Einspruch gegen Behördenentscheid?

Wer kennt sich aus?

Moderator: conny85

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annegretli74
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Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von annegretli74 »

Liebe alle! Ich bin gerade echt am Verzweifeln. Mein Ältester wird ja (noch) an einer Tagesklinik beschult, wegen Mobbings an unserer Schule. Nun neigt sich seine Zeit da rapide dem Ende zu und wir haben uns viele Gedanken dazu gemacht, wo unser Sohn nun wieder zur Regelschule gehen soll.
Nach Abklärungen von der Schulleitung stehen nur noch zwei Optionen offen: eine Schule im selben Sekundarschulkreis, aber knapp 10min mit dem Auto entfernt oder die Schule im Nachbardorf, aber anderer Kanton.
Nach langer Überlegung und Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile haben wir bei der Schulleitung die Schule im Nachbardorf vorgeschlagen. Diese Lösung wird sowohl von der behandelnden Therapeutin als auch der kant. Schulpsychologin unterstützt. Am Runden Tisch mit der Schulleitung hiess es, dass wir Eltern sicher wüssten, was das beste für unseren Sohn sei und wir somit vollste Unterstützung hätten. Sie würden es zum Absegnen an die Schulbehörde weitergeben.

Nun warten wir seit Tagen auf den Entscheid der Schulbehörde. An der Sitzung diese Woche konnten sie keinen Entscheid fällen, weil sie noch gewisse Details geklärt haben wollen. Wir haben nun grosse Angst, dass sie unseren Vorschlag ablehnen.

Erstens verstehe ich es nicht, weshalb der Entscheid noch nicht gefällt werden konnte, und zweitens sind wir sehr enttäuscht. Es scheint wohl um die Finanzen zu gehen und nicht um das Wohl unseres Sohnes. Eine Ablehnung könnten wir so nicht akzeptieren. Die Schule am anderen Ort selbst zu zahlen, können wir uns nicht leisten.

Was machen wir, wenn es tatsächlich soweit kommt? Wo und wie können wir überhaupt Einsprache erheben? Hat jemand von euch schon Erfahrungen gemacht mit dem Thema? Ich fühle mich gerade extrem hilflos.

Slurp
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von Slurp »

Liebe Annegretli, ich kann gut verstehen, dass Euch der ausstehende Entscheid Sorgen bereitet und es glaub ich menschlich ist, hierauf eher pessimistisch zu reagieren. Dennoch muss das noch gar nichts schlechtes heissen!
Kantonsübergreifende Beschulungen sind immer etwas kompliziert, hatten wir hier auch mal, und benötigen oftmals wirklich mehr Zeit für Abklärungen. Das hier auch die Finanzen ein Thema sind ist leider Realität.

Sobald der (hoffentlich positive) Entscheid da ist, könntet ihr in jedem Fall Rekurs/Beschwerde einlegen und es scheint ja, dass ihr mit der kantonalen Schulpsychologin und der behandelnden Therapeutin gute Rückendeckung hättet. Ich drück Euch die Daumen!

annegretli74
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von annegretli74 »

Hallo Slurp, ich war schon fast geneigt mich etwas positiv einzustimmen, da hat das Telefon geklingelt. Mein Mann hat angerufen, die Schulaufsicht habe sich bei ihm gemeldet. Man sei der Meinung, es gäbe bessere Möglichkeiten. Sie kläre jetzt Plätze an anderen Schulen im Kanton ab, ausserhalb unseres Sekundarschulkreises. Begründung: da unser Sohn noch die 6. Klasse fertig machen muss, sei nicht gesichert, dass er anschliessend auch die Oberstufe im Nachbarort von der hiesigen Sekundarschule bewilligt bekomme. Es sei darum sinnvoller, ihn in eine Schule irgendwo im Kanton unterzubringen. Kosten seien nebensächlich. Die Gefühle von uns und unserem Sohn offensichtlich auch.

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Savuti
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von Savuti »

Ich weiss nicht, wie es in deinem Kanton geregelt ist, aber bei uns (Kanton Bern) wäre die nächste Instanz, das Schulinspektorat.

