In der 39. SSW konnte ich noch einen Gipsabdruck von meinem Bauch machen, damit diese Lebensphase verewigt wird.
Bis zur letzten Woche hatten wir auch noch keinen Jungenname, wir beide dachten eher dass es ein Mädchen gibt. Die Schwangerschaft verlief auch anders – mir war öfters übel, ich war viel müder als beim ersten Kind.
Am 23. Oktober, sechs Tage vor dem errechneten Geburtstermin, beginne ich, ein Ziehen im Kreuzbereich zu spüren. Es fühlt sich genau so wie letztes Mal an, als sich die Geburt von Senan ankündigte. Deswegen stimme ich mich auf eine baldiges Ankommen unseres Baby ein. Am gleichen Abend wechseln wir endgültig noch den Jungenname.
am nächsten Tag, um Mittag, beginne ich eindeutige Wehen im Kreuzbereich zu spüren – etwa all 20 Minuten. Zur Sicherheit bestelle ich meine Mutter –die sich dann während meines Spitalaufenthalts um Senan kümmert-, sie hat immerhin über zwei Stunden zu fahren bis zu uns! Ich bin neugierig und gespannt, freue mich, bald unser zweites Kind in die Arme zu halten. Gleichzeitig bin ich nervös und ängstlich wegen der Geburt. Eins weiss ich: ich werde, wie beim ersten Kind, mein bestes geben!
Die Kontraktionen werden häufiger aber nicht intensiver, ich kann sie sehr gut verarbeiten, ohne noch gross dabei zu atmen. Ich spiele friedlich mit unserem Grossen, koche das Nachtessen. Endlich kommt mein Mann heim – ich hatte vorher mit ihm telefoniert, damit er für den nächsten Tag sich frei nimmt. Wir essen, schauen TV, wie jeden Abend. Meine Mutter kommt – etwas aufgeregt -, fragt mich, ob es mir noch gehe, ob die Schmerzen schlimm seien und so weiter.
Ich bin immer noch die Ruhe in Person, schliesslich sind die Schmerzen wirklich nicht stark.
Ich rufe eine Kollegin an –sie ist Hebamme- und informiere sie über den aktuellen Stand. Sie bestätigt mir, dass ich noch nicht gleich ins Spital eilen muss und wünscht mir eine schöne Geburt.
Senan will nicht ins Bett, weil nonna da ist, weil er wahrscheinlich auch spürt, dass etwas läuft. Er will „s Mami“, lässt sich sonst nicht ins Bett bringen. Ich lege mich neben ihm auf dem Bett, wir schmusen, kuscheln, es ist wunderschön. Ab und zu muss ich zwar kurz aufsitzen und eine Wehe verschnaufen, dies scheint mein Kind aber nicht gross zu beunruhigen...
Endlich schläft er ein. Mittlerweile ist es etwa 22.00 Uhr. Mein Mann und meine Mutter schauen noch fern, ich gehe lieber ins Bett, irgendwie hab ich das Gefühl, etwas Schlaf vortanken zu müssen für später...
Wirklich schlafen kann ich dann auch nicht mehr. Ich lese, träume, kommuniziere mit dem Baby.
Mein Mann schläft tief und fest, Senan auch. Ich nehme noch kurz die nächtliche Ruhe unseres Familienbettes wahr, überwache während dessen meine Kontraktionen mit dem Handy

Ich stehe auf, ziehe mich an, wasche das Gesicht, packe die letzte Sachen im Koffer, wecke leise mein Mann. Senan rührt sich nicht.
Ich telefoniere mit der Gebärabteilung und künde unser Kommen an. Ich kenne die Hebamme.
Ich wecke und informiere meine Mutter – sie ist sofort hellwach und aufgeregt...
Wir fahren los. Im Auto hören alle Kontraktionen und Schmerzen auf, es ist friedlich, die Stadt schläft. Um zwei sind wir auf der Gebärabteilung.
Die Wehen setzen bald wieder ein, sie kommen regelmässig und immer stärker, jedoch kann ich sie gut verarbeiten. Ich spaziere herum, biege mich nach vorne wenn’s weh tut, dehne so den Lenden- und Kreuzbereich. Diese Bewegung hilft mir am besten. Die Hebamme massiert mich bei jeder Wehe am Kreuz, es tut so gut!
Zwischendurch plaudern wir – es ist friedlich.
Irgendwann untersucht sie mich: Muttermund fast 10 cm offen!!!!!!

Wenn ich immer noch mir eine Wassergeburt wünsche, meint sie, dann ist es Zeit, in die Wanne zu steigen. Ich könne aber auch auf dem Bett bleiben und die Wehen weiterhin so toll verarbeiten.
Nee, ich doch nicht! So langweilig auf dem Bett gebären? Sicher nicht!
So steige ich in die Wanne und entspanne mich total. So sehr, dass die Wehen ganz aufhören. Mir geht es blendend, ich könnte Stunden hier im Wasser verbringen, und irgendwie ist es mir auch egal, dass die Geburt im Moment nicht voran geht.
Mein Mann legt sich ein Moment hin.
Irgendwann meint die Hebamme, dem Kind gehe es zwar gut, aber die Geburt könne sich noch lange hinausziehen, wenn ich im Wasser bleibe. Ihr Vorschlag: wieder aussteigen, spazieren, auf dem Bett gebären.
Dann, meint sie, würde das Kind noch vor dem Frühstück kommen.
Ich bin hin und her gerissen: eigentlich geht’s mir in der Wanne super gut, mir pressiert’s auch nicht, andererseits wäre es schön, wenn das Kind noch in dieser Nacht, bei dieser Hebamme käme, mein Mann ist auch müde.... ich kenne die Hebamme, ich hab volles Vertrauen in ihr und merke, dass sie wirklich möchte, dass ich aus dem Wasser komme.
