Bilingualismus

Unsere grossen Kleinen und unsere kleinen Grossen. Was uns in diesem Abschnitt der Kinder begleitet, beschäftigt und interessiert.

Moderator: conny85

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mariposa_2
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Bilingualismus

Beitrag von mariposa_2 »

Liebe Swissmoms

Frage an die, dessen Kinder Zweisprachig aufwachsen.

Mein gg spricht Schwizertütsch und ich spreche eine andere Sprache. Ich bin zwar einsprachig aufgewachsen und spreche täglich meine Sprache mit meinen Eltern und z.T. Freunden. Nun habe ich aber das Problem, dass ich meine Muttersprache nicht zu 100% beherrsche. Mir fehlt häufig der Wortschatz. Viele Wörter sage ich einfach auf Deutsch. Seit mein Sohn da ist fällt mir das besonders auf. Ich versuche seither, achtsamer zu sein mit meiner Sprache. Es gibt aber so viele Situationen, wo ich die Wörter nicht kann, z.B. beim Bücher anschauen. Ich habe als Bsp. keine Ahnung , was Radlader auf meiner Sprache heisst und ich finde es auch nirgends. Auch anderes wie Meerestiere, Blumennamen etc. kenne ich nicht. Manches finde ich zwar im Duden, es fühlt sich für mich aber komisch an diese Wörter auf meiner Sprache auszusprechen, da ich sie auch von meiner Kindheit nicht kenne.

Kennt ihr das Problem? Wie habt ihr das gelöst? Spricht ihr diese Sachen dann einfach auf Deusch aus?
Chline Buddha 2017

fläcki
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Re: Bilingualismus

Beitrag von fläcki »

Unser Sohn wächst auch zweisprachig auf. Ich Schweizerdeutsch, mein Mann Französisch. Er wuchs selber zweisprachig auf und kennt auf Deutsch mehr Wörter als auf Französisch, obwohl das seine Muttersprache ist. Er spricht grundsätzlich mit unserem Sohn nur Französisch. Wenn er über Worte stolpert, schlägt er die nach und sagt sie dann in beiden Sprachen. Er macht dann auch Sätze mit diesem neuen Wort, um es für Bub in einen Kontext zu bringen. Was er nicht macht ist Worte die ihm in seiner Sprache fehlen, einfach mitten im Satz zu ersetzen. Also er mischt nicht Sprachen während er spricht. Dazu fehlen ihm wohl auch zu selten Worte. Auch spricht er je nach Person die eine oder die andere Sprache, mischt auch da nicht. Er ist da sehr konsequent.
Von sich selber sagt er, er habe an Wortschatz verloren, seit er nicht mehr zuhause wohnt und so auch lange nicht mehr täglich um diese Sprache rum war. Zudem kommen durch die Interessen unseres Sohnes auch Worte dazu, die er vermutlich in seiner Kindheit gar nie gebraucht hat oder nur selten gehört. Grad Meerestiere waren hier auch mal Thema :wink: . Es ist dann ein gemeinsames Lernen, was ja auch schön ist und zeigt, dass man nie ausgelernt hat.
Und es ist ja auch wenn man nur eine Sprache spricht so, dass man nicht jedes Blüemli kennt. Und je nach dem wie fit man in Sprachen ist, liest man irgendwann auch in dieser einen Sprache Worte, die man nachschlagen muss. Manche früher, andere später. Von daher finde ich das nicht schlimm.
Mich dünkt nur das Mischen ungünstig. Das macht es, nehme ich an, für das Kind schwierig, Worte einer Sprache zuzuordnen.
Für meinen Mann war übrigens von Anfang an klar, dass er seine Muttersprache sprechen würde. Er sagt, das ist eine Herzsache. Das denke ich, sollte es sein, damit es authentisch ist. Am meisten hat er das scheinbar bei den Kinderliedern und Värsli gemerkt. Da kannte er gar keine auf Schwitzerdütsch, aber eine Menge in Französisch. Auch Musik die er als Kind hörte oder Bücher die er vorgelesen bekommen hat. Damit sind Emotionen verbunden und die kann er besser in seiner Muttersprache weitergeben. Dass es sich für ihn komisch anfühlt, hatte er, sagt er, noch nie.

Solvej2
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Re: Bilingualismus

Beitrag von Solvej2 »

Liebe Mariposa, ich bin auch zweisprachig aufgewachsen und meine Kinder wachsen ebenfalls bilingual auf. Das Wort Radlager kann ich weder auf meiner zweiten Muttersprache noch auf der zweiten Sprache der Kinder.. (mein Mann spricht mit ihnen eine dritte Sprache, icheine meiner Muttersprachen) und wenn du mich fragst: Solvej2, was ist ein Radlager, dann müsste ich erst googlen.
Aber Spass bei Seite: ich denke, es ist okay. Hast du eine native Aussprache? Kannst du feste Redewendungen, kennst du die Melodie und den Satzbau Deiner Sprache? Dann machst Du deinem Kind ein grosses Geschenk, das durch das fehlen einiger zweifelhafter Wörter ( Mal im Ernst: Radlager?!?) Nicht geschmälert wird.