Ich selber bin in der Schulbehörde. Wir sind ein Laiengremium. Finde es speziell, dass gegen die Schulleitung entschieden wurde. Mein Bauchgefühl ist, dass es trotzdem um die Finanzen / administrativer Aufwand geht. Wenn es tatsächlich auch ein Laiengremium ist, wie wollen sie es besser wissen als die Schulleitung?
Habt ihr etwas schriftliches von der Schulleitung, dass sie euch in eurem Entscheid unterstützen?
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danci
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von danci »

Ich war ebenfalls 10 Jahre in der Schulbehörde und ehrlich gesagt, wir würden einen solchen Antrag ablehnen. Unsere Gemeinde liegt an zwei Kantonsgrenzen plus ein dritter Nachbarskanton ist nur zwei Dörfer weiter, wir kennen daher die Problematik gut.
Natürlich geht es um Geld, denn wo dieses aufgewendet wird, fehlt es an einem anderen Ort. Hinzu kommt noch die Angst vor dem Präjudiz, was noch wichtiger ist. Anders würde es aussehen, wenn keine andere Möglichkeiten in der gleichen Gemeinde oder mindestens Kanton bestehen würden. Aber so wird es eben für beide recht teuer. Zudem müssen eben Abweichungen von der Praxis gut begründet werden, denn das letzte was man will, ist eine Willkürentscheidung, wo man es einmal erlaubt, ein anderes Mal nicht. Stützt man den Entscheid auf pädagogische, psychologische Gründe, muss man festlegen, welche Kriterien angewandt werden: Z. Bsp. Bericht von privatem Psychologen reicht nicht, vom schulpsychologischen Dienst schon. Daher würde ich die weiteren Abklärungen eher positiv werten, hätten sie es einfach ablehnen wollen, wäre das schneller gegangen.

Das Gremium ist zwar wie savuti schreibt, ein Laiengremium (ob nun eine Bildungskommission oder auch ein Gemeinderat), aber es vertritt nun mal das Volk und damit die Gemeinde, die dafür aufkommt. Und sie müssen sich auch rechtfertigen, auch gegenüber den Inspektorat und Kanton. Und wie soll man erklären, dass man den komplizierten und teuren Kantonswechsel anderen Möglichkeiten vorzieht, wenn solche durchaus bestehen? Ganz so einfach ist es eben wirklich nicht. Ich finde es ehrlich gesagt auch speziell von der Schulleitung Vorschläge zu machen, bei denen sie weiss oder zumindest wissen muss, dass es schwer ist.

Es tut mir leid, dass es vermutlich nicht das ist, was Du hören wolltest und menschlich verstehe ich wirklich sehr gut, wie belastend das Ganze für Dich und Dein Kind sein muss. Ich wollte einfach ein bisschen zeigen, was dahinter steckt. Auf der persönlichen Ebene drücke Dir natürlich von Herzen, dass es so kommt, wie ihr es Euch wünscht.

Zu Deiner Frage:
Solche Verfügungen müssen so erlassen werden, dass sie eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. D.h. dass drauf stehen muss, innert welcher Frist und wohin ein Einspruch resp. eine Beschwerde einzureichen ist. Steht das nicht drauf, sondern sie entscheiden einfach mit einem Brief, so habt ihr die Möglichkeit von der Schulbehörde eine sogenannte "beschwerdefähige Verfügung" zu verlangen. Die Frist läuft erst, wenn ihr diese erhält. Wenn ihr gedenkt, es weiterzuziehen, dann würde ich empfehlen, die Zeit jetzt zu nutzen, um mit der Rechtsschutzversicherung oder einer Anwältin die Möglichkeiten der Beschwerde vorzubesprechen. Die 30 Tage (nehme ich mal an, ist aber kantonal verschieden) sind je nachdem sehr kurz, wenn die Person den Fall noch gar nicht kennt.
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annegretli74
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von annegretli74 »

Liebe Danci! In unserem Fall ist sicher speziell, dass es bereits einen Staatsvertrag zwischen den Kantonen gibt. Dieser ist zwar eigentlich für die Schule gedacht, die ihre Oberstufenschüler generell in den angrenzenden Kanton sendet, ist aber aufgrund seiner "schwammigen" Formulierung auch auf Einzelfälle anwendbar. Ausserdem gibt es bereits einen Präjudizfall. Ist zwar schon ein paar Jahre her, aber der Schulleiter der anderen Schule war da bereits im Amt und kann sich an den Fall erinnern. Der Junge wurde ebenfalls aus einer Tagesklinik an die andere Schule gesendet, allerdings direkt in die Oberstufe.
Wir haben die Empfehlung von a) der Therapeutin der Tagesklinik und b) von der kant. Schulpsychologin, die den Schulwechsel inkl. Wechsel des Sekundarschulkreises stützt. Es ist also nicht nur ein "Gehirnfurz" von uns.

