Dr. Karg Gedichte / Teil 2

Moderator: Phönix

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Hans Hartmut Karg
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Der Anruf

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Der Anruf

©Hans Hartmut Karg
2016

Wir leben für uns schon in segensreicher Zeit,
Weil auch die Technik uns ein wenig mehr beschenkt,
Wenn die Systeme weltweit und zum Dialog bereit
Und keine Störung uns geflissentlich ablenkt.

Da lebt man einsam und umsorgt im Krankenhaus,
Dränagen und Computer stärken Körper, Geist.
Sie lieben es, umsorgt, der Seele weit voraus,
Wo diese noch verwirrt sehr einsam reist.

Die Einsamkeit ist heute nicht mehr „in“,
Denn immerzu zeigt mir mein Smartphone Nähe.
Hat da die Technik nicht den guten Sinn,
Wenn sie stets in Kontaktbereitschaft gehe?

Da ruft mich jemand an, fragt nach dem Wohlergehen
Und gibt mir jene Chance, um endlich von mir zu sprechen.
Wie herrlich, wenn wir dann das Miteinander sehen,
Was wir erlebt, wie wir die Grenzen und Barrieren brechen.

Selbst in der Ödnis kann uns so die Wellenstimme
Aus Not und Einsamkeit mit sanftem Ton erretten.
Gar manches Mal verscheucht das Grillen Isegrime,
Die einen gar zu gut und gern bedroht denn hätten.

Der Anruf bringt uns in die Menschenwelt zurück,
Selbst wenn er – leider – Todesnachricht schnürt.
Auf diese Weise nur erweitert er den engen Blick,
Wenn er nicht Hasspredigt und Intriganzen schürt.

*

Hans Hartmut Karg
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Lufthauch

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Lufthauch

©Hans Hartmut Karg
2016

Die feine Morgenluft hat heut' die Nase mir geneckt,
Um diese frühe Uhrzeit bin ich noch nicht ganz erweckt.
Die Tauben meinen, dass wir alle selig schlafen,
Noch ganz in Orpheus Armen und im Ruhehafen.

Der Hamster rennt immer im Hamsterrad,
Dreht seine Runden, die unendlich fad.
Er treidelt laut dem Hamstertod entgegen
Und kann das Überleben so kaum pflegen.

Lufthauch, ich warte auf die sanfte Welle,
Die dann leicht hinlenkt mich zur Tageshelle,
Denn lebensfroh lässt so der Tag sich locken
Und Hoffnungen kommen nicht mehr ins Stocken.

*

Hans Hartmut Karg
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Ein erfülltes Leben

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Ein erfülltes Leben

©Hans Hartmut Karg
2016

Sie kaufte in den allerbesten Läden ein
Und wusste sich sehr elegant zu kleiden.
Der Luxus blieb ihr wichtig für ihr Sein,
Mit neuen Schuhen mochte sie die Welt gut leiden.

Sie hatte endlich jenen Milliardär gefunden,
Von dem Millionen Girlies immer träumen:
Sehr schlank, sehr groß, mit den Windhunden
Öffnete ein Leben er ihr in den größten Räumen:

Die Riesenvillas, Bäder, tausend Schränke,
Schmuckkoffer, voll mit Ketten und Geschmeide.
Im eigene Park die Pavillons, die weißen Bänke
Und viele Autos, dass man Not nicht leide.

Kein Kind, doch viele Luxusreisen,
Bei jeder Ankunft Köchin, Catering.
Nur Umgang in gehobenen Kreisen,
Denn Arbeit war niemals ihr Ding.

Doch jedes Luxusweib wird einmal älter,
Der Milliardär entdeckte plötzlich junge Dinger
Und die Beziehung wurde kalt und kälter,
Und er, er wurde nun ein schlimmer Finger.

Er trennte sich von ihr und ließ sie fallen,
Rasch fiel sie trübsinnig in große Einsamkeit.
So wollte ihr am Ende doch nichts mehr gefallen
Und niemand da, der mit ihr hatte noch Mitleid.