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mariposa_2
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Re: Bilingualismus

Beitrag von mariposa_2 »

@fläcki danke für deine Ausführungen. Mischen fühlt sich für mich auch falsch an. Ich gehe aber deshalb manchmal in Vermeidungstaktik. Das fühlt sich auch nicht richtig an.

@solvej schau mal hier das ist ein Radlader

https://www.menzimuck.com/produktgruppe ... -radlader/

Ich wusste übrigens auch nicht was das ist. Ich kenne mittlerweile noch mehr so Wörter, z.B. Planierraupe :lol:
Mein (Bau)Wortschatz hörte vor minem Sohn bei Bagger auf.

Ja ich habe eine native Sprache. Redewendungen kenne ich auf meiner Sprache besser (auf Deutsch sage ich Redewendungen oft falsch). Natürlich kenne ich auch die Melodie meiner Sprache. Es fühlt sich richtig an sie mit meinem Sohn zu sprechen. Nur weiss ich nicht recht wie ich mit diesen Wortschatzlücken umgehen soll, v.a. die Wörter die ich entweder gar nicht finde oder die, die ich vorher auch nicht kannte.

Radlader ist da nicht so ein grosses Problem, ich benne einfach alle Maschinen Bagger :wink: . Aber was ist mit der ganzen Flora und Fauna? Es fühlt sich so an als ob ich da mit Handbremse spreche.
Chline Buddha 2017

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Savuti
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Re: Bilingualismus

Beitrag von Savuti »

Könntest du ein gutes Wörterbuch deiner Muttersprache kaufen und so mit deinem Junior den Wortschatz gemeinsam lernen? Oder Kinderbücher aus deinem Heimatland?
(Ich gehöre auch zur Radlader, Schaufel-Raupen-Bagger-Fraktion, dank Junior und all diese Begriffe sind für mich auf deutsch auch neu).
Grosse 10/12
Kleiner 04/15

Yoghurt
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Re: Bilingualismus

Beitrag von Yoghurt »

Längst nicht für jede Sprache gibt es gute Wörterbücher in Deutsch. Eine Alternative zu Wörterbüchern ist Wikipedia. Wenn man im deutschen Wikipedia einen Artikel aufruft, gibt es auf der linken Seite eine Funktion "in anderen Sprachen". Da kann man die gesuchte Sprache anklicken und wird dann auf den entsprechenden Artikel in dieser Sprache weitergeleitet. So kommt man an die Namen der Dinge in der gesuchten Sprache.

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mariposa_2
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Re: Bilingualismus

Beitrag von mariposa_2 »

Yoghurt das wusste ich gar nicht. Danke für den Tipp.
Chline Buddha 2017

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Moreen
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Re: Bilingualismus

Beitrag von Moreen »

@mariposa, auch wenn du in deiner nativen Sprache nicht den kompletten Wortschatz kennst: bleib dran und sprich mit deinem Kind ausschliesslich in deiner Muttersprache - er wird es dir danken. Mein Mann war Italiener; leider hat er es verpasst, mit meinen Jungs Italienisch zu sprechen :| . Mein ältester Sohn findet es sehr schade, dass er diese Sprache nicht kann (er ist sehr sprachbegabt und lernt inzwischen im Gymnasium 5 Sprachen, aber eben nicht Italienisch).

Ich selber habe mir das Italienisch fast ausschliesslich autodidaktisch beigebracht, mit Ausnahme von ein paar wenigen Grundkursen. Aber nur so war es mir möglich, mit meinen Schwiegereltern und den Verwandten in Italien zu kommunizieren. Mein Sohn ist neidisch, dass ich die Sprache so gut spreche (wenn auch längst nicht perfekt). Meine beiden jüngeren Kinder legen kaum Wert auf das Italienisch, aber dennoch - ich denke, sie hätten es auch geschätzt, wenn Papa mit ihnen Italienisch gesprochen hätte...

Ich finde es toll, dass du dir diese Gedanken machst! Anstelle von Radlader kannst du übrigens auch einfach MENZI MUCK sagen, das ist ein gängiger Begriff für diese Maschinen :D
In Ruhe gelassen werden ist gut.
Durch Ruhe «gelassen werden» ist besser.

