Sonntag, ET -4
8.00 Uhr
Es ist ein sonniger Herbsttag. Wir sind voll Tatendrang, wollen das vermutlich letzte Wochenende zu dritt geniessen. Auf einem nahe gelegenen Berg findet heute eine Kinderchilbi statt, wo wir mit deiner grossen Schwester hingehen wollen. Am Morgen verliere ich auf dem WC den Schleimpfropf – juhu! Ich sage dir, dass du herzlich willkommen bist und dich sehr gerne heute auf den Weg machen darfst!
14.00 Uhr
Es bleibt aber zunächst alles ruhig, vielleicht wartest du ja doch noch bis zum ET? Wir beschliessen trotzdem an die Chilbi zu gehen. Ich habe schon den Velohelm in der Hand, als mich plötzlich die Vernunft packt. Wenn es nun doch heute losgeht, müssen wir mit dem Taxi nach Hause fahren und dann stehen unsere Velos tagelang an der Talstation rum... also doch lieber ab ins Auto. Die Chilbi ist toll! Bohne springt selig durch den Herbsttag, Papa und ich sind am „Sünnele“ und einfach am Geniessen. Zuletzt wird Bohne an einem Posten noch als Bär geschminkt, dann warten wir aufs Bähnli nach unten.
17.30 Uhr
Wir sind wir bei deinem Grosi zum zNacht eingeladen. Sie hat besonders fein gekocht, wird es doch vielleicht die letzte solche Einladung für eine Weile sein... Doch schon beim Apéro passiert das Unglück. Bohne stolpert und knallt mit dem Gesicht auf die scharfe Eckkante des Couchtisches. Sie weint hemmungslos, alles ist voll Blut. Bei näherem Hinsehen muss ich leer schlucken. Ein riesiger Spalt klafft schräg durch die Oberlippe. Mein erster Gedanke ist, dass sie für den Rest ihres Lebens entstellt sein wird. Ich rufe im Kinderspital an und wir dürfen gleich kommen.
18.00 Uhr
Schon treffen wir in der Notaufnahme ein. Bohne ist unglaublich tapfer, hat schon im Auto aufgehört zu weinen und spielt nun im Warteraum als ob nichts wäre. Sie sieht echt schlimm aus, mit dem blutigen Spalt und dem verschmierten Gesicht... mein verwundeter Bär!
Papa und ich – jäh aus unserer Wochenendharmonie gerissen – versuchen cool zu bleiben und schielen ständig auf die Uhr. Wir sind völlig desillusioniert... es war doch alles perfekt und ein solch unglücklicher Unfall so kurz vor der Geburt, das hatte uns gerade noch gefehlt. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt endlich ein Arzt. Die Wunde muss unter Narkose genäht werden.
20.15 Uhr
Bohne bekommt ein Beruhigungszäpfchen. Sie lallt wie auf Drogen. Einerseits lacht sie und sieht urkomisch aus, andererseits zerreisst es mir das Herz, als sich die Lifttüren hinter ihrem Bettchen schliessen. Jetzt fährt sie ohne uns in den OP. Papa und ich bleiben zurück auf dem leeren Gang und halten uns ganz fest. Da müssen wir jetzt durch.
20.30 Uhr
Wir sterben fast vor Hunger, hatten wir doch seit dem späten Sonntagsbrunch im Hinblick auf Grosis Abendmenü nichts mehr gegessen. Und seitdem wir im Spital sind, haben wir auch nichts mehr zu uns nehmen können, weil Bohne wegen der Narkose ja auch nichts mehr essen und trinken durfte. Wir sitzen also in der Abenddämmerung vor dem Spital auf einer Bank, teilen ein kaltes Dreieckssandwich aus dem Automaten und warten. Wir beobachten eine offensichtlich verwirrte Patientin im Nachthemd, die an ihrem Rollator lehnt und raucht. Wir schweigen und warten und essen.
