Mit dir, unserem geliebten Krümel, durfte ich eine wundervolle, unkomplizierte Schwangerschaft erleben. Am Tag vor dem Entbindungstermin fuhren Papi und ich nochmals ins Geburtshaus zur Untersuchung. Unsere Hebamme war ganz entspannt, dir ging es gut und du machtest keinerlei Anstalten, dich in Richtung Licht der Welt zu bewegen.
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Weil es Sonntag war, fuhren wir wie jede Woche abends zu deinem Grossmami zum Essen. Es war ein fröhlicher Besuch, alle waren so gespannt auf dich. Dein Götti filmte uns noch alle, wie wir Tips abgaben ob du nun ein Büebli oder ein Meiteli werden würdest... Doch während des Essens verspürte ich immer wieder einmal – erst ganz leise, dann immer deutlicher – ein Ziehen im Bauch. Endlich verstand ich, was andere Schwangere gemeint hatten, wenn sie über einen „harten Bauch“ klagten, denn genau so fühlte es sich an. Trotzdem blieben Papi und ich ganz entspannt, denn schon morgen wäre ja dein Geburtstermin und wir scherzten noch, dass du also das erste Mitglied unserer Familie wärst, das es mit der Pünktlichkeit genau nehmen würde.
Beseelt und satt gegessen krochen Papi und ich kurz vor 22 Uhr ins Bett. Wie jeden Abend massierte Papi meinen Bauch noch mit Öl und neckte wie immer die Stelle, an der du für gewöhnlich dein Füdli in die Bauchdecke zu strecken pflegtest. Wir sprachen nochmals liebevoll mit dir und dann noch eine Weile über dich und wie es wäre, wenn du nun endlich da wärst. Trotz immer wieder hart werdenden Bauches schlief ich gut und tief ein.
In der Nacht, so gegen 1 Uhr erwachte ich und vermochte den Schlaf nicht wieder zu finden. Ich lag eine Weile wach und hörte dir einfach zu, wie du meinen Körper in sanftem Rhythmus für die Geburt bereit machtest. Papi liess ich schlafen, denn ich ahnte, dass er seine Kraft heute noch brauchen würde. Ich schlich in die Stube und kuschelte mich aufs Sofa, wo ich einige Zeit las und dabei weiter dem sanften Pulsieren in meinem Bauch lauschte.
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Als das Ziehen langsam unangenehm wurde, liess ich gegen 3 Uhr Wasser ein und legte mich in die Badewanne. Ich konnte mich sofort entspannen. Liebevoll streichelte ich dich durch meinen Bauch hindurch, sprach mit dir und ermutigte dich, doch heute endlich herauszukommen! Zurück auf dem Sofa schrieb ich dann die Abstände zwischen den Kontraktionen auf, und als sie im 2min-Takt kamen, rief ich gegen 6 Uhr die Hebamme an. Sie riet mir, Papi zu wecken und zu frühstücken, sie käme später vorbei.
Also weckte ich Papi mit den Worten: „Guete Morge, höt wirsch du Papi“. Aber er blieb ganz cool, zeigte sich ungewöhnlich ausgeschlafen, duschte und machte uns ein feines Zmorge. Gegen 7 Uhr kam dann die Hebamme, untersuchte mich und meinte, wir sollten langsam zusammenpacken und uns auf den Weg ins Geburtshaus machen. Sie fahre voraus und bereite schon mal alles vor. Papi rief also im Büro an und meldete sich ab. Wir packten die letzten Sachen zusammen. Schliesslich machten wir noch ein letztes Foto von dem Moment, als wir zu zweit durch diese Türe gingen. Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl zu wissen, dass wir beim nächsten Mal ein herzallerliebstes winzigkleines Baby dabei haben würden...
Auf der 30-minütigen Autofahrt wurden die Wehen dann ziemlich schmerzhaft. Ich klammerte mich bei jeder Wehe an den Handgriff an der Decke, veratmete sie lautstark und konzentrierte mich darauf, mich wieder bewusst zu entspannen. Offenbar war ich trotzdem noch so klar im Kopf, dass ich bei ABC DRS3 sowohl Papi, als auch den Anrufer überbot. Daher fand Papi, so schlimm könne es ja wohl nicht sein! Aaaargh!
Gegen 8 Uhr kamen wir im Geburtshaus an, wo unsere traumhafte Hebamme bereits Kerzen angezündet und das Badewasser eingelassen hatte. Sie untersuchte mich kurz und hörte die Herztöne ab. Du warst quietschfidel und der Muttermund ca. 3 cm offen. Wir legten unsere Lieblingsmusik auf, ich schnüffelte an meinem Duftstick und glitt sanft in die Entspannung.
