Merci.Ich kann alle verstehen, für die es schwierig ist zurzeit.
Auch ich kam und komme an meine Grenzen. Mein Mann und ich stemmen das ganze zusammen, der Fernunterricht meiner Kinder lag also nicht nur auf meinen Schultern. Aber zusammen mit meiner Arbeit und dem ständigen Neuentwickeln von Konzepten und schauen, wie es weiter geht und gleichzeitig Fernunterricht geben, Kinder betreuen, Haushalt... Wir haben uns organisiert und jetzt passen wir die Organisation noch einmal an, es bleibt uns ja nichts anderes mehr übrig.
Darum ist doch die Frage, die sich nach dem Ausk* stellt: Welche kleinen Optimierungsschritte kannst du einleiten, damit es dir eine Entlastung gibt? Und ja, die darf pädagogisch fragwürdig sein. (Wir haben also auch einen sehr grossen Netflixkonsum im Moment.) Es geht doch darum, dass jede Person diese Zeit möglichst unbeschadet übersteht. Und es geht doch darum, dass alle in einer Familie mithelfen, das zu stemmen.
Auch eine interessante Erfahrung kann sein, dass, wenn man sich zurück zieht, weil es wirklich nicht geht, dieses Vakuum von jemandem anderen aus der Familie ausgefüllt wird.
Je jünger die Kinder, desto kreativer müssen die Lösungen sein.
Und ich finde es ganz evident, dass wir uns alle zusammen nach dieser Krise für gewisse Dinge politisch einsetzen: Kinderbetreuung, schulergänzende Betreuung, bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen, gesellschaftlicher Wandel punkto Arbeit und Familie, Gewalt in Familien... Wir haben sehr viel Bedarf und für mich ist die Coronakrise doch ein Schritt zurück in die 50ger Jahre und die Betreuung der eigenen Kinder im Fernunterricht wurde irgendwie so an die Mütter delegiert und von ihnen übernommen, obwohl das von den meisten Schulen nicht die Meinung war.
Also: Jetzt das eigene Leben optimieren, nach Hilfe und Unterstützung suchen, andere fragen, wie sie es machen, gut zu sich schauen.
Nach der Krise: Politisches Engagement, dass sich endlich unsere Gesellschaft Richtung Gleichberechtigung und Gleichwürdigkeit der Geschlechter bewegt!
Genau. Nach der Krise politisch einen Standpunkt beziehen und vertreten. Sich einsetzen.
Es ist im Moment für alle schwierig. Und für die meisten ist es eine neue Situation. Für manche wenige war es aber vorher ganz ähnlich. Und für die gab es keine Lösungen. Da passierte genau das was jetzt einer Mehrheit passiert.
Ein Kind kann von einem Tag auf den anderen schwer krank werden. Es kann behindert sein, oder durch einen Unfall behindert werden. Dann fällt das familiäre System und die ausserfamiliären Strukturen, ganz ähnlich der jetzigen Situation zusammen. Langfristig bedeutet das, dass Elterteile, meist die Mütter, ihren Job aufgeben und pflegen, betreuen und zum Teil auch beschulen. Es bedeutet, dass - auch meist die Mütter - zum Teil von heute auf Morgen in einem Krankenhaus sein sollten und aber auch bei ihrem Job. Dass sie auf das Verständnis eines Arztes angewiesen sind, der sie krankschreibt, obwohl das Kind krank ist, damit sie es in einer schweren Zeit begleiten können. Selbst wenn das Kind vorher schon eine IV hatte, war es bis vor kurzem so, dass, obwohl Eltern auch in Spitälern einen Einsatz leisten, Gelder mit dem Eintritt des Kindes ins Spital gestrichen wurden.
Bei uns war es so, dass Bub aufgrund seiner Einschränkungen weder in einer Kita, noch einem Kindergarten oder einer Sonderschule untergebracht werden konnte. Ein zäher Kampf während mehreren Jahren. Job adé. Zwei Mal, obwohl ich so sehr versucht habe, es irgendwie, nachts, noch zu schaffen. Auch für mich. Auf Zeit, keine Chance. Obwohl mein Mann sich extrem einbringt und mir nie auch nur annähernd im Weg stand. Im Gegenteil.
Schule gab es bis zwei Wochen vor dem Lockdown keine für Sohn. Jetzt gibt es eine. Endlich.
Als Bub kam hat sich alles verändert. Alles wurde strenger und härter und neben allem führt man Kämpfe mit Bildungsverantwortlichen, mit IV und KK, versucht über Behindertenorganisationen irgendwie weiterzukommen.
Solche Geschichten gibt es viele, auch wenn sie eine Minderheit sind. Es gibt in meinem Kanton Mütter, die sitzen zuhause, jeden Tag, Pikett für die Schule, wenn die entscheidet, dass es nicht mehr geht, das Kind nachhause muss. Dann holen Mütter diese Kinder ab und Mütter versuchen zuhause nachzuholen, was das Kind, das in der Schule nicht mehr tragbar ist, nicht mehr leisten kann. Daneben wird aufgepäppelt, wird gepflegt und unterstützt.