21.00 Uhr
Endlich kommt Bohne zurück in den Aufwachraum. Der Arzt muss ein Künstler sein. Die Wunde ist sauber vernäht und sieht super aus. Wahrscheinlich wird Bohne doch nicht ihr Leben lang entstellt sein! Der Arzt sagt, wir müssen hier bleiben, bis sie einmal richtig wach wird um sicherzugehen, dass sie die Narkose gut vertragen hat. Wir warten eine Ewigkeit. Bohne wacht nicht auf. Wir versuchen sie zu wecken. Sie wird aber nicht wirklich ganz wach. Der Arzt sagt, wir dürfen jetzt trotzdem nach Hause, aber jemand soll heute Nacht bei ihr schlafen um sie zu beobachten.
22.30 Uhr
Wir sind endlich zu Hause. Jetzt ist Bohne so richtig wach und trotzig und will nicht mehr schlafen. Mit Engelszungen singe ich sie in den Schlaf und lege mich neben sie. Es folgt eine extrem unruhige Nacht. Bohne wacht im Halbstundentakt auf, klagt über Schmerzen oder liegt weinend im Halbschlaf. Mehrmals will sie trinken und kann nicht, weil die Lippe so geschwollen ist. Sie tut mir so leid. Ich kann nur trösten und streicheln und singen und meine eigene Erschöpfung verdrängen. Irgendwann schläft sie endlich für längere Zeit ein, aber nun finde ich den Schlaf nicht mehr. Ich weiss nicht mehr wie ich liegen soll, jede Position ist mir unbequem. Der Bauch fühlt sich so schwer an.
Montag, ET -3
5.00 Uhr
Allmählich habe ich das Gefühl, dass mein Bauch anders ist als sonst. Er fühlt sich gross und hart an. Kurz darauf spüre ich die ersten Kontraktionen. Na toll, einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte es ja kaum treffen können... aber nun muss ich das Beste draus machen. Ich habe mich wieder mit Hypnobirthing auf die Geburt vorbereitet und wende sogleich die Langsame Atmung an. Die Kontraktionen sind nach wie vor nicht schmerzhaft, aber bleiben. Die Müdigkeit ist weg. Ich fühle mich ruhig und voller Kraft.
6.00 Uhr
Bohne wird wach und zwar – äusserst untypisch für sie – jammernd und heulend. Papa kommt aus dem Schlafzimmer und kümmert sich gleich um sie. Ich erkläre ihm kurz, was Sache ist und lasse erst mal Badewasser ein. In der Badewanne komme ich endlich auf die Idee, die Zeit zu stoppen. Die Abstände sind regelmässig bei 8 Minuten. Ok, dann pressiert es ja noch nicht so. Ich geniesse das Bad und entspanne noch eine Weile, dann besprechen wir die Lage. Papa meldet sich von der Arbeit ab. Ich gehe duschen und fange an aufzuräumen, da wir gestern Abend ja zu nichts mehr gekommen sind.
7.00 Uhr
Ich rufe meine Hebamme B. an, die mich schon durch SS, Geburt und Wochenbett von Bohne begleitet hat und nun auch die SS mit dir betreut. Und schon kommt die nächste Hiobsbotschaft. Sie befindet sich gerade im Zug nach Bern an eine Tagung!! Die Enttäuschung ist gross, ich hätte sie so gerne auch bei deiner Geburt dabei gehabt! Sie gibt mir die Nummer von M., die in der letzten Phase von Bohnes Geburt als Zweithebamme hinzugekommen ist. Wenigstens ein schwacher Trost. Sie ist auch sehr nett - aber eben doch nicht wie B.! Am Telefon meint M. sie sei ab 9 Uhr im Geburtshaus an einer Kontrolle, wir sollten doch auch etwa um diese Zeit eintreffen.
8.00 Uhr
Papa ruft seine Mutter an, damit sie kommt und Bohne abholt. Eigentlich muss sie heute arbeiten. Sie meldet sich beim Chef ab und steht kurz darauf vor der Tür. Obwohl Bohne den ganzen Morgen schon knatschig gewesen war und auf keinen Fall irgendwo hingehen wollte, springt sie nun freudig dem Grosi in die Arme. Ein Stein fällt mir vom Herzen. Ich hätte mich nicht wirklich auf die Geburt einlassen können, wenn ich Bohne nicht in besten Händen wüsste. Die beiden wünschen uns noch alles Gute, dann fahren sie ab. Papa und ich packen noch die letzten Sachen ein, ich muss zwischendurch immer ein wenig herumstampfen, atmen und tönen. Aber es geht gut. Jetzt bin ich bereit

8.45 Uhr
Die Fahrt verläuft ohne Zwischenfälle. Im Auto komme ich endlich auf die Idee die Wehen mit einer extra dafür heruntergeladenen APP zu stoppen. Sie kommen sehr regelmässig alle 2 Minuten und dauern ca. 50 Sekunden. Juhuuuu, das sieht mal nach Geburt aus!
