Mein Sohn schläft ebenfalls

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Mein Bericht:
Ich kann mich wirklich nicht beklagen über die Schwangerschaft mit meinem Sohn. Silvester verbrachte ich im Spital wegen einer Nierenbeckenentzündung und bis zum Schluss war meine Niere gestaut. Ich hatte auch Wehen aufgrund der Entzündung, weshalb ich ziemlich lange liegen musste. Viele sagten mir, dass ich bestimmt übertragen werde.
Je länger die Schwangerschaft dauerte, desto besser fühlte ich mich.
Ich war bereits im 8. Monat, da fragte mich die Mutter einer Kollegin weshalb ich eigentlich nicht im Geburtshaus gebären würde. So meldete ich mich dort an, nachdem ich keine Argumente dagegen gefunden hatte.
In der 38. SSW hatte ich die erste Kontrolle im Geburtshaus bei meiner Hebamme. Die zweite Kontrolle hätte dann am 18. April, am Entbindungstermin stattfinden sollen.
Am Freitag dem 15. April war ich das letzte Mal an der Fachhochschule. Ich hatte die Präsenzpflicht erfüllt. Am Samstag machten wir den Wocheneinkauf im Shoppingcenter und kauften noch die Isofixstation. Am Sonntag erwachte ich ungefähr um halb 4 in der Nacht. Ich glaubte Wehen zu haben. Danach lag im noch eine Zeit im Bett, schaute auf die Uhr und mass die Abstände. Die Wehen kamen regemässig alle 8 Minuten. Sie waren nicht wirklich stark. Um 6 Uhr duschte ich das letzte Mal, zog bequeme Kleider an und packte die Tasche fertig. Die Wehen kamen nun schon alle 3 Minuten und schmerzten. Ich beschloss meine Freund zu wecken und rief danach im Geburtshaus an, da ich auch ein wenig blutete. Währenddessen spazierte ich um den Tisch und dachte alle 3 Minuten „aua“. Die Hebamme meinte, ich könne einrücken. Es war 08.40.
Im Geburtshaus angekommen, wurde ich untersucht. Die Hebamme meinte, vielleicht müsste ich noch einmal nach Hause. Ich dachte nur, SCHEISSEnein.
Ich weiss nur noch, dass die Untersuchung des Muttermundes extrem wehtat. Ich weiss nicht mehr genau wie weit offen ich war. Zwischen 2 und 5 cm. Auf jeden Fall durfte ich gleich im Gebärzimmer bleiben. Die nächsten Stunden sind sehr schnell vergangen und ich weiss nicht mehr, was genau geschah. Mein Freund blieb fast die ganze Zeit bei mir. Er war nur kurz weg um etwas zu essen. Ich weiss nur noch, dass die Wehen schmerzhafter wurden und die Hebamme mit mir das Veratmen der Wehen übte. Das klappte eigentlich ganz gut. Irgendwann durfte ich noch in die Wanne. Ob das gut war oder nicht weiss ich nicht mehr. Meine Hebamme sagte mir, dass ich auch sagen dürfe wenn es wehtut.
Ständig wurde ich gezwungen, auf die Toilette zu gehen, die Lage zu wechseln und den Muttermund untersuchen zu lassen. Jedes Mal wurde dadurch eine Wehe ausgelöst. Ich wollte eigentlich nur in der Seitenlage liegenbleiben und sterben. Irgendwann waren die Herztöne nicht mehr so gut und ich bekam Wehenhemmer. Leider hemmten diese meine Wehen nicht wirklich. Oder es kam mir nur so vor. Keine Ahnung. Als ich auf dieses Gerät mit den Herztönen drauf schaute, hatte ich Lust zu schreien. Machte ich natürlich nicht.
