Traumgeburt trotz Präeklampsie

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Cybelle64
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Traumgeburt trotz Präeklampsie

Beitrag von Cybelle64 »

Geburtsbericht

Ich habe alle Geburtsberichte verschlungen und manche sogar mehrmals gelesen. Somit denke ich, ist es nur fair, dass ich meinen auch hier anfüge. Ich bin 38 und habe mein erstes Kind in der Universitätsklinik in Genf geboren.

Die Schwangerschaft verlief eigentlich sehr gut. Ich habe bis 3 Wochen vor Ende praktisch voll gearbeitet. Mein Blutdruck stieg zwar stetig und auch die Ödeme. Dem Baby ging es aber prima und so meinte mein Arzt ich solle nur weitermachen. Wegen meinem Alter meinte er jedoch, er werde am errechneten Geburtstermin einleiten. Und so habe ich ab 38. Woche alles gemacht um meinem Sohn auf den Sprung zu helfen... Salbei-tee und Himbeerblättertee getrunken, Nachtkerzenöl eingeführt um den Muttermund weicher zu machen, lange Spaziergänge... Osteopathie und Akkupunktur. Ich wollte nämlich eine natürliche Geburt.

Geburt

Am Sonntag 18.01 gingen wir um ca. 23h ins Bett aber ich konnte vorerst nicht einschlafen. Um Mitternacht fingen Wehen an, vielleicht so alle 15min. Das hatte ich aber schon an ein paar Abenden gehabt und die vergingen immer wieder nach ca. 2h. Da mir die Wehen im liegen aber weh taten, stand ich wieder auf, lies aber meinen GG weiterschlafen. So sass ich auf der Couch und fragte mich ob es wohl losgehe.

Um 2.30 Uhr morgens veränderten sich die Wehen und kamen nun plötzlich alle 3min. Ich musste auch schon mehr atmen. So habe ich GG geweckt, der auch super schnell aufgestanden ist – er musste jedoch dann doch erst einen Kaffee trinken um richtig wach zu sein. Ich habe unterdessen das Bad eingelassen mit grosser Vorfreude, denn ich stellte mir das super vor. Ich habe nur zwei Wehen (also wohl weniger als 10min) in diesem erträumten Bad verbracht... es war super zwischen den Wehen, aber die Wehen selber waren kaum auszuhalten im Bad. Um eine Wehe zu verarbeiten ‚musste’ ich aufrecht oder auf der Seite sein und das konnte ich in unserer engen Wanne nicht. Also wieder raus... Einen Ball hatte ich auch noch gekauft, da hielt ich nicht mal eine Wehe lang aus... also alle meine super Dinge, die ich unbedingt haben wollte, waren in dem Moment nichts.

Schlussendlich stand in einfach entweder am Lavabo im Bad oder an der Wand im Wohnzimmer und veratmete alle 2-3 Minuten eine Wehe. Mir ging es sonst aber gut und ich fühlte mich total wohl zu Hause. Einmal musste ich erbrechen, was ich als Zeichen nahm, dass wohl die aktive Phase beginnt.

Um ca. 5h habe ich dann doch einmal im Spital angerufen. Die Hebamme hat mir eine Weile zugehört und gemeint ich solle mich doch mal langsam auf dem Weg machen. Das hat mich überrascht... und so haben wir uns dann auch noch etwas Zeit gelassen. Schlussendlich waren wir um 6.30h in der Aufnahme.

In der Aufnahme wurden die normalen Untersuchungen gemacht. Ich war ‚erst’ 3cm, was mich sehr enttäuscht hat, denn ich hatte mir vorgenommen so lange wie möglich zu Hause zu bleiben. In meinem Urin waren sehr viele Proteine – zusammen mit dem Bluthochdruck und den Ödemen - wurde eine Präeklampsie diagnostiziert. Da sah ich meine natürliche Geburt sich verflüchtigen. Es wurde auch gleich ein Mittel an meine Infusion gehängt und einen Krampfanfall zu verhindern. Ich fragte, ob ich denn nun einen Kaiserschnitt bekommen werde?! Mindestens eine PDA schon, damit der Blutdruck durch die Schmerzen nicht noch weiter hochgetrieben werde. Ich war total enttäuscht, denn ich hatte so viel Mindfulness (Achtsamkeit) Meditation gemacht, damit ich eben keine brauche. Ich muss hier noch sagen, dass in der Westschweiz die PDA eigentlich die Norm sind.