9.15 Uhr
Nach einem Zwischenstopp beim Beck kommen wir im Geburtshaus an. M. ist schon da, begrüsst uns, und untersucht mich kurz. Muttermund ist ca. 3 cm geöffnet. Sie hängt mich ans CTG und geht wieder in ihre Kontrolle. Papa und ich sitzen auf dem Bett, reden ein wenig und beobachten irritiert das CTG. Die Herztöne fallen von etwa 130-150 zwischenzeitlich immer wieder ganz plötzlich auf 65 ab. Wir wissen nicht, ob das nun schlimm ist oder nicht und warten auf die Hebamme. Zum Glück ist aber nur der Sensor verrutscht und misst zwischendurch meinen eigenen Puls! Puuuh, wir sind erleichtert. Blöde Technik, die will ich nicht mehr da dran hängen und verlange nach der Wanne!
9.45 Uhr
Ich gleite ins warme Wasser. Solch eine Wohltat. Es ist einfach nur herrlich. Mühelos wende ich die Langsame Atmung an. Die Wehen sind gut erträglich, ich begegne ihnen mit einer Abgeklärtheit, die mich selbst erstaunt. Ich knie in der Wanne und liege auf den Unterarmen auf ein schwimmendes Stillkissen. M. sitzt neben mir, Papa liegt auf dem Bett und liest. Ab und zu reden wir, meistens atme ich und trinke kannenweise „Engelstee“. Die Zeit vergeht schleichend langsam. Ich beobachte den Wecker neben mir und frage mich ob es wie bei deiner SchwesterAbend werden würde, bis du endlich da sein wirst! Die Hebamme geht nun für längere Zeit raus. Ich langweile mich und bitte Papa, doch auch mal herzukommen und mich zu beschäftigen. Wir plaudern ein bisschen und zwischendurch töne ich wieder kräftig „AAAH“ und „OOOH“. Papa massiert dabei mein Kreuz und feuert mich an.
10.30 Uhr
Die Hebamme kommt zurück und berichtet, sie habe mit B. telefoniert. B. habe alle Termine abgesagt und sei bereits auf dem Rückweg von Bern! Du sollst bitte so lange noch drin bleiben, sie wolle dabei sein, wenn du kommst. Erleichterung und pure Freude überkommen mich – das wird also doch noch eine Traumgeburt! Mit einer riesigen Portion Motivation gelingen mir das Langsame Atmen und die Visualisierungen immer besser. Ich male mir aus, wie der Muttermund wie eine sich öffnende Blüte aufgeht und du dir deinen Weg hinaus bahnst. Die Wellen stelle ich mir als Meeresbrandung vor. Ich reite auf ihnen und auf ihrem Höhepunkt erreiche ich die höchste Entspannung. Es funktioniert! Zweimal gelingt es mir sogar, mich während einer Wehe völlig meiner Atmung hinzugeben und in Trance zu gleiten. Ich bin völlig wach, völlig ruhig und ganz tief bei mir. Ich spüre, wie mein Körper arbeitet ohne den geringsten Schmerz. Es ist, als ob ich einfach beobachte, was mit ihm geschieht ohne direkt betroffen zu sein. Ich schaue nicht mehr auf die Uhr, bin nur noch mit mir selbst beschäftigt. Plötzlich vergeht die Zeit wie im Fluge. Papa und ich sind nun schon eine Weile allein. Nach jeder Wehe gelingt es mir, wieder völlig herunterzufahren. Die Wehenpausen sind lang und schmerzfrei, sodass wir dabei plaudern und herumalbern können.