Mein Sohn kam einfach nicht runter. Obwohl ich ständig die Lage wechselte. Ich hatte extreme Rückenschmerzen und mein Partner musste mir das Kreuz massieren. Danach hatte ich einen blauen Rücken und er Muskelkater. Langsam verabschiedete ich mich von dem Gedanken, ein Sonntagskind zu gebären. Meine Hebamme ging irgendwann nach Hause und es kam eine andere. Ich dachte, jetzt sterbe ich. Sie war allerding ganz toll. Ich konnte die meisten Wehen sehr gut veratmen dank ihrer Unterstützung. Manchmal war es aber so schlimm, dass ich nicht mehr atmen konnte. Ich hyperventilierte. Das war vor allem in unbequemen Lagen. Am schlimmsten war es auf dem Rücken zu liegen. Ich dachte die ganze Zeit nur: NIE NIE NIE wieder ein Kind. Gegen Mitternacht kam der Arzt teilte mir mit, dass er nun die Fruchtblase aufstechen würde. Ich dachte JA JA JA, jetzt geht es vorwärts und mein Sohn kommt runter. Der Arzt verliess das Zimmer. Wieder musste ich auf die Toilette und die Lage ändern. Die Hebammen berieten sich und holten den Arzt zurück. Der untersuchte mich wieder und sagte, dass ich in das Spital muss. Die Fahrt im Auto war das Schlimmste was ich je erlebt habe. Ich konnte nicht sitzen. Die Hebamme meinte, dass ich im Spital eine PDA bekommen würde und danach ein bisschen ausruhen könnte. Danach würde das Kind dann schon kommen. Mein Freund sagte mir später, dass der Arzt ihm schon im Geburtshaus sagte, dass es einen Kaiserschnitt geben würde. Ich dachte sowieso nur blabla. Mir war gerade alles egal und dachte sowieso, sterben zu müssen. Mit einem Rollstuhl wurde ich in den Gebärsaal geschoben. Auf dem Weg verlor ich einen Schuh. Die Hebammen verabschiedeten sich und eine neue stellte sich vor. Sie wollte mich duzen. War mich scheissegal in dem Moment. Es kam dann eine Ärztin, die einen Ultraschall machte. Sie sagte, dass es einen Kaiserschnitt geben würde, weil das Baby ganz schlecht liegen würde. Danach wurde ich darüber informiert, welche Risiken es bei einer PDA und einem Kaiserschnitt geben würde und musste Papiere unterschreiben. Seit ich das Geburtshaus verlassen hatte, konnte ich überhaupt nicht mehr mit den Schmerzen umgehen. Ich hatte furchtbare Angst und wollte nur noch, dass sie mein Baby aus mir rausholen. Endlich wurde ich für den OP bereitgemacht und der Blasenkatheter wurde gelegt. Im OP war es schrecklich. Der Raum erschien mir irgendwie surreal, Science-Fictionmässig. Ich musste auf dem Rücken liegen, hatte ständig Wehen trotz nutzlosen Wehenhemmern und es war irgendwie allen komplett egal. Viele Menschen wollten etwas von mir. Runden Rücken machen, spüre ich dieses und jenes, Zugang legen, meine Arme runterbinden,...
Dann ging es endlich los. Ich zitterte ganz schlimm und konzentrierte mich darauf, meine Zunge nicht zu verschlucken. Meine Beine spürte ich nicht. Es wurde auf meinem Bauch rumgedrückt. Mein Freund schaute mich an als wäre ich schon tot. Um 03:03 hörte ich zwei Schreie meines Sohnes. Er wurde mir kurz gezeigt und dann weggetragen. Ich dachte nur: OH GOTT. Mein Sohn war komplett blau, voller Schrammen und Blut und sein Kopf war extrem verformt. Irgendwann brachten sie mir ihn dann wieder. Blau war er immer noch. Ich konnte ihn nicht richtig halten, da ich immer noch so stark zitterte. Im Aufwachsaal zitterte ich weiter. Deshalb bat ich meinen Freund, das Kind zu halten und betrachtete beide aus der Ferne. Irgendwann wurde ich auf die Wochenbettstation gebracht und mein Freund wurde nach Hause geschickt. Da ich mich nicht wirklich bewegen konnte verbrachten wir die Zeit gemeinsam in einem Bett. Nach zwei Nächten konnte ich wieder aufstehen und durfte ins Geburtshaus zurück. Das war die beste Entscheidung. Wir blieben vier Nächte und ich lernte endlich zu stillen.
Der Kaiserschnitt wurde vom Belegarzt des Geburtshauses durchgeführt. Er kam uns noch einige Male besuchen. Mein Sohn war beim Eintritt in das Becken ein Sternguckerli. Mit 3320g war er für mein Becken zu gross. Laut dem Arzt hätte er es selbst in dieser Lage schaffen können, wenn mein Becken grösser oder er kleiner gewesen wären. Ebenfalls hatte er die Nabelschnur um den Hals. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich es nicht schaffen könnte und es nagt immer noch an mir. Die Hebammen haben mir angeboten, jederzeit über die Geburt zu reden. Im Moment will ich aber alles andere als darüber reden. Ich versuche einfach froh zu sein, dass es uns beiden gut geht und es die Möglichkeit eines Kaiserschnitts gibt. Ebenfalls bin ich froh, meinen Freund zu haben. Er hat mich während diesen ganzen 24 Stunden nie länger als 5 Minuten verlassen.
Heute, nach beinahe 4 Wochen könnte ich mir ein zweites Kind durchaus vorstellen. Ich schreibe diesen Text und kann es mir immer noch vorstellen. Und ich frage mich: WIESO?! Die Wehen fühlten sich nicht an wie Mensschmerzen. Es war etwas viel Grösseres und Tieferes. Eher wie ein Zerreissen welches ganz innen anfängt. Aber ich erinnere mich nicht mehr. Und das ist gut so.
Mein Dilemma für das nächste Mal: Geburtshaus ja. Aber: NIE mehr ohne PDA.
Tschuldigung. Ist ein bisschen lange geworden...