Hämisch zogen sich Freundinnen zurück,
Denen war nur der Sieg das wahre Leben.
Und sie ertrug so manchen Seitenblick,
Der nichts als Schadenfreude wollte geben.

Wie konnten Eltern einst der Tochter raten,
Sich nur aufs Millionärsangeln zu konzentrieren
Und ohne Selbstbewusstsein, ohne eigene Taten
Sich hin zur Selbstaufgabe leichtfertig zu generieren?

Die freie Frau braucht nicht den Luxus, nicht den Tand,
Um sich ein gutes Leben aufzubauen.
Auf Augenhöhe, informiert in ganzen Land
Kann sie den eigenen Kräften immer trauen.

Da weiß die feminine Weiblichkeit um ihre Freiheit,
Die der Person die Unabhängigkeit erst garantiert.
Sie bleibt ihr eigner Souverän und ohne Leid,
Wo nicht die Luxusmacht zum Sklaventum verführt.

*

Hans Hartmut Karg
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Weiße Bank

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Weiße Bank

©Hans Hartmut Karg
2016

Noch sind die Flächen braun
im auslaufenden Winter.
Und die Balkonumrandung
trübt unsere Abendsinne ein.
Doch blicke ich zur weißen Bank,
die jugendstilklar hell im Lichte steht,
weiß ich, wie ganz allmählich
Jugend in den Frühling steigt.

*

Hans Hartmut Karg
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Totentanz

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Totentanz

©Hans Hartmut Karg
2016

Er konnte einfach nicht mehr tanzen.
Ein Leben, das so lang gelebt,
sehnt sich nach Schlaf.

Die alten Knochen waren
längst vom Alkohol zerfressen,
und nur die Bänder hielten
alles noch zusammen.

Doch als der Sensenmann
im Türrahmen erschien,
begann sein Herz
rasend zu schlagen.

Der packte ihn und drehte
Pirouetten, immer schneller.

Er musste mit, konnte nicht anders,
musste jetzt so richtig tanzen.

Und er versank mit ihm
in dunkler Tiefe.

*

Hans Hartmut Karg
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Wo Liebe sich

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Wo Liebe sich

©Hans Hartmut Karg
2016

Wo Liebe sich in Dauerherrschaft wandelt
Und Zärtlichkeit mit Macht wird eingetauscht,
Bleibt niemand mehr, der herzlich handelt,
Weil keiner mehr der Partnerseele lauscht.

Wo Liebe sich nicht mehr daran erinnert,
Wie schön von Anfang an doch alles war,
Weil längst das Dunkle alles nur verschlimmert,
Verdrängt der Mensch die frühen Welten gar.

Wo Liebe sich verliert, anders anbandelt,
Gerinnt Erinnerung zum Nichtmehrschönen,
Weil Hass das Herz ungut verhandelt –
Und daraus fließt nie mehr ein Weltversöhnen.

Wo Liebe sich im Jemeinigen ganz verliert,
Wenn immer nur die neuen Bilder siegen,
Weil sie den Trennungswunsch herbei geführt,
Kann Liebe keiner Sehnsucht mehr genügen.

Wo Liebe sich im Ausainnderleben findet,
Zerbrechen Anmut, Witz und Zärtlichkeit,
Weil Anderes das Innenleben an sich bindet,
Denn Neugier will nur Freude ohne Leid.

Wo Liebe sich nicht mehr erfüllen kann,
Verbreiten Rosenkriege schlimme Waffen
Und keiner sieht, wie den Beziehungswahn
Jene vermehren, die nur schüren, hämisch gaffen.

*

Hans Hartmut Karg
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Manchmal hebt

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Manchmal hebt

©Hans Hartmut Karg
2016

Der Vorhang der Erinnerung hebt sich manchmal noch
und öffnet so den Mantel des steten Vergessens.
Strahlend tritt dann der Jugend Glanz hervor,
Obwohl so viel längst verwelkt.

Und doch heben sich die Augen träumend
hin zu den vergangenen Ereignissen,
wollen endlich wieder einmal dorthin,
wo alles war und nichts mehr ist.

