frage, beruhigte mich aber gleichzeitig: „Keine Sorge, das geht schon“.

Während der ganzen Zeit im Geburtshaus – es waren Stunden, auch wenn mein Zeitgefühl abhanden gekommen war – hatte ich mich in der Seitenlage aufgehalten. Nun schlug S. mir vor, auf den Mayahocker zu wechseln. So könne uns die Schwerkraft helfen, das Kind weiter nach unten wandern zu lassen. Ich fand das einen einleuchtenden Vorschlag und stimmte zu. Der Wechsel war beschwerlich, denn sobald ich mich erhob, überkam mich sofort eine Wehe, und ich überwand den Weg von ca. einem Meter Länge nur an GGs Hals hängend. Ich wurde auf den Hocker bugsiert, GG setzte sich in seinem Sessel hinter mich, Kissen stützten meinen Rücken, und GG hielt mich fest. Und weiter ging es mit den Wehen. Ich fand die neue Stellung nicht so angenehm wie die vorherige, bemühte mich aber, mich daran zu gewöhnen, weil es doch helfen sollte. Und offensichtlich tat es das: Das Köpfchen des Babys war nun von aussen zu sehen, S. zeigte es mir mit einem Handspiegel zwischen meinen Beinen. Überrascht bemerkte ich, wie GG über meine Schulter ebenfalls auf den Spiegel linste – während der Schwangerschaft waren wir uns einig gewesen, dass er „das“ besser nicht sehen wollte. Doch nun war er ganz entspannt und offensichtlich ebenfalls neugierig.

In unserem Geburtshaus war es üblich, dass eine zweite Hebamme dazustösst, sobald die Geburt in die letzte Phase geht, also das Kind wirklich geboren wird. Nun traf Hebamme P. bei uns ein (da war es 17.45 Uhr, wie ich im Nachhinein erfuhr). Bald danach wechselte ich auf S.‘ Vorschlag hin in den Vierfüsslerstand. So könne sie besser etwas für meinen Damm tun, sagte sie. Ich kniete mich also auf einer Yogamatte vor das Sofa und stützte die Ellbogen auf dem Sofa ab. Zwischen meine Arme kam ein grosses Kissen, auf das ich während der Wehenpausen meinen Oberkörper sinken lassen konnte. Nach nicht so langer Zeit liess mich S. mit der Hand den Kopf des Kindes zwischen meinen Beinen ertasten. Das war ein sehr merkwürdiges Gefühl, denn er fühlte sich gar nicht wie ein Kopf an, sondern eckig – aber natürlich war es auch überaus ermutigend. Ich bekam Globuli, um die Dammdehnung zu unterstützen. Und spürte bald auch, weshalb: Der Kopf des Babys begann während der Wehen gegen meinen Scheidenausgang zu drücken. In den Wehenpausen flutschte er jeweils wieder ein wenig zurück. Was frustrierend klingt, war für mich wunderbar, denn der Dehnungsschmerz war intensiv und reissend, ich erschrak darüber und hatte je länger desto mehr das Gefühl, es reisse mich auseinander (nicht im übertragenen Sinn!). Da war ich sehr froh, dass dieser Schmerz in den Wehenpausen wieder wegging. Bald hatte ich ziemlich gut den Dreh heraus, während einer Wehe bis an meine Schmerzgrenze zu pressen; den Mut dazu hatte ich nur, weil ich wusste, dass ich mich in der Wehenpause wieder von dem unglaublichen Schmerz erholen konnte. Starke Unterstützung kam ausserdem auf der mentalen Ebene von allen Anwesenden: GG kauerte rechts von mir und hielt meine rechte Hand, P. links von mir mit meiner anderen Hand und sprach ab und zu mitfühlende Worte. S. war hinter mir, überwachte die Geburtsfortschritte und legte heisse Kaffeekompressen auf meinen Damm. Und dann kam eine Wehenpause, in welcher der Kopf nicht mehr zurückflutschte. Die Hebammen waren erfreut über den Fortschritt und sprachen mir gut zu, doch ich bekam es mit der Angst – blieb der reissende Dehnungsschmerz nun doch unvermindert bestehen, und ich wusste, die nächste Wehe würde mich zu noch mehr Pressen zwingen, obwohl meine Schmerzgrenze doch bereits jetzt erreicht war! In dieser beängstigenden Situation blieb ich einige Wehen(-pausen) lang. Während der Wehen war ich sicher, dass das Gewebe zwischen meinen Beinen in alle Richtungen riss. In den Wehenpausen hatte ich genug Atem, um „Au au au!“ zu schluchzen. Zum Glück war ich nicht allein. So brachte ich die innere Ruhe auf, nicht in Panik auszubrechen, tief zu atmen und mich aktiv dafür zu entscheiden, in der nächsten Wehe den Kopf trotz des Schmerzes noch ein wenig mehr hinauszuschieben, und noch ein wenig mehr…

