Der 18. April war ein regnerischer Sonntag. Ich war seit einer Woche krankgeschrieben und hatte alles erledigt. Endlich fühlte ich mich bereit und unternahm alles mögliche, damit ich die Kleine nicht übertragen würde. Wie jeden Tag unternahmen wir mit unserem Hund einen rund einstündigen Fussmarsch. Ich war schweren Schrittes unterwegs und an diesem Tag quälten mich wieder besonders starkes Sodbrennen. Meine Laune sank... Das bedeutete, dass der Kopf noch sehr weit oben war. Auch die Nacht verlief nicht traumhaft. Unsere Haustiere waren unruhig und ich schoss mehrmals im Bett auf. Als gegen 6 Uhr morgens der Wecker von GG losging, erwachte ich mit leichten Unterleibskrämpfchen. Irgendwann fiel mir auf, dass es ein Kommen und Gehen war und kein permanenter Schmerz. Das war neu und ich entschloss mich, meine Freundin anzusimslen, ob sich den Wehen möglicherweise wie Menskrämpfe anfühlen. Die Antwort kam postwendend - und wurde bejaht. Meine Freundin schien sich sogar zu freuen, dass es bald losging. Ich schleppte mich als wieder ins Bett und weckte GG auf. Den allerdings schien das gar nicht zu beunruhigen und so legte ich mich auch wieder hin und versuchte mal, ob ich eine Regelmässigkeit feststellen konnte. Da mir meine Ärzte eingebleut hatten, mich sofort zu melden, wenns losgeht, entschloss ich mich um 7.30 mal anzurufen. Die Hebamme riet zu einem warmen Bad - gesagt, getan. Ich wälzte mich also in die Wanne, beobachtet von GG der immer noch frischfröhlich war und sich mal für die Arbeit bereitmachte. Immerhin, so versicherte er mir, habe er sich für alle Fälle einige Sandwiches geschmiert und sei wenn nötig in 10 Minuten zu Hause. Aha…
Um 8.15 stieg ich wieder aus der Wanne. Nun mit deutlich verstärkten Krämpfen. Ich entschloss mich, mal etwas zu frühstücken und mich gesellschaftstauglich zu machen. Man konnte ja nie wissen. Dann packte ich die restlichen Dinge in meinen Geburtskoffer und rief um ca. 9.15 wieder im Spital an. Die Hebamme meinte, es wär wohl dann doch mal an der Zeit, sich auf den Weg zu machen. Mittlerweile waren meine Krämpfe echt fies geworden und ich beorderte GG mit einem einzigen Satz nach Hause. Als er eintraf, lag ich schon keuchend über der Couch und nun endlich kam auch er in die Gänge. Um 9.45 fuhren wir endlich los und erstmals verfluchte ich den längeren Anfahrtsweg von rund 35 Minuten. Die Position im Auto trug auch nicht gerade zum Wohlbefinden bei und meine Krämpfe hatten sich zu handfesten Wehen gemausert. Mir schliefen Hände und Füsse ein – wohl ein Zeichen für Hyperventilation.
Endlich beim Spital nahm GG gleich die Anfahrt zum Notfall und ich wurde mit einem Rollstuhl Richtung Gebärsaal geschoben. Zu diesem Zeitpunkt war ich davon überzeugt, dass mein MuMu sicher schon WEIT geöffnet war und ich froh sein konnte, wenn das Baby nicht schon hier im Lift zur Welt kam…

Im Gebärsaal angekommen, wurde mir dann direkt ein Zugang gelegt – von mir als Spitalhasserin misstrauisch beäugt. Dann gabs einen US um zu schauen, ob die Kleine noch „richtig“ lag und schliesslich wurde der der MuMu kontrolliert: 1cm offen… tja. Da der Druck auf das Schambein beinah unerträglich war und mir mehr Schmerzen als die Wehen selber bereitete, rieten mir die Hebammen zur Wanne. Obwohl ich das immer augeschlossen hatte, landete ich also im Wasser. Nach einer kurzen und leicht entspannteren Phase gings weiter in den Vierfüssler. Nach kurzer Zeit wurden die Wehen heftiger und regelmässiger. Inzwischen hatte man mir die richtige Veratmung beigebracht, was die Schmerzen einiges erträglicher machte. Nach rund einer Stunde imk Wasser war der MuMu 3cm offen. Die Wehen rollten nun richtig über mich her, zwei bis drei gleich hintereinander und ich hatte kaum Zeit, zu atmen oder mich zu erholen. GG sass tapfer am Beckenrand und wusste nicht so recht, was mit