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Zunächst lag ich einfach ruhig auf dem Bett und genoss den Gedanken, dass heute also doch ganz pünktlich dein grosser Tag sein würde! Leider wurden die Wehen immer schmerzhafter. Aber Papi und die Hebamme kümmerten sich mit einer Engelsgeduld um mich. Die Hebamme massierte mir liebevoll das Kreuz und Papi streichelte meinen Kopf. Jetzt hatte ich Lust auf die Wanne, wo ich mich wunderbar entspannen und auf dem Stillkissen treiben lassen konnte. Papi war immer ganz nah bei mir und streichelte und ermutigte mich. Als die Hebamme zurückkam schickte sie Papi zum zweiten Frühstück ins Esszimmer und fragte ob ich auch etwas wolle. Ich bestellte Brote mit selbstgemachter Aprikosenkonfi, die waren sooo fein!
Nach einer weiteren Untersuchung meinte die Hebamme, es daure wohl länger, da die Fruchtblase sehr prall, aber fest sei. Sie fragte, ob sie sie aufstechen solle, dann ginge es sicher schneller. Ich sagte aber nur „Nei, nei, s esch scho guet eso“, weiss auch nicht mehr warum. Sie sollte aber Recht behalten. Die Wehen wurden zwar stärker, aber so wirklich vorwärts ging es nicht. Die Pausen zwischen den Wehen waren zum Glück recht lang und schmerzfrei. Die Hebamme ging immer wieder mal raus und in dieser Zeit träumten Papi und ich von dir und stellten leicht beunruhigt fest, dass wir noch immer keinen Bubennamen für dich ausgewählt hatten. Ich hoffte daher sehr, dass du ein Mädchen sein würdest, denn in diesem Zustand hätte ich mich in einer Namensdiskussion sicher nicht behaupten können.
Papi ging dann zum Mittagessen und ich bekam einen sensationellen Wildteller ins Geburtszimmer serviert. Es war sooo fein und ich hatte schon wieder solchen Hunger! Die Hebamme staunte nicht schlecht, was ich alles verputzte. Sie untersuchte mich und stellte fest, dass es langsam aber sicher vorwärts ging und du nach wie vor völlig entspannt im Fruchtwasser schaukeltest. Als Papi zurückkam, hatte er im Esszimmer gerade ausführlich mit frischgebackenen Elternpaaren geplaudert und war frohen Mutes. Die Hebamme ging nun für längere Zeit in die Mittagspause und Papi blühte in Höchstform auf. Ich hatte mal in einem Buch gelesen, dass man den Kiefer entspannen müsse, damit sich auch der Muttermund entspannt. Papi bat mich also immer wieder, ihm das „Rössli“ zu machen, wobei ich schnauben solle. Manchmal schnaubte er dann auch mit und wir lachten uns kaputt. Das tat dann jeweils unendlich gut und die Schmerzen waren viel erträglicher. Irgendwann fand ich heraus, dass sich die Wehen für mich am besten veratmen liessen, wenn ich herumlief, mich zwischendurch immer wieder mal auf dem Wickeltisch abstützte und dazu mit beiden Beinen wie ein Elefant stampfte. Papi fand das jeweils urkomisch und forderte immer wieder sein Rössli ein. Wenn die Hebamme draussen war, trieb er mich wie ein Kutscher vorwärts und wir galoppierten beide schnaubend im Kreis durchs Gebärzimmer. Es muss ein köstlicher Anblick gewesen sein Als die Hebamme zurückkam, nahm ich ein zweites Bad und Papi ging mal ein wenig im winterlichen Wald spazieren, da er wohl sonst den Koller gekriegt hätte, nach so vielen Stunden in der Manege...
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Die Wehen wurden langsam aber sicher so schmerzhaft, dass ich manchmal dachte, ich halte es nicht mehr aus. Aber mit der Veratmungstechnik aus dem Vorbereitungskurs, konnte ich mich beim Höhepunkt jeder Wehe so bewusst entspannen, dass der Schmerz augenblicklich nachliess und bis zur nächsten Wehe fernblieb. Das Nachlassen des Schmerzes war jeweils ein riesiger Endorphinschub. Es fühlte sich an, wie wenn man sich ganz böse die Kniescheibe angeschlagen hat , aber sobald der Schmerz nachlässt, fühlt man sich wie im Rausch.