Dann wiederum treibt der Zeiten milder Schleier
die Erinnerung mit einem Nahereignis fort
und trägt sie - alles verbergend –
den Ewigkeiten zu.

*

Hans Hartmut Karg
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Bin schon wieder

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Bin schon wieder

©Hans Hartmut Karg
2016

Bin schon wieder ganz bei Euch,
War nur kurz in anderen Welten,
Wo sie mich langsam herstellten,
Mir entfernten Wildgesträuch.

Von Zeit zu Zeit seh' ich die Ärzte gern,
Die ganz in Weiß die Knoten untersuchen,
Hin und wieder einen Eingiff bei mir buchen
Und mich wieder hinführen zum Lebensstern.

Bin dann froh und wieder mal im Land,
Wo sich meine Dichter spielerisch einfinden,
Leid und Elend miteinander suchend überwinden
Und mit einem LIKE mir freundlich zugewandt

Für die schönen Reime sich bedanken,
Die tagtäglich in den besten Foren.
Und wie neu geboren finden Horen,
Wo sich Rätselworte um die Verse ranken.

Leb' ich doch in goldenem Zeitalter:
Nie zuvor gab es so derart viele Dichter,
Gießen ihre Sprache in schöne Gedichte
Die im Musenwind erleichtern jedes Alter.

Da bin ich so übergern bei Euch zurück,
Weg von Kunststoff, Glas, Metall und Apparaten,
Kann die Wortfreiheit so wieder auf mich laden
Und Unangenehmes würdigen mit keinem Blick.

*

Hans Hartmut Karg
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Schlafen

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Schlafen

©Hans Hartmut Karg
2016

Schlafen, nichts als nur noch tief schlafen,
Und nicht mehr schlimme Schmerzen spüren!

Die Menschen,
die am Bette saßen,
ja, alle treu und lieb,
begleiteten den
letzten Kampf,

bis dann die Atmung schwerer wurde
und atemlos ihr Körper ruhig schlief.

*

Hans Hartmut Karg
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Kaspar Hauser

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Kaspar Hauser

©Hans Hartmut Karg
2016

Er war d a s Rätsel seiner Zeit
Und wird der Menschheit ewig Rätsel bleiben.
Für die Erziehung ist das Findelkind weltweit
Ein Beispiel, an dem sich die Geister reiben.

War er wohl adelig von Geschlecht,
War er der ausgesetzte Wurm?
War er ein Tier, das nicht ganz echt,
Bereitete ihm ein Gewissen Sturm?

Am Unschlittplatz im schönen Nürnberg
Ward er ins tiefe Loch geworfen.
Gefüttert wurde er, der Zwerg,
War Einsamkeiten unterworfen.

Niemand sprach mit ihm, nur getränkt,
Gefüttert ward der kleine Balg.
Die Seele ward so tief gekränkt –
Und feucht durchsetzt sporte der Kalk.

Der Raum nahm alles auf, Angst, Exkremente,
Dämmrig durchsetzt, das war der Tageslauf,
Und grob und ungewaschen der Leib, die Hände,
Da blühte keine Freiheit bei ihm auf.

Schließlich dann doch erbarmte sich das Herz,
Das ihn bisher so wohl genähret hatte
Und ließ ihn frei – es war kein Scherz –,
Er sollte nicht mehr leben wie 'ne Ratte!

Tierlaute nur sprach nun der arme Tropf,
Er konnte auch nicht lachen und nicht weinen,
Ging stets gebückt mit Schulter und mit Kopf,
Schleppend im Gang der Kummerkleinen.

Die Haare dicht und nestzerzaust,
So überlang, es musste alles übel riechen,
Denn wie ein Wilder, unbehaust,
Gab es für diesen Menschen ja kein Siegen.

Dem Lehrer Meyer übergab man ihn
Nach Ansbach, um zu kultivieren,
Was ja in aller Lehrer Sinn –
Und um ihn in Gesellschaft einzuführen.

Es war nicht leicht, ihn sprechen lernen
Und unaufrichtig war er auch.
Er lief gern, ohne sich weit zu entfernen
Und trug Kleidung, wie's damals der Brauch.

