
Und hier ist sie nun, meine Hausgeburtsgeschichte:
Schon eine ganze Weile hatte ich immer wieder stärkere Vorwehen, die manchmal auch schon über einen gewissen Zeitraum in regelmässigen Abständen kamen, dann aber wieder verschwanden. Ich merkte zwar beim Tasten, dass diese bereits den Gebärmutterhals etwas verkürzten und den Mumu öffneten, wusste jedoch, dass ich für die „richtige Geburt“ noch ganz andere Wehen brauchte. Diese wollten aber einfach nicht kommen und ich war mit der Zeit einigermassen genervt. Vor allem, als dann der ET verstrich und meine Hebamme R. wegen dem ewigen Rumgewehe mal scherzhaft meinte: „C., wieso gebärsch nid eifach?“ Hm ja, warum denn bloss? Das gab mir zu denken. Leichte Zweifel hinsichtlich der Hausgeburt kamen auf. War es die falsche Entscheidung? Sollte es vielleicht einfach nicht sein? Würde ich doch ins KH müssen zwecks Einleitung? Diese Gedanken machten mich mürbe und ich schob sie so gut es ging beiseite, schob aber auch die ein oder andere Krise. Man bzw. Frau kennt das ja. Blöder ET!

Am Samstag, 1. Juni (ET+5) gegen Abend dann etwas für mich ganz Neues: Ein Tropfen Blut im Slip, hui! Hatte ich es mir doch gedacht, dass die Wehen an diesem Tag schon eine leicht andere Qualität hatten… Sofort war ich total freudig aufgeregt. Schien diese Geburt den Weg zu mir also doch noch zu finden, hihi! Am späteren Abend schrieb ich R. dann eine SMS, womit ich sie über die Zeichnungsblutung und die einigermassen regelmässigen, aber noch nicht besonders schmerzhaften Wehen informierte. Die Stunden vergingen. An Schlaf war nicht zu denken. Weiterhin Wehen. Die Abstände hatten sich von 8 bis 10 Minuten auf 6 bis 7 Minuten verkürzt. Zwischen 3 und 4 Uhr morgens hatte ich dann plötzlich bei jeder Wehe das Gefühl, dass irgendwas stossweise aus mir ausläuft. Nur ganz wenig. Sehen konnte ich jedoch immer nur so ein Gemisch aus Blut und Schleim, so dass ich nicht so recht an einen Blasensprung glaubte. Ich wehte nun also ab sofort so leicht undicht vor mich hin… Aber ich wusste: Das sind noch immer keine richtigen Geburtswehen. Trotzdem freute ich mich, sah die Sache positiv und fand es ganz gemütlich, mir in unserem Hausgeburtsdachstübchen allein die Nacht um die Ohren zu schlagen, während Mann und Töchterchen unten nichtsahnend schliefen.
Gegen 5 Uhr morgens dachte ich: OK, das schaffst du nicht mehr, bevor N. (unsere Tochter) aufwacht. Und ich fing an, mir zu überlegen, wie wir den Tag organisieren wollen. Sofort wurden die Wehenabstände wieder grösser, weil ich mich so „verkopfte“. Fand ich aber ok, denn so konnte ich dann doch noch ein wenig dösen. 10 Minuten später: Wehe. Gedöst. 12 Minuten später: Wehe. Gedöst. 15 Minuten später: Wehe. Gedöst. Und dann die längste Schlafphase dieser „Nacht“: 20 Minuten. Yeah! Dann war N. wach. Ich hörte sie im unteren Stockwerk rumpeln und bin dann runter, um mit ihr zu frühstücken. Irgendwann kam mein Mann dazu und wir besprachen, dass wir seine Eltern informieren wollen, damit sie N. abholen für einen Tagesausflug. Nur so, falls es noch zu einer Geburt kommen sollte (ich war ja nicht so wirklich davon überzeugt)… Die Wehen waren zu dem Zeitpunkt so gut wie weg.
Etwas nach 9.00 Uhr informierte ich R. per SMS über meine Wehennacht. Sie meinte, sie käme dann gegen Mittag mal vorbei, um zu schauen, was diese Wehen schon bewirkt hatten. Ich malte mir aus (wie schon so oft in Hausgeburtsberichten gelesen…), dass sie mir sagen würde, ich wäre so 3 cm offen und sie würde jetzt nochmal nach Hause fahren bis ich sie anrufe, um ihr mitzuteilen, dass es ernst wird. Doch dann kam R. und verlangte erstmal meine Binde, um sie auf Fruchtwasser zu testen. Und der Test war positiv! *kreisch* Leider war das Fruchtwasser laut R. ein bisschen verfärbt (gelb mit vielleicht einem winzigen Hauch grün, was R. gar nicht gefiel, ich aber nicht so recht wahrhaben wollte und drauf rumritt, dass dies bestimmt Schleim sei und nicht das Fruchtwasser, das diese Farbe habe. Alte Möchtegern-Besserwisserin ich!