Kurz vor 7h waren wir im physiologischen Gebärsaal - es gibt 2 davon an der Uniklinik. Sie sind etwas freundlicher und darauf ausgerichtet natürlich zu gebären. Mein Arzt kam um 8h und stellte fest, dass ich bei 6cm war. Ob ich nun meine PDA haben wolle? Ich sagte nein, ausser es sei medizinisch zwingend. Er antwortete, es sei gut für meinen Komfort und aus medizinischen Gründen auch nicht schlecht. Ich wollte den Komfort nicht und sagte nochmals nein. Er hat nicht verhandelt und ist wieder gegangen. So sagte ich mir, dass es wohl medizinisch nicht so dringend sei.

Während der Wehen, die intensiv waren, habe ich mich auf meine einzig Atmung konzentriert. So bald sich ein anderer Gedanke eingeschlichen hat, habe ich ihn angenommen aber weitergeschickt. So wie Blätter auf einem Fluss davontreiben. Kaum war die Wehe vorbei, habe ich mental meinen Körper gecheckt und ganz bewusst alle Anspannungen losgelassen Mit der Entspannung kam dann auch das Wohlgefühl. Die Meditation hat mir dazu echt geholfen (Buchtipp siehe unten). Zwischen den Wehen war ich wie weggetreten vor lauter Endorphinen. Ich habe mich wohl nie so gut gefühlt! Vom Moment im dem wir in den Kreissaal gekommen sind, habe ich nur sehr selten die Augen aufgemacht. Ich war total konzentriert auf meinen Körper.

Nach dem zweiten Untersuch um 9.30h war ich erst 6-7cm. Mein Arzt meinte ich sollte vielleicht doch eine PDA haben, damit das Kind besser runter käme. Für mich war das nicht logisch, ich fand dass es doch im stehen viel eher ins Becken rutscht als wenn ich mit einer PDA ins Bett lege. Ich sagte ‚non merci’. Ich war schon etwas enttäuscht immer noch praktisch gleich weit zu sein und habe daran gezweifelt ob ich es schaffe ohne PDA. Mit der nächsten Wehe waren die Zweifel aber wieder weg.

Um 10.30h kam der Arzt nochmals und da war ich immer noch 6-7cm. Nochmals ein Schlag ins Selbstvertrauen, wieder der Vorschlag der PDA . Ich habe wieder nein gesagt, aber insgeheim haben sich Zweifel eingeschlichen. Als ich mit meinem GG alleine war, habe ich die Zweifel erwähnt und er meinte nur, das vergibst du dir nie... halt durch! (das hatten wir so abgemacht). Und dann kam sowieso schon die nächste Wehe. Irgendwann tauchte zwischen zwei Wehen ein Papier vor mir auf, das ich lesen und unterschreiben sollte... es ging um meine Einwilligung zur PDA?! Ich verstand nicht ganz woher das nun kommt, die Hebamme meinte es sei nur für den Fall?! Ich habe angefangen zu lesen und dann kam die nächste Wehe und der Zettel war vergessen. Ich habe erst nach der Geburt wieder daran gedacht und meinen GG gefragt wo der denn hingekommen sei. Er hatte den Zettel während der Wehe weggelegt hatte... denn ich wollte ja keine PDA, als muss ich auch keine Einwilligung unterzeichnen. Gut gedacht lieber GG! ☺

Der Arzt stand dann plötzlich mit einem Ultraschallgerät da. Er wollte abchecken ob es wohl ein Sternguckerli wird, aber alles war normal. Was er aber gemerkt hat, ist das meine Fruchtblase nur einen Ritz hatte und somit noch nicht richtig geplatzt war. Er hat sie dann also aufgemacht und meinte: so jetzt sind sie wirklich bei 7cm. Und dann ging er wieder...

Es war ca. 11h und er dachte wohl es gehe nochmals 3h. Die Hebamme wollte mich auf dem Bett lassen, damit Baby sich an die neue Situation ohne Fruchtwasser gewöhnen könne. Ich war zwar nicht happy, aber blieb dann doch liegen und schlief jeweils zwischen den Wehen ein (alle 2min). Die Wehen selber waren heftig aber ich wusste ja, dass ich nun in der Übergangsphase bin und es normal ist, dass es intensiv ist, das Ende ist aber auch nah.