sich oder mir anfangen. Nach einer weiteren halben Stunde waren wir bei 5cm. Die Wehen kamen ohne Pause und ich geriet in eine mentale Erschöpfungsphase, wo ich die ganze Übung am liebsten abgeblasen hätte. Auch die Hebamme und ihr Kommentar, die Hälfte sei nun schon geschafft, halfen nicht. Plötzlich konnte ich spüren, wie die Fruchtblase platzte und das Fruchtwasser unter mir wegschoss. Das machte mir wieder Mut und ich konnte die folgenden Wehen besser veratmen. Eine Weile später – ich hatte das Zeitgefühl komplett verloren – musste ich plötzlich raus aus der Wanne und wurde aufs WC geschickt. Anschliessend platzierte man mich auf dem Petziball und ein paar Wehen später wieder aufs Geburtsbett. Nochmals wurde der MuMu kontrolliert und ich bekam am Rande mit, dass er vollständig geöffnet sei. Endlich!! Ich war so erleichtert, dass nun endlich der aktivere Teil der Geburt begann und somit konnte es ja nicht mehr lange dauern. Mittlerweile waren der Chefarzt und eine ganze Armada von Assistenzärzten und Anästhesisten eingetroffen. Man nahm mir gleich wieder den Wind aus den Segeln und erklärte, es könne also schon noch dauern. Dafür wurden wir um Erlaubnis gefragt, ob der Moment der Geburt für eine Studie fotografiert werden dürfte. Mir war das zu diesem Zeitpunkt total egal…
Als die nächste Wehe heranrollte, wurde ich instruiert, beim Höhepunkt zu pressen. Gar nicht so einfach, den nicht zu verpassen. Zudem musste ich mich zusammenreissen, meinen Mund zu schliessen und nicht die ganze Kraft herauszuschreien. Ich hatte das Gefühl, es gehe gar nicht vorwärts… GG sass an meinem Kopfende und nickte mir Mut zu. Nach rund 5 Presswehen musste ich vom Vierfüssler wieder in die Rückenlage. Endlich hatte ich ein besseres Gefühl, wann es Zeit war zu pressen. Immer wieder erklärte der Arzt, er sehe bereits das Füdi und plötzlich nach einer weiteren Presswehe, sah ich zwischen meinen Beinen einen kleinen, schlaffen Körper. Wie ein Blitz schoss mir der Super-Gau einer BEL-Geburt durch den Kopf und ich war überzeugt, dass etwas nicht stimmte. Der befehlerische Ton des Arztes, nun zu pressen, verstärkte das noch. Ich war verzweifelt, konnte die Wehe nicht mehr spüren und presste einfach aus Geratwohl. Zwischen meinen Beinen wurde ein Dammschnitt diskutiert und ich war sicher, dass der Kopf steckenblieb. Der Schnitt fühlte sich kalt an aber es war mir egal. Ich wollte nur noch dass mein Kind heil rauskam. Einen Moment später war der Schmerz vorbei und der Augenblick erschien mir endlos. Ich war müde und verzweifelt. Und plötzlich lag da dieses kleine, verschmierte Etwas auf meinem Bauch, das mich anblickte und die Ärzte die strahlten und mir zu unserer Tochter gratulierten. Ich begriff, dass alles gut gegangen war – der Arzt versicherte mir, dass zu keinem Zeitpunkt ein Risiko bestanden hatte. Ich genoss den Anblick unseres kleinen Schatzes und während mein Dammschnitt genäht wurde, durfte ich sie bereits an die Brust anlegen. Wir blieben noch für eine gute Stunde im Gebärsaal, bestaunten unser Baby und GG durfte sie ein erstes Mal baden. Vom Eintritt ins Spital bis zur Geburt waren nur 4 ½ Stunden vergangen. Wir waren beide erstaunt, wie eilig es unsere Kleine gehabt hatte.
Auch heute, rund 4 Wochen nach der Geburt, bin ich jeden Tag froh darüber, dass wir so viele Menschen getroffen haben, die uns für die BEL-Spontangeburt unterstützt haben und wir die Möglichkeit erhalten haben, unser Baby so auf die Welt zu bringen. Ich würde mich jederzeit wieder dafür entscheiden und finde es schade, dass so vielen Frauen davon abgeraten wird. Bei entsprechender Abklärung ist das Risiko nicht grösser als bei einer normalen SL-Geburt. Mein Bericht soll deshalb auch unschlüssigen Frauen Mut machen, dass es auch bei einer Erstgeburt möglich ist. Ich bin stolz, dass wir es geschafft haben!