R. bezog also die Gebärstube im Dach (normalerweise dient das Dachgeschoss als kleine Gästewohnung oder als Raum für Spieleabende mit Freunden), wo nebst der üblichen Einrichtung seit einer Weile mein neuer Hängesessel inkl. Gestell und daran befestigtem Tragetuch sowie ein geliehener Gebärpool auf ihren Einsatz warteten. (Das Hängesesselgestell stellte sich übrigens als sehr hilfreiches Gebärmöbel raus.) R. platzierte also ihre sieben Sachen, beauftragte meinen Mann, schon mal den Pool zu füllen und liess sich von mir zeigen, wo ich das ganze Zeug für die HG lagerte. Sie bereitete das Bett vor, fing an, den Bericht zu schreiben usw. Ich stand derweil in der Szene wie ein riesengrosses Fragezeichen. Hallo? Ich hatte doch nicht mal mehr Wehen? Was drängt die mich jetzt so? R. bemerkte, dass ich blockierte. Sie schlug mir vor, mir den Bauch und die Füsse zu massieren, um die Wehen wieder anzuregen. Währenddessen versuchte sie mir klar zu machen, dass ich langsam mal loslassen und diese Geburt passieren lassen sollte. Der Blasensprung war schon fast 12 Stunden her und wir hätten nicht ewig Zeit, es werde irgendwann zu riskant. Sie versuchte, mit mir zu analysieren, was quasi „in meinem Kopf nicht stimmte“, was der Grund sein könnte, warum die Wehen nun nicht mehr wollten. Ich fühlte mich zunehmend unter Druck gesetzt und war irgendwann ziemlich angesäuert. Ich sagte R., dass dies nichts bringe. Dass ich mich etwas überfahren fühle von ihr und ich den Knoten vermutlich nur lösen kann, wenn sie nochmals nach Hause geht. Öhm. Hatte ich gerade meine Hebamme heim geschickt?! Jup… Sie wollte mich aber vorher noch untersuchen: 5 cm offen. Hä? Und das ohne „richtige“ Wehen? Fand ich ziemlich cool… Ich sagte R., dass ich mal gemütlich einen Kaffee trinken und mich dann um die eben „richtigen“ Wehen kümmern würde. Sie würde dann von mir hören, wenn's los ginge. Ich trottete also die Treppe runter, ging in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine ein, während R. oben ihren Bericht noch nachführte. Was sie wohl schrieb?


Etwa 20 Minuten später traf sie ein und untersuchte mich erneut. Sie war ganz euphorisch und ich bildete mir kurz ein, möglicherweise schon fast ganz offen zu sein - wusste es aber insgeheim besser. Naja, ein bisschen träumen darf man ja… Wir waren also immer noch bei 5 cm, aber der Gebärmutterhals war nun ganz verstrichen, alles butterweich und das Köpfchen drückte auch endlich da hin, wo es sollte. Letzteres hatte ich mir schon gedacht. Schliesslich zerriss es mir mittlerweile bei jeder Wehe fast das Becken in alle Richtungen, höhö… Auch im Rücken machten sich die Wehen ziemlich unerträglich bemerkbar und an der Stelle fing ich zeitweise an, mich für die Entscheidung zur Hausgeburt zu verfluchen. Zumindest so ein bisschen. Vor allem hätte ich gern mehr als 5 cm gehabt, dann wäre ich motivierter gewesen. Hmpf. R. unterstützte mich jedoch sensationell bei meinen „Powerwehen“, indem sie mir das Kreuzbein und das Becken massierte und mich von hinten leicht in die Knie zwang. Gut, für Letzteres hätte ich ihr manchmal an die Gurgel gehen können, da ich aber spürte, wie unser Bub dadurch besser ins Becken drücken konnte und wusste, dass es dadurch schneller gehen würde, war ich ihr trotzdem dankbar für diesen, ähm, "sanften Zwang". Oder vielleicht doch besser "kompetente Führung". Sie fragte mich, ob ich Lust hätte, mal in den Pool zu steigen. Joah, kann man ja nochmal machen – ihr wisst schon, das Teil sollte ja nicht nur vergeblich da rumstehen und so. Aber schon bald war klar: Der Pool und ich sind kein gutes Team, um ein Baby zu gebären. Zurück an Land war ich dann vor lauter Nässe und Anstrengung erstmal nur am schlottern. Und genau in dem Moment, als R. und GG mich abrubbelten, überfiel mich auch noch eine Wehe und ich suchte schlotternd nach Halt (lieben Dank ans Hängesesselgestell!). Wieder so ein Moment, wo ich innerlich fluchte über meine Dämlichkeit, eine chillige Hausgeburt zu wollen – wobei die ersten 5 cm also wirklich chillig waren, muss man sagen!