Manche pflegen ihre Kinder bis in ein hohes Alter, manche ihre Eltern, spielt eigentlich keine Rolle wen. Es ist ein Vollzeitjob, rund um die Uhr und das was vielleicht entschädigt wird, das reicht dann grad mal für die Therapien, die keiner zahlen will. Man "verliert" selber ein ganzes Einkommen, während der Staat an diesen Leistungen spart.
Es geht mir hier nicht um Mitleid. Überhaupt nicht. Wir haben den Jackpot mit der neuen Schule unseres Sohnes gezogen. Der Kampf hat sich gelohnt. Es geht darum, dass das was jetzt auf fast der ganzen Linie in die Hose geht und ganz, ganz viele Familien trifft, schon vorher da war. Es fiel nur nicht auf, weil es wenige getroffen hat. Die Ausgangssituation mit behinderten oder kranken Kindern ist eine etwas andere, aber die Wirkung ist ziemlich die selbe. Es fehlt an grundlegenden Strukturen, die Familiensysteme mittragen können, sobald sie in Ausnahmesituationen kommen. Um Betreuung, um Pflege, um Beschulung und Entlastung. Ganz fest geht es um Entlastung für Familien in schwierigen Situationen, denn die können auch in kleinen privaten Schicksalsschlägen entstehen.
Daher finde ich, diese Krise zeigt einer grossen Masse, was auch ohne Pandemie Alltag sein könnte, welche Ängste um die Existenz entstehen können, wenn das gut laufende Familienmodell aus der Bahn geworfen wird. Sie zeigt, dass wenn etwas länger dauert, einer beruflich wird zurückstecken müssen. Oft ist das die Frau. Bei uns auch. Was bei uns allerdings an den für die Situation passenden oder unpassenden Ausbildungen liegt. Es würde umgekehrt bei uns keinen Sinn ergeben. Diese Krise zeigt auch, dass es finanziell schwierig werden kann. Wenn das Kind krank wird, dann gibt es keine Kurzarbeit und keine Arbeitslosenentschädigung. Dann muss man irgendwie einfach. Die Krise zeigt, wo das System schwächelt. Und das nun nicht mehr nur bei einer Minderheit, sondern bei der Mehrheit. Das ist eine Chance mit mehr Stimmen für politische Interessen einzustehen. Ich wünsche mir sehr, dass diese Erfahrungen, so leid sie auch sind, helfen werden, etwas zu verändern und Themen anzugehen, die längst auf breiter Linie hätten angegangen werden müssen.
Man selbst kommt sicher an Grenzen. Aber man kann mehr als man denkt. Der Raubbau zeigt sich dann an anderen Orten. Auch nicht toll, aber man kommt im persönlichen Krisenmodus ziemlich weit. Auskotzen hilft sicher. Füdle mööge und alle zum Teufel wünschen, manchmal auch. Heulen. Aber irgendwann muss man das hinter sich lassen und weitergehen. Wenn nötig auch allein. Da muss man lernen für sich einzustehen. Und manchmal nützt auch das nichts. Dann muss man optimieren. Selber. Weil keiner da ist. Da wo man halt kann. Und manchmal bedeutet das, dass das Kind sehr viel mehr Zeit vor Netflix oder PC verbringt, als man irgendjemandem gestehen möchte. Oder dass es ein paar Tage in Folge Fertiggerichte gibt. Man den Haushalt längere Zeit sein lässt.
Ich glaube, Krisen zwingen einen, zu sich selber gnädig zu sein. Seine Ansprüche zu überdenken. An sich selbst und an andere. Manchmal kommt von anderen nichts. Manches ist gar politisch verankert und es ist ein langer Kampf den man führt, bis man vielleicht zu seinem Recht kommt. Wir kämpfen im Moment für so eine Sache. Und wissen: Das ist Zukunftsmusik. Das wird anderen helfen, unser Kind wird davon aber wohl nichts mehr haben. Wir auch nicht. Wir müssen trotzdem mit dem weiter, was da ist. Und bei anderen Kämpfen lohnt es sich. Wie bei der Schule. Wow. Auch da dachte ich ich kämpfe für die die nach ihm kommen.
In der Zeit in der man sich einsetzt, muss man für sich selber andere Lösungen finden. Manche hätte man lieber anders und anderen kann man irgendwann im besten Fall etwas abgewinnen. Ich wünsche allen, dass sie als Familie gesund durch diese Zeit kommen und für sich selber Wege finden, die alles gangbar machen.
@Halbklassen
Das macht wirklich nicht überall Sinn. Ändern kann man es jetzt nicht mehr. Man kann sich nur wünschen, dass es vielleicht für die Zukunft ein Denkanstoss sein wird. Schule neu denken. Wäre schön.
Bei Sohn in der Schule ist das Problem nicht die Kindermenge und nicht die Klassengrösse, sondern der Betreuungsschlüssel. Wie in anderen Sonderschulen vermutlich auch.
Wenn jedes zweite bis jedes einzelne Kind eine Betreuungsperson hat, dann sind auch bei sieben Kindern in der Klasse zu viele Erwachsene zu nahe beieinander. Die Schule von Sohn hat das Glück, dass sie viele Räume hat und hat zudem den Grossteil des Programms nach draussen verlagert. Sie machen einen tollen Job, der Spagat zwischen Sicherheit und Kindswohl - auch ganz stark psychisches Kindswohl - gelingt sehr gut. Da ziehe ich den Hut vor der Arbeit der Beteiligten.