Es brauchte zum Glück nur einige Wehen. Dann wurde der Kopf meines Babys geboren – es fühlte sich an wie „Plopp!“, obwohl dieses Geräusch natürlich nicht zu hören war – meine Erleichterung war unendlich. Das Schwierigste war geschafft, nun konnte es nicht mehr lange dauern. Damit, dass das ganze Baby bereits bei der nächsten Wehe schnell wie ein Fisch aus mir herausflutscht, hätte ich allerdings nicht gerechnet. Doch es war so! S. fing es auf und reichte es mir zwischen meinen Beinen hindurch. Ich nahm es in meine Arme und liess mich in eine sitzende Position auf den Boden plumpsen, GG war unmittelbar hinter mir und hielt mich fest. Oder besser gesagt: Er war hinter uns und hielt uns fest! Irgendwie zog ich noch schnell mein Leibchen aus, ich wollte mein Baby Haut an Haut bei mir halten. (Es war 18.36h.)

Das Baby schrie ein wenig und staunte mit grossen wachen Augen nach oben, in mein Gesicht. Ich staunte zurück. Zwischendurch schauten GG und ich uns an, völlig aufgelöst vor Rührung, mussten unsere Blicke aber sogleich wieder auf unser Baby richten. Nach einigen Augenblicken wollte ich nachschauen, ob es wirklich ein Mädchen war, wie meine Frauenärztin diagnostiziert hatte (ich hatte es nie wirklich glauben können) – denn ich konnte nichts Anderes denken als „Mein Baby, mein Baby…“ und wollte, dass es einen Namen hatte. Es war ein Mädchen! Ich war sehr glücklich, in einem geradezu unwirklichen Zustand. Schmerzen fühlte ich keine, obwohl sich später herausstellte, dass mein Damm tatsächlich zünftig eingerissen war und ich direkt auf der Wunde sass. Nach einiger Zeit legte ich mich mit meinem Baby auf das Sofa, wir wurden beide mit Frotteetüchern zugedeckt. GG war ganz nahe. Eine gefühlte Ewigkeit später schnitt S. die Nabelschnur durch, sie hatte gewartet, bis die Nabelschnur nicht mehr pulsierte. Ich war erstaunt, wie lange das dauerte, und glücklich, dass man uns diese Zeit liess. Es war so schön, keine Hektik, kein Abspulen von Routinen, eigentlich gar nichts, das „erledigt“ wurde – wir waren einfach da.

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Mira
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Re: Eine glückliche Geburt

Beitrag von Mira »

Sehr schön geschrieben, Rokeby! Man fiebert während des Lesens richtig mit.
Sohnemann (07/2009), Mäitschi (06/2012)

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Knuddu01
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Re: Eine glückliche Geburt

Beitrag von Knuddu01 »

Ganz schöner Bericht! Danke fürs teilen.:) ich kann deine Gefühle richtig nachfühlen. Ich wünsche dir und deiner Familie alkes gute.


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Die Entscheidung, ein Kind zu haben ist von grosser Tragweite. Denn man beschliesst für alle Zeit, dass das Herz ausserhalb des Körpers herumläuft.

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