R (unsere Hebamme) meinte, ich solle doch kürzer treten. Ich liess mich also gute 4 Wochen vor dem ET Krank schreiben und blieb von nun an zu Hause. Anfangs genoss ich die Zeit daheim, das Vorbereiten und alles Herrichten. Aber je näher der Termin kam, umso nervöser wurde ich. Einerseits war ich voller Vorfreude endlich eine richtige Geburt erleben zu können, andererseits hatte ich enorme Angst, dass es vielleicht doch wieder zu einem Kaiserschnitt kommen könnte.
Was wenn der ET verstrich ohne Anzeichen auf einen baldigen Geburtsbeginn? Was wenn mir der Arzt und die Hebamme mitteilen, dass wir nicht mehr abwarten können?
Eine Woche vor dem ET war Su.s (unsere Tochter) 4.Geburtstag. Wir gingen zusammen mit Freunden nach Basel ins Tinguely Museum. Es war sehr anstrengend mit dem grossen Bauch. S. (mein Mann) machte ständig Witze, was wenn die Wehen unterwegs einsetzten würden.
Aber nichts geschah. Trotz langem Spazieren.
Ab diesem Tag an war ich jeden Abend ganz aufgeregt. Würden vielleicht heute Abend die Wehen anfange? Der Termin kam näher.
Samstag Abend verlor ich viel zähen Schleim. War das der Schleimpfropf? War das ein Anzeichen dass es doch bald losgehen würde? Ich schrieb R schon mal eine SMS. Doch nichts passierte weiter.
Es war Montag. Ich spürte schon seit Sonntag immer wieder ein Ziehen, as ob ich meine Tage bekommen würde. Vorwehen? Senkwehen? Mein Bauch war immer noch sehr hoch. Das frustrierte mich ein wenig. Am Vormittag kam dann R zur Kontrolle. Der Muttermund war um die 2 cm geöffnet. Das machte mir ein wenig Mut. Andererseits las ich, dass es auch Frauen gibt, bei denen der Muttermund bereits Wochen vor der Geburt so weit geöffnet war.
R sagte mir immer wieder, dass ich loslassen soll, ich sei noch zu verkrampft. Das war leichter gesagt als getan. Immer wieder sah ich den ET vor mir. Noch zwei Tage. Was dann?
Doch Kaiserschnitt. Immer wieder kam mir dieser Gedanke und sofort verdrängte ich ihn wieder aus meinem Kopf.
Es war Dienstag. Immer noch plagten mich den ganzen Tag diese menstruationsartigen Anzeichen. Aber ich nahm sie nicht als Wehen war. Viel zu schwach kam es mir vor.
Am Nachmittag rief R an. Sie hatte für den 12.10 schon mal vorsorglich einen Termin beim Hausgeburtsarzt und in der Frauenpraxis für den Wehenschreiber gemacht. Ich organisierte mich, wer mich hinbringen könnte und wer Su hüten würde. Ich war unheimlich besorgt. R erinnerte mich nochmals daran zu entspannen, das Kind begrüssen zu wollen.
Meine Verzweiflung spürte auch S. Daher zog er noch mal alle Register um die Wehen einzuleiten. Er holte im Garten Kräuter für ein warmes Fussbad, machte mir einen Ingwertee mit vielen Gewürzen. Ich bat ihn noch mich zu fotografieren. Damit ich den dicken Bauch auch ja nicht vergessen würde.
Wir gingen ins Bett. Ich bekam noch mal eine Rückenmassage und dann ngenossen wir unsere Zweisamkeit. Gegen 23.30 schliefen wir ein.
Um 0.30 erschrak ich und wachte auf. Ich wusste nicht ob ich was geträumt hatte oder ob ich eine Wehe spürte. Ich sh setzte mich hin und wartete. Lange brauchte ich allerdings nicht zu warten. Es waren ECHTE Wehen. ENDLICH dachte ich. Ich weckte gleich S. Ich sagte ihm, dass es wohl wirklich langsam losgehe. Ich nahm meine Decke, mein Kissen und ging ins Wohnzimmer. Ich ging natürlich davon aus, dass ich jetzt mal die Wehenaabstände messen könnte und noch ein wenig schlafen würde. Aber nichts damit. S. begann sofort das Wohnzimmer wie mit R abgesprochen vorzubereiten. Ich bekam von alledem nichts mehr mit. Kurz kam S. zu mir und fragte, ob ich Musik möchte. Ich entschied mich für Bob Dylan.