Das alles ging recht zäh, mit langem Fortschritt
War anfangs leider nicht zu rechnen.
Doch dann zog willentlich der Junge mit,
Er lernte sprechen – und ein wenig rechnen.

So nannte man halb amüsiert
Den Knaben Kaspar Hauser,
Kleidete ihn, wie's gebührt:
Stolz war er, gar kein schlimmer Lauser!

Fürchtete nun gar der Leiberzeuger,
Dass Kaspar sich erinnern könnte,
Als ausgesetzt er vom Rechtsbeuger
Und der an die Enttarnung sich so nicht gewöhnte?

Als Kaspar Hauser im Hofgarten ging
Und er verletzt sich zu den Menschen schlich,
Dann leidend starb, obwohl am Leben er doch hing,
Die Fama nicht mehr von ihm wich:

War er der Sohn eines Prinzen aus Baden?
Trat er als Kind von Nürnbergern herfür?
Wer wollte diesem Menschlein schaden?
Stand der zwischen Manie und Gier?

War er ermordet worden von der reichen Welt?
Gab es für ihn denn wirklich keine Rettung?
Bleibt leidend denn der Mensch auf sich gestellt,
Wenn er nicht aufwächst ganz in Elternbettung?

Inzwischen zeigen die Genanalysen,
Dass Kaspar Hauser dieser Welt wohl fremd geblieben,
Denn Selbstmord hat ihn treiben müssen
Aus dieser Welt: Sie konnte ihn nicht dauernd lieben.

Als man ihm Aufmerksamkeit dann nicht mehr schenkte,
Verletzte er sich selber mit dem Messer schwer,
Wodurch mit 22 Jahren er sich aus dem Leben lenkte
Und für Vermutungen er nun kein Märchen mehr.

*

Hans Hartmut Karg
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Die Zeit schiebt

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Die Zeit schiebt

©Hans Hartmut Karg
2016

Langsam, erst viel zu langsam
kommt dem Kind Vergänglichkeit vor,
schleppt sich die Zeit für die Jugend voran
und scheint in frühen Jahren still zu stehen.

Dann, in mittleren Jahren
beschleunigt die Zeit ihren Lauf,
schiebt Dich allmächtig vor sich her
und hinaus aus dem Dasein, hin zur Ewigkeit.

In den dicken Enzyklopädien
verschwinden selbst größte Geister,
gerinnen zu Nennnamen in den Lexika,
werden zu einsamen Begleitern im Netz.

Alles verschlingt und verschwendet die Zeit,
überrollte Dich und schließlich auch mich.
Und sie schiebt uns alle sehr weit hinaus aus
unseren Gemeinschaften und weg von den Lieben.

Sie entzaubert die Augenblicke zu Erinnerung,
macht alles Leben immer unumkehrbar,
so dass sich die Ahnen entfernen –
ganz als Tribut der Zeit.

*

Hans Hartmut Karg
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Regentropfen

Beitrag von Hans Hartmut Karg »

[pre]
Regentropfen

©Hans Hartmut Karg
2016

Wären diese Tropfen nur graue Lichter,
Würde es heute am Himmel nicht blitzen,
Wenn viele Leute ihre Kappen und Mützen
Noch zögen sehr tief in ihre Gesichter.

Auch gut beschirmt ging mancher noch leise
So zwischen den grünenden Pflanzen dahin,
Wo aufatmend und mit viel Lebenssinn
Das Buschwerk erwacht zur Frühlingsreise.

Sehr langsam ging der Regen nieder,
Die Tropfen feuchteten Stadt und Land:
Dies war des Wachstums Unterpfand,
Damit die Sonne heute leuchtet wieder.

Und alles atmet die frische Luft,
Vögel finden nun reichlich Nahrung.
Der Flieder verbreitet betörenden Duft
Und das Wasser bleibt Lebensbewahrung.

Ohne die gestrigen Regentropfen
Wäre alles Leben heut' viel zu heiß.
So aber wachsen selbst Tabak und Hopfen –
Und der Jasminstrauch blüht endlich herrlich weiß.

