Ich habe mein Kind seit mehreren Jahren im Homeschooling daheim. Unser Sohn hat spezielle Bedürfnisse, deshalb das Einzelsetting. Dennoch, auch wenn man mit einem "normalen" Kind Homeschooling ins Auge fasst, finde ich, gibt es einiges zu bedenken.
Ich bin Lehrerin und bin der Meinung, es erleichtert doch sehr, dass ich eine fundierte Basis habe. Das fällt natürlich bei einem Kind das aus dem Rahmen fällt, mehr ins Gewicht, trotzdem finde ich Homeschooling ohne pädagogische Ausbildung eher heikel. Heisst nicht, dass es nicht klappen kann. Das hängt auch sehr mit der Bereitschaft der Eltern, sich in unterschiedliche Themen einzuarbeiten, zusammen. Nicht nur bezogen auf ein Fach, sondern auch darauf wie lernen funktioniert, wie man etwas vermittelt, wie man einen Menschen erreicht und ein optimales Setting schafft, damit er sich entwickeln kann. Ist halt wie bei jedem anderen Job, der gelernt wurde. Nur weil ich einen Garten hab, bin ich noch lange kein Gärtner.
Wenn man Homeschooling in Erwägung zieht, sollte man sich bewusst sein, dass dies Auswirkungen auf die Eltern-Kind-Beziehung hat. Das kann durchaus positiv sein. Es kann aber auch zu einem Rollenkonflikt führen und eine Beziehung belasten.
Du schreibst, ihr habt das Gefühl, eure Tochter wird nicht gut vorbereitet. Da sind offenbar Erwartungen, was erreicht werden soll. Und du gehst davon aus - unterstelle ich dir mal

- dass du sie besser vorbereiten und an das was kommt heranführen kannst. Kann sein, dass das problemlos klappt und ihr euch da grad sofort findet. Es kann aber auch anders sein. Dass ihr beide euch erst sehr an diese neue Situation und die neuen Rollen gewöhnen müsst. Dass Konflikte entstehen, du erst Mal eine ganze Weile entweder hinterher hinkst, was deine Planung angeht, oder aber sie nur durchboxen kannst, weil du Druck machst. Dann wirkt sich das auf die ganze Familie aus.
Homeschooling, selbst wenn du es zu fixen Zeiten, nach Stundenplan machst, nimmst Schule nachhause und das auf andere Art, als wenn das Kind auswärts, von anderen, beschult wird.
Ich finde einfach, das muss einem klar sein. Es ist kein Spaziergang. Wenn du während dem Homeschooling mit deinem Kind aneinander gerätst, und das passiert, dann zieht das weitere Kreise, als wenn du Krach wegen Hausaufgaben hast.
Es ist so, dass man, um wohl zu sein, einige Zeit braucht, um einen Weg zu finden, wie man zusammen am besten funktioniert, lernt... Ein Jahr, ist nicht sehr lange. Es kann klappen, es kann auch ein Murks sein.
Da mein Kind mit Diagnosen unterwegs ist, kann ich nicht beurteilen, ob sich der nächste Punkt bei Kindern die in der Regelschule gut mitlaufen anders verhält. Ich gehe aber davon aus, dass es es für das Kind einfacher ist, gegen die Mutter zu bocken, als gegen die Lehrperson. Wenni nid ma, de mani nid. Zuhause wirst du dein Kind in seinem Umfeld, um seine Sachen rum, dazu motivieren müssen zu lernen. Du wirst auch dich motivieren müssen. Je nach dem wie du ein Homeschooling handhabst, kann das sehr harmonisch klappen und dein Kind hat genug intrinsische Motivation, um von dem was es am liebsten tut, weg zu kommen und "Schule zu haben". Oder du bietest ein so gutes Umfeld, dass es lernen will. Kann aber auch anders sein.
In meinem Kanton bedeutet Homeschooling auch, dass ich nachweisen muss, was ich mache. Wie ich es mache. Ich werde kontrolliert. Das heisst, ich bereite nicht nur vor und vermittle, ich dokumentiere auch. Und das braucht Zeit.
Je nach dem, wie die Anforderungen deines Kantons sind, musst du eine Jahresplanung vorlegen. Du solltest den LP21 kennen und dich orientieren können. Aufzeigen können wie du welche Kompetenzen abdeckst. Der administrative Aufwand des Unterrichtens ist nicht zu unterschätzen, wenn man es gut machen will. Selbst dann nicht wenn man sehr kindgeführtes Homeschooling macht, wenn man es gut machen will, dann kostet das Zeit und Energie.
Vermutlich, ich kann mich auch irren, wird es dich mehr Zeit brauchen dich mit dem LP auseinanderzusetzen und dich darin zurechtzufinden, bzw. ihn umzusetzen, als es das bei einer Lehrperson tut. Auch der Umgang mit Lehrmitteln hat mehr Tücken als die meisten annehmen. Auch das braucht Zeit. Und Ideen.
Ich kann nur für mich reden. Für mich sollte Homeschooling gut überlegt sein. Einen guten Grund haben. So wie du schreibst, würde ich erst mit der Schule Wege suchen. Denn es ist anstrengend. Du nimmst ein Thema, das bisher ausserhalb war in deine vier Wände. Es ist ein Job. Und diesen Job, den lässt du nicht zurück wenn du Feierabend hast. Er liegt dann je nach dem in deinem Haus rum. Du siehst ihn und manchmal winkt er dir fies zu, wenn du dich nur noch vor die Glotze hauen willst und flüstert: "He, du solltest noch, du siehst mich ja hier liegen."
Du wirst dein Kind zuhause haben. Sehr viel öfters und länger als bisher. Auch das kann ans Eingemachte gehen. Dein eigenes Programm, dass du bisher hattest, bekommt einen neuen Mitbestimmer. Und wenn Schwierigkeiten kommen, schulisch, dann sind das sofort auch Schwierigkeiten die dich als Mutter treffen, wenn du dich nicht sehr, sehr gut abgrenzen kannst.
Du wirst Dinge vorbereiten, Ideen haben, und vielleicht verzieht dein Kind nur den Mund, vielleicht sagt es dir aber auch grade raus, dass es das Kacke findet und keine Lust hat und deine Idee doof ist. Das musst du schlucken können. Weil es dein Job sein wird und nichts persönliches. Es ist etwas, das dich als Mutter kalt lassen sollte, auch wenn es dich als Lehrperson tüpfen darf.
So, ein Roman. Es gibt Vorteile. Für manche Kinder und deren Familien- ich zähle uns da dazu - ist es die absolut beste Lösung. Aber es muss gut überlegt sein. Und wenn ihr euch dazu entscheidet, wäre ein Plan B vielleicht trotzdem nicht schlecht.