Die Wehen kamen bereits alle 3 Minuten. Ich konnte die Schmerzen noch still ertragen, bat aber S. die Hebamme anzurufen. Diese wollte aber dann mit mir sprechen. Sie meinte es könnte sein dass die Wehen wieder unregelmässiger werden. Daher soll ich weiterhin die Zeit stoppen und sie sofort anrufen wenn ich spüre, dass sie kommen müsse. Auch wenn es bereits in einer halben Stunde wieder sein würde. Sie lege sich noch einmal hin. (Später sagte mir dann, dass sie sicher war, dass ich bald wieder anrufen würde und daher schon alles ins Auto packte). Kaum hatte ich das Gespräch beendet wurden ich von heftigen Wehen überrannt. Ich war beängstigt. Ich war so überzeugt, dass dies erst der Anfang war und ich wie immer gelesen, noch Stunden würde umherlaufen können, wegatmen, was essen und mich erholen. Aber nichts dergleichen. Der Schmerz war so unvorstellbar heftig, dass ich bereits die im Kurs so belächelten „ohhhhhhmmmmms“ sang. Unglablich wenn ich jetzt daran denke. Ich versuchte S. zu rufen. Ich bat ihn die Nummer von R zu wählen. Zum ersten Gespräch waren kaum 10 Minuten vergangen.
Nun verschwamm mein Zeitgefühl. Alles was mit Minuten, Stunden und Sekunden zu tun hatte verschwand und ich erinnere mich nur dank des Geburtsberichtes. Ich schreibe hier aber bewusst wie ich es erlebt habe, ohne Uhr und Zeitgefühl.
Ich war immer noch auf dem Sofa. Ich lag seitlich auf einem Berg von Kissen und Decken. Ich versuchte die Position zu wechseln, aber wenn eine Wehe kam schrie ich nur noch vor Schmerzen. Ich erinnerte mich an R’s Worte: Schreit nicht in hohen Tönen sonder wandelt die Kraft in tiefe Töne und in OOOOO oder AAAA. Das versuchte ich.
Endlich hörte ich R. Sie rief S. an, dass er ihr hochtragen helfe. Ich rief sie zu mir. Ich brauchte jetzt unbedingt ihre ruhige Art. War das normal? Ich hatte Angst dass irgendetwas nicht stimmen könnte und ich jetzt unter diesen extremen Schmerzen ins Spital hätte verlegt werden müssen. Ich dachte zwischen den Wehen daran, dass ich so doch unmöglich noch transportiert werden könnte.
Als R die Tür herein kam lief „Mister Tamburinman“. Ich dachte kurz :“Ach wie gemütlich“. Aber dann kam wieder eine Wehe.
R unterschte mich. Ich weiss nur noch dass sie S. sagte:“Mach schnell den Pool parat, sonst kommt das Kind noch bevor wir fertig sind“. Wow, das machte mir Mut und ich dachte dass ich es wohl bald geschafft hatte. Zwischen den Wehen war ich wie bekifft. Voll hinüber. Machte paar Scherze, dass jetzt bestimmt das ganze Haus wach sei von meinem Geschrei. Ich brauchte bei jeder Wehe Unterstützung. Ich wollte nicht mehr alleine sein. Die Wehen kamen alle 2 Minuten, manchmal auch ohne Pause. Oder vielleicht fühlte sich das auch nur so an, keine Ahnung.