Die Schmerzen waren inzwischen so stark, dass die Drogenflut über meinen Körper reinbrach und ich zwischen den Wehen lauter dumme Sprüche machte. Oder meine fantastischen Wehen lobte. Oder mich selber lobte, wie toll ich das mache, chchch... Und als mein Mann mal einfach alle Fenster aufriss zwecks Frischluft, während ich lautstark "oooooooohhhhh uuuuuuuhh haaaaaaahhh" durch die Nachbarschaft hallen liess, musste ich nach überstandener Wehe einfach aus dem Fenster brüllen: "Sooo liebi Nochbers, jetz wüssters! Aber mir schicke euch de glich nones Chärtli!" R. und GG fanden meine Äusserungen wohl ziemlich amüsant. Nach einigen weiteren "oooooohhh huuuuuuh haaaaaah's" und etwa 2 Stunden nach R.‘s Eintreffen wollte sie mich wieder untersuchen. Sie tastete nach dem Mumu und jubelte schon wieder in den höchsten Tönen und ich dachte so bei mir: „Wenn mer jetz ersch bi 6 cm si und du wäge däm sone Ufstand machsch, de schicki di grad nomau hei…“ Ich hatte sowas von keinen Bock mehr, brachte aber noch den tollen Spruch: „Das isch jo wohl dr Nachteil binere Husgeburt. Do chasch nid eifach säge, du gohsch jetz hei…“ Schenkelklopfer... Nein, eigentlich hatte ich wirklich gerade den berühmten Motivations-Totalausfall, aber ich wusste ja insgeheim, dass das ein gutes Zeichen war. Ich hatte ja schliesslich schon oft gelesen, dass Frauen, die keinen Bock mehr haben und finden „macht den Scheiss doch selber“, sich mitten in der Übergangsphase befinden (bei der ersten Geburt hatte ich diesen Moment nicht, da war ich einfach nur k.o. und irgendwo ganz weit weg...). Und so war es auch. Auf stolze 9 cm hatte ich es geschafft in der (für mich) kurzen Zeit! Der Waaaahnsinn! R. hechtete förmlich zu ihrem Handy, um L., die Gynäkologin, anzurufen, die beim Endspurt dabei sein sollte (für noch mehr Sicherheit, liebe Schwiegermama...). Zum Glück hatte L. es nicht weit und war schon da, als ich kurze Zeit später mit der ersten halben Presswehe den letzten Saum vom Mumu vernichtet hatte. Vollständig! Woohooo! Die beiden Frauen und mein Mann richteten im Turbomodus die Gebärstätte mit Hocker unter dem Hängesesselgestell ein, wo ich ein Tragetuch zum festhalten dran befestigt hatte. Das mit dem Hocker hatte ich so zwar nicht bestellt, aber die Idee schien mir gut. Ja doch, so machen wir's!

R. und GG halfen mir vom Bett hoch, wo ich in der Zwischenzeit 2 oder 3 Wehen verbrüllt hatte und begleiteten mich zum Gebärhocker. Das hatte zugegebenermassen schon ein kleines bisschen was von „zum Henkersplatz geführt werden“. Nun sass ich also auf dem Hocker. Mein Mann setzte sich hinter mich, so dass ich mich an ihn lehnen konnte. R. war rechts und L. links von mir und alle sprachen mir gut zu, während ich presste und röhrte. Es kam mir alles uuunglaublich schnell vor und ich fühlte mich total mitgerissen von dieser Urgewalt. Ja ok, schön ist anders, aber es war einfach nur… WOW! Zumindest für eine halbe Sekunde oder so. Dann setzte das Dehnen und Brennen in der Scheide ein und ehrlich gesagt fand ich das ziemlich Scheisse.



Und dann feuerte sie mich an (ich habe es immer noch ganz klar im Kopf…): „Super C., witer so, immer witer! Geeenau, schieb schieb schieb… SUUUUPEEEER, S’CHÖPFLI ISCH DA!“ In meinem Hirn nur noch in Endlosschlaufe: "Boah, ig mache das würklech, ig cha das würklech!“ Und dann höre ich wieder R., die mir freudig zuruft: „Nimm dis Ching!“ Völlig belämmert fasse ich nach unten, greife unseren Sohn unter den Schultern und in dem Moment flutschen erst seine Beinchen aus mir raus und ich kann ihn direkt zu mir hoch nehmen. Es ist 20.24 Uhr. Er würgt ein bisschen, spuckt Schleim und lässt dann seinen ersten Schrei hören. In meinen Armen! Ich glaube, das war der schönste Moment meines Lebens…
R. und L. stützen mich und helfen mir beim Aufstehen, damit ich aufs Bett rüber kann, die Plazenta gebären. Die Schmerzen sind schon fast vergessen und ich find’s schon wieder unglaublich witzig: Jetzt latsche ich doch tatsächlich da rüber mit einer zwischen den Beinen baumelnden Nabelschnur.

Ich durfte also diese zweite Geburt mit allem drum und dran genau so erleben, wie ich mir das aus tiefstem Herzen gewünscht, erträumt und in zahlreichen Fantasien ausgemalt hatte. Ich bin so dankbar und glücklich. Jetzt bin ich mit dem Gebären versöhnt. Denn ich weiss jetzt: Ich muss nicht "entbunden werden". Ich kann gebären. Wenn man mich nur lässt...

Hausgeburten sind, wenn alles passt, etwas ganz, ganz Tolles. Findet wohl auch unser Sohn. Ich hielt bisher solch zufriedene Babys für ein Gerücht. Aber es scheint sie wirklich zu geben und ich denke, in unserem Fall hat die friedliche Hausgeburt wesentlich dazu beigetragen!