11.15 Uhr
Die Tür geht auf. B ist da! Ich strahle über beide Ohren. Sofort breitet sich eine Atmosphäre der Ruhe und Vertrautheit im Raum aus. Alles ist klar, man muss nichts fragen, nichts erklären, um nichts bitten. B. weiss sofort, was mir gut tut. Bei jeder Wehe massiert sie mein Kreuz mit unübertroffener Wirksamkeit. Papa verlagere ich auf den oberen Rücken, wo er mit etwas Duftöl die Streichelmassage anwendet.
Die Wehen werden langsam aber sicher sehr intensiv und ich spüre, wie du dich immer weiter nach unten senkst. B. gibt mir in ihrer diskreten Art noch einen entscheidenden Tipp. Immer wenn ich lautstark mit „AHHHS“ ausatme, tönt sie dazu „ffffffff“. Erst irritiert mich das ein bisschen, aber als sie hartnäckig so fortfährt probiere ich es auch einmal. Wow! Das ist ja viel besser! Ich kann auf diese Weise viel, viel länger ausatmen und spare Kraft. So atme ich fleissig weiter vor mich hin. Langsam aber sicher kriege ich Hunger und frage, was es zum zMittag gibt. Wild! Wie beim letzten Mal! Das muss ein gutes Omen sein. Ich bestelle also eine Portion und B. füttert mich in den Wehenpausen in der Badewanne. Ich bin glücklich!
12.15 Uhr
Papa kriegt auch langsam Hunger. Er fragt, ob er zu den Wöchnerinnen ins Esszimmer zum Mittagessen gehen darf. Er versichert, er mache auch ganz schnell. Ich sage, es sei schon gut, er solle nicht schlingen, sondern in Ruhe essen. Er geht also hinaus und B. weicht mir nun nicht mehr von der Seite. Langsam werden die Wehen nun doch schmerzhaft. Wie zuvor abgesprochen setzt mir B. nun eine Akupunkturnadel in den Hinterkopf, damit ich dich besser loslassen kann. Ich streichle dich immer wieder durch den Bauch hindurch und ermutige dich, nun die letzte Kurve zu nehmen. Plötzlich muss ich ganz dringend aufs WC. Ich möchte aber nicht aus der Wanne raus. B. sagt, ich darf auch ins Wasser biseln – aber das will ich nun definitiv nicht. Das wäre dir gegenüber ja schon ein bisschen respektlos! Sie hält mir aber eine Bettpfanne hin und so geht es tiptop. Ich fühle mich etwas erleichtert. Aber die Fruchtblase ist noch immer intakt. Ich wurde seit unserer Ankunft nicht mehr untersucht, aber ich spüre, dass ich nun komplett offen sein muss, denn Art und Intensität der Wehen haben sich verändert.
13.15 Uhr
Papa ist noch immer nicht zurück. Schon bereue ich meine Grosszügigkeit. Ich schicke B. los um ihn zu holen. Als sie zurückkommen, ist auch M. wieder dabei. Nun weiss ich, dass es wirklich Ernst gilt, denn die Zweithebammen kommen immer erst in der Austreibungsphase hinzu. Ich spüre nun auch sehr deutlich, wie dein Köpfchen sich nach unten senkt. Die Wehen erreichen eine neue Qualität. Das langsame Atmen kostet mich extreme Konzentration. Wieder gelingt mir für einen Augenblick die völlige Selbsthypnose. Ohne den geringsten Schmerz spüre ich die unglaubliche Urkraft, die in mir waltet, wie sie mich völlig einnimmt und ausfüllt und dein Leben aus mir hervorbringt. Ich, die sonst weder religiös noch spirituell bewandert ist, erhalte plötzlich eine Ahnung vom Wunder des Lebens. In tiefer Ehrfurcht verneige ich mich vor meiner eigenen Weiblichkeit... bis mich die nächste Wehe in die Realität zurückholt.