Was mich wütend macht ist die Aussage der Schulaufsicht, es sei keine freie Schulwahl und die Finanzen seien sekundär. Alle unsere Überlegungen weshalb wir den Kantonswechsel vorziehen würden, wurden bisher nicht berücksichtigt. An dem Runden Tisch, an dem wir den Vorschlag unterbreitet haben, war niemand von der Behörde anwesend, auch nicht die Schulpräsidentin. Wir haben alle bisher abgeklärten Varianten gegeneinander abgewogen und die beste für unseren Sohn (nicht für uns!) vorgeschlagen. Kann mir auch keiner erzählen, dass es die Schule günstiger kommt, unseren Sohn 3,5 Jahre mit dem Taxi in eine Schule zu fahren. Abgesehen davon, dass er dann gleich auch an der neuen Schule als Spezialfall abgestempelt ist.

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Savuti
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von Savuti »

Danke, danci für deine Erläuterungen. In meiner Amtszeit hatten wir noch nie auch nur etwas ähnlich vergleichbares.
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annegretli74
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von annegretli74 »

danci hat geschrieben: Fr 17. Feb 2023, 14:57
Das Gremium ist zwar wie savuti schreibt, ein Laiengremium (ob nun eine Bildungskommission oder auch ein Gemeinderat), aber es vertritt nun mal das Volk und damit die Gemeinde, die dafür aufkommt. Und sie müssen sich auch rechtfertigen, auch gegenüber den Inspektorat und Kanton. Und wie soll man erklären, dass man den komplizierten und teuren Kantonswechsel anderen Möglichkeiten vorzieht, wenn solche durchaus bestehen? Ganz so einfach ist es eben wirklich nicht. Ich finde es ehrlich gesagt auch speziell von der Schulleitung Vorschläge zu machen, bei denen sie weiss oder zumindest wissen muss, dass es schwer ist.
So, ich habe mich in der Zwischenzeit etwas abgekühlt und möchte auf diesen Punkt nochmals eingehen. Und auch danken für deine Ausführungen!
Da wir eine sehr kleine und ländliche Schule sind, gehe ich davon aus, dass nicht nur die Schulbehörde sondern auch die Schulleitung eher laienhaft agiert haben. Die uns gegenüber gemachten Versprechungen hätten, mit deinem Hintergrundwissen gesehen, überhaupt nie gemacht werden dürfen. Die Schulleitung hätte wohl wissen müssen, dass die Schulaufsicht sowieso ein Wörtchen mitreden will. Wir sind nun einfach von dieser Tatsache überfahren worden. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass der Kantonswechsel bei dem bestehenden Staatsvertrag wirklich so kompliziert sein soll. Alle anderen Optionen sind von wegen Erreichbarkeit wirklich schwierig, wir wohnen echt am A. der Welt....

An die Rechtsschutzversicherung haben wir uns heute vorsorglich gewendet. Da die Schulaufsicht immerhin weitere Optionen prüft, können wir ja vielleicht doch noch auf einen friedlichen Ausgang hoffen und ziehen den Rechtsbeistand dann herbei, wenn wir das Gefühl bekommen, es geht nicht anders.

annegretli74
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von annegretli74 »

So, jetzt haben wir einen Vorschlag von der Schulaufsicht, aber nicht ganz das was wir im Sinn hatten. Der Vorschlag ist, Sohn in eine relativ nahe Schule zu senden, die jetzt schon ihre Kinder in den anderen Kanton in die Oberstufe sendet. Also quasi unsere Lösung mit einem kleinen Umweg. Den grösseren Teil des Wegs könnte Sohn mit dem Schulbus mitfahren, in der Oberstufe wäre er dann eben in der Oberstufe, die wir schon für die Primar vorgeschlagen haben.
Über den FC kenne ich ein paar Eltern und Kinder an dieser Primarschule und die finden die Schule und den Lehrer gut. Ich habe festgestellt, dass ich ganz gut mit dieser Lösung leben könnte. Mein Mann ist immer noch auf 180 und überlegt weiterhin, sich rechtlichen Beistand zu holen. Allerdings denke ich nicht, dass wir da weiterkommen. Der Schulweg ist zumutbar und in vielen Punkten deckt sich die vorgeschlagene Lösung mit dem, was eigentlich unser Ziel war. Ich denke auch mein Mann muss immer noch daran verdauen, dass unser Sohn eine neue Schule besuchen muss, währenddem der Täter weiterhin unbehelligt hier zur Schule geht. Ich habe das für mich abgehakt und möchte nach vorne schauen.

