Und ich wurde immer ungeduldiger. Die Hoffnung, dass es endlich mal losgehen könnte, war schon ziemlich weg – schliesslich rechnete ich ja seit dem 22. Mai mit eurem Kommen.
Am Abend des 22. Juni brachten wir unsere zwei grossen Mädchen zu Bett. Ich las ihnen noch die Gutenachtgeschichte vor und verabschiedete mich von ihnen äusserst harmonisch und ruhig.
Danach lag ich vor den Fernseher. Viel anderes machte ich seit Wochen nicht mehr, denn mit dieser Riesenkugel (ich hatte doch einen Umfang von 125 cm erreicht) konnte ich kaum mehr schlafen, oder rumrennen – also eben Fernsehen und Internet daneben.
Um 22 Uhr meinte euer Vater, er ginge nun zu Bett. Er wusste, dass irgendwann mal strengere Zeiten kommen würden und darum schlief er schon seit Wochen vor.

Ich erklärte ihm, dass ich heute das Bedürfnis zum Spazieren hätte und werde darum nochmals in der Nähe etwas frische Luft schnappen.
Ich kam nicht weit.
Etwa nach 50 Metern hatte ich das Gefühl, das eine Bein hänge mir aus – die Wehen strahlten so stark in den rechten Oberschenkel. Ich kam zurück und bat euren Vater, mich zu begleiten. Wir liefen eine kleine Strecke und es kamen schon Wehen, aber nicht so schlimm, dass ich es für DIE Wehen hielt, die mir die Kinder bringen würde. Danach ging ich noch ein Stück alleine. Beim Hallenbad kam dann die nächste und ich wollte schnell heim, um alles noch bereitzulegen, damit unsere Tochter am nächsten Morgen alles für die Waldspielgruppe dabei hätte. Auf dem Heimweg begegnete mir eine Nachbarin. Sie meinte: „ Bist du denn immer noch da? Wollen die denn nie kommen?“ Ich sagte nur: „Ich glaube, sie kommen!“ und flüchtete ins Haus – der Atem für Gespräche fehlte mir irgendwie...
Mein Mann fragte gleich, ob er anrufen solle. - Nein, ich pack mal alles für die Waldspielgruppe.
Als ich damit fertig war, wollte er wieder wissen, ob er anrufen soll. - Nein, ich bin mir noch nicht sicher, ob es wirklich die richtigen Wehen sind. Warten wir noch eine ab.
22.56 Uhr kam die Nächste und ich wusste, jetzt ist es wirklich so weit. Der erste Anruf ging zum Nachbarn, damit er bei den grossen Mädchen heute übernachten würde und wir sein Auto für die Fahrt nutzen könnten. Er stand gleich bei uns in der Küche und war bereit. Ich rief im Spital an: „Ich denke wir machen uns jetzt auf den Weg und bitte bereitet alles für die PDA vor!“
Um 23.30 Uhr fuhren wir mit dem Auto los und kamen um 23.55 Uhr beim Spital an. Die Wehen während der Fahrt kamen in 6 Minuten Abständen. Eine veratmete ich noch auf dem Parkplatz und genau um Mitternacht wurde uns die Tür zum Spital geöffnet.
Danach kamen sehr viele heftige Wehen und ich bekam gar nicht alles mit, was um mich geschah. Meine Ärztin war auch gerufen worden, die, die mir vor gut 6 Monaten verriet, dass wir Zwillinge bekommen werden. Beim Untersuch meinte sie, der Muttermund sei schon 8 cm offen. Meine grösste Angst war, dass es auch bei dieser Geburt heissen würde, es sei zu spät für die PDA. Immer wieder hörte ich, dass das Labor gleich so weit sei..... Ein „Venflor“ wurde mir gesteckt. Darauf war ich mit meiner Spritzenangst auch schon sehr gut vorbereitet worden. Diesen müssen sie bei einer Zwillingsgeburt setzen. Immer wieder kamen Wehen und gingen auch vorbei. Sie waren schmerzhaft, aber ich konnte sie wirklich gut veratmen. Ich hatte auch schon das Gefühl, ich spüre das Köpfchen runterkommen.
Dann untersuchten sie mich wieder. Der Muttermund war offen – leider hab ich kein Zeitgefühl, wie lange ich schon im Gebärzimmer war. Der Anästesist kam herein und erklärte mir, wie ich mich über das Bett bücken sollte. Kurz bevor er die PDA setzte bekamen aber alle rundherum nasse Füsse. Die erste Fruchtblase war geplatzt.
Und dann war alles ruhig und gut. Oh, wie toll doch diese PDA war! Es war das erste Mal, dass ich mit dieser Anästesie gebären würde.
Ich war zu Spässen aufgelegt, wollte meinen Mann ins Bett schicken, weil er nichts mehr helfen konnte und auch ich selber hatte das Gefühl, mich bräuchte es nicht mehr. War wohl zu dem Zeitpunkt ein Irrtum

Ich durfte mit dem Pressen beginnen. Dies war doch nicht ganz so einfach, wie ich angenommen hatte und es zehrte doch immer mehr an meinen Kräften. Und trotzdem verging die Zeit so schnell.
02.50 Uhr ist unser Knabe bereits auf die Welt gekommen. Er ist gleich ganz wach und schaut herum und wird mir auf die Brust gelegt. Ein so süsses Wesen! Das ist nun also unser drittes Kind – ein Junge! Unser Vitus. Es ist sooo unglaublich, ihn endlich in den Armen zu halten und er ist einfach wunderwunderschön!
Es ist eine eindrückliche und sehr ruhige Zeit, die wir mit Vitus da im Bett geniessen. Dann meint die Ärztin jedoch, dass wir noch etwas nun vor uns hätten. Im Hinterkopf hatte ich es ja schon die ganzen schönen Moment lang mit Vitus. Unsere Tochter wartete ja noch auf ihre Geburt und die hatte ja doch noch einiges in sich.
Eine Woche vorher, beim Ultraschall, mussten wir feststellen, dass sie sich in der 38. Woche nochmals gedreht hat und nun als Steisslage auf die Welt kommen wollte. Wir haben dies (fast) allen verheimlicht, denn es hätten zu viele Angst um mich und die Kinder gehabt. Zu oft hatte ich schon hören müssen, dass es ein Risiko sei, Zwillinge spontan zu gebären – eine Steisslagengeburt hätte da noch mehr Kritiker heraufbeschworen. Auch ich hatte Angst und einen Riesenrespekt vor dieser zweiten Geburt, aber auch ein grosses Vertrauen in meine Ärztinnen und die Hebammen.
Also begann ich wieder zu pressen. Ich hatte eigentlich gar nicht mehr das Gefühl, dass meine Kraft noch für diese Geburt reichte, aber meiner Tochter zu liebe gab ich alles was ich konnte. Und der Wille, dies ohne Kaiserschnitt zu schaffen, der half mir auch immer wieder.
Es war aber diesmal nicht mit ein paar zählbaren Presswehen gemacht. Unsere Kleine kam nur langsam vorwärts. Im Nachhinein weiss ich, dass es auch so sein musste. Sie versuchte nämlich alles, um die Ärztinnen auf Trab zu halten. Zuerst wollte sie mit Po und Fuss auf die Welt kommen. Darum mussten sie warten, bis sie ganz unten angekommen war, damit sie nach dem Aufstechen der Fruchtblase, das Füsslein oben halten konnten – wär ein Bein als erstes rausgekommen, hätte man einen Kaiserschnitt machen müssen. Danach wollte sie einen Arm und ein Bein zusammen rausstrecken. Der Arm mussten sie nach oben „schürgelen“, dass er erst später rauskommt. Und zum Schluss meinte sie auch noch, sie könne den zweiten Arm über ihren Kopf strecken – auch da musste die Ärztin irgenwie reinfassen und das Ärmchen zuerst runterholen. Aber alles lief in absoluter Ruhe und Harmonie – ich hatte keine Ahnung davon, dass sich unsere Kleine so mit Füssen und Händen wehrt „normal“ auf die Welt zu kommen. Nun fehlte nur noch der Kopf und das war für mich eine grosse Motivation noch einmal alle Kraft zu sammeln und unsere Kleinste auf die Welt zu bringen.
Um 4.03 Uhr erblickte unsere Nathalie das Licht der Welt und wir waren überglücklich, dass die Geburt so gut gelaufen ist und wir zwei gesunde und kräftige Kinder in den Armen halten konnten.
Ein unbeschreibliches Gefühl von Erleichterung und Glück, wofür wir unendlich dankbar sind!