Schulschliessungen und Kinder mit besonderen Bedürfnissen

Unsere grossen Kleinen und unsere kleinen Grossen. Was uns in diesem Abschnitt der Kinder begleitet, beschäftigt und interessiert.

Moderator: conny85

Hibiskus
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Re: Schulschliessungen und Kinder mit besonderen Bedürfnissen

Beitrag von Hibiskus »

Und noch zu der Angst, dass die Entwicklung stoppen könnte: Erfahrungsgemäss geschieht in Therapiepausen (die zugegebenermassen normalerweise zu einem geeigneten Zeitpunkt stattfinden) gaaaanz viel Entwicklung. So als hätte das Hirn Zeit und Ruhe, das zuvor Gelernte umzusetzen... Vielleicht hilft dieser Gedanke ja etwas gegen die Angst.

fläcki
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Re: Schulschliessungen und Kinder mit besonderen Bedürfnissen

Beitrag von fläcki »

Eltern mit Kindern unter 12 Jahren, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen, weil die Fremdbetreuung der Kinder nicht mehr gewährleistet ist;
Ob man das auch für die Jahre die das Kind keinen Schulplatz bekommen hat, rückwirkend, einfordern kann :P
Nein ernsthaft, ich finde es gut, dass es diese Möglichkeit gibt, trotzdem zeigt es einmal mehr, dass es im Bereich "Kinder mit besonderen Bedürfnissen" und generell im Bereich Behindertenbetreuung, noch viel Nachholbedarf gibt.
Ich kenne einige Eltern die ihre Pensen massiv eingeschränkt haben, die den Job um das Kind herumzirkeln müssen, weil niemand schauen kann oder will. Mütter die gar nicht arbeiten weil die Betreuung der Kinder instabil oder nicht vorhanden ist. Mal ganz abgesehen von den Kräften. Die Betreuung behinderter Angehöriger oder alter Angehöriger ist noch immer brotlos und das ist einfach nicht richtig. Mal abgesehen davon, dass sie auch von den meisten Menschen die es nicht betrifft überhaupt nicht wahrgenommen wird. Da muss noch viel passieren!

@Beschäftigung von der Schule und Hibiskus
Das ist in der Schule, die mein Sohn neu hat, auch so. Da bekommen die Eltern nun Material, ohne den Druck irgendetwas erreichen zu müssen, weil das schon für das geschulte Fachpersonal schwierig ist. Auch gute Ideen werden geliefert, oder entstehen im Gespräch. Und der Kontakt ist sehr eng.
Trotzdem ist es so, dass wenn ein Kind einen sehr hohen Betreuungsbedarf hat, es halt eigentlich nicht um die wegfallende Schule, im Sinn von Unterricht, geht, sondern um die Pausen, die durch die Schule geschaffen werden und um die Entlastung des Familiensystems.
Mein Kind war seit kurzem jede Woche einen Tag in einer Betreuung. Das war der Himmel auf Erden, nachdem das viele Jahre nicht möglich war. Nicht primär weil er da ausgelastet wurde, sondern weil der Alltag für mich sieben Stunden in der Woche weggefallen ist. Sprich, eine Hauptmahlzeit und zwei Zwischenmahlzeiten weniger, die ich vorbereiten und begleiten musste, während er irgendwo Seich macht. Danach kein Putzen der halben Küche, weil er nicht stillsitzen kann. Auch kein zurückholen an den Tisch, erinnern, dass er essen sollte. Ich konnte eine Mahlzeit in der Woche in Ruhe zu mir nehmen. Wow! Himmlisch! Sieben Stunden kein Füdliputzen. Sieben Stunden keine Dauerüberwachung. Und mein Kind hat keine geistige Behinderung und auch keine körperlichen Einschränkungen. Da gibt es Kinder die sind auf viel mehr Hilfe angewiesen. Oder auf aktive, während bei Autismus halt viel Hilfe indirekt ist, was unter Umständen zeitlich einiges länger dauert, als wenn man es grad selber machen würde.
Ein Kind mit einer Hilflosenentschädigung oder gar einem IPZ, das ist nicht nur einfach "anstrengend" weil es grad nicht in die Schule geht, sondern weil es einen enormen Betreuungs und eben ev. Überwachungsbedarf hat. Wenn die Schule wegfällt, hängt das alles an den Eltern. Und da ist definitiv NICHTS mehr mit noch nebenbei Homeoffice machen können. Da kann man schon das eigene Leben ziemlich zurückstutzen, wenn man nicht noch einen Job hat. Darum finde ich es für Betreuende von Behinderten jetzt doppelt hart.
In meinem Kanton ist es, meines Wissens, zBsp so, dass es nun heisst, entweder man ist im Heim, oder man ist Zuhause und wird auch dort betreut. Man hat also die Wahl zwischen: Ich mache alles selber - was zum Teil kaum machbar ist - oder, ich sehe die geliebte Person auf unbestimmte Zeit nicht mehr.
Bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen kommt dazu, dass ja auch die schulische Begleitung sehr viel intensiver ist. Das geht von wenig Unterstützung bis zu Einzel- und Dauerbetreuung. Mein Sohn hat zBsp in seiner Schule eine Einzelbetreuung. Das hatte er die letzten fünf Jahre im Homeschooling auch und das muss offenbar noch immer so gehandhabt werden. Alles, wirklich alles was ich als "Auftrag" vergebe, braucht Begleitung. Jedes zieh die Hose an. Jedes räum den Teller in den Geschirrspüler.
Letzte Woche verbrachten wir viel Zeit im Garten. Ich wäre heute längst fertig, hätte ich es allein gemacht. Ich kann nicht sagen, nimm die Erdbeersetzlinge hier, mach sechs Löcher im Abstand von je 20cm, setz die Setzlinge ein und giesse sie an. Ich muss daneben sitzen, jeden Schritt einzeln vorsagen, wiederholen, nochmal wiederholen. Kind zurückholen, erinnern. Ufbäppele weil es anfängt zu weinen, weil es vergessen hat was es tun soll... Selbst wenn dann also so ein Auftrag von der Schule käme, ein Kind mit besonderen Bedürfnissen kann den unter Umständen nicht allein ausführen, auch nicht, wenn dazu eine Anleitung gereicht wird. Die bleibt dann irgendwo im Garten liegen, Kind sieht einen Schmetterling, läuft davon, vergisst die Erdbeeren und wenn es einen Überwachungsbedarf hat, muss man schauen, dass es nicht auf die Strasse rennt, oder abhaut, weil der Schmetterling weiterzieht und das Kind mit ihm.
Wenn ich Schulmaterial hätte, das er bearbeiten sollte, dann wäre das keine Entlastung, es wäre eine Belastung. Darum bin ich froh, hat er etwas bekommen, das ihm gut passt und das geht, ohne dass ich noch zusätzlich zu dem, was sonst schon happig ist, Ziele mit ihm erreichen muss. Es ist ein "wenn du magst, dann machst du". Dafür bin ich gerade sehr dankbar.

@Entwicklungsschritte
Und noch zu der Angst, dass die Entwicklung stoppen könnte: Erfahrungsgemäss geschieht in Therapiepausen (die zugegebenermassen normalerweise zu einem geeigneten Zeitpunkt stattfinden) gaaaanz viel Entwicklung. So als hätte das Hirn Zeit und Ruhe, das zuvor Gelernte umzusetzen... Vielleicht hilft dieser Gedanke ja etwas gegen die Angst.
Richtig! Genau so ist es.

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