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Savuti
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von Savuti »

Freut mich, dass es eine gute Lösung geben wird.
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danci
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von danci »

@ annegretli
Es freut mich wirklich sehr, dass eine annehmbare Lösung gefunden wurde. Es zeigt mir auch, dass sich die Behörden Mühe gegeben haben, es für Euch so gut wie möglich zu machen und dabei trotzdem einen objektiv vertretbaren Entscheid zu fällen. Wäre keine Bereitschaft da gewesen, hätten sie es viel schneller einfach abgelehnt.

Dass der Täter weiterhin in die bisherige Schule geht, ist schwer nachzuvollziehen. "Leider" besteht ein Schulrecht und man kann schwer jemanden der Schule verweisen (die " " weil das Recht eigentlich ja gut ist, aber eben in solchen Fällen stossend). Umso wichtiger, dass es Dein Sohn schafft, nach vorne zu schauen und vielleicht in der neuen Schule neue, gute Beziehungen zu knüpfen und positive Erfahrungen zu machen.

Mir ist dieser Thread noch viel durch den Kopf gegangen. Ich wollte es einfach mit klaren Worten erklären und hoffe, Dich nicht in der trotzdem schweren Zeit (was ich bisher von Dir lesen durfte) noch vor den Kopf gestossen zu haben.
Persönlich wünsche ich Dir, Deinem Sohn und der gesamten Familie wirklich nur das Beste. Ich hoffe, ihr könnt mit der Lösung gut leben.
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annegretli74
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von annegretli74 »

Liebe Danci! Nein ich bin nicht betüpft oder so, gar nicht. Ich bin einfach tieftraurig, dass wir nun alleine die Konsequenzen tragen müssen. Gestern waren wir noch etwas überfahren, aber heute haben sich die Gemüter beruhigt und wir wollen jetzt einfach noch ein paar Details geklärt haben. Leider hatte weder die Schulleitung noch die Behörde gut recherchiert, und die Schulaufsicht hat dann die gangbare Lösung aus dem Hut gezaubert. Wir hätten dann über Nacht das okay geben sollen und waren damit überfordert, nachdem wir eine Woche auf Informationen warten mussten.
Das mit dem Täter ist uns auch schleierhaft. Seit der Kindergartenzeit gilt er als Problemschüler, aber irgendwie fühlte sich die Schule dazu verpflichtet, ihn die ganze Primarschulzeit durchzuschleifen, koste es was es wolle. Jetzt ist man zur Überzeugung gelangt, dass er an einer Regel-Oberstufe nicht beschulbar sei und er wird nach den Sommerferien an eine Sonderschule wechseln. Für uns und unseren Sohn leider zu spät.
Ich danke dir für deine lieben Wünsche und wir hoffen, dass wir die geänderten Umstände gut meistern werden. Aber das allerwichtigste ist uns, dass unser Sohn an eine normale Schule gehen kann und wieder Freude bekommt.

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danci
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von danci »

Da bin ich froh. Schriftlich fehlen ja manchmal so etwas die Mimik und Gesten, die für die zwischenmenschliche Kommunikation doch so wichtig sind und da kommt es schnell zu Missverständnissen.

Die Daumen sind auf jeden Fall gedrückt.
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von danci »

@ Annegretli
Es ist natürlich nicht ganz das gleiche Thema, aber vielleicht interessiert Dich noch der folgende Fall (ganzer Text im Spoiler, da Abo):

https://www.derbund.ch/gericht-verbiete ... 0981338256
Spoiler:
Gericht verbietet den Wechsel in bessere Tagesschule
Das Verwaltungsgericht pfeift die Bildungsdirektion zurück: Eine Mutter darf ihr Kind nicht in der Nachbargemeinde zur Schule schicken.

Johannes Reichen
Publiziert heute um 06:07 Uhr

Dieser Fall betrifft offenbar eine kleine Welt. Eine alleinerziehende Mutter wollte, dass ihr Kind die Primarschule statt im eigenen Dorf in der Nachbargemeinde besucht. Dort gebe es das bessere Tagesschulangebot. Sie könne so besser ihrem Beruf nachgehen.