*
[/pre]

Hans Hartmut Karg
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Im Märchenwald

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Im Märchenwald

©Hans Hartmut Karg
2016

Tanz der Faune in üppigem Unterholz,
Begleitet von zirpenden, schwebenden Elfen:
Das ist der Waldgeister ganzer Stolz,
Wo Märchenerzählern sie helfen.

Ist noch ein Trug des Bildes Gewinn
Oder nur die Hoffnungsbewahrung?
Trägt das Märchen mit symbolischem Sinn
So den Keim in Fantasieverharrung?

Das fragen sich niemals tanzende Faune,
Wenn die Musik den Tann beschallt
Und ganz hinten bei der blauen Alraune
Das Völkchen sich singend vergnügt im Wald.

Wo dem Menschen nur die Erinnerung bleibt,
Weil die Traumwelt ohne ihn tanzt,
Ist nichts mehr wahr und alles entzweit,
Was tief sich im Dunkel verschanzt.

„Halt ein, Satyr, spiel' auf und lache,
Die Nacht ist kürzer, als einst gedacht!“
Die Elfen springen über spiegelnde Lache,
Weil im Unterholz alle Träume entfacht.

Ohne sie wäre der Märchenwald
Im Denken nur verlebte Schimäre.
So aber träumen Waldgeister halt
Von vertanzten Nächten im „Wären“.

*

Hans Hartmut Karg
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Jenseits von Gut und Böse

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Jenseits von Gut und Böse

©Hans Hartmut Karg
2016

Im sonnigen Süden erfüllen sich all' unsre Träume,
Verlassen wir selig die nassen Nordalpenstraßen.
Hier tragen die Ähren schon, grünen die Bäume,
Und Eidechsen liegen sich sonnend am Rasen.

Gelebte Natur in den Sonnenhainen
Aus Pinien und weißen Jasminhecken:
Alles lässt sich hier von der Sonne bescheinen,
Wenn frühmorgens uns Strahlen wie Geister necken.

Der Morgen bleibt hier der bevorzugte Tag,
An dem sogar Arbeiten gelingen,
Die Pappeln am Rand ihren weißen Belag
Hinstreuend zum Kanallauf bringen.

Die Siesta befreit uns von Mittagsglut
Und überspringt so die heißesten Stunden,
Wenn nur noch den Urlaubern die Espressi gut
Und die Läden spät öffnen für Kunden.

Auch in der Kurzone flaniert südliches Leben,
Als gäbe es weder Kummer noch Not,
Denn jenseits von gutem und bösem Erleben
Ist bei einem Eis wieder alles im Lot.

Die Hitze verschläft der Mensch im Süden,
Spaziert erst schwarz-golden hinein in die Nacht.
Und während im Norden noch Fröste wüten,
Ist im Süden schon längst die Fülle erwacht.

*

Hans Hartmut Karg
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Galaessen

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Galaessen

©Hans Hartmut Karg
2016

Schon das Vorspeisenbüffet überrascht:
Pilzmuschelplatten liegen bei Thunfischtomaten!
Mein Nachbar ein wenig vom Schinken nascht –
Und manche den Teller doch sehr überladen.

Zur Wahl steht auch ein Reis-Pilaf ganz fein
Mit Gemüse und dicklicher Safranmousse.
Da werden die Wünsche schließlich ganz klein,
Wenn in Auswahl steht solch ein Küchenkuss!

Spaghetti mit Knoblauch, Öl, Pfefferschote –
So essen jetzt alle, ein jeder darf holen.
Das erhält von den Essern die beste Note,
Das Sollen ist hier wirklich das Wollen!

Ganz wenige nehmen Kraftbrühe mit Brandy,
Einsam stehen Fruchtsäfte herum.
Ein Einzelner verschwindet mit seinem Handy,
Alle anderen essen – gar nicht stumm.

Der Merlot kommt als Hauswein in großen Kannen,
Das Mineralwasser gibt es zu stetem Gebrauch.
In der Küche warten schon dampfende Pfannen –
Und nichts ist hier ausschließlich Schall und Rauch!