20min später hatte ich das Gefühl dringend aufs WC zu müssen. Ich wurde von der Blutdruckmaschine abgehängt und schon war ich unterwegs mit meinem Venentropf und GG aufs Klo. Da setzte ich mich kurz hin und bekam die wohl stärkste Wehe überhaupt! Prompt stand ich auf und fing an zu pressen. Das ging ganz ohne überlegen, mein Körper hat einfach übernommen. Ein kleiner Teil meines Hirns hat dann auch registriert, dass ich plötzlich so stöhne, so wie ich es in einem YouTube Video gehört hatte... und ich dachte: Aha, das Baby kommt. Ich habe dann auch den Kopf gespürt und den Feuerring. Mein Mann hat in Panik nach der Hebamme gerufen, aber ich war ganz ruhig. Für mich stimmte es absolut so. Ich hätte ohne weiteres gleich da im Stehen vor dem Klo mein Kind geboren.

Die Hebamme kam dann auch wieder ins Zimmer geeilt und ist in Panik ausgebrochen. Sie dachte wohl auch es geht noch 3h und war überhaupt nicht bereit... und man musste ja auch noch den Professor rufen. So wurde ich ins Zimmer gefugt und gebeten aufs Bett zu steigen. Ich habe mich vorerst geweigert, aber offenbar hat sie dann während einer Wehe meinem GG zu verstehen gegeben, dass es sein muss... er hat geglaubt es sei gefährlich stehen zu bleiben. Und so wurde ich von meinem Mann eher unsanft aufs Bett gehoben.

In dieser halb sitzenden Lage war mir viel weniger klar was mein Körper will und so habe ich mehr oder weniger gemacht was mir gesagt wurde. An Schmerzen kann ich mich nicht erinnern, ausser das Brennen. Ich spürte ganz klar wie der Kopf kommt, was ich unglaublich fand, denn es hiess ja, dass mein Sohn dann gleich da ist. Was weh tat war dass der Arzt irgendwie versuchte zu dehnen. Das tat mehr weh als der Kopf meines Sohnes!

Nach der 1. Presswehe, konnte ich den Kopf mit meinen Fingern ertasten. Der Arzt meinte ich müsse jetzt vorwärtsmachen, er könne mir nicht mehr helfen. Ich wollte aber auch gar keine Hilfe. Ich liess dann meine Hand schön am Kopf meines Kindes damit sonst niemand da ‚reinfuchteln’ kann. So spürte ich wie mit der nächsten Wehe der Kopf geboren wurde. Er hat sich dann leicht gedreht und schon kamen die Schultern mit der nächsten (und letzten). Jemand hat mich dann aufgefordert mein Kind zu mir zu nehmen, ich habe ich sozusagen aus mir rausgezogen. Ich hatte echt das Gefühl das ich ihn ganz alleine geboren habe.

Mein Sohn hat dann auch gleich geschrien. Danach hat er nach meiner Brust gesucht und sofort angesetzt. Es war wunderbar! Es war Punkt 12 Uhr mittags!

Und dann... jetzt kommt das nachher:
Mein Arzt hat angefangen auf meinem Bauch rumzudrücken. Die Plazenta müsse jetzt raus! Ich fand er tue mir weh und er solle das bitte lassen. Aber er hat einfach weitergemacht und noch stärker gedrückt. Mir war meine Schmerztoleranz wie weggeblasen. Kaum wurde ich berührt tat es mir weh... Da hat der Arzt auch noch gesagt: wenn sie jetzt dann nicht kommt, müssen wir eine PDA machen um sie rauszuholen?! WIE BITTE???? Jetzt habe ich ohne geboren! Der Arzt hat dann die Hebamme geschickt ein Medikament aufzuziehen, und bevor sie zurück war, war die Plazenta auch schon da. Einmal mehr Stress für nichts – zumindest schien es mir so. :evil:

Dann musste auch noch genäht werden. Dazu wurde eine Lokalanästhesie gemacht. Die Stiche taten zwar etwas weh aber vom eigentlichen Nähen habe ich nichts gemerkt. Die Naht hat mir nachher auch nie weh getan – ich hatte solche Angst davor, dass es dann immer brennt.