Irgendwann sagte R, dass der Pool jetzt parat sei. Ich dachte nur: Oh Gott, wie soll ich jetzt bloss aufstehen!?“. Andererseits dachte ich an die wohltuende Wärme des Wasser. R half mir zwischen einer Wehe mich auszuziehen. In der nächsten Pause dann begleitete sie mich ins Wasser. Wie herrlich. Ich fühlte die Entspannung. Es tat mir sehr gut. Allerdings brauchte ich eine Weile, bis ich eine passende Position fand. Ich kniete und legte meine Arme über den Beckenrand nach Draussen. Jetzt spürte ich vermehrt Pressdrang und leider auch Stuhldrang. Es war mir irgendwie unangenehm und doch auch gleichgültig. Naja, immerhin waren ich ja im Wasser, dachte ich. R bat mich mich an dem Tuch das über dem Becken hing etwas hochzuziehen und während der Presswehe mich daran festzuhalten. Dies gelang mir aber einfach nicht. Es war unbequem und ich brauchte mehr Kraft zum Hochziehen als zum Pressen. Ich spürte einen Druck im Bauch. R fragte mich wo denn. Es war über der Narbe, zum Glück. Ich sagte ihr, dass ich Angst hätte richtig zu Pressen. Angst vor dem Druck auf die Narbe. Bis jetzt hatte ich die Narbe immer aus meinen Gedanke gestrichen- nun war sie auf einmal so präsent wie nie zuvor. Ich dachte nur, dass ich jetzt da durch müsse. Reinpressen und hoffen, dass es wirklich hält.
Die einzige Zeit die mir präsent ist ist 4 Uhr. R sgate mir dass sie nun Den Arzt (B) anrufe, da es sicher nicht mehr lange dauern würde, bis ich das Kleine im Arm halten könnte. Ich fragte, ob ich denn etwa die Hälfte geschafft hätte. Sie schmunzelte nur. Vielleicht sagte sie auch was, das weiss ich nicht mehr.
B. kam rein. Ich bemerkte ihn kaum. Er informierte sich glaub ich kurz bei R und zog sich dann ins Wohnzimmer zurück.
Ich sagte S, er solle Karin (unsere Nachbarin) anrufen, sie soll hoch kommen und zu Su gehen. Wir hatten Su nämlich versprochen, dass wir sie aufwecken würden, wenn das Baby komme. Sonst hätten wir sie nicht mehr ins Bett gekriegt.
Immer wieder dachte ich an eine Szene. Am Kurs machten wir eine Meditationsübung. Wir sollten uns eine besonders schöne Szene ausdenken, an die wir während der Geburt immer wieder denken könnten. Sofort sah ich ein Bild vor mir: Ich, S., Su und das Baby liegen auf einer Matratze und kuscheln uns um das Baby herum. R. sagte immer wieder dass es bald kommen würde. Sie fühle schon den Kopf, ich fühlte ihn auch. Zwischen den Wehen versuchte ich mit dem Kleinen Kontakt aufzunehmen. Ich murmelte dass es doch bald zu mir kommen solle, dass ich es halten möchte und endlich sehen möchte.
Zwischen den Wehen war ich wie benebelt. Ich konnte meine Augen kaum noch offen halten, so erschöpft war ich. Ich würde so gerne schlafen, sagte ich immer wieder.
Nun bat mich R aus dem Pool. Sie machte alles neben dem Pool parat. Wir hatten eine Matratze hingelegt, zwar eine sehr kleine, aber es reichte.