Zum Hauptgang reicht man dann Schollenfilet,
Ganz zart, mit Oliven, nicht trocken.
Manche wählen Roastbeef oder auch Reh,
„Tiroler Stelze“ – um länger zu hocken.

Mit Rosmarin unterlegte, gebratene Kartoffeln
Als Beilage – oder Romanescu in Butter:
Hier verabschieden sich alle Askesestaffeln
Und denken an die Küche bei ihrer Mutter.

Wie haben uns da die Essen gemundet,
Die so einfach und pikant doch waren,
Bei denen die Zunge Geschmack erkundet,
Um zu genießen in späteren Jahren!

Den Höhepunkt all der Genussseligkeit
Haben wir hier im Ausland gefunden:
Das Nusseis kommt im Pistazienkleid,
Ganz in den Fruchtteller eingebunden.

Die Dekoration mit den Rosenblüten
Duftet betörend wie von einem anderen Stern.
Es gehört hier zu den gelungenen Mythen,
Dass wir Gutes essen so schrecklich gern!

*

Hans Hartmut Karg
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Darf ich reinliegen

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Darf ich reinliegen?

©Hans Hartmut Karg
2016

Die alte Schwester wurde langsam wunderlich,
Sie war an Lebensjahren lang Erdling gewesen.
Dabei blieb sie nur selten auch geschwisterlich
Und hatte die Geburtstage schon längst vergessen.

Als man zum Sechzigsten ihr gratulierte,
Meinte sie aufgebracht, das sei nicht nötig.
Ein jeder Anrufer die Ablehnung da spürte:
Sie war so eigen – und so gar nicht bötig!

Doch eines Tages rief sie voller Überraschung an
Und fragte – raustimmig – ihre ältere Schwester:
„Ob ich bei Euch endlich reinliegen kann,
Du bist mir recht, Dein Mann ist auch ein Bester!“

Ganz irritiert verschlug es ihrer Schwester nun die Sprache,
Mit diesem Anruf hatte sie im Leben nie gerechnet,
Dass ausgerechnet d i e anrief und scheinbar ihre Sache
Aus großer Ferne führte – die Schwester ausgerechnet!

Wollte sie zu ihnen denn ins Bett?
Was meinte denn der so verschrobene Satz?
Was wollte diese Schwester, die zu niemand nett
Und weit entfernt lebte – als Jungfernspatz?

„Zier Dich nicht so, ich will nur wissen,
Ob ich bei Dir ein wenig Rechte hab':
Wenn ich dereinst ins Gras gebissen,
Darf ich dann zu Euch liegen mit ins Grab?“

Das Wunderliche haut oftmals ja da hinein,
Wo man dies halt am Wenigsten vermutet.
Die Wirklichkeit eröffnet schon ihr eigenes Sein,
Weil doch der träge Geist sich nicht gern sputet.

Der Schwester blieben darob alle Worte weg,
Das hätte sie von ihr niemals erwartet.
„Mal sehen,“ brachte sie nur heiser auf den Weg.
Ihr schien: Verrücktheit war grade gestartet!!!

*

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Radfahren

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Radfahren

©Hans Hartmut Karg
2016


Von der Wiege bis zur Bahre
Sei der Mensch daran erinnert,
Dass er früh zum Tode fahre,
Wenn Bewegung ihn nicht kümmert.

Manche joggen, manche walken,
Manche gehen, manche fahren:
Wer aktiv, der muss nicht stalken,
Macht sich nicht zum Smartphonenarren!

Denn er bleibt Mensch, der sich schont:
Laufen, liegen nur zu üben.
Sitzen, stehen nie gewohnt –
Er entgeht Arthroseschüben.

Radfahren stärkt Magen, Darm,
Bringt das Innere in Aufruhr,
Hält Muskeln und Seele warm
Und ersetzt den Arzt, die Kur.

Von der Wiege bis zur Bahre
Braucht der Mensch Körperbewegung.
Wenn er mit dem Radl fahre,
Bringt dies auch dem Hirn Anregung.