Mein Sohn wurde dann irgendwann gewogen und gemessen – 51cm und 3640g, bei 38 Wochen und 5 Tagen. Ich habe gebeten, dass sie ihm nur eine Windel anziehen und mir ihn sonst wieder nackt geben. Das haben sie auch gemacht und wir haben weiter genossen einander so nah zu sein. Wegen der Präeklampsie musste ich für 24h auf die Überwachungsstation. Das fand ich relativ enttäuschend, denn ich wollte eigentlich gleich nach Hause. Nach 24h wurde dann das Medikament abgehängt und ich musste weitere 24h Stunden auf der Abteilung bleiben, um zu schauen ob ohne Medikament alles ok bleibt.

Im Fazit finde ich, dass ohne die Ungeduld und Interventionen des Professors wir es viel ruhiger gehabt hätten. Aber ohne den Professor hätte ich auch eine PDA gehabt, denn das Protokoll des Spitales schreibt diese bei einer Präeklampsie vor. Als Chefarzt konnte er aber seine eigene Regel missachten und hat dies für mich und meinen Wunsch gemacht. :D

Ich freue mich bereits auf die nächste Geburt! Und wenn es ohne Präeklampsie klappt, dann würde ich sehr gerne in ein Geburtshaus gehen!

Buchtipp:
Nancy Bardacke: Der achtsame Weg durch Schwangerschaft und Geburt
http://www.amazon.de/achtsame-Weg-durch ... y+bardacke
Zuletzt geändert von Cybelle64 am Do 3. Sep 2015, 16:31, insgesamt 1-mal geändert.

Snoopy2014
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Re: Traumgeburt trotz Präeklampsie (lang!)

Beitrag von Snoopy2014 »

super schöner Bericht! Toll konntest du Dich soweit es ging durchsetzen, riesen Respekt, dass schaffen nur die wenigsten. Ich hoffe für dich, dass du Dein 2. Wunder im Geburtshaus in ruhigere Atmosphere gebären darfst. Doch vorher Alles Gute und schöne Kuschelzeit.

Cybelle64
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Re: Traumgeburt trotz Präeklampsie (lang!)

Beitrag von Cybelle64 »

Vielen Dank Snoopy! Es war nicht einfach, aber ich bin stur und habe einen harten Kopf. Ich wusste was ich wollte und hatte mich extrem viel mit dem Thema Geburt auseinandergesetzt - weil es mir eigentlich Angst machte. Schlussendlich hatte ich sogar das Gefühl, dass ich am liebsten das alleine zu Hause machen würde - wenn ich 100% sicher sein könnte, dass dies kein Risiko ist für mein Kind.

Mich stören immer noch gewisse Dinge die abgelaufen sind und teils Reaktionen. Aber ich erinnere mich jeweils daran, dass es schlussendlich wirklich sehr nahe an einer Traumgeburt war, obwohl am Anfang die Sterne gar nicht gut standen (Präeklampsie). Also ja eine Traumgeburt... :)

Ich geniesse die Kuschelzeit in vollen Zügen - vielen Dank! Und ein nächstes plane ich (GG ist da noch nicht ganz on board) schon langsam.

HonigBienli
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Re: Traumgeburt trotz Präeklampsie (lang!)

Beitrag von HonigBienli »

wow, wie stark du bist! toller bericht, [-]️lichen dank. wünsche euch alles liebe und gute. eine schöne angewöhnungszeit. hoffe mein 2. geburt wird so ein erläbniss;-). denke einfach an dich und hoffe..., hihihi.

Cybelle64
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Re: Traumgeburt trotz Präeklampsie (lang!)

Beitrag von Cybelle64 »

Liebes HonigBienli,

Vielen Dank für deinen Kommentar!

Ich drücke dir die Daumen für deine zweite Geburt!

Das Buch hatte einen guten Tipp für jede Intervention - deren Abkürzung war BRANN
B - Benefit - Vorteil
R - Risk - Risiko
A - Alternative
N - Now - Muss man es jetzt machen?
N - Nothing - Was wäre wenn man nichts macht?

Ich hatte zwar nicht Zeit das im Moment mit dem Arzt zu besprechen - mit Wehen alle 2-3 Minuten ist es nicht gut möglich. Aber ich hatte mir mit dieser Methode die meisten Interventionen schon vorher überlegt und somit eine relativ klare Meinung was ich sagen würde (non merci ;-)). Aber wichtig ist halt auch zu akzeptieren wenn es schlussendlich doch anders kommt!

Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen. Ist es schon bald so weit?

Schönen Abend,
Cybelle

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