13.30 Uhr
Die Konzentration auf die Selbsthypnose kostet mich zu viel Kraft. Ich habe die Übungen halt doch nicht konsequent genug gemacht... Die Schmerzen kommen zurück und überrollen mich mit grosser Intensität. Wir sind ein eingespieltes Dreierteam: B. massiert, Papa streichelt und ich, ich atme und töne und stöhne! Ich spüre, wie sich dein Köpfchen durch den Geburtskanal drängt. Ich rufe: „Es chunnt! Das Chend chunnt use!“. Die Hebammen schmunzeln vor sich hin und sagen, es sei lediglich die pralle Fruchtblase, die ich da (mal wieder) zuerst gebäre. Diesmal ritzt B. sie aber mit dem Fingernagel auf .Wasser entlädt sich in Wasser. Der riesige Druck lässt nach. Ich kann wieder ein wenig verschnaufen und neue Kraft sammeln. Nun spüre ich aber wirklich deinen Kopf! „Es chuuuuuunt“ rufe ich immer wieder bei jeder Presswehe! Papa zieht mich fast ein wenig auf, weil jedes Mal doch nichts kommt. Ausserdem labert er in Endlosschleife: „Du machsch das sooooooo guet, schööön schnuuufe...“ Irgendwann nervt mich das ziemlich und ich kommandiere herum: Er soll nicht so viel reden, sondern lieber streicheln, nein nicht da, weiter oben, nein nicht so fest, viel feiner.... Die Hebammen amüsieren sich köstlich.
13.40 Uhr
Ich knie nach wie vor in der Wanne, vergrabe mich bei jeder Wehe ins Stillkissen und saufe fast ab... Gegen Ende werden die Wehen aber so stark, dass ich mich nicht mehr entspannen kann. Ich bäume mich auf und stemme mich mit den Füssen vom Boden ab. So gerät mein Becken über Wasser und die Hebammen müssen es immer wieder nach unten drücken, damit du nicht plötzlich von oben ins Wasser plumpst! Plötzlich wird es ganz still. Die Wehen machen Pause. Eine laaange Pause. Alle warten gespannt. Wir schweigen und warten darauf, dass es weitergeht. Ist das die Ruhe vor dem Sturm?
13.45 Uhr
„Es chuuuuuuuuunnt!! Jetzt chunnt es WIRKLICH!!! Es chunnt UUUUUSSEEEEEE!!!!!!“
13.46 Uhr
Die zuvor so bewunderte Urgewalt überrollt mich wieder. Du zersprengst mich fast! Ich schiebe und presse, was das Zeug hält, stemme mich ab und die anderen halten dagegen. „S Chöpfli esch duss“, ruft B. „Es chuuuuunnt!“, rufe ich immer wieder. „Es chuuuuunnt!“ Dann schiebe ich mit was das Zeug hält und spüre wie du hinausgleitest.
13.47 Uhr
Ich schaue nach unten und da schwimmst du mir entgegen...
Ich greife dich und sitze auf und ziehe dich an mich. „Hallo!!!!! Hallo, Baby!!!“ rufe ich. Und immer wieder fast hysterisch: „HALLO!“ Ich lache und weine und rufe immer wieder „Hallo, hallo!!!“. Dann betrachten wir dich in andächtiger Stille. Du bist wunderschön! Du hast helle Haut und feine dunkle Haare. Auf deiner Nase sind zwei Sommersprossen. Du schaust mich mit riesigen Augen an. Ganz ruhig und unendlich weise.
Auch ich bin plötzlich ruhig. Alle Schmerzen sind schlagartig weg, ich fühle mich leicht und voller Kraft. B. reicht ein warmes Tuch und ich decke dich zu. Die Nabelschnur ist so kurz, dass ich dich nicht höher als unterhalb meiner Brust halten kann. Darum wissen wir auch lange nicht, ob du ein Bub oder ein Mädchen bist.
Die Hebammen ziehen sich für eine Weile zurück und schreiben ihren Bericht. Papa und ich bestaunen dich. Du schaust uns mit grossen Augen an und weinst nicht. Ich halte dich noch immer etwas ungelenk, muss gut aufpassen, dass du nicht mit dem Gesicht ins Wasser tauchst. B. fragt, ob wir dich langsam abnabeln wollen. Ok. Papa möchte das lieber nicht machen, also schneidet B. die Nabelschur durch. Jetzt können wir endlich einen Blick zwischen deine Beine werfen. Willkommen auf dieser Welt, kleines Mädchen!