Spannende Diskussion, die ihr da führt. Noch meine 5 Cents zu den Themen:
@ Gendern
Ich gendere, wenn es sich ergibt, je nach Text. Am liebsten benutze ich eine allgemeine Form (Mitarbeitende etc.). Wenn nicht, dann ist es aber eine "Pflicht", die männliche und weibliche Form zu nennen. Ich gebe zu, für mich ist das auch in (Fach)texten ein absolutes Qualitätsmerkmal. Stolpere ich in einer Fachzeitschrift oder einer Zeitung über einen neueren Text mit den generischen Maskulinum, speichert mein Gehirn diesen als "nicht so entscheidet" oder "veraltet", wobei es dann davon ausgeht, dass auch der Inhalt veraltet ist. Neulich war ich auf einer Weiterbildung und nur ein Dozent hat das generische Maskulinum benutzt. Nach der Weiterbildung fragte mich ein Kollege, wie ich die einzelnen Beiträge fand und ich gab für diesen Dozenten eine eher schlechte Rückmeldung. Auf die Nachfrage meines Kollegen, warum er nicht so gut war, hatte ich tatsächlich keine Antwort. Ich hätte auch nicht mehr sagen können, was er tatsächlich erzählt hat, im Gegensatz zu den anderen Dozierenden. Gerade in meinem Metier ist die Sprache das wichtigste Werkzeug überhaupt und wer sie nicht pflegt und entsprechend einsetzt, bei dem frage ich mich, wie gut er oder sie sein Fach beherrscht.
Was ich aber wie sonrie nicht verstehen kann, ist die fast aggressive Reaktion mancher, wenn jemand gendert. Mir scheint, es sind immer die gleichen Personen (oder v.a. allem Politiker:innen

), die von der woken Sprachpolizei, die eine Verbotskultur will, sprechen und gleichzeitig Gendersterne am liebsten verbieten würden

Ich erwarte es ja das gendern von niemanden. Umkehrt wäre jedoch auch etwas Toleranz gefragt, denjenigen, die gendern wollen, das zu lassen.
Auch nicht ganz nachvollziehen, kann ich das Argument, dass die Inklusion, andere ausschliesst. Wenn das so ist, dann müsste doch da angesetzt werden und eine Lösung für alle finden, anstatt auf die Inklusion zu verzichten. Sprachprogramme können den Doppelpunkt (teilweise auch den Stern) durchaus lesen. Das ist also heute technisch keine Frage mehr. Texte erscheinen online immer öfters mit Sprachfunktionen, auch zugunsten der Menschen, die mit dem Lesen Mühe habe. Zudem ist häufig ein Text, wo man "Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen" durchzieht, viel schwerer zu lesen, da viel mehr Text, als wenn Mitarbeiter*innen steht.
@ "Biologie"/"Theater" / Teenager
Es ist sicher richtig, dass das Geschlecht (sowohl gender wie auch sex) ein Thema ist. Es wurde aber lange genug unter dem Teppich gehalten, daher ist es doch gut, kommt es zur Spreche. Non-binäre, intersexuelle und transsexuelle Menschen sind immer in der Unterzahl. Sie begegnen Tag für Tag so viele Punkte, wo sie nicht reinpassen. Es bleibt ihnen nichts anders übrig, als laut zu sein, um gehört zu werden. Vermutlich hat jede hier die Diskussion um die intersexuellen Boxerinnen gelesen. Nach dieser wundert es mich tatsächlich, dass Menschen immer noch von "zwei biologischen Geschlechtern" sprechen und davon ausgehen, es geht "nur ums fühlen". Hää? Sie sind so auf die Welt gekommen. Sie und einige Tausend andere, auch wenn es ein eher kleiner Anteil der Bevölkerung ist. Zudem überzeugt das Argument "biologisch" ohnehin nicht. Gehört denn unsere Psyche nicht zur Biologie? Zudem finde ich es extrem schräg, dass Geschlechteridentitäten und sexuelle Orientierungen ständig vermischt werden. Das eine hat doch mit dem anderen wenig zu tun. Dass die Betroffenen im Kampf um Akzeptanz zusammenspannen, kann ich nachvollziehen. Aber ansonsten sind es doch zwei komplett verschiedene Dinge.
Ich habe auch 2 Teenager zu Hause und bekommen daher einige mit. Selbstfindungsprobleme sind da normal, war es aber wohl zu jeder Zeit. Dass sie aber nun mehr Mühe haben, da es angeblich mehr "Auswahl" gibt, sehe ich nirgends. Diese gab es ja schon immer, man sprach einfach nicht oder anders darüber. Mein Gottikind ist trans und als meine Kinder vom neuen Namen gehört haben, zuckten sie mit den Schultern und meinten, ok. Gleiches, wenn sie von einer non-binären Person hören. Gerade der Gedanke, dass es ok ist, man selbst zu sein, befreit. Gleich wie es ok ist nonbinär zu sein. Oder eben homosexuell etc. Genauso ist es kein Problem cis und hetero zu sein. Warum auch?
Unisextoiletten: Ja, bitte. Überall. Kein Anstehen, kein Durchkämpfen durch Frauenhorden vor dem Spiegel, keine Wickeltische nur in Frauen-WCs, kein Überlegen, ob das Kind mit dem anderen Geschlecht als der begleitende Elternteil schon alleine gehen soll/kann/muss. Das wäre extrem befreiend. Solange es eine Türe vor der Schüssel gibt, ist mir alles andere egal
@ Kulturelle Aneignung
Es gibt dazu viele gute Texte, die es erklären. Was ich aber (als weisse Frau mit einem Migrationshintergrund) am wichtigsten finde: Warum müssen wir darüber urteilen? Warum müssen wir es verstehen, damit es ok ist? Ich denke, dass dies, gleich wie im Übrigen auch viele andere Dinge, die rassistisch (oder auch sexistisch) sein können, viel einfacher wären, wenn wir uns sagen würden:
"Ok, es gibt eine Kolonialgeschichte und es gibt Diskriminierung nicht-weisser Menschen, die immer noch anhält. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind alltäglich. Und man muss natürlich auch selbst kein Kolonialherr oder ein Rassist sein, um als weisse Person davon zu profitieren. Das tun wir alle und das ist Fakt.
Ich bin selbst nicht betroffen und damit privilegiert. Wenn daher Menschen, die betroffen sind, mir sagen, dass sie ein Ausdruck oder eine Handlung stört oder verletzend ist, dann fällt mir doch kein Zacken aus meiner privilegierten Krone, das einfach zur Kenntnis zu nehmen und mich daran zu halten. Ich muss es nicht zu 100% nachvollziehen können. Ich muss es nicht einmal verstehen. Es ist schlicht nicht an mir darüber zu urteilen, ob ein Kulturgut, einer Kultur, der ich nicht angehöre, weitergegeben werden soll oder nicht. Das ist nicht meine Sache. Daher höre ich den Menschen zu, die es betrifft und folge ihren Wünschen. Mir wird dadurch nichts genommen.
Und logisch ist es umgekehrt anders, da eben diese Unterdrückungsgeschichte und auch Diskriminierungen, die bis heute andauern, nicht vorliegen."