Nun kam auch B dazu, S. setzte sich an die Wand, mit angewinkelten Beinen. Ich sass dazwischen und hielt mich an seinen Knien fest. B drückte glaub ich von vorne an meine Beine, was mir sehr viel Kraft gab. R war direkt vor mir und gab mir Anweisungen, dass ich länger pressen müsse. Das war sehr schwierig. Ich konnte am Anfang nur so lange pressen, wie ich auch den Atem anhalten konnte. Dann bekam ich raus, wie ich trotz erneutem Einatmen weiter den Druck aufrecht erhalten konnte. Erst spürte ich immer wieder, dass der Kopf nach dem Pressen wieder zurück ging. Das deprimierte mich. R sagte auf einmal:“ Wenn Du jetzt noch einmal richtig Presst, kannst Du es nachher gleich in die Arme nehmen“. Ich dachte an einen Scherz. Bestimmt wolle sie mich nur beruhigen, mir Mut machen. Ich Presste jetzt wie eine wahnsinnige, da sagte sie: „Der Kopf ist draussen“. Ok, dachte ich, der Kopf schon, aber das Kind ja noch nicht. Ich sah mich schon weitere Stunden pressen, als die nächste Wehe kam. Ich spürte nur den Pressdrang, keine Schmerzen. Da sagte R :“Nimm es zu Dir hoch“. Ungläubig griff ich mit den Händen zwischen meine Beine. Ja ich konnte etwas fühlen, aber war es schon draussen? Schon? Ich zog es heraus und nahm es zu mir hoch. Das Kleine schrie wie am Spiess! 5Uhr 22 hörte ich R sagen. Ich schluchzte, konnte es nicht glauben. Genau das war mein Traumbild gewesen, was ich immer vor mir sah. „Holt Su!“ sagte ich. R ging in die andere Wohnung rüber und weckte Karin und Su.
Das Baby wurde von R mit einer warmen Decke zugedeckt und ich konnte das Kleine bereits das erste Mal an meine Brust anlegen. Ich fragte S., was es denn überhaupt sei. Er wusste es auch nicht. Ich fragte R, diese wusste es ebenfalls noch nicht. Also hoben wir die Decke und ich sagte „es Büebli“. B streckte nur kurz sein Stethoskop her und hörte die Atmung ab.
Su. kam zu uns. Sie war noch völlig vom Schlaf verwirrt. Karin wollte gleich gehen und uns alleine lassen. Ich bat sie aber zu warten, und Su. zu betreuen. Su. wollte dann mit Karin zu ihrem Freund runter um die Botschaft zu verkünden. Nun fragte R, wer die Nabelschnur durchschneiden wolle. S. meinte, ich solle doch. Ich tat es auch. Ich durfte also Mein Kind zu Hause gebären und es mit meinen eigenen Händen dem Leben übergeben.
Nun meinte R, dass ich noch einmal pressen soll, für die Plazenta. Sie kam direkt beim ersten pressen raus. B und R kontrollierten den Blutsverlust- alles im grünen Bereich. Nun fragte ich auch ob ich denn Verletzungen erlitten hätte. Ich wurde beruhigt- lediglich eine kleine Schürfung.
Su. kam nun noch einmal zu uns. Diesmal war sie wirklich wach. Sie wollte die Füsschen und Händchen sehen und stellte fest, dass er ja noch gar keinen Hals habe.

Nach einer Weile wurde sie wieder müde und ging mit Karin weiterschlafen.
Wir drei blieben ungestört am Boden liegen. Konnten es kaum fassen. Waren erschöpft, glücklich, erleichtert und unglaublich verliebt.
Nach einer Weile kam R zurück und meinte dass sie uns aufs Sofa rüber helfe. S. zog sein Shirt aus und nahm den Kleinen auf seine Brust. Ich wandelte wie auf Drogen ins Wohnzimmer rüber. Ich versuchte noch Wasser zu lösen, ging aber nicht. Danach kam S. zu mir mit dem Kleinen. Wir legten uns alle hin. R bot mir an mich etwas zu waschen. Selber konnte ich nicht, mein Kreislauf war zu schwach.Erst jetzt machte R noch paar Untersuchungen mit dem Kleinen, wie Gewicht und Grösse messen. Dies alles tat sie bei mir auf dem Bauch. So waren wir nicht eine Sekunde getrennt.
R und B gingen in die Küche und schrieben ihre Protokolle. Gegen 8Uhr verabschiedete sich R. Sie komme am Nachmittag wieder.
Später erfuhr ich noch, dass der Kleine die Hand neben dem Köpfchen hielt- und trotzdem hatte ich keine Verletzung davon getragen.
Seine Daten:
3750g, 53cm lang, KU36cm
Wir sind unendlich dankbar und überglücklich!!!