OK – fertig entspannt!
Ich steige aus –der Muttermund hat sich während dieser „Pause“ sogar „zurückgezogen“ und ist jetzt nur noch etwa 8cm offen- und spaziere brav herum, veratme wieder die Wehen im stehen.
Vor sechs Uhr ist das Baby da, meint die Hebamme. Mein Mann sagt, schon vorher. Glaub ich nicht. Ich denke, das Kindlein kommt gerade vor dem Schichtwechsel, so kur vor sieben.
Es ist halb funf.
Senan war damals um diese Zeit schon seit über zwei Stunden in meinen Armen.
In den anderen zwei Gebärzimmer sind zwei Babys schon geboren – mein Mann hörte sie schreien!
Irgendwann sticht mir die Hebamme die Fruchtblase auf, damit die letzte Phase der Geburt voran geht. Der Übergang ist mir nicht sehr bewusst, ich merke einfach irgendwann, wie ich länger, lauter, „tierischer“ schreie, und dass ich die Kontrolle nicht mehr so habe, dass die Wehen mich fast ein wenig erschrecken.
Genau in diesem Moment telefoniert die Hebamme mit der Dienstärztin und „bestellt“ sie im Gebärzimmer „zur Geburt“.
Ist es dann schon so weit? Ja, meint die Hebamme, ich sei jetzt in den Übergangswehen, ob ich noch keinen Pressdrang verspüre? Genau als sie mich fragt, wird mir dies bewusst: ja dieser Druck hier unten muss wohl das Köpfchen sein!
Der Rest der Geburt verläuft für mich ziemlich stürmisch und ich habe keine angenehme Erinnerung daran. Erstens weil ich von nun an mich nicht mehr frei bewegen konnte wie ich wollte –ich wurde nämlich auf die Seite „gelagert“ -unter mich verschiedene Unterlagen ausgebreitet- und meine Beine wurden von Hebamme und meinem Mann „unterstützt“.
Irgendwie sprachen wir vorher noch über eine Geburt im Vierfüsslerstand – wäre mir echt viel lieber gewesen- und plötzlich lag ich in Seitenlage. Ich glaube, ich hatte es probiert, aber mir fehlte die Kraft, die restliche Phase der Geburt auf allen Vieren zu verarbeiten.
Es kommen nur noch 3 oder 4 Wehen, weiss es nicht mehr genau, sehr stark und lang, sehr schmerzhaft. Die Hebamme schützt meinen Damm mit einer warmen Kompresse und gibt mir klare Anleitungen. Ich folge schön brav, will nur noch dass es bald aufhört, hab keine Kraft mehr und die Schmerzen sind sooooo stark!!!
Sie bremst mich bei jeder Presswehe, ich soll nicht so kräftig pressen, ich soll meinem Damm die Zeit lassen, sich zu dehnen...
Interessant, irgendwann sagt sie mir auch, wenn ich wolle und könne, solle ich die Kraft zum Schreien aufsparen und lieber in der Dammgegend, dort wo es am meisten spannt, „hineinatmen“, damit ich nicht so heftig drücken müsse und das Kindlein sanfter heraus gleiten könne.
Und tatsächlich kann ich das! Hätte ich nicht geglaubt.
Während den letzten zwei Wehen, die stärksten, die schlimmsten, schreie ich also nicht mehr, fast unglaublich! Vielleicht auch, weil ich keine Kraft mehr habe...
Ich spüre das Kind hinaus gleiten und muss –auf „Befehl“- eine Pause machen, bis ich ein letztes Mal pressen darf. Dies wieder meinem Damm zuliebe.
Dann habe ich es geschafft – und unser Baby ist um 6.24 Uhr da!
Mein Mann konnte dieses Mal die Geburt viel näher und konkreter miterleben als bei unserem ersten Sohn, im Wasser geboren.
Ich darf mein Kind selber auf den Bauch nehmen, die Hebamme hilft mir dabei.
Und dann...
„ist das die Nabelschnur?“
„hmmm, glaub nicht. Du siehst schon richtig. Es ist wieder ein Junge!!!!“
wir müssen beide schmunzeln, denn so überzeugt waren wir, dass unser zweite Baby ein Mädchen ist –mein Mann fast noch mehr als ich- und dann, siehe da... ein Brüderlein für Senan!
Er ist so warm, rosig, entspannt. Er duftet so gut, ich krieg nicht genug davon, eine Mischung zwischen frisches Brot, hausgemachte Guetzli, Schnee, gemähtes Gras. Er schaut uns an, neugierig, ernst, bewusst. Welch langer Weg hat er hinter sich gebracht, bis er zu uns gekommen ist?
Wir sind so froh, dass du uns als Familie gewählt hast! Willkommen auf dieser Welt, willkommen in unserem Leben, kleiner Nevan!
Unbeschreiblich, unvergesslich schön, die ersten Minuten, Stunden, zusammen mit ihm. Zuerst zu dritt, dann ging irgendwann mein Mann schlafen.
Dann nur wir zwei. Sich anschauen, aneinander kuscheln, flüstern, singen. Kennen lernen. Geniessen. Die Zeit steht. Ist egal. Für solche Momente lohnt es sich, neun Monate zu warten, drei davon mit Übelkeit zu kämpfen, nachts von stechenden Krämpfen geweckt zu werden. Für solche Momente lohnt es sich, durch die überwältigende, heftige Schmerzen der Geburt zu gehen.
Danke, Nevan, dass du mit mir diese Reise gegangen bist. Ich werde mein Mögliches machen, damit du glücklich sein wirst.