*

Hans Hartmut Karg
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Todeskampf

Beitrag von Hans Hartmut Karg »


Todeskampf

©Hans Hartmut Karg
2016

Er hatte diesem Leben längstens abgeschworen,
Um doch den Tod für sich nicht zuzulassen.
In seinen Augen war der Mensch ja frei geboren,
Und musste jedes Todgestell so heftig hassen.

Deshalb hatte er die Pistole sich erworben
Und schlief zufrieden auf der harten Waffe ein.
Der alte Tod war für ihn längst gestorben,
Selbst wenn der hohlwangig-geil käme hier herein.

Doch eines Tages war es auch für ihn soweit:
Im Türrahmen stand da schlicht ein Skelett,
Nahm seine Sense, machte sich bereit
Und grinste aus dem Totenschädel gar nicht nett.

Da zog der Alte seine Waffe, feuerte
Auf jenen Knochenmann, der ihn bedrohte.
Doch dieser – unbeeindruckt – seine Sense heuerte,
Denn schließlich kam er doch als Himmelsbote!

Ja, keine Waffe kann den Himmelsboten halten,
Denn als Gevatter bringt er uns den Tod,
Führt uns als Leidende ganz zum Erkalten,
Damit auch für uns endet Erdennot.

So fiel dem Alten seine Waffe aus der Hand –
Noch hoffend rang er wild mit dem Skelett.
Das brachte ihn mit einem Hieb um den Verstand,
Obwohl er sehnend noch gern viele Jahre hätt'.

Ist unsere Uhr am Ende abgelaufen,
Gibt es für niemanden auch ein Pardon.
Selbst wenn wir vor dem Tod weglaufen,
Ist er voraus uns, packt die Hand mit Hohn.

*

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Die Schwermut

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Die Schwermut

©Hans Hartmut Karg
2016

Die Schwermut treibt mutlos' Verdrießen,
Fordert die Seele streng heraus.
Nichts kann das Herz da mehr genießen,
Versenkt sich in ein Trauerhaus.

Melancholie war erst der Anfang,
Mit dem die Schwermut eingesetzt:
Erbmassig der Gemütsbehang,
Der nun das Innere verletzt.

Aus heiterem Himmel, ohne Not
Schleicht sie sich in die weiche Seele.
Das Schwere wird nun täglich' Brot,
Weil Heiteres sich dort wegstehle.

So sinnt und sinnt der arme Mann,
Gefangen in dem Dunkelnetz.
Und weil er ja nicht anders kann,
Belastet er sich noch im Netz.

Am Ende ist da nichts mehr heiter,
Er wartet nur noch auf den Tod
Und hofft auf eine Himmelsleiter,
Die ihn erlöst von aller Not.

*

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Gewitter im Süden

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Gewitter im Süden

©Hans Hartmut Karg
2016

Erst bauen Wolken ihr Gebirge auf,
Die Sonne, sie verschwindet ganz im Dunkel.
Der helle Lichttag ändert seinen Lauf,
Kein Strahl ist mehr und kein helles Gefunkel.

Dann kracht der erste Donnerhall –
Im Bergecho extrem verstärkt.
Darauf erneut ein schlimmer Knall,
Ein Längerblitz Angstnot stärkt.

Gefährdet sind Gesundheit, Habe,
Verschreckt sind Menschen und das Wild.
Alles in uns mit Angst sich schlage,
Weil nichts mehr unsere Ruhe stillt.

Dann geht es los, der Schild bricht auf,
Ein Wolkenbruch kämpft um Rekorde.
Die Wasser schießen weit hinaus,
Verregnen gar die Kirchenpforte.

Es gießt, es donnert, blitzt, treibt die Blätter,
Vergangen sind die Sonnenstunden.
Zurück zieht sich der bleiche Städter
Und sieht in der Natur nur Wunden.

Das ist alles gleich längst vorbei:
Die Sonne strahlt – nichts ist gewesen!
Und wieder grüßt der junge Mai:
Natur und Welt sind längst genesen.

*

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