Nun hat das Berner Verwaltungsgericht entschieden, dass die Tagesschule kein Grund für einen Schulwechsel ist. Zudem mache die berufliche Situation der Mutter nicht zwingend einen Wechsel nötig, so das Gericht.

Der Präsident der betroffenen Gemeinde ist erleichtert: «Das ist für alle Gemeinden ein wegweisendes Urteil.» Er heisst Urs Haslebacher (SVP), seine Gemeinde ist Thurnen. Die Mutter hätte ihr Kind lieber nach Riggisberg statt im Ortsteil Mühlethurnen zur Schule geschickt.

Jede Gemeinde habe ein Interesse daran, dass die Schülerinnen und Schüler die eigene Schule besuchen, sagt Haslebacher. «Schliesslich müssen wir Planungssicherheit haben.» Das Gericht schaffe nun Klarheit. «Wäre es anders herausgekommen, hätte man der freien Schulwahl Tür und Tor geöffnet.»

Kanton unterstützte Mutter

Mit ihrem Anliegen blitzte die Mutter 2021 zunächst bei der Gemeinde und später beim regionalen Schulinspektorat ab. Sie zog den Fall an die kantonale Bildungs- und Kulturdirektion weiter. Dort fand sie Gehör.

Die Direktion entschied, dass das Kind bis zum Ende der Primarschulzeit den Unterricht in Riggisberg besuchen darf. Nun war es die Gemeinde Thurnen, die Beschwerde erhob und den Fall weiterzog.

Das Verwaltungsgericht zieht im Urteil das Gesetz über die Volksschule heran: «Jedes Kind besucht die öffentliche Volksschule an seinem Aufenthaltsort.» Die Gemeinden könnten abweichende Vereinbarungen treffen. «Aus wichtigen Gründen, insbesondere wenn der Schulweg dadurch wesentlich erleichtert wird, können Kinder die Schule eines andern Kreises oder einer andern Gemeinde besuchen.»

Um herauszufinden, ob auch die Tagesschule ein solcher wichtiger Grund sein könnte, wühlte sich das Verwaltungsgericht durch alte Vorträge des Regierungsrats und Protokolle aus dem Grossen Rat. Und wurde fündig.

Gegen Standortwettbewerb

1991 schrieb der Regierungsrat, dass die Gemeinden zum Beispiel wegen der Schulraumplanung ein berechtigtes Interesse hätten, «dass Eltern ihre Kinder nicht nach Belieben auswärts schulen lassen».

2007 wurde das Volkschulgesetz revidiert. Die Frage, ob das Tagesschulangebot einen Wechsel rechtfertigt, wurde im Grossen Rat explizit diskutiert. Drei Grossräte verlangten, dass es Gemeinden freigestellt werden soll, ob sie eine Tagesschule anbieten. Dafür aber solle «das Fehlen eines Tagesschulangebots als Begründung für einen Schulwechsel» gelten, begründete Ruedi Sutter (FDP). Dies werde zu einem «sanften Standortwettbewerb» führen.

Eine deutliche Mehrheit im Kantonsparlament wollte davon allerdings nichts wissen. Man dürfe nicht «auf kaltem Weg die freie Schulwahl» einführen, sagte Andreas Blaser (SP).

Das Verwaltungsgericht kommt zum Schluss, dass ein fehlendes oder ungenügendes Tagesschulangebot nicht als ein «wichtiger Grund» für einen Schulwechsel gelte. Der Gesetzgeber habe sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen. Stattdessen habe er die Gemeinden verpflichtet, Tagesschulangebote zu führen, wenn eine Nachfrage bestehe.

Die «Jagd nach Kindern»

Auch der damalige Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) äusserte sich in der Debatte zu diesem Vorschlag. Er sagte, dass er in genau dieser Frage einen Beschwerdeentscheid habe fällen müssen. Dabei ging es um Meiringen und Guttannen. «Ich lehnte das ab», sagte Pulver.

Er sprach sich dagegen aus, dass Eltern aus kleinen Gemeinden mit zu wenig Schülern und ungenügender Nachfrage nach Tagesschulen ihre Kinder in eine andere Gemeinde schicken. «Es ist durchaus möglich, dass dann Schulklassen geschlossen werden müssen.» So könnte eine «Jagd nach Kindern» entstehen, weil alle ihre Schule erhalten möchten. «Diese Jagd nach Kindern wollte ich vermeiden», sagte Pulver 2007.