Und bei jeder Wehe habe ich mir vorgestellt, wie der Muttermund dabei weiter und weiter aufgeht und du immer näher und näher zu uns kommst. Der Gedanke an dich war meine Motivation, dein Herzschlag mein Puls, dein Tanz mein Motor. So hielt ich durch.
Seltsamerweise wusste ich immer ganz genau, was ich brauchte. Wo ich stehen, wie ich liegen wollte, wo man mich berühren sollte und was ich SOFORT zum Essen haben musste! Ich glaube, ich kommandierte ein bisschen herum. Aber bis zum Schluss schaffte ich es, behaupte ich, immer brav Bitte und Danke zu sagen. Ausserdem waren alle froh, dass sie auf diese Weise genau wussten, wie sie mir helfen konnten.
Die Hebamme fragte noch ein paar Mal, ob sie nicht doch die Fruchtblase aufstechen solle, aber ich fand, du hättest es im Fruchtwasser sicher gemütlicher und wollte dir den Spass noch eine Weile lassen. Die Zeit war schneller vergangen als ich dachte und langsam merkte ich, dass es nun vorwärts ging. Leider verspürte ich plötzlich einen unglaublichen Druck auf dem Darm und wollte aufs WC. Dort sass ich dann ewig ohne dass etwas passierte, bis Papi mich holen kam und die Hebamme mich beruhigte, dass es einfach dein Gewicht sei, das drücke.
Mittlerweile war es etwa 18 Uhr.
In der Zwischenzeit war die zweite Hebamme dazugekommen und gemeinsam hatten sie dein Geburtsnest eingerichtet. Auf dem Boden waren Matten und Tücher ausgebreitet, es war total gemütlich. Draussen war es mittlerweile dunkel. Drinnen brannten warmes Licht und Kerzen. Mir war plötzlich unsagbar heiss. Ich kniete nackt auf den Boden und spürte, dass es jetzt losging. Papi setzte sich auf einen Stuhl vor mir, ich legte meinen Kopf in seinen Schoss. Er streichelte mir unermüdlich den Rücken und unsere Hebamme bereitete meinen Damm mit Kompressen auf die Geburt vor. Ich versuchte jeglichen Pressdrang zu ignorieren, aber irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste einfach pressen, ich presste einfach! Die Hebammen waren total fasziniert von der völlig intakten Fruchtblase, die ich gerade gebar. Sie fragten, ob ich sie mit dem Spiegel sehen wolle. Aber ich wollte nicht und sagte sehr deutlich NEIN!
Die Fruchtblase glitt mehrere Male ein wenig heraus und ploppte dann wieder zurück in den Geburtskanal. Das war für mich angenehm, da der Damm so ganz sanft vorgedehnt wurde. Endlich brach dann das Fruchtwasser heraus und ich fühlte mich mit einem Mal sehr erleichtert. Der Druck liess stark nach und ich konnte mich sehr viel besser auf das Pressen konzentrieren. Es war sehr anstrengend, ich schwitzte wie verrückt und hatte grosse Sorge, dass mir alles reisst. Obwohl es nun wirklich fast unerträglich weh tat und ich ein wenig laut wurde, hielt ich tapfer durch, weil Papi mich so liebevoll streichelte und ich so unglaublich kurz vor dem Ziel war, dass ich einfach weitermachen musste.
Ich dachte immerzu an dich. Jede Sekunde stellte ich mir vor, wie ich dich ganz bald endlich, endlich in meinen Armen halten würde. Bei jeder Presswehe fühlte ich, wie du näher zu uns kamst. Und plötzlich spürte ich, wie dein Köpfchen hervordrang. Ich dachte, es zerreisse mich, darum war ich sehr vorsichtig und liess dich schnell wieder zurück und hineingleiten. So ging es mehrere Male, die Hebamme rief jeweils begeistert, sie sehe schon das Köpfchen und ich holte dich im letzten Moment dann doch wieder zurück. Sie fragte, ob ich das Köpfchen ertasten wolle und ich sagte wieder sehr deutlich NEIN. Das Pressen war so unglaublich anstrengend und ich hatte schon wieder so grossen Hunger! Also nahm ich mir vor, bei der nächsten Wehe einfach so lange zu pressen, bis der Kopf endlich ganz herauskäme – koste es, was es wolle, reisse was wolle!
Ich nahm also meine ganze Energie zusammen und bei der nächsten Wehe presste ich und presste und hörte nicht mehr auf. Ich presste, bis ich spürte, dass der Widerstand sich mit einem Mal auflöste. Da wusste ich: ich hatte das Köpfchen geboren! Nun also noch den Körper... ich presste weiter und presste und presste ganz konzentriert... Selbst als die Hebamme rief „Es esch da!“, presste ich weiter und dachte noch „Jaja, han ech dänk au gmerkt, dasses Chöpfli äntlech dussen esch!“. Erst als Papi rief „Da liehts!“, kapierte ich. Ich hatte dich bereits geboren. In einem einzigen Rutsch. Und da lagst du nun, unter mir, auf schneeweissen Laken. Ich war von deinem Anblick so überrascht und überrumpelt, dass ich kein einziges Wort sagen und mich nicht einmal rühren konnte. In Filmen sahen Neugeborene immer so rot und verschrumpelt und blutig, und die Nabelschnur wie ein dicker blauer verknoteter Schlauch aus. Aber du, du warst wunderschön. Einfach perfekt. Du warst rosig und rein und rund. Deine Nabelschnur war ganz dünn und glatt und milchig. Du hast gar nicht geweint. Du lagst einfach da, hast dich ein wenig geräkelt und mit deinem feinen Stimmchen ganz leise gejammert. Ich war völlig hilflos und wusste gar nicht, was ich nun mit dir anfangen sollte. Andächtige Stille. Da musstest du plötzlich zweimal kräftig niesen und wir lachten erleichtert.
Endlich ermutigte die Hebamme mich: „Nimms doch uf“. Ich wusste nicht, wie ich dich anpacken sollte, stellte mich ungeschickt an. Papi flüsterte noch: „Ech glaub, es esch es Meitli“. Da sah ich es auch und plötzlich kehrte Leben in mich zurück. Eine Tochter! Meine Tochter! Ich hob dich auf. Du warst so winzig und weich und warm, ich drückte dich einfach an mich. Die Hebammen deckten dich noch schnell mit einem warmen Tuch zu und schlichen dann leise aus dem Zimmer.
Dieser erste Moment als Familie war einfach unbeschreiblich. Da kniete ich also in Papis Armen auf dem lakenweissen Boden, dich glucksendes Bündel an meiner Brust, und es rollten unser beider Tränen des unfassbaren Glücks auf dich herab. Du schmiegtest dich an meine Haut, blinzeltest uns neugierig an. Ich hielt dich einfach fest und die Erleichterung und die Entspannung und das namenlose Glück schossen durch mich hindurch, in jede Pore meines Körpers. Dieser Augenblick dauerte eine unvergessliche Ewigkeit. Und bleibt auf ewig unvergessen.
Danke vielmals für die Rückmeldungen. Und ja, der Bericht kommt in ihre Erinnerungskiste. Sie soll ihn dann aber erst lesen, wenn sie schon 20 ist oder so. Oder wenn sie selber mal schwanger ist (was hoffentlich noch nicht mit 20 ist ).
Übrigens ist sie mittlerweile schon 1 Jahr alt. Ich hatte an diesem Tag irgendwie das Bedürfnis, mir nochmals alles in Erinnerung zu rufen. Im Nachhinein erscheint alles schon sehr rosig. Aber ich habe auch bewusst an diesem Punkt aufgehört zu schreiben, denn die Nachgeburt war dann alles andere als traumhaft
Sehr schön geschrieben. Ich bewundere deine Entscheidung als Erstgebärende im Geburtshaus zu gebären. Ich hatte nicht den Mut dazu. Zu gross war die Angst, dass nicht alles medizinische zur Hand gewesen wäre bei einer Komplikation. Bin aber auch mit meiner Spitalgeburt sehr zufrieden.
Das mit der Nachgeburt tut mir leid. Am Schluss bleibt einem ja zum Glück das Wunder, deine Tochter, erhalten und die schlimmen Momente verblassen mit der Zeit. Alles Liebe
@gummibärchen
Danke für deine Rückmeldung. Ich habe die Entscheidung diesem Forum mit zu verdanken. Während der SS habe ich sehr viele positive Geburtsberichte im GH oder zuhause lesen dürfen. Das hat mich sehr bestärkt! Mir war einfach total wichtig, dass meinem Körper Zeit gelassen wird und nicht unnötig "reingepfuscht" wird, damit es schneller geht.
Die Nachgeburt habe ich vor der zweiten Geburt mit meiner Hebamme immer wieder besprochen und verarbeitet. Das hat mir sehr geholfen. Habe mich auch coachen lassen mit mentalem Training, sodass beim zweiten Mal die Plazenta ohne Probleme kam. Das war eine grosse Erleichterung