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Asta
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Re: Bilingualismus

Beitrag von Asta »

Liebe mariposa
Ich beschäftige mich mit dem Thema nicht privat, aber beruflich. Vor diesem Hintergrund würde ich dir raten möglichst unverkrampft mit deiner Mehrsprachigkeit umzugehen. Sprache ist etwas Natürliches. Ziel ist ja die zwischenmenschliche Kommunikation. Hierzu ist es sehr passend alle zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle (nonverbale und verbale Kommunikation, aber auch alle zur Verfügung stehenden Sprachen) zu nutzen. Bei Interesse kannst du mal den Begriff "translanguaging" googeln. Den Rat strikt Sprachen zu trennen ist wissenschaftlich nicht mehr aktuell. Nur weil du ab und an einen Satz in deiner Sprache mit deutschen Begriffen (z.B. Radlader) ergänzt, schadet dies dem Mehrsprachenerwerb deines Kind nicht. Vielmehr lernt es dadurch auch die Fähigkeit des Code-Switchings (Wechsel zwischen mehreren Sprachen), was für einen mehrsprachigen Sprecher im Gespräch mit anderen Sprecher derselben Sprachen sehr kommunikationsrelevant ist. Zudem merkt dein Kind dadurch, dass dir ein differenzierter Wortschatz wichtig ist und du z.B. eben nicht alle Baufahrzeuge mit Bagger benennst, wenn es eigentlich gar keine Bagger sind. Je nach Alter des Kindes kannst du dann immer noch ab und zu einen Kommentar auf Metaebene einstreuen, so à la: "Gell, Radlader war jetzt Deutsch. Ich weiss gerade das Wort auf XXX nicht." Oder ihr schaut ab und an dann auch mal zusammen ein Wort nach, aber sicherlich nicht bei jedem deutschen Lehnwort, das du einbaust. Ich wünsche dir viel Spass mit dem Spielen mit deinen Sprachen und eine möglichst natürliche Kommunikation mit deinem Kind, so wie es sich für dich richtig anfühlt!

Konfetti
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Re: Bilingualismus

Beitrag von Konfetti »

Ist es denn nicht auch bei euch so, dass ihr bei gewissen Themen einfach am Anschlag seid, was Wortschatz betrifft? Ich kenne beim besten Willen nicht alles, was da auf der Wiese wächst und auch zum Thema Baustelle oder Autoinnenleben verstumme ich bei einer Diskussion (in meiner Muttersprache wohlverstanden!) eher früher als später. Dafür kenne ich halt wiederum andere Thermini.
Fazit: ich würde mir auch keine grossen Sorgen machen und im Spezialfall halt auch mal ein Wort nachschlagen. Man lernt bei einer Sprache nie aus!
Lg
Konfetti

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gast
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Re: Bilingualismus

Beitrag von gast »

Ich kann dir nur von meinen Arbeitsgspändli berichten, die zweisprachig aufgewachsen sind. Teilweise mit Sprachschule, teilweise ohne, weils die in deren Sprache nicht gab/gibt.

Alle sind froh, dass sie zweisprachig aufgewachsen sind, nur schon, weil sie sich öfters auch im Ursprungsland aufhalten. Aber alle sagen, dass sie auch merken, dass ihr Wortschatz begrenzter ist, teilweise können sie auch nicht recht schreiben, weil sies nicht gelernt haben und teilweise haben sie einen ganz anderen Dialekt oder einen "veralteten" Dialekt, der so nur noch von der Älteren Generation gesprochen wird. Aber alle können Sie trotzdem in ihrer Sprache verständigen und, man lernt ja nie aus, kann also unbekannte Ausdrücke immer noch lernen.

Von daher denke ich, wäre es super, wenn ihr trotzdem zweisprachig erzieht.
Liebi Grüessli

Gast

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mariposa_2
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Re: Bilingualismus

Beitrag von mariposa_2 »

Danke für eure Antworten!

@moreen und gast: Auch im RL wird es sehr positiv aufgenommen dass wir Zweisprachig leben. Ich höre es immer wieder, wie andere das nicht erleben durften (häufig bei Kind 1 noch konsequent und ab Kind 2 dann gar nicht mehr) und alle finden es sehr schade.
Das "Problem" mit dem Dialekt haben wir auch. Ich selber kann auf meiner Sprache nur noch sehr schlecht schreiben, obwohl ich es mal gelernt habe.

Um zurückzukehren ist es sowieso zu spät. Es fühlt sich fremd an mit meinem Sohn Deutsch zu sprechen.

@Asta danke auch dir für deine Einschätzung aus fachlicher Sicht. Genau so werde ich es handhaben.

@konfetti genau so ist es. Ich bin bei gewissen Themen am Anschlag. Häufig auch auf Deutsch. Der Vorteil bei Deutsch ist halt, dass die Namen in den Kinderbüechli stehen.
Chline Buddha 2017

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