Unter den Gegnern war damals auch Erwin Sommer, EVP-Vetreter aus Melchnau. «Es kann sein, dass die Schullandschaft noch stärker ins Rutschen kommt, dass Klassen schliessen müssen», sagte er und dachte dabei insbesondere an seine eigene Herkunftsregion: «Im Emmental und im Oberaargau ist es in dieser Beziehung zum Teil sehr heikel.»

Schweigen in Bern

Sommer ist nicht mehr Grossrat. Aber er ist Vorsteher des kantonalen Volkschul- und Kindergartenamts. Jener Behörde also, die wohl massgeblich den Entscheid herbeigeführt haben dürfte, dass die Mutter ihr Kind nach Riggisberg schicken darf. Und die unter der jetzigen Direktorin Christine Häsler (Grüne) offenbar nichts mehr hat gegen eine «Jagd nach Kindern».

Was sagt Sommer zu diesem Fall? Nichts. Überhaupt lässt die Medienstelle mitteilen, dass die Bildungsdirektion keine Gerichtsurteile kommentiere – als ob es sich dabei um ein Gesetz handelt, an das sie sich auch hält.

Doch so ist es nicht. Vor anderthalb Jahren musste das Verwaltungsgericht eine Kündigung an der Berner Fachhochschulen beurteilen. Auch die Bildungsdirektion war in diesen Fall involviert – und verrannte sich. Damals nahm sie in den Medien durchaus Stellung.

Auch die Mutter will sich im vorliegenden Fall nicht äussern – auch nicht zur Frage, ob sie das Urteil weiterzieht.

Auch Städte betroffen

Die Gemeinde Thurnen hätte es verschmerzen können, wenn ein Kind ausserhalb des eigenen Dorfs zur Schule gegangen wäre. «Es ging uns aber nicht um diesen Einzelfall», sagt Gemeindepräsident Haslebacher. Sondern darum, dass praktisch «freie Schulwahl» gegolten hätte, wenn es nach dem Willen der Bildungsdirektion gegangen wäre.

Der Fall zeige, dass die Verwaltung nicht immer dem Gesetz nachlebe – oder es gar nicht so genau kenne. Das finde er bedenklich. Es sei deshalb gut, dass sich nun das Verwaltungsgericht akribisch mit dem Fall befasst habe.

«Dieser Entscheid hat Signalwirkung.»
Daniel Bichsel, Präsident Verband Bernischer Gemeinden

Auch der Verband Bernischer Gemeinden begrüsst den Entscheid. «Er hat Signalwirkung», sagt Präsident Daniel Bichsel. Er ist auch erstaunt über die Haltung der Bildungsdirektion.

Die Autonomie der Gemeinden bei Schulfragen müsse weiterhin hoch gewichtet sein. Wenn Wünsche der Eltern beliebig berücksichtigt würden, könnte man keine Klassen mehr organisieren. Das gelte nicht nur auf dem Land, sondern auch in Städten mit Quartierschulen.
Die Grosse, 2008
Der Mittlere, 2011
Die Kleine, 2015

annegretli74
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von annegretli74 »

Danke für den Artikel, Danci. Den Hinweis, dass die keine freie Schulwahl sei, haben wir auch mehrfach zu hören bekommen. Da bei uns aber zwei Fachpersonen die dringende Empfehlung für einen Schulwechsel gegeben haben, stand der Schulwechsel an und für sich auch nicht zur Diskussion. Wir haben auch gemerkt, dass niemand nur ansatzweise eine freie Schulwahl fördern will. Schade finde ich, dass sich die Schulen vielleicht mal überlegen sollten, weshalb sie solche Angst davor haben.....

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danci
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Re: Einspruch gegen Behördenentscheid?

Beitrag von danci »

Ich fände ehrlich gesagt freie Schulwahl nicht gut. Das würde schnell mal viele Probleme mit sich ziehen. Wie im Artikel: Es ist an dieser Schule eine Tagesbetreuung anzubieten und nicht sich dann darauf verlassen, dass die Eltern, die es benötigen, halt das Kind in die Nachbarsgemeinde schicken können. ABER es muss in Ausnahmefällen möglich sein (ohne dass die Kostenfolgen so gross sind). Das würde letztlich Schule